THUNDER ROAD

Ein feiner, kleiner Spät-'Noir'

Lucas „Luke“ Doolin (Robert Mitchum) kehrt aus dem Koreakrieg heim zu seiner Familie in den Appalachen. Er steigt als Fahrer ins Familiengeschäft ein: Die Doolins gehören zu den sogenannten Moonshine Bootleggers, Schwarzbrennern in den Bergen Kentuckys und Tennessees.

Während Vater Vernon (Trevor Bardette) dafür sorgt, daß genügend Nachschub bereitsteht, fährt Luke die illegalen Ladungen durch den ganzen Süden – in viele kleine Käffer, aber auch in Städte wie Knoxville oder Memphis. Sein jüngerer Bruder Robin (James Mitchum) motzt für Luke die Wagen auf und macht ihn damit für die herkömmlichen Autos der Verfolger – Agenten des FBI, meist aber des Bureau of Alcohol, Tobacco, Firearms and Explosives, kurz ATF, die den Kurieren der Schwarzbrenner auf den Highways und Bergpässen auflauern – nahezu uneinholbar.

Robin brennt darauf, endlich selber einen der Wagen fahren zu dürfen und seine erste eigene Tour zu machen. Luke hingegen ist strikt dagegen, daß sein kleiner Bruder überhaupt in das Familienunternehmen eintritt. Robin soll etwas Ordentliches lernen – Automechaniker bspw. – und sich einst selbstständig machen und aus der Kriminalität aussteigen.

In der Zeit in der Luke fort war, haben sich einige Dinge verändert. Der Druck der Behörden hat zugenommen, zugleich dringen andere Gangster ins Geschäft. In der Person von Carl Kogan (Jacques Aubuchon) will sogar ein Großkrimineller aus dem Norden sämtliche Destillerien aufkaufen, zusammenlegen und das Geschäft landesweit aufziehen. Vernon und die Männer aus den umliegenden Dörfern und Tälern treffen sich und stimmen darüber ab, ob sie sich darauf einlassen sollen.

Luke geht derweil unverdrossen seinem Job nach. Mal kommt es zu Verfolgungsjagden, seltener auch mal zu einem Schußwechsel oder einem Unfall, doch meist gelingt es Luke, seine Fuhren durchzubringen. Ihm gefällt sein Leben, macht es ihn doch frei und zudem hat er mit der Nachtclubsängerin Francie (Keely Smith) eine Freundin, die er regelmäßig auf seinen Fahrten besucht.

Da die Männer in ihrer Versammlung sich dagegen ausgesprochen haben, an Kogan zu verkaufen und ihn als den Oberboss anzuerkennen, greift der nun zu anderen Methoden. Obwohl die Schwarzbrenner mehrheitlich beschlossen haben, ihre Arbeit vorerst einzustellen und abzuwarten, bis sich Kogan und die Agenten der Polizei gegenseitig ausgeschaltet haben und es wieder ruhiger wird, geht Kogan mit äußerster Härte gegen sie vor.

Schließlich will er einen der Fahrer – natürlich Luke – umbringen, wobei allerdings einer der ATF-Agenten ums Leben kommt. Und mit Jed (Mitchell Ryan) kommt auch einer der Fahrer zu Tode. Er war für Luke eingesprungen. Jed war ein Verehrer von Roxanne Ledbetter (Sandra Knight), die ihrerseits Luke anhimmelt, was dieser auf zwar charmante, jedoch bestimmte Art an sich abprallen lässt. Dennoch sah Jed sich in Rivalität zu Luke.

Jed und seine Familie gehörten auch zu den wenigen, die für die Aufgabe der Unabhängigkeit und für einen Verkauf an Kogan gestimmt hatten. Umso tragischer, daß Jed nun zufällig in dem Wagen sitzt, den Kogans Leute mit einer Bombe präpariert haben, denn Jed war bereit, Kogan gegen Luke und dessen Vater zu helfen und Luke in eine Falle zu locken.

Kogan lockt Robin, für ihn eine Fuhre zu übernehmen, was Luke als Erpressungsversuch wertet. Er ist bereit, eine letzte Fahrt, diesmal für Kogan, zu machen, um Robin aus den kriminellen Machenschaften herauszuhalten. Doch diesmal geht alles schief und Luke stirbt schließlich auf dem Highway.

Roxanne, die untröstlich über Lukes Tod ist, weniger über den von Jed, nähert sich nun Robin.

Angeblich soll das Plakat zu THUNDER ROAD (1958) Bruce Springsteen zu seinem gleichnamigen Song inspiriert haben – so hat es der Boss einst selbst berichtet. Gesehen, so gab er an, habe er den Film allerdings nie. Was definitiv ein Fehler wäre. Arthur Ripleys Spät-Noir ist ein schönes Beispiel für eine gewisse Spielart des ‚Film Noir‘, der sich, wenn er nicht allzu nah am Melo entlang schrappte, oft als Semidokumentation ausgab. Nun weißt hier nicht allzu viel darauf hin, doch immerhin erklärt uns ein Voice-Over zu Beginn des Films, daß eine Spezialeinheit des ATF, des Bureau of Alcohol, Tobacco, Firearms and Explosives, in den 50er Jahren damit beschäftigt war, Jagd auf die Schwarzbrenner und deren Lieferanten in den Appalachen-Staaten Kentucky und Tennessee zu machen.

Im Fokus des Films steht ein junger Veteran des Korea-Kriegs, Lucas „Luke“ Doolin, gespielt von Robert Mitchum, der die waghalsigen Lieferungen des schwarzbrennerischen „Familienbetriebs“ übernimmt und sich mit seinem getunten Wagen, einem sogenannten Hot Rod, gewagte Verfolgungsjagden mit den Agenten des ATF liefert. Mitchum gibt ihn als leicht zynischen Mann, der durch seine Kriegserfahrungen gestählt ist, zugleich aber wenig vom Leben erwartet. Damit korrespondiert Luke mit vielen jener Figuren, die u.a. Mitchum in der Hochphase des ‚Film Noir‘ in den 40er Jahren spielte, und die häufig seelisch gebrochene Männer als Antihelden zeigten. Männer, die, ohne daß dies je explizit so benannt wurde, durch ihre Kriegserfahrungen ernüchtert oder traumatisiert waren, existenzialistische Männer, gelegentlich auch reine Nihilisten, die nichts mehr vom Leben erwarteten und deshalb bereit waren, sich für einen guten Coup, mehr noch aber für die Liebe einer Frau, auf alles einzulassen und dabei meist zugrunde gingen. Auch Luke, der in einem anderen Krieg an einer anderen Front gekämpft hatte, wirkt wie eine dieser Gestalten. Allerdings richtet er sich für die Familie zugrunde, nicht für eine Frau.

Das Drehbuch von James Atlee Phillips und Walter Wise beruhte lose auf einer wahren Begebenheit, wusste die Geschichte der Schwarzbrenner allerdings nahezu allegorisch zu nutzen, um eine grundsätzliche Aussage über den amerikanischen Kapitalismus zu treffen. Denn die Schwarzbrenner des Films sind Kleinunternehmer, klassische Familienbetriebe, deren Mitglieder sich eher mit Ach und Krach über Wasser halten können, als daß sie mit ihrem Fusel reich würden. Als eines Tages ein Großgangster die Gegend unsicher macht und versucht, die vielen kleinen Destillerien unter seine Fittiche zu bekommen, droht der Zusammenbruch des gesamten Systems aus Brennen und Liefern. Man nannte diese Produkte bootleg moonshine, meist nachts, immer illegal hergestellt, billig und dabei doch von einer relativ hohen Qualität.

Regisseur Arthur Ripley versteht es, die Schwarzbrenner als reinen Mittelstand darzustellen. Zwar sind die Männer sich alle bewusst, daß ihre Arbeit – alle Arbeitsabläufe – illegal sind, dennoch postuliert der Film sie als kleine Familienunternehmer, die sich und den ihrigen ein Auskommen sichern. Das Auftauchen eines Großkopferten wie Carl Kogan entspricht im Kontext des Films dem Auftritt von Großkonglomeraten und Konzernen, die Kleinunternehmer kaputt machen, indem sie billiger produzieren, Lieferketten vorweisen können, die ein Familienunternehmen niemals bieten kann und im Notfall über Beziehungen zur Staatsmacht verfügen, die ihre Politik absichern. Natürlich wehren sich die Kleinunternehmer, einige geben auf und verkaufen an Kogan, andere beschließen, die Produktion einzustellen, bis sich die Wogen geglättet haben und Kogan seine Händel mit der Polizei und dem ATF ausgefochten hat. Allerdings unterschätzen sie dabei, wie weit ein Mann wie Kogan geht, der auch vor Mord nicht zurückschreckt und dadurch versehentlich auch einen Agenten des Bureau tötet. Daraufhin erhöhen die staatlichen Stellen natürlich den Druck, was im Laufe des Films zu dramatischen Entwicklungen führt und schließlich fatale Folgen hat.

Die dramatische Fallhöhe wird durch einige Nebenhandlungen markiert. Luke hat eine On-und-Off-Beziehung zu einer jungen Barclub-Sängerin, die für ihn mehrfach The Whippoorwill singt und mit dem Text die Tragik dieser Liebe bereits vorwegnimmt. Zugleich gibt es eine junge Dame in dem Dorf, aus dem Luke stammt, die ihn anhimmelt, was er wieder und wieder ironisch anheizt, ohne sich der verheerenden Wirkung bewußt zu sein – vor allem auch auf einen vermeintlichen Nebenbuhler, der seinerseits nicht begreift, daß Luke kein erotisches oder auch nur amouröses Interesse an der jungen Frau hat. Hier findet sich eine der wenigen Drehbuchschwächen, denn die Dame ist nach Lukes Tod nur allzu schnell bereit, sich mit dessen jüngerem Bruder einzulassen. Dieser wiederum – gespielt von Mitchums Sohn James Mitchum – möchte gern in die Fußstapfen seines älteren Bruders treten, wovon der ihn unbedingt abhalten will. Robin, so der Name des Jungen, soll etwas Ehrliches lernen und es einmal „besser haben“.

Auch diese Haltung entspricht einer gewissen für die 50er Jahre typischen Mittelklassementalität und unterstreicht noch einmal, daß wir es hier vielleicht mit Kriminellen zu tun haben, daß diese aber eigentlich grundehrliche und rechtschaffene Leute sind. Amerika, so mag THUNDER ROAD – ob bewußt oder unbewußt – postulieren, ist letztlich auf Gesetzlosigkeit und Verbrechen gebaut. Und Gewalt. Eine Analyse, die keine zwanzig Jahre später Francis Ford Coppola als Grundthese seines Gangster-Epos´ THE GODFATHER (1972) übernahm, wenn auch in viel größerem Maßstab. In THUNDER ROAD wird aber letztlich noch die alte Weisheit bedient, daß Verbrechen sich nicht auszahlt und der Kriminelle, zumindest der Kleinkriminelle, selbst nur ein Spielball höherer Mächte, seine gerechte (?) Strafe findet.

Bis es aber soweit ist, bietet Ripley allerhand aufregende und für einen Film der späten 50er Jahre auch eher ungewöhnliche Action. Autojagden, Bombenexplosionen, ein paar wilde Schießereien – Drehbuch und Regie lassen sich nicht lumpen und gerade die nächtlichen Verfolgungsjagden auf den kurvigen Bergstraßen sind aufregend und hervorragend, nahezu rasant, gefilmt. Kameramann David Ettenson versteht es, die Kamera so zu positionieren, daß wir immer wieder den heranrasenden Wagen entgegenblicken, die dann über uns hinwegfegen – Techniken, die später in etlichen Filmen aufgegriffen und weiterentwickelt wurden.

THUNDER ROAD wurde von Robert Mitchum produziert, er steckte eigenes Geld in die Entwicklung des Films und es mag diesem Umstand geschuldet sein, daß sich der Schauspieler besondere Mühe gab. Mitchum, der immer ein recht zynisches Verhältnis zu seiner Profession pflegte, verließ sich häufig auf lediglich zwei Gesichtsausdrücke, die er mit dem Hochziehen einer Augenbraue oder einem angedeuteten Lächeln um Nuancen zu erweitern wusste. Hier allerdings sieht man einige Gesichtsausdrücke mehr, sein Spiel ist agil, sehr physisch, er ist zwar cool, in dem Sinne, wie Mitchum immer cool war und ist, in nahezu allen seinen Rollen, doch nehmen wir ihm auch ab, daß er, der Kriegsheimkehrer, keinen wirklichen Platz im Leben mehr findet und seine Erlösung in rasenden Fahrten auf den Straßen und in der Liebe zu einer Nachtclubsängerin findet. Damit entspricht er allerdings auch hier dem Prototyp eines Noir-Helden. Oder Antihelden.

Mitchum schrieb den Titelsong The Ballad of Thunder Road gemeinsam mit Don Raye und nahm ihn später auch auf. Allerdings unterscheidet sich der Song kaum von jenen Cowboyballaden, die etliche Western in Vor- und Abspann zieren und versüßen. Mitchum war es auch, der Elvis Presley die Rolle seines jüngeren Bruders antrug, was allerdings daran scheiterte, daß dessen Manager Col. Tom Parker eine Gage verlangte, die die Produktion nicht aufbringen konnte. So erst kam James Mitchum ins Spiel.

THUNDER ROAD ist klassischer ‚Film Noir‘, es ist ein Actionfilm und ein kleines, feines Drama, das seine Geschichte straight und geradeaus erzählt, sich nicht mit allzu vielen Nebenaspekten aufhält, ökonomisch genau seine Konflikte und Krisen setzt und diese auch aufzulösen versteht. Er bietet eine von Mitchums besten Rollen, eine derjenigen, in die der Schauspieler sich sichtlich mit Vergnügen hineinspielt. Der Film ist spannend und bietet darüber hinaus allerhand Stoff, der es wert ist, genauestens analysiert zu werden, da er viel über eine bestimmte Sicht Amerikas auf sich selbst verrät – und vielleicht auch viel über die späten 50er Jahre. Es ist vor allem aber ein immer noch spannender und gut funktionierender Road-Thriller, der sein Publikum auch Jahrzehnte nach seinem Erscheinen packt und unterhält.

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