REDACTED
Brian De Palma untersucht die mediale Verbreitung des Krieges - leider nicht so, wie es das Thema erfordert
Während ihres Einsatzes im Irak werden einige Soldaten einer amerikanischen Einheit von Journalisten, sogenannten „embedded journalists“, begleitet. Vegleichsweise offen zeigen Angel Salazar (Izzy Diaz), Reno Flake (Patrick Carroll), B.B. Rush (Daniel Stewart Sherman), Lawyer McCoy (Rob Devaney) und Befehlshaber James Sweet (Ty Jones) ihre Verachtung für die Bewohner des Landes, zu dessen Besatzern sie gehören. Ihre Aufgabe ist es, einen Kontrollpunkt zu bewachen, die ankommenden Wagen auf Bomben etc. zu kontrollieren. Salazar, der von einer Filmhochschule in Amerika abgelehnt wurde, filmt den Alltag der Männer, der aus Warterei, Langeweile und Dienst in der Hitze besteht, um damit später ein Projekt für einen erneuten Anlauf auf der Hochschule zu realisieren.
Innerhalb der Gruppe herrschen Spannungen, weil die Wortführer – durch Südstaatenflaggen und häufig geäußerte rassistische Bemerkungen als reaktionär markiert – wenig bis keinen Widerspruch erdulden. Nach einem Vorfall, bei dem eine Schwangere am Kontrollpunkt getötet wurde und einige der Männer die Opfer verhöhnt haben, kommt es zu ersten offenen Auseinandersetzungen zwischen McCoy und den Rädelsführern. Sweet gelingt es nur mit Mühe, die Feindschaften zu kontrollieren. Eines Morgens fordert er einen der Untergebenen auf, einen Abfallhaufen zu kontrollieren, da dieser eine Sprengfalle sein könnte. Die Kontrolle war eher oberflächlich, woraufhin Sweet Opfer der nicht gefundenen Sprengladung wird. Es zerreißt ihn. Daraufhin wird das Platoon eingesetzt, Hausdurchsuchungen durchzuführen, es müssten Verdächtige gefunden werden. Das journalistische Kamerateam wird Zeuge, wie die Männer brüllend in Häuser eindringen, die Bewohner demütigen und teils auch mißhandeln.
Unter den Männern herrscht eine dauerhafte Sexualisierung, nahezu alles Sperechen mündet in sexuelle Bezüge. Nach der Hausdurchsuchung, bei der man auch auf ein Mädchen traf, das man vom Check Point kennt, sind Rush und Flake extrem aufgeheizt und kehren nachts zu dem Haus zurück. Salazar folgt ihnen und filmt, was nun geschieht: Die Bewohner werden alle getötet, auch Frauen und Kinder werden bestialisch hingemetzelt, dann vergewaltigen die beiden Soldaten das Mädchen, töten es und zünden den Leichnam an.
Während einer Routinepatrouille wird Salazar sozusagen live vor der eigenen Kamera entführt. Später wird auf einer islamistischen Webseite seine Enthauptung gezeigt. McCoy, der Salazars Kamera gesichert hat und weiß, was Flake und Rush getan haben, leidet zusehends unter Gewissensbissen. Er wendet sich an seinen Vater, einen Veteran, der ihn eindriglich bittet, die Geschichte zu vergessen, man schwärze seine Kameraden nicht an, was im Krieg passiere, bleibe im Krieg. McCoy entscheidet aber anders und meldet den Vorfall bei seinen Vorgesetzten. Er, Rush und Flake werden verhört, aus den Verhören geht hervor, daß die Täter wahrscheinlich mit einer geringfügigen Strafe zu rechnen hätten.
McCoy kehrt schließlich heim, auf einer Welcome-Home-Party bricht er jedoch weinend in den Armen seiner Freundin zusammen.
Seinen bis dato einzigen Kriegsfilm hatte Brian de Palma 1989 vorgelegt. Im Vietnamkriegsdrama CASUALTIES OF WAR (1989), das damals wie ein kalkulierter Nachzügler der gerade abebbenden Welle von Vietnamkriegsfilmen wirkte, hatte De Palma die beunruhigende Frage nach Schuld und Unschuld in Zeiten des Krieges gestellt, allerdings auf letztlich reaktionäre Art und Weise beantwortet, indem er seinen Hauptprotagonisten, der im vietnamesischen Dschungel die Vergewaltigung eines einheimischen Mädchens nicht verhindern konnte, dann aber unter Risiko des eigenen Lebens versucht, ihr zur Flucht zu verhelfen und schließlich ein Kriegsgerichtsverfahren in Gang zu setzen versucht, als aufrechten Amerikaner in widrigen Zeiten präsentierte. Der Hauptdarsteller dieses Dramas, der „all american boy“ Michael J. Fox, im gleichen Jahr mit BACK TO THE FUTURE PART II (1989) in seiner Paraderolle als Marty McFly immens erfolgreich und somit unter den führenden Stars jener Tage, kann Geschehenes zwar nicht mehr geraderücken, doch als aufrechter Amerikaner ist er nicht bereit, im Namen seines Landes geschehenes Unrecht auf sich beruhen zu lassen. De Palma gab sich Mühe, in den die Schändung des Mädchens umgebenden Handlungsabläufen ein Bild des Krieges zu malen, daß ein Verbrechen wie die Vergewaltigung als eine Art Kollateralschaden erscheinen ließ, ohne sie dabei entschuldigen zu wollen.
Daß der Vietnamkrieg alles andere als eine saubere Angelegenheit gewesen ist, war 1989 bereits ein Klischee. Zu seiner Spezifik schien nach Oliver Stones PLATOON (1986), über den modernen Krieg generell mit Stanley Kubricks FULL METAL JACKET (1987) alles gesagt. Werke wie HAMBURGER HILL (1987) hatten dem wenig hinzuzufügen und exerzierten schließlich dasselbe wieder und wieder durch. So balancierte De Palmas Film auf einem schmalen Grat, konnte man sich aus ihm – darin Stones Standardwerk nicht unähnlich – doch durchaus die Einstellung heraus interpretieren, die einem genehm war. Wer die Narration einer Nation benötigte, die unterm Strich „sauber“ geblieben ist, die letztlich durch das Handeln einiger weniger Verirrter in den Dreck gezogen wurde, dem bot der Film genau diese apologetische Lesart an. Wer den Krieg in Südostasien für ein Menschheitsverbrechen hielt und gerade in diesem zehn Jahre währenden Konflikt mit all seinen Widerlichkeiten technischer, psychologischer und sozialer Natur den Prototyp jener kommenden Kriege sah, konnte sich in der Annahme, daß jeder Krieg strukturell die gezeigten Gräueltaten hervorbringt, bestätigt sehen. Man wird lange suchen müssen, bis man einen in oder durch Hollywood produzierten Film findet, der die Institution des U.S.-Militärs grundlegend in Frage stellt. Zu verwoben mit der Zivilgesellschaft ist die Armee, zu wichtig als Arbeitgeber, als soziale Leiter, als Aushängeschild und Identifikationsmuster.
2007 erst wendet sich De Palma – längst nicht mehr so erfolgreich wie in den 1980er Jahren, seiner erfolgreichsten Dekade – noch einmal dem Sujet des Kriegsfilms zu. In den achtzehn Jahren seit CASUALTIES OF WAR hat sich vor allem das Szenario, weniger die Natur dieser Kriege geändert. Was in Vietnam begann, setzte sich gerade in den militärischen Konflikten der Amerikaner in den 1980er und 1990er Jahre massiv fort: Asymmetrisch geführt, glichen sie immer mehr denen einer Supermacht gegen eine Guerillatruppe, die mit allen Mitteln, auch denen des Terrors, arbeitet und den Krieg damit zwangsläufig in die Zivilgesellschaft trägt. So wurden ganze Nationen und kontinentale Gegenden in völliges und nach wie vor herrschendes Chaos gestürzt. Nur fanden diese Auseinandersetzungen eben nicht mehr in tropisch heißen Dschungeln bei hoher Luftfeuchtigkeit statt, sondern in noch heißeren Wüsten unter sengender Sonne. Was sich durchaus geändert hat, obwohl auch diese Entwicklung mit dem Vietnamkrieg ihren Ausgangspunkt nahm, war die Art der Berichterstattung und vor allem ihre Verbreitung.
War der Vietnamkrieg der erste TV-Krieg überhaupt[1], so sind die Kriege seit der Jahrtausendwende digitale Kriege, im Internet in Livestreams und in den sozialen Netzwerken jederzeit abrufbar, Töten in Echtzeit. Zudem ist die Herstellung von Filmmaterial heute eine Kleinigkeit. Kameras sind heute in unsere Smartphones integriert, ihre Qualität kann zum Teil mit der hochauflösender Kameras mithalten, sie haben eine eigene ästhetische Komponente hervorgebracht, das einst verpönte, weil flache Videobild hat heute in jedem rasant geschnittenen Mainstreamthriller seinen Platz. Diese technischen Errungenschaften haben aber auch die Art des Krieges verändert. Bilder zu produzieren ist heute für alle Seiten eines Konflikts – und es sind lange schon nicht mehr zwei oder drei, es sind oft unüberschaubar viele, mit vollkommen unterschiedlichen Zielen – maßgebliches Mittel im Kampf. Kein Terroranschlag der Welt, nicht einmal der auf die Türme des World Trade Center 2001, wäre auch nur einen Deut wert, wenn es keine Bilder – filmische wie fotografische – davon gäbe. Ob wir Gefangene foltern oder zeigen, wie uns eine Bevölkerung freudig willkommen heißt, ob uns gezeigt wird, wie einem der unsrigen der Kopf bei lebendigem Leibe abgetrennt wird oder wir wir sehen, welch sinnig durchdachten Konstruktionen sich Beduinenvölker schon vor Jahrhunderten haben einfallen lassen, um ihre Oasen fruchtbar zu machen[2] – die Inszenierung, das Bild ist wichtiger als der eigentliche Inhalt der Bilder. Sie sollen Angst und Schrecken verbreiten, oder sie sollen uns einnehmen für etwas – manchmal beides in einem.
Brian De Palma, selten um formale Spielereien verlegen, immer an technischer Machbarkeit interessiert, greift die (post)modernen medialen Bilder auf und bietet in REDACTED (2007) eine sogenannte Mockumentary – einen fiktionalen Dokumentarfilm – , der angeblich aus Originalmaterial zusammen gestellt wurde. Da ist das Material, daß Salazar während seiner Zeit im Irak gefilmt hat, mit dem er sich bei einer Filmhochschule bewerben wollte; da sind diverse Internetseiten, die Bildmaterial stellen; es gibt Bilder aus Überwachungskameras usw. De Palma nutzt also das seit dem Hexenhorrorfilm THE BLAIR WITCH PROJECT (1999) so überaus beliebte Mittel des „found footage“ – angeblich gefundenen oder wiedergewonnen Originalmaterials – und nutzt es für seine fiktive Dokumentation, auf deren fiktionalen Charakter zu Beginn des Films explizit hingewiesen wird, während zugleich jedoch auch hervorgehoben wird, daß alles, was man sähe, auf wahren Begebenheiten beruhe. Und ganz offensichtlich beruhen die gezeigten Bilder auf ihren teils hoch expliziten realen Vorbildern. Spätestens mit einem online gestellter Film, der Salazars Enthauptung durch ein islamistisches Kommando zeigt, wird das Spiel mit Wahrheit und Fiktion, mit „echten“ und „echt falschen“ Bildern virulent. Denn die Szene ist ganz offensichtlich gestellt und ebenso offensichtlich einem realen Vorbild nach-gestellt. De Palma will offenbar auf die Wechselwirkung all jener über Jahrzehnte angelaufenen fiktionalen Bilder aus Hollywood und ihren immer etwas schlechteren realen Entsprechungen abzielen, welche nie mit den Spezialeffekten der entsprechenden Abteilungen in den Studios mithalten können. 9/11 und alles, was es impliziert, sah nie so gut aus, wie die Explosionen in einem Stallonefilm – aber es war eindeutig durch die Wirkmächtigkeit spektakulärer Bilder motiviert.
Doch ist De Palmas Geschichte zu konventionell, als daß sie die postmoderne Erzählstruktur rechtfertigen würde. Denn im Kern ist es die gleiche Geschichte, ja, es sind sogar ähnliche Charaktere wie in dem älteren Film. Wieder steht eine Vergewaltigung im Zentrum des Geschehens, wieder haben wir es mit einem „Platoon“ zu tun, in dem der Gruppendruck enorm ist und ein einzelner sich müht, seine Würde zu bewahren, indem er das richtige tut, auch wenn er sich gegen seine Kameraden, ja, gegen die eigene Familie stellen muß. Anders als in CASUALTIES OF WAR wird hier die Dynamik des Krieges, seine innere Logik selbst als Auslöser für die Gewalt gekennzeichnet. Wie im älteren Film werden die Mitglieder des Platoons als rassistisch, vergleichsweise ungebildet, ungehobelt und hinterwäldlerisch dargestellt, vereinzelt zwar interessiert, doch nicht zuletzt durch den Dienst im Irak verroht und gelangweilt und bereit, für Abwechslung sehr weit zu gehen. Beide Filme stellen die Verfügbarkeit von Frauen zwecks unmittelbarer Befriedigung sexueller Begierden als kriegsimmanent dar, diese harte analytische Einsicht muß man ihm zugestehen. Doch wie der Vorgänger, belässt es auch REDACTED dabei, zumindest die Möglichkeit anzubieten, daß wir es eben mit dem individuellen Fehlverhalten einzelner Soldaten zu tun haben. Wie der ältere Film, stellt auch REDACTED ein System aus, das funktioniert, solange es Aufrechte gibt, die im entscheidenden Moment eingreifen oder aber wenigstens begangenes Unrecht aufdecken und zur Anzeige bringen. Moralisch funktioniert das System, im Notfall reinigt es sich selber, bedeutet uns De Palma. Fairerweise zeigt er dann in der Schlußszene zumindest die verheerenden Auswirkungen auf die, die den Krieg durchlitten haben. Es ist ja McCoy, dessen Willkommen-Daheim-Party hier amateurhaft auf Video gebannt wird. All die moralische Richtigkeit seines Handelns kann ihn nicht vor den in ihm hausenden Dämonen des Krieges bewahren. Er bricht coram publico – seinen Freunden und Verwandten – zusammen.
Brian De Palma wollte wahrscheinlich zu viel und fand dafür nur eine zu dünne und zu durchsichtige Geschichte. Formal interessant, könnte man dem Film attestieren, er spüre der Mitverantwortung medialer Verarbeitung und der medialen Verbreitung von Kriegsbildern nach, da sich dies aber auf der inhaltlichen Ebene – man denke zum Vergleich an einen Film wie Roger Spottiswoodes UNDER FIRE (1983) oder Roland Joffés THE KILLING FIELDS (1984) – nirgends spiegelt, bleibt dies eine reine Behauptung, bestenfalls eine freundliche Interpretation. Dabei hätte gerade der permanente Verweis auf die Falschheit der Bilder bei klarem Bezug auf reale Vorbilder einen spannenden Bogen hergegeben. Doch so wirken sowohl die Story als auch die formale Umsetzung nicht wirklich aufeinander abgestimmt und De Palmas Anliegen kommt ein wenig altbacken daher. Daß das Schänden der Bevölkerung eines besetzten Landes ein Unding ist, ein schweres Verbrechen, sollte eine banale Erkenntnis sein, daß wir es heute mit einer vielschichtigen Medienlandschaft zu tun haben, ebenfalls. Was also will dieser im Kern sehr gestrig daherkommende Film also eigentlich ausdrücken? Zumal mit IN THE VALLEY OF ELAH (2007) ein weitaus besserer Film sich mit genau dieser Frage medialer Verbreitung und der Unterdrückung dieser Verbreitung beschäftigt hat. Selbst bei freundlichsten Annahmen bleibt festzuhalten, daß De Palma einmal mehr zu spätkommt mit seinem Kriegsfilm. Vielleicht sollte er bei den Neo-Noir-Thrillern bleiben, die er zuletzt mit wechselndem Erfolg vorlegte, es scheint ein Sujet zu sein, in dem er weit eher zuhause ist.
[1] Der Vietnamkrieg war keinesfalls der erste Medienkrieg, wenn man dies derart definieren will, daß Medien den Krieg abbilden und auch – wenn damals vielleicht in weitaus geringerem Maße – Einfluß auf die Öffentlichkeit haben. Diese traurige Ehre gebührt dem amerikanischen Bürgerkrieg, der der erste Krieg der Menschheitsgeschichte gewesen ist, der fotografisch abgebildet wurde. Zwar oft gestellt und für die Kamera inszeniert, geben viele Bilder zunächst Eindrücke von Kleidung, Uniformen und Haarmode, doch auch der Fotojournalismus nahm hier seinen Ausgangspunkt. 1862 stellte der Fotograf Mathew Brady in New York City Kriegsfotografien aus, die erstmals unverblümt authentische Eindrücke davon boten, was ein militärisches Gefecht wirklich bedeutet, welche Auswirkungen es auf den menschlichen Körper hat, wie ein mit toten menschlichen Leibern übersätes winterliches Maisfeld aussieht.
[2] Oder man bedenke das System aus Wasserläufen in den oben offenen Umrandungsmauern der Wege in der Alhambra zu Grenada: in einer heißen Stadt kann man immer, wo auch immer man sich auf diesem Areal befindet, die Handgelenke und Fingerspitzen befeuchten, wird immer erfrischt und gekühlt.