WER GEWALT SÄT/STRAW DOGS

Von einem der auszog...

David Sumner (Dustin Hoffman) und seine junge Frau Amy (Susan George) ziehen in ein Dorf im ländlichen Cornwall, wo Amys Elternhaus steht. David hat ein Stipendium bekommen und soll an einem experimental-mathematischen Buch schreiben. Er ist froh, in der Abgeschiedenheit seine Ruhe zu haben. Einige Burschen aus dem Dorf, die Amy aus ihrer Jugendzeit kennen, reparieren auf dem Anwesen der Sumners das Dach der Garage. Sie fühlen sich durch die offensichtlich gelangweilte Amy, die – den libertären Gepflogenheiten junger Leute der späten 60er und frühen 70er Jahre entsprechend – nicht mit ihren Reizen geizt, kurze Röcke trägt und auf Büstenhalter verzichtet, provoziert. Die Männer machen sich über David lustig und bedrohen ihn sogar bei einem gewagten Manöver mit dem Auto. Eines Abends hängt die Katze der Sumners tot in deren Kleiderschrank. Charlie Venner (Del Henney), der schon zu Jugendzeiten an Amy interessiert war, bedrängt sie mehrmals, sich ihm erneut hinzugeben. Amy hingegen verlangt von David, die Männer wegen der toten Katze zur Rede zu stellen. Als die Männer David einladen, sie auf die Jagd zu begleiten, nutzt Charlie dessen Abwesenheit, geht zum Haus und vergewaltigt Amy, die allerdings während des Vorgangs scheinbar Gefallen daran findet. Allerdings ist, unbemerkt von Charlie, einer der anderen Jäger ebenfalls ins Haus eingedrungen und zwingt ihn, ihn bei einer weiteren Vergewaltigung Amys zu unterstützen. David sitzt derweil verloren im Moor und wartet, schießt gelegentlich auf vorbeifliegende Enten und als er eine sogar erwischt, verstört ihn das Töten eines Lebewesens derart, daß er den Kadaver schnell im Gebüsch versteckt. Dann geht er zu Fuß heim. Am nächsten Tag – Amy hat ihm gegenüber nichts von der Vergewaltigung gesagt – entläßt er die Männer. Auf einem Dorffest, zu dem ihn der Reverend (Colin Welland) und der örtliche Bürgermeister Major John Scott (T.P. McKenna) eingeladen haben, benehmen sich Tom Hedden (Peter Vaughan) und seine Söhne und Angestellten daneben. Hedden ist einer der örtlichen Bauern, der viel Land besitzt und dessen Stimme somit einiges Gewicht hat im Dorf. Seine jugendliche Tochter Janice (Sally Thomsett) neckt gern Henry Niles (David Warner), einen leicht zurückgebliebenen Mann, der zwar äußerst sanft erscheint, der aber offenbar in der Vergangenheit bereits gewalttätig gegen Frauen geworden ist. Janice läßt sich von ihm auf einen Spaziergang begleiten, führt ihn in eine Scheune und bietet sich ihm spielerisch an. Währenddessen will Amy nach Hause. So brechen die Sumners auf, während Tom Hedden seine Männer – darunter die Vergewaltiger Amys – anhält, seine Tochter zu suchen. Die ist mittlerweile dem vollkommen verängstigten Niles wirklich zum Opfer gefallen, wobei er sie eher zum Schweigen bringen, als daß er ihr wirklich Böses wollte. Er rennt im abendlichen Nebel durchs Dorf und den Sumners vors Auto. David nimmt den verletzten Mann mit zu sich nach Hause. Dort treffen bald auch Hedden und seine Begleiter ein und versuchen, ins Haus vorzudringen. Obwohl sie nicht wissen, was mit Janice passiert ist, sind sie sich sicher, daß Niles ihr etwas angetan hat. Als der Major auftaucht, um die Lage zu beruhigen und sich dabei Tom entgegen stellt, geht dessen Flinte los und tötet den anderen Mann. Nun kennen die Belagerer kein Halten mehr. Während sie mit allen Mitteln versuchen, ins Haus zu gelangen, kommt es drinnen zu schrecklichen Szenen zwischen David, der erstmals das tut, was seine Frau die ganze Zeit von ihm verlangt, nämlich Farbe bekennen, und Amy. David entwickelt einen immer heftigeren Furor und immer bessere Verteidigungsmethoden, während Amy verlangt, er solle Niles ausliefern. David weigert sich. Und bringt nach und nach einen der Männer nach dem anderen um, wobei er sie wahlweise verbrüht, sie mit einem Schürhaken zu Tode prügelt, eine Bärenfalle um ihren Hals drapiert und zuschaut, wie der Betreffende unter schrecklichen Zuckungen sein Leben im Krampf beendet oder schlicht mit einer Schrotflinte in Stücke schießt. Schließlich jedoch kommt es zu einer Situation, in der der letzte der Angreifer ihn in nahezu auswegloser Lage mit dem Tode bedroht. Amy taucht auf, richtet eine Waffe auf den Kerl und drückt ab. David – nahezu ergriffen von sich selbst, daß er sie „alle fertig gemacht hat“ – packt Niles ins Auto und fährt mit ihm davon in die Nacht. Niles sagt, er wisse nicht, wie er heim kommen solle, David lacht und erwidert, das mache nichts, er auch nicht.

Als STRAW DOGS 1971 erschien, war er umgehend ein Skandal. Eine Gewaltorgie, wie es sie zuvor selten, höchstens bei ihrem Regisseur Sam Peckinpah selbst, gegeben hatte, gepaart mit einem höchst fragwürdigen Frauenbild und voller versteckter und verdrehter Kniffe und Verschachtelungen, die es sehr schwer machten, in diesem Potpourri an sich schon unsympathischer Menschen den unsympathischsten auszumachen.

Eines sollte man direkt klarstellen, damit diese Frage beantwortet ist: STRAW DOGS verherrlicht Gewalt nicht. Er erklärt sie auch nicht zu einem zwar brutalen aber gängigen Konfliktlösungsmittel. Peckinpah versucht, kalt und mit distanziertem Blick (und großartiger Montage seiner manchmal extrem kühlen Bilder), der Kette von Bedingungen nachzuspüren, die eine Gewaltspirale in Gang setzen und dann immer weiter treiben. Unter den im Film (und seiner Vorlage, eines Romans von Gordon Williams, der als Setting allerdings Schottland wählte) gegebenen Prämissen, mag ihm dies sogar gelingen, es drängen sich dennoch eine Menge Fragen auf, was Konstruktion und Umsetzung dieses Plots angehen.

Allen voran ist da die Frage, wie Peckinpah, der mit Frauen eh so seine Probleme hatte, kommen sie in seinen Filmen doch meist gar nicht (bzw. am äußersten Rande) vor, wenn aber, sind sie Huren (mit Herz) oder ältere Schachteln, die sich moralisch empört geben. Selten – in GETAWAY und CONVOY ist es jeweils Ali McGraw, hier Susan George in der Rolle der Amy – sind es Figuren eigenen Rechts. Meist sind sie Anhängsel und werden schlecht behandelt, meistens wirken sie, als fänden sie das ganz okay. Amys Verhalten, am allermeisten jedoch die Darstellung der berüchtigten Vergewaltigungsszene, stehen vollkommen in dieser Tradition und stoßen beim Zuschauen dementsprechend auf. Wenn sie sich nach langem Widerstand Charlie schließlich hingibt, der sie immerhin drei, vier Mal schlägt, dann immer wieder versucht, zärtlich zu sein, mag dadurch dramaturgisch die maximale Entfremdung zu dem verloren im Moor sitzenden David markiert sein; es ist aber auch die Szene, die mehr noch als eine zuvor – Amy kommt mit dem Auto aus dem Dorf, betrachtet eine Laufmasche, zeigt dabei sehr viel Bein und es bleibt offen, ob dies eine Provokation gegenüber den Arbeitern ist oder eine Zufall – Amy als ambivalent, möglicherweise sogar als promiskuitiv ausstellt. Peckinpah inszeniert drei solche Szenen, bevor es zur Vergewaltigung kommt. Man kann lange darüber diskutieren, ob hier ein äußerst ambivalentes Verhalten ALLER Beteiligten inszeniert wird, festzuhalten bleibt, daß Peckinpah zu einer Frauenrolle wenig bis nichts anderes einfällt, als sie verführerisch und permanent aufs andere Geschlecht fixiert zu zeigen. Gedoppelt wird dies durch das Verhalten Janice´, die den mehrmals im Film als gefährlich eingestuften Niles (was dessen Bruder sogar bestätigt) ganz klar gekennzeichnet anflirtet und dann sogar zu verführen versucht, was für sie tödlich endet. Sie spielt mit dem Feuer und kommt darin um – auch dies ist eine haltlos reaktionäre Sicht auf Frauen.

Was Peckinpah – und da kann man gut direkt an dieser Stelle anschließen – hervorragend gelingt, ist die Analyse von Spannungen zwischen sich vollkommen Fremden, die mit sehr unterschiedlichen Weltsichten aufeinander treffen. Daß Niles Janice tötet, wird klar als Unfall gezeigt. Er will, daß sie ruhig ist, weil er die Männer im Dorf nach ihr suchen hört. Er weiß, was ihm blüht, wenn sie ihn finden und hat dementsprechend Angst. So wird das Unglück sozusagen aus sich selbst geboren. Man könnte hier natürlich (und läge damit sicherlich nicht ganz falsch) hinein interpretieren, daß es eben einmal mehr das Weib ist, das für das Unheil verantwortlich zeichnet. Doch weiß Peckinpah auch, wie er die Herren zu inszenieren hat, damit nicht allzu einseitige Schuldzuweisungen aufkommen. Niemand in diesem Film, was ihn schwer erträglich macht, ist sympathisch, gleich gar nicht die Dorfbewohner. Und daß Niles Angst vor ihnen begründet ist, zeigen die letzten 15 Minuten des Films ja nur allzu deutlich. Eine sich selbst befeuernde Dynamik zeigt Peckinpah hier. Der eigentliche Störfaktor, der sozusagen den „natürlichen Lauf der Dinge“ (der unweigerlich mit Niles Tod oder zumindest einer schweren Verletzung geendet hätte) durchbricht, ist David Sumner. Womit der maximale Spannungsbogen bezeichnet wäre.

Dustin Hoffman hat sich später von STRAW DOGS distanziert und wollte mit dem Ergebnis wohl nicht mehr viel zu tun haben. Es bleibt aber in seiner an außergwöhnlichen Rollen reichen Karriere eine der ungewöhnlichsten, denn dieser David Sumner ist nicht nur der Dreh- und Angelpunkt sowohl auf der konkreten inhaltlichen Ebene des Films, sondern auch auf der nicht zu unterschätzenden allegorischen. Peckinpah hat einmal gesagt, David sei in diesem Film das eigentliche Monster. Nun könnte man dem entgegen halten, daß eigentlich jeder (Mann) in diesem Film entweder monströs oder als Schwächling gezeichnet wird. Peckinpah gab zeitlebens vor, Gewalt und jene, die sie ausüben, zu kritisieren, sogar zu ächten, was man ihm glauben möchte, denn nie wird Gewalt bei ihm – trotz oder gerade wegen der Drastik seiner Darstellung – zum Selbstzweck, nie wird sie als gängiges Lösungsmittel für Konflikte dargestellt. Wohl aber behaupten Filme von Sam Peckinpah immer wieder Situationen, in denen Gewalt nahezu zwangsläufig stattfinden muß. Daß mag in Western funktionieren, auch in Gangster- und Kriegsfilmen wie dem später entstandenen STEINER – DAS EISERNE KREUZ – übrigens der anderen seiner Produktionen, die nicht in den USA entstand – , nicht funktioniert dies in Filmen, deren Setting so deutlich gegenwartsbezogen ist, wie jenes in STRAW DOGS oder dem späteren CONVOY. Denn Männer der modernen Welt sind nun mal allzu selten mit Gangstern oder Situationen konfrontiert, in denen sie das „Tier“ in sich entdecken müssen. Peckinpah kann seine Sympathie für „Kerle“, also „echte Männer“ aber auch nicht verhehlen, weshalb seine Plots in den Western, wo diese Männer sozusagen durch die Handlung und das Äußere Setting gedeckt sind, immer besser funktionieren, als in allen anderen Filmen seines Ouvres.

David ist – im schlechteren Sinne des Wortes – ein Liberaler, in Peckinpahs Diktum also schlicht verweichlicht, jemand der wachsweiche „Haltungen“ vor sich herträgt, die immer der gerade herrschenden Situation angepasst werden können. Darüber hinaus wird er als neurotisch gezeigt, jemand, der keinen direkten Zugriff mehr auf das eigene Ich und das eigene Innen hat. Er sitzt tagein, tagaus vor einer Schiefertafel, die über und über mit mathematischen Formeln bekritzelt ist, er übersieht seine gelangweilte Frau, die den Haushalt macht, sonst aber nicht viel mit sich anzufangen weiß und wenn sie – was sie im Film anfangs mehrere Male tut – ihn verführen will, gibt es immer etwas, das ihn ablenkt. Das eine Mal, wo wir sehen, daß das Liebespiel wirklich zu einem Mehr führt, schneidet Peckinpah aus dieser in sich noch nicht abgeschlossenen Szene direkt und dadurch für den Zuschauer fast erschreckend abrupt in einen Streit der beiden hinein. David existiert in einer eigenen Welt, bestehend aus Zahlen und Formeln, die er nicht aufgeben will, aus der er im Grunde nicht mal momentweise austreten will. Vor allem aber ist David ein Feigling, daran läßt der Film keinen Zweifel. Dies wird ebenso im Bild und also seinen Handlungen deutlich, als auch in den Aussagen Amys, die ihn darauf hinweist, daß er keine Farbe bekennen wollte. Ein Hinweis darauf, daß das Ehepaar Sumner auch vor den zunehmenden Unruhen an amerikanischen Universitäten geflohen ist, wo die Proteste gegen den Vietnamkrieg, gegen die Rassensegregation und andere Ungerechtigkeiten David wohl von seinen Arbeiten abgehalten haben. Doch er ist auch ungeschickt. Peckinpah inszeniert seine Ungeschicklichkeiten wie nebenbei: Geht er in den Pub, spendiert er eine Runde, trinkt aber nicht mit, er raucht und verlangt jedes Mal „irgendwelche“ amerikanischen Zigaretten, kommt der Reverend vorbei, muß er diesen sofort mit SEINEM „Glauben“ – also hoch experimenteller Mathematik – konfrontieren und damit sein modernes Weltbild zum Ausdruck bringen. David ist ein Amerikaner, wie Amerikaner sich ihre Landsleute im Ausland so vorstellen: Vorlaut, witzelnd ohne witzig zu sein, sich so oder so in einer – auch moralisch, was wesentlich wird in STRAW DOGS – höheren, besseren, reiferen Position begreifend. Den „primitiven“ (und das macht Peckinpah wiederum höchst geschickt, indem er sie wirklich als „Primitive“ zeigt) Dorfbewohnern scheinbar heillos überlegen, außer wenn es um aus seiner Sicht „niedere“ Arbeiten wie Dachdecken oder die Jagd geht. Doch dann entfacht er ein Gewaltszenario, welches ihn auch selbst begeistert (der gleiche David, der den Tod der Ente dadurch „vergessen“ machen will, daß er sie versteckt, klopft sich schließlich – auch hier nach anfänglichem Erschauern über die eigene Fähigkeit zur Gewalt – selbst auf die Schulter). Damit betritt der Film die allegorische Ebene.

Schon die Vorwürfe gegen die ultraharte Gewalt, die seinen vorletzten Film vor STRAW DOGS, THE WILD BUNCH (1969), auszeichnete, konterte er mit dem Hinweis auf Vietnam: Die Nation befinde sich in einem nicht gerechtfertigten Krieg, sei in ein kleines, fernes Land einmarschiert und zeige dort eine Unverhältnismäßigkeit der Mittel (Einsatz von Napalm und Agent Orange, search-and-destroy-Aktionen u.ä.), die auch noch allabendlich in amerikanische Wohnzimmer ausgestrahlt würden (Vietnam war der erste und der einzige unzensierte TV-Krieg), daß es geradezu ein Gebot für den Künstler sei, diese Unverhältnismäßigkeit, diese Gewalt in ihrer ganzen Drastik zu spiegeln und zu verdammen. Nur so sei dem Publikum zu verdeutlichen, was auch in dessen Namen dort in Südostasien geschehe. Eine Argumentation, die sich einige Regisseure, darunter Arthur Penn (BONNIE AND CLYDE – 1967) oder Ralph Nelson (SOLDIER BLUE – 1970), damals zu eigen machten und die auch nicht wirklich von der Hand zu weisen ist. In dem vollkommen außer Kontrolle geratenen Maschinengewehr am Ende von THE WILD BUNCH, welches eines der grausigsten Kinomassaker veranstaltet, das man bis dato gesehen hatte, kann man durchaus eine entfesselte Kriegsmaschinerie sehen, die nahezu blind zuschlägt. In STRAW DOGS geht Peckinpah weiter und macht es sich auch weniger einfach, indem er Gut und Böse, Richtig und Falsch nicht nur verschwimmen läßt, sondern eigentlich abschafft. Deshalb möchte man dem Film auch – siehe oben – weniger Misogynie als schlicht Misanthropie vorwerfen. Das einzige, was für die Dorfbewohner spricht, ist die schlichte Tatsache, daß sie hier zuhause sind, David ist lediglich der/das Fremde, der/das von außen eindringt und sich anmaßt, möglicherweise uralte und gewachsene Strukturen zu zerstören. Peckinpah mutet dem Zuschauer dabei natürlich einiges zu, denn wir wollen natürlich nicht der Selbstjustiz das Wort reden, selbstverständlich sind auch wir der Meinung, daß auch ein Henry Niles ein rechtsstaatliches Verfahren zusteht und ein faires dazu. Und bei all seiner Arroganz und Unnahbarkeit den Einheimischen gegenüber, sind wir natürlich durch die Vergewaltigungsszene derart gegen die Primitiven aufgebracht, daß wir Davids Kampf am Ende zunächst gut heißen. Doch das, was dann entfesselt wird, ist derart brutal und momentweise so widerlich, daß darin genau jene Unverhältnismäßigkeit der Mittel zum Ausdruck kommt, die die USA in Vietnam anwendeten. David steht stellvertretend für (s)eine Nation, die sich anmaßt, in fremde Kulturen und deren Systeme einzugreifen, weil sie etwas bedroht sehen – Recht und Demokratie, Freiheit und den ‚american way of life‘ – das vermeintlich alle wollen, weltweit. Sam Peckinpah macht uns in STRAW DOGS früh auf ein Dilemma aufmerksam, das heute, in Zeiten der absoluten (oder, vielleicht besser – total-itär-en) Globalisierung noch weitaus drängender geworden ist: Sind die Menschenrechte, sind die Werte westlicher Prägung wirklich universell? Und sind deshalb alle Mittel rechtens, um sie zu verbreiten?

STRAW DOGS ist ein schwieriger Film und er ist ein Meisterwerk in seiner formalen Umsetzung. Dank des Schnittmeisters Roger Spottiswoode, der nicht nur hier das Editing für Peckinpah übernahm, hat man es in den entscheidenden Szenen mit einer atemberaubenden und extrem verstörenden Montage zu tun. Vom ersten Moment des Films an – der schon mit seinen späteren Schwierigkeiten korrespondiert, wenn wir Susan George auf die Kamera zulaufen sehen und diese sich vor allem für ihren Torso, sprich ihre Brüste, die sich deutlich unter ihrem Pullover abzeichnen, interessiert – liegt über dem Film eine Spannung, die auch den Zuschauer ergreift. Wir begreifen schnell, daß es zwischen den Eheleuten Sumner Spannungen gibt und ebenso, daß es zwischen dem Ehepaar und den Dorfbewohnern Spannungen gibt. Wenn die Gewalt losbricht, schafft es die Montage, mit manchmal vollkommen ungewöhnlichen Schnitten, uns mitten ins Geschehen hinein zu versetzen, an welchem die Kamera extrem nah dran ist. In den meisten Szenen hält sie Distanz und distanziert auch uns damit von dem, was passiert. Einer der Gründe, warum STRAW DOGS immer den Eindruck erweckt, daß man es mit einer Studie zu tun hat, einem Laborexperiment, einer Anordnung. Und genau darin besteht auch das eigentliche Problem des Films: Es ist eine Versuchsanordnung, die in ihrer reinen Ausgangsposition schon eher unglaubwürdig wirkt. Das beginnt bei diesem scheinbar doch sehr ungleichen Paar, bei dem man sich bald fragt, wie dieser Mathematikeinsiedler eigentlich an diese lebenslustige Frau gekommen sein will? Mehr aber irritiert die Behauptung der lokalen Situation. Das Dorf scheint nur aus primitiven Männern zu bestehen, Frauen sehen wir lediglich in der Szene auf dem Fest, dort haben sie jedoch allenfalls dekorativen Charakter. Die einzige Frau, die im ganzen Film ein Wort sagt, außer Amy, ist die Frau des Reverend, die aber ebenfalls nur in ihrer Funktion gezeigt wird. Das Dorf scheint weder über Polizei zu verfügen, noch scheinen hier überhaupt irgendwelche Ordnungsprinzipien rechtsstaatlicher Natur zu herrschen. England, speziell Cornwall, wo der Film auch gedreht wurde, mag ja ein für viele rückständiges Land sein, doch derart primitiv ist es nun auch wieder nicht, war es nicht einmal 1970. Nein, Peckinpah kreiert letztlich eine Situation, wie sie in seinen Western herrscht: David hat es im Grunde mit einer Grenzstadt, einer Frontier zu tun. Es herrscht das Recht des Stärkeren und ein Lynchmob kann relativ ungestört ein Haus und die darin Befindlichen angreifen. Das Setting wirkt aber in Europa unglaubwürdig. Und vor allem verdeutlicht es, daß Davids ganzes Verhalten, die ganze Entwicklung, derer wir ansichtig werden, lediglich Behauptung ist. Bereits eine einzige Abweichung von diesem speziellen, sehr spezifischen Setting und das ganze Konstrukt fiele in sich zusammen. Dies allerdings unterminiert auch die allegorische Ebene. So, wie die Realität auch in Cornwall 1970 ANDERE Mittel zur Verfügung gestellt hätte, hätte es auch für die Amerikaner andere Mittel gegeben, auf die Eskalation in Südostasien zu reagieren. Peckinpah muß sich ein extrem künstliches Setting erschaffen, damit der ganze Zirkelschluß des Films überhaupt funktioniert.

Ohne denen, die dem Film unterstellen, er ginge nicht in die Tiefe, denn das tut er durchaus, allerdings an anderen Stellen, als man vermutete (Stichwort: sich selbst befeuernde Dynamik), das Wort reden zu wollen, muß man festhalten, daß STRAW DOGS zwar ein Film bleibt, der sowohl spannend ist als auch durchaus ein ernstzunehmender Beitrag zu einer schwierigen Diskussion, daß es ein Film ist, der es weder sich, noch dem Zuschauer einfach macht und einige beunruhigende Fragen aufzuwerfen versteht, die möglicherweise nicht zu beantworten sind, daß er aber auch deutlich abfällt im Ouvre seines Regisseurs, der in anderen Werken deutlich mehr bei sich ist, dessen Analyse und die Verarbeitung derselben hier an einigen Ecken und Kanten hakt und somit nicht wirklich aufgeht. Und daß es jener Film ist, der Peckinpahs Frauenbild wahrscheinlich am deutlichsten (also am abfälligsten) zum Ausdruck bringt. Dieser Film ist interessant im Gesamtkontext seines Machers, er ist auch durchaus diskussionswürdig – wirklich gelungen ist er nicht.

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