GUNS N´ROSÉ. KONSERVATIVE FRAUEN EROBERN DIE USA

Ein reht zügig zu lesendes Portrait eines in Europa wenig wahrgenommenen Aspekts der rechten Kulturrevolution in den USA

GUNS N´ROSÉ (2022) nennen Annett Meiritz und Juliane Schäuble etwas flapsig ihre Studie über konservative Frauen in den USA (wie es im Untertitel heißt). Sie wenden sich – beide wohl eher im linksliberalen Spektrum beheimatet – einem Phänomen zu, das in Europa selten bis gar nicht wahrgenommen wird: Jenen Frauen, die, sehr selbstbewusst und sich durchaus auf den Feminismus berufend, der Grand Ol´ Party (GOP), also jener Partei Abraham Lincolns, die einst auch gegründet wurde, um die Sklaverei zu beenden, seit geraumer Zeit ihren Stempel aufdrücken. Und die dabei oftmals, wenn auch nicht ausschließlich, jenem Anführer huldigen, an dem in den USA seit etwa 7 Jahren niemand vorbeikommt, der etwas werden will in dieser Partei: Donald Trump.

Trump ist hier immer die stille Eminenz im Hintergrund, der König, der Gunst gewährt und entzieht, der Führer, der Karrieren befördert und zerstören kann, wenn ihm danach ist. Und es erstaunt gerade in Deutschland, wie sich eine an sich ehrwürdige (wenn auch seit fast 30 Jahren auf einer Rutschbahn gen rechts sich befindende) Partei sich derart einem einzigen Mann ausliefern kann, der offensichtlich sowohl die Politik als solche, als auch demokratische Parteien im Besonderen verachtet.

Doch geht der Blick der Autorinnen weit über das Offensichtliche hinaus. Sie stellen eine ganze Riege von Frauen vor, deren Namen in Deutschland oder Europa wahrscheinlich eher nicht bekannt sind. Sicher, auch hier kommen jene Namen in die Medien, die für besonders radikale Auswüchse stehen: Marjorie Taylor-Greene, die gern bewaffnet durch den Kongress rennt und Verschwörungstheorien verbreitet, darunter natürlich vorneweg jene, Trump sei die Wahl 2021 „gestohlen“ worden; Kari Lake, ebenfalls unbeirrte Trump-Anhängerin, die das Narrativ des „Wahlklaus“ ihrerseits nutzte, um die eigene Niederlage bei der Wahl zur Gouverneurin in Arizona zu erklären. Natürlich kennt man hier auch Namen wie Liz Chaney, eine der wenigen Aufrechten in der GOP, die sich gegen Trump wendete und sich auch dem Untersuchungsausschuss des Kongresses zur Ermittlung der Vorgänge rund um die Stürmung des Kapitols im Januar 2021 als lediglich eine von zwei republikanischen Abgeordneten zur Verfügung stellte. Und auch den Namen der jungen, sehr linken Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez kennt man hier, sie wird im Buch häufig als Gegenmodell und auch politische Gegnerin, allerdings auch als Spiegel herangezogen. Sie bietet einen Spiegel für eben jene konservativen Frauen, deren Namen hier weniger bekannt sind, die aber mehr und mehr Einfluss in der Partei und somit der Politik erlangen.

Meiritz und Schäuble widmen sich also den vielen in den USA wesentlichen Damen, deren Macht wir hier kaum begreifen, da wir nur wenig über die Organisation amerikanischer Politik wissen. Vor allem die diversen Vorfeld-Organisationen, die massiven Einfluss auf Politiker, die Parteien aber auch auf die Wähler haben, dürften in Deutschland nur wenige kennen. Da gibt es Vereine für konservative Frauen, solche speziell für Mütter, es gibt Kongresse und Veranstaltungen, auf denen diese Klientel ihr Programm ausarbeitet und vorstellt und von denen insofern Macht ausgeht, als sie bestimmte Personen in den Vordergrund stellen, gewissen PolitikerInnen Vertrauen aussprechen und ihre Kandidaten unterstützen, was nicht zuletzt bedeutet, daß sie Spenden sammeln und für Wahlkampfunterstützung sorgen können.

So beschäftigen sich die interessanteren der elf Kapitel denn auch nicht mit den radikalsten Repräsentantinnen wie Taylor-Greene oder der früheren Tea-Party-Ikone Sarah Palin, die allerdings auch vorkommt, sondern mit den eher gemäßigten Frauen in den vielen Organisationen, die sich für bessere Bedingungen an Schulen oder an Universitäten einsetzen, darunter allerdings auch jene, die bspw. eine zu frühe Sexualkunde ablehnen oder Themen wie Homosexualität und LGBTQ gleich ganz aus dem Unterricht verbannt wissen wollen. Es geht schließlich so oder so um konservative Frauen.

Eines der bestimmenden Themen für diese Frauen und damit auch einer der roten Fäden des Buchs ist das Thema Abtreibung. Für Konservative ein Dauerbrenner seit 1973, als der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten (Supreme Court) das Abtreibungsrecht liberalisierte und es Frauen landesweit erleichterte, einen Schwangerschaftsabbruch herbeizuführen. Seither ist das Thema eines der großen ideologischen Schlachtfelder zwischen Konservativen und Liberalen. Als Donald Trump in seiner Amtszeit gleich drei extrem konservative Richter am Obersten Gerichtshof installieren konnte, glaubten die Konservativen an einen Durchbruch. Und tatsächlich: Am 24. Juni 2022 hob das Gericht das Urteil nach nahezu 50 Jahren auf. Wesentlich daran beteiligt war Amy Coney Barrett, eine tiefgläubige Katholikin, die während der Anhörungen zu ihrer Ernennung noch darauf bestanden hatte, daß persönliche Überzeugungen eine Richterin niemals ihre Beurteilungen leiten dürften, sie vielmehr immer den Gesetzestexten verpflichtet sei. Barrett bewies mit ihrer Stimme, daß sie sehr wohl verstanden hatte, was von ihr erwartet wurde. Und sie lieferte.

Amy Coney Barrett ist sicher eine jener Figuren, auf die es die Autorinnen abgesehen habe, wenn sie „konservative“ Frauen in den Fokus nehmen. Anhand dieses Beispiels können sie auch ein weiteres Thema aufgreifen, welches auch in Bezug auf Abtreibung, Unterrichtsinhalte oder Sexualität eine wesentliche, ebenfalls für (West)Europäer schwer zu begreifende Rolle spielt: Den Glauben. Nun ist Coney Barrett eine Katholikin, sehr viel weitreichender und einflußreicher sind hingegen die Evangelikalen, unter denen ebenfalls viele Frauen in wesentlichen, also mächtigen Positionen sind. Kein Land der westlichen Hemisphäre, welches sich „dem Westen“ zuordnet, ist derart intensiv auch vom Glauben geleitet, in wenigen Ländern spielt der Glaube eine solch wesentliche Rolle. Er steht für Tradition, Familienwerte und eine immer konservative Weltsicht. Und mit ihm wird auch ein Bogen geschlagen zu jenen Frauen, deren Engagement für die Republikaner auf den ersten Blick widersprüchlich anmutet.

Denn noch interessanter werden die Untersuchungen dort, wo sie sich mit Frauen auseinandersetzen, von denen man vielleicht eher erwarten würde, sie bei den Demokraten zu finden: Schwarze Frauen und Latinas. Doch gerade unter Letzteren finden Meiritz und Schäuble einige, die ausgesprochen konservative Haltungen vertreten. Die Autorinnen weisen in diesem Zusammenhang auf ein in Europa weitgehend verdrängtes Phänomen hin: Viele Hispanics – Menschen mit lateinamerikanischem oder auch karibischem Hintergrund – vertreten schon aus Tradition eher konservative Werte, halten die Familie als Hort und Rückzugsort hoch, sind oftmals selbst eher homophob eingestellt, da sie aus einer Kultur des Machismo stammen. Und viele von ihnen sind eben sehr gläubig. Sie sind, nimmt man es genau (vielleicht vergleichbar großen Teilen der türkischen Gemeinden in Deutschland, die zum Erstaunen deutscher Kommentatoren bei Wahlen regelmäßig ihre Stimmen Erdogan geben, obwohl sie in Deutschland die Vorteile einer pluralistischen Gesellschaft und einer liberalen Demokratie genießen), eher Teil der konservativen Gemeinde, damit den Republikanern näherstehend und eher deren Wählerpotential zuzuordnen.

Annett Meiritz und Juliane Schäuble gelingt mit solchen Betrachtungen dann doch mehr, als nur eine Bestandsaufnahme konservativer Eliten in den USA. Es gelingt ihnen eben auch, Hintergründiges zu diesem Land und seiner Gesellschaft zu liefern, Allgemeingültiges, woraus sich dieses Land ein wenig genauer verstehen lässt. Sozusagen sind die „Nebenaspekte“ ihres Berichts fast interessanter, als das Kernthema. Doch auch dazu wissen die beiden einiges beizutragen, eben weil sie das Augenmerk auf die in Europa, speziell Deutschland, eher unbekannten Personen, Organisationen und Vertretungen richten.

Es ist ein guter und recht zügig lesbarer Beitrag zu einer größeren Diskussion darüber, wieso und weshalb sich Europa (zumindest in Teilen – jenen Teilen, die noch an eine liberale Gesellschaft glauben) und die USA seit geraumer Zeit voneinander zu entfernen scheinen. Es ist ein Ausschnitt und natürlich ist die Diskussion damit keinesfalls beendet, das letzte Wort auch hier nicht gesprochen. Aber einen etwas tieferer Einblick in ein Land, eine Gesellschaft, welche scheinbar vor einem tiefgreifenden kulturellen Wandel, vielleicht einem Kulturkrieg, sollte es ganz übel kommen gar einem Bürgerkrieg steht, bietet das Buch allemal.

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