TEXAS KILLING FIELDS – SCHREIENDES LAND/TEXAS KILLING FIELDS

Kleiner, manchmal intensiver Thriller, der zu viele Möglichkeiten ungenutzt lässt

Texas Dity, an der texanischen Golfküste, nicht unweit der Grenze zu Louisiana: Der gebürtige Texaner Mike Souder (Sam Worthington) und der zugezogener New Yorker Brian Heigh (Jeffrey Dean Morgan) arbeiten als Detectives bei der lokalen Polizei. Sie sollen den Mord an einer jungen Frau untersuchen, die offensichtlich auf der Straße erschlagen wurde.

Schnell führen die Ermittlungen in die ärmlichen Gegenden der durch die Ölindustrie geprägten Stadt. Offenbar arbeitete die Tote als Gelegenheitsprostituierte für den bekannten lokalen Zuhälter Levon (Jon Eyez) und dessen Freund Rule (Jason Clarke). Dieser ist auch der jungen Ann Sliger (Chloë Grace Moretz) mehrfach aufgefalllen.

Ann steht unter der Protektion von Brian und Mike. Der gläubige Brian geht sogar soweit, sie eines Sonntags zu sich einzuladen, wo sie ein vollkommen anderes Familienleben kennenlernt. Da das Mädchen immer wieder bei ihren Streifzügen durch die Stadt aufgegriffen wird, bringen sie sie immer wieder zurück zu ihrer Mutter Lucie (Sheryl Lee), einer mit ihren Kindern überforderten Prostituierten.

Bei einer dieser Gelegenheiten treffen sie auf Anns Bruder Eugene (James Hébert)  und dessen Freund Rhino (Stephen Graham), der sich den Polizisten gegenüber extrem feindlich verhält. Mike fordert die Männer auf, sich nicht weiter im Haus aufzuhalten.

Mikes Exfrau Pam (Jessica Chastain), die bei der State Police arbeitet, funkt Mike und Brian an, weil sie sie um Hilfe bitten will. Eine junge Frau werde vermisst. Immer wieder – im Grunde seit Jahrzehnten – werden Frauen in den sogenannten Killing Fields, ein die Stadt umgebendes Sumpfgebiet, vermisst und später als Leichen aufgefunden. Die Sümpfe gelten als verwunschener Ort, in den sich niemand, nicht einmal die Polizei, hineintraut. Während Mike ihr jedwede Hilfe verweigern will, bietet Brian ihr an, zu Hilfe zu kommen, sollte aus einem Vermissten- ein Mordfall werden.

Die Ermittlungen im Fall der ermordeten jungen Frau konzentrieren sich immer stärker auf Levon und Rule, die offensichtlich mit dem Bordell von Lady Worm (Dereen Tyler) in Verbindung stehen. Da Brian Pam hilft, als die Leiche der vermissten Frau in den Sümpfen gefunden wird, ermittelt Mike zusehends allein. Zwischen den Männern kommt es zu Spannungen, da Brian sich deutlich außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs bewegt und seine eigentliche Aufgabe vernachlässigt.

Eines Tages wird Ann erneut in der Stadt aufgegriffen, wo sie rumstromert, anstatt in die Schule zu gehen. Der angespannte Brian holt sie auf dem Revier ab und will sie heimfahren, hält ihr aber eine Strafpredigt. Er will seinen Frust vergessen machen, indem er ihr an einer Tannkstelle erlaubt, ein paar Süßigkeiten zu kaufen. Als sie nicht mehr aus dem Verkaufsraum zurück kommt, begreift er, daß sie entführt wurde. Er nimmt umgehend die Verfolgung auf.

Mike, der zwischenzeitlich auch Rhino, der in den Raffinerien der Stadt arbeitet, unter Verdacht hatte, findet in der Garage von Lady Worm einen Wagen, in dem Blut darauf hindeutet, daß die Ermordete in ihm transportiert wurde. Er überwacht mit zwei Kollegen die Garage und wird Zeuge, wie die aufgebrachte Lady Worm den Wagen in Brand setzen will – offensichtlich, um Beweise zu vernichten. Als er sie stellt, sagt sie ihm, daß Levon und Rule ihre Tochter gekidnapped hätten und ihr etwas antäten, wenn sie den Wagen nicht vernichte.

Die beiden tauchen auf und es kommt zu einer Verfolgugnsjagd, bei der Mike schließlich aufgeben muß, Lady Worms Tochter jedoch die Flucht gelingt.

Derweil ist Brian in die Sümpfe gegangen, da er durch den Vergleich der Landkarten begreift, daß man Ann dorthin verschleppt haben muß. Er fordert Mike als Hilfe an. Als der auftaucht, kommt es erneut zum Streit zwischen den Männern, da Brian Mike bei der Überwachung der Garage allein gelassen habe. Dennoch hilft Mike ihm. Die Männer finden schließlich Ann gefesselt in einem Wildererlager. Sie lebt und Mike bringt sie in ein Krankenhaus, während Brian sich auf die Lauer legt, um die Täter abzupassen.

Mike kann mit Pams Hilfe Ann an Sanitäter übergeben. Aus dem Sumpf gellen Schüsse und Mike und Pam versuchen, Brian zu Hilfe zu kommen. Der wurde angeschossen und schwer verletzt. Pam kann ihn retten, Mike nimmt die Verfolgung der Täter auf, Diese endet schließlich im Haus von Anns Mutter Lucie. Dort trifft Mike auf Rhino und Lucies Bruder, der Rhino – angeblich gegen seinen Willen – bei der Entführung des Mädchens geholfen hat. Es kommt zu einer Schießerei, bei der sowohl Lucie und Eugene Sliger, als auch Rhino getötet werden.

Brian, nachdem er genesen ist, adoptoiert Ann.

 

Der Name Michael Mann steht seit Jahrzehnten für eine bestimmte Qualität im Hollywood-Kino. Der Macher der Serie MIAMI VICE (1984-89), die in maßgeblicher Weise den Look und auch  ein Lebensgefühl der 80er Jahre definierte, legte immer wieder elegante Filme vor, die formal wie inhaltlich aus der Masse des Mainstreamkinos herausstachen. Er fungierte aber auch immer wieder einmal als Produzent. So auch bei TEXAS KILLING FIELDS (2011). Studiert man den Abspann des Films, fällt allerdings auf, daß man es mit einer Art Familienunternehmen der Manns zu tun hatte, führte doch nicht nur seine Tochter Ani Canaan Mann Regie, sondern einer seiner Söhne war auch der ausführende Produzent.

TEXAS KILLING FIELDS hat alle Ingredienzien, einer jener kleinen, dreckigen aber packenden Thriller zu sein, die Hollywood oft wie nebenbei ausspuckt. Eine dichte Atmosphäre, einen faszinierenden Look, der authentisch wirkt, gute Schauspieler und eine Story, die zunächst packt. Zunächst. Denn leider sackt das Drehbuch von Don Ferrarone – auch er findet sich in der Liste der ausführenden Produzenten des Films – nach der Hälfte der Story merklich ab. Zudem unterlaufen Regie und dem Schnitt einige Fehler – zumindest wirkt es so – die den Film an manchen Stellen holpern lassen und den Fluß seiner Bilder und des Plots beeinträchtigen.

Der Auftakt, die ersten 20 Minuten des Films, ist sehr vielversprechend. Grobkörnige Bilder, die an das Kino der 70er Jahre erinnern, führen den Zuschauer durch eine heiße texanische Nacht, in der zwei Detectives der Texas City Police zunächst Routineaufgaben erledigen, bevor sie an einen Mordschauplatz gerufen werden. Die Fahrten durch die nächtliche Stadt, die Diners, die Bars und Tankstellen, geben ein atmosphärisch dichtes Bild der Gegend, zugleich entsteht ein dräuendes Gefühl permanenter Bedrohung. Schnell entwickelt der Plot einen Sog, als die beiden Polizisten Souder und Heigh einen Anruf von Souders Exfrau erhalten, sie suche in den Sümpfen, die die Stadt umgeben, ein verschwundenes Mädchen und bräuchte Hilfe. Wie in den besten Zeiten des klassischen Hollywood, werden schnell Konfliktlinien und Beziehungen aufgebaut, ein Spannungsfeld entsteht, das den Film durchaus trägt. Doch die Parallelhandlung der beiden Fälle, die die Regie allzu sprunghaft behandelt, so daß man sich als Betrachter immer wieder neu orientieren muß, womit man sich gerade zu beschäftigen hat, unterbricht den anfangs etablierten und sehr guten, weil ruhigen Rhythmus des Films empfindlich.

Je mehr die beiden Detectives getrennte Wege gehen, Souder ermittelnd in der innerstädtischen Mordsache, Heigh immer weiter außerhalb seines Zuständigkeitsbereichs in den Sümpfen, desto häufiger fallen diese Störungen auf. Will man zunächst noch an gewollte Brüche glauben, kommt immer mehr der Eindruck auf, daß Szenen entweder fehlen, andere aber auch schlicht falsch montiert wurden. Bei einem Verhör wird ein Verdächtiger gefragt, wieso ein Mörder sein Opfer verstümmelt, obwohl bis dato kein verstümmeltes Opfer aufgetaucht ist; an anderer Stelle wird ein Mädchen unter den Augen von Detective Heigh entführt und ehe wir uns versehen, läuft er durch ein Sumpfgebiet, wo er ihre Leiche vermutet. Verbunden sind beide Szenen lediglich durch einen unverständlichen Zwischenschnitt auf den Cop, wie er im Haus, in dem die Kleine lebt, verschwindet. Es gibt einige solcher Stellen, die den Zuschauer einerseits ratlos zurücklassen, andererseits seine Aufmerksamkeit von den Geschehnissen abziehen.

Die Auflösung des Ganzen wirkt schließlich zu konventionell und durch die Dramaturgie ahnt man zu früh, wer für welchen Mord verantwortlich ist. Zudem sind die Verbindungen zwischen beiden Parallelhandlungen oft zu sehr dem Zufall geschuldet. Die Konstruktion des gesamten Plots lässt somit zu wünschen übrig. Zudem arbeitet das Drehbuch seine wirklichen Stärken nicht heraus. Die Sümpfe als „verfluchtes“ Gebiet – eben jene titelgebenden Texas Killing Fields – in dem immer wieder, seit Jahrzehnten, junge Frauen verschwinden und die niemand betreten mag, haben Potential für echtes Grauen und der Film versteht es auch, diesen Horror glaubwürdig zu inszenieren. Langsame Kamerafahrten über den nächtlichen Bayou, ein verlassenes Auto, die untergehende Sonne am Horizont, die das endlose Land in ein blutiges Rot taucht – Ani Canaah Mann weiß die Kamera und ihre Location perfekt einzusetzen, um ein bedrückendes Gefühl im Zuschauer zu erwecken. Doch machen Buch und Regie zu wenig daraus. Wenn Heigh schließlich in die Sümpfe  geht, um die junge Ann zu suchen, bleibt nicht viel vom drohenden Unheil, spürt man nichts von der Bedrohung, wähnt man sich in einem wenig gepflegten Garten.

All das ist schade, denn in seinen Einzelteilen ist TEXAS KILLING FIELDS ein spannender Thriller. Einzelne Szenen sind intensiv und die Spannungsfelder zwischen Brian Heigh, der aus New York stammt und die Eigenarten der Texaner nicht kennt, und seinem Kollegen Mike Souder, der hier aufgewachsen ist und die alten Geschichten von den verwunschenen Sümpfen nur allzu gut kennt, bietet Potential. Beide werden sehr gut interpretiert von Sam Worthington als bodenständigem Texaner und dem aus der Serie THE WALKING DEAD (seit 2010) als charismatischer Bösewicht Negan bekannten Jeffrey Dean Morgan als bibeltreuem Zugezogenem. Jessica Chastain spielt Souders Exfrau, ihr darstellerisches Potential wird allerdings verschenkt, taucht sie doch nach ein paar Szenen zu Beginn des Films für nahezu eine halbe Stunde ab. Unterlegt wird das Ganze von einem packenden und atmosphärisch dichten Soundtrack, der zwischen Blues, Cajun-Einflüssen und Folk changiert und die Hitze spürbar macht, die Gefahr heraufbeschwört und die ganze Atmosphäre des Films, die auch eine gewisse Trauer durchzieht ob des allgegenwärtigen Todes, der unterschwelligen Gewalt und der sozialen Schieflage, in der die meisten hier leben, kongenial unterstützt.

Trotz aller Kritik bleibt TEXAS KILLING FIELDS über weite Strecken doch ein packender Film. Auch und gerade, weil es Manns Inszenierung gelingt, den Figuren bis in die Nebenrollen hinein echte Geschichten einzupflanzen, sie uns begreiflich zu machen. Die Armut, die Kleinkriminalität, die Verwahrlosung – gerade eines Kindes wie Ann, deren Mutter sie auf die Straße schickt, wenn sie „Besuch“ empfängt, vornehmlich von Männern – und die Verlorenheit der Menschen in der Weite dieses endlosen Landstrichs, all das fasst der Film gut ein, all das gibt ihm ein authentisches Flair. Man begreift automatisch, wieso es einem Mörder, wie dem der jungen Frauen, gelingen kann, hier abzutauchen, seine dunklen Neigungen auszuleben und doch lange unerkannt zu bleiben. Wo Menschen nicht mehr auf Menschen aufpassen, wo das Interesse an seinem nächsten nachlässt oder nahezu erlischt, ist der Teufel im Vorteil. Denn es ist sein Spielfeld. Heighs Glaube stellt sich dem entgegen und prallt doch überall auf Verachtung und Häme.

Vielleicht hätte  man aus dem Ganzen mehr machen können, wenn man weniger Verbrechen und mehr soziale Wirklichkeit in den Film gepackt hätte. Vielleicht wäre eine noch genauere Beobachtung der Bedingungen, unter denen diese Menschen leben (müssen), mehr gewesen. Man spürt, daß dies die Gegend ist, in der die Männer auf den Ölfeldern arbeiten und deshalb viele vereinzelt und auf der Durchreise sind. Aspekte wie diese wären interessant gewesen, hätte  man sie deutlicher ausgespielt. Aber natürlich wollten die Macher des Films auch einen spannenden Streifen. So gibt es durchaus ansehnliche Action, spannende, manchmal auch bedrohliche Szenen. Vielleicht fiele die Kritik in manchem nicht so hart aus, wenn der Auftakt des Films und das erste Drittel nicht so stark wären. So ist der Abfall zu deutlich und man neigt dazu, dem Film Unrecht zu tun. Doch man kann erwarten, daß die Tochter von Michael Mann dem Andenken ihres Vaters gerecht wird und uns zukünftig noch manchen Film darbietet, der packt, fesselt und aufwühlt.

Eine Anmerkung sei zum deutschen Titel gestattet: Dem Film den Zusatz SCHREIENDES LAND zu geben, grenzt schon an eine Frechheit, wird hier doch eine Verwandtschaft  zu einem der wesentlichen, relevantesten und besten Filme der 1980er Jahre evoziert. THE KILLING FIELDS war ein brillanter (Anti-)Kriegsfilm über Kanbodscha, die Roten Khmer und deren Schreckensherrschaft, der in Deutschland genau den gleichen Zusatz erhielt. Beide Filme haben aber nahezu nichts miteinander zu tun.

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