WOODOO – DIE SCHRECKENSINSEL DER ZOMBIES/ZOMBI 2

Der Bastardbruder des Bastardbruders...

Im Hafen von New York treibt ein scheinbar herrenloses Boot, das den beiden Beamten der Wasserschutzpolizei allerdings ein schreckliches Geheimnis offenbart: Eine fürchterlich entstellte Gestalt greift die Polizisten an und tötet einen von ihnen. Der Vorfall bringt die Tochter des Bootsbesitzers, Anne Bowles (Tisa Farrow) und den Journalisten Peter West (Ian Mc Culloch) zusammen, die sich gemeinsam zu der Karibikinsel Matool aufmachen, wo Bowles Vater, Dr. Menard (Richard Johnson), praktiziert und forscht und von wo das Boot wohl gekommen ist. Anne und Peter mieten die Jacht von Brian (Al Cliver) und Susan (Auretta Gay), die bereit sind, sie zu der sagenumwobenen Insel zu begleiten. Bei einem Tauchgang wird Susan von einem Hai angegriffen, bevor eine vermeintliche Leiche beide attackiert. Susan kann dem Kampf entfliehen. Auf der Insel herrscht derweil bereits der Ausnahmezustand: Dr. Menard und seine Assistenten, denen immer mehr Patienten wegsterben, müssen die Leichen verbrennen und zudem jene Körper, die nicht schnell genug dem Feuer übergeben werden können, mit Kopfschüssen davor bewahren, zu Zombies mutiert wieder aufzuerstehen. Die These des Doktors ist, daß sich hier keine krankheitsbedingte Epidemie  ausbreitet, sondern der Fluch des Voodoo, der in der Karibik angeblich immer noch virulent sein soll. Schließlich treffen die vier auf der Insel Gestrandeten auf Menard, der sie – alarmiert durch ein Leuchtspurgeschoß – gesucht hat. Peter wird bald bewußt, wie groß das Ausmaß der Plage ist, die die Insel heimsucht. Er, Anne, Susan und Brian werden von Dr. Menard gebeten, dessen Frau Paola (Olga Karlatos) abzuholen, die ihren Gatten beschworen hatte, die Insel schnellstmöglich zu verlassen, stattdessen aber vom Doktor in dessen Wohnhaus zurückgelassen worden war. Als die Vier das Haus erreichen, war bereits Besuch da und sie finden Paola nur noch dahin drapiert als Selbstbedienungstheke. Auf der Flucht zurück zum Hospital verletzt sich Peter, so daß die Gruppe sehr viel langsamer vorankommt und ihre Verfolger immer weiter aufschließen. Als sie – unwissentlich – auf einem alten spanischen Friedhof Rast machen, fällt Susan den just in diesem Moment auferstehenden Konquistadoren zum Opfer. Zwar gelingt es Peter, Anne und dem ebenfalls verletzten Brian, Menards Station zu erreichen, doch der Übermacht der Zombies sind sie letztlich nicht gewachsen. Peter und Anne gelingt es schließlich, das beschädigte Boot zu erreichen, während alle anderen nach und nach zerfleischt werden. Die beiden fliehen aufs offene Meer und hoffen, in New York das Rätsel erforschen zu können. Doch das Radio weiß nur Grausiges zu berichten: Es habe sich eine Seuche in der Stadt ausgebreitet, die scheinbar unaufhaltbar sei. Wir erinnern uns an den totgebissenen Polizisten…

Wenn es so ist, daß jeder große Regisseur mindestens einen Bastardbruder sein Eigen nennt, so könnte man sagen, daß es sich exakt so zwischen dem Großmeister des surrealen Schauerspektakels, des grotesken Gore und psychedelischen Psychoschockers Dario Argento und seinem italienischen Landsmann Lucio Fulci verhält, dessen Talente den meisten leider verborgen bleiben. Selbst jene, die Argento verehren, können den todernst gemeinten Splatter Fulcis meist nicht goutieren, kommt dieser doch oft zu billig in der Machart oder schlicht zu naiv – oder auch einfach zu schlecht gemacht – daher. Dabei entgeht ihnen allerdings einiges, denn bei aller Kolportage, die Fulci betreibt, gelingen ihm doch immer wieder atmosphärische Klasseleistungen, die sich manchmal, in seinen besten Momenten, mit anderen filmischen Mitteln wie Dramaturgie, Story und Schauspiel…kunst zu erstaunlichen Kleinoden des Terrorkinos in seiner blutigsten Variante vereinen. Und man mag es kaum glauben, doch der im Original als ZOMBI 2 – also deutlich als „Nachfolger“ zu George A. Romeros Megaseller DAWN OF THE DEAD von 1978 – beworbene WOODOO – SCHRECKENSINSEL DER ZOMBIES von 1979 gehört zu eben diesen…

Als wolle Fulci eher ein Prequel zu Romeros Schocker liefern, berichtet er uns von den Vorgängen auf der Karibikinsel, die nach Lesart dieses Films für den Ausbruch der Zombieplage verantwortlich wären. Dadurch, daß der Film bei der Erklärung dessen, was geschieht, sehr vage bleibt, den Fluch des Voodoo aber zumindest als Möglichkeit zuläßt, greift er sogar auf den Ursprungsmythos des Zombiewesens zurück. Ursprünglich sind Zombies ja zum Leben auferstandene Tote, bzw. in eine Trance versetzte und dadurch Toten ähnelnde Sklaven, die willenlos den Befehlen ihres Herren gehorchen müssen. Die klassischen Zombiefilme – WHITE ZOMBIE (1932) oder I WALKED WITH A ZOMBIE (1943) – erzählen auch genau davon. Man kann Fulcis Film, der auf einem Drehbuch von Elisa Briganti und Dardano Sacchetti beruht, also zugutehalten, daß er dem eigentlichen Zombiemythos näher ist, als es Romeros Filme je waren. Mehr noch: In gewisser Weise stellt Fulci mit seinem Film eine Verbindung her zwischen Romeros scheinbar grundlos Untoten und dem ursprünglichen Mythos.

Allerdings hält er sich auch nicht einen Moment länger mit Erklärungen auf, als dies unbedingt nötig wäre. Ganz im Gegenteil setzt er schon in den ersten Szenen auf dem führungslosen Boot im New Yorker Hafen den Maßstab dessen, was folgen sollte: Ekel (glibbrige Maden, die sich auf Essensresten winden), Gore (die zerfressene und verwesende Gestalt des Zombies, der die Polizisten angreift) und Splatter (der Angriff auf den Polizisten, inklusive eines beherzten Bisses in dessen Hals und der Menge an darob vergossenem Blut). Einem für seine Verhältnisse ungewohnten dramaturgischem Timing folgend, stellt er die Effekte dann eine Weile zurück zugunsten eines für seine Verhältnisse ebenfalls ungewohnten Spannungsaufbaus. Und es gelingen ihm hier – anders als in so manch anderem Werk aus seiner Kreativwerkstatt – auch wirklich Spannungsmomente und vor allem – da wieder mehr bei sich selbst, denn dies ist eine seiner Stärken, die ihn zudem auch wieder mit dem ewig als Rivalen empfundenen Kollegen Dario Argento verbindet – eine dichte, den Betrachter in Unwohlsein hüllende Atmosphäre. Und Fulci – der auch ein Meister des Drecks, des Schmuddels und der visuellen Hinterhöfe war – gelingen hier auch wirklich aufregende Bilder, teils voller Eleganz – der Eleganz des Schreckens. Der Kampf zwischen Hai und Zombie sei hier ebenso genannt, wie das wahrlich magenerschütternde Tableau, dessen das geneigte Publikum ansichtig wird, wenn Peter West und seine Freunde Menards Haus erreichen und dort dessen Frau finden, an der sich – vollkommen selbstvergessen – einige Zombies gütlich tun. Fulci, das kann man schon so sagen, erreicht in diesen Momenten so etwas wie eine Poesie des Splatters, eine Lyrik des Blutes, den Ausdruck einer Ästhetik des geschundenen und zerstörten Körpers. Und kommt auch damit Argento – der ja seinerseits wiederum keine ganz unwesentliche Rolle bei der Entstehung von Romeros Film gespielt hatte – dabei so nahe wie selten in seinem Gesamtwerk.

Da man offensichtlich schnell auf Romeros Erfolg reagieren wollte und dazu aber einen gewissen Standard halten musste, weist ZOMBI 2 im Vergleich zu anderen Fulcifilmen ein weitaus höheres Maß an wirklich gekonnten Spezial- und vor allem Make-Up-Effekten auf. Er hatte hier ein anderes, höheres Budget zur Verfügung und das sieht man auch. Fulci wollte immer einen Schritt weiter gehen, als alle anderen Künstler seines Metiers, anders jedoch als z.B. Ruggero Deodato in dessen berühmt-berüchtigten CANNIBAL HOLOCAUST (1980), nicht auf Snuffszenen (mit Tieren) setzen, sondern das Publikum mit gnadenlosen Splatter- und Gore-Effekten konfrontieren. Dazu sind allerdings auch dementsprechende Effekte nötig. Gerade der Vergleich mit seinem eigenen, nur ein Jahr später entstandenen und in Deutschland dank einer ZDF-Dokumentation in den frühen 80er Jahren zu zweifelhaftem Ruhm gelangten PAURA NELLA CITTÀ DEI MORTI VIVENTIEIN ZOMBIE HING AM GLOCKENSEIL (1980), kann man die Differenz zwischen gelungenen Effekten und deren Gegenteil ganz gut studieren. In ZOMBI 2 sitzen die Splattereffekte, wenn hier Köpfe zermatscht werden, dann werden sie wirklich zermatscht und nicht, wie im Nachfolger, lediglich Perückenteile weggeklappt; die Zombies in ZOMBI 2 sind im Make-Up überzeugend, zeigen Verwesende bis hin zu den in ihren leeren Augenhöhlen sich windenden Maden; die Angriffe auf die Opfer der Untoten sind überzeugend, keine allzu deutlich sichtbaren Tricks und Täuschungen, die den Eindruck trüben. So gelingt es ZOMBI 2, als Splatterfilm wirklich zu überzeugen. Doch darüber hinaus gelingt es dem Film eben auch, atmosphärisch einzunehmen und dem Zuschauer ernsthaft Schauer über den Rücken zu schicken. Nach dem Auftakt in New York, der uns ein gerüttelt Maß an Action verspricht, wird der blaue Himmel der Karibik, unter dem Peter und seine Freunde zunächst dahinsegeln, mit dem Wind von Matool konterkariert, der ununterbrochen über die Insel zu fegen und alles – Häuser, die Menschen, die alte Kirche, in der Menard seine Forschungsstation eingerichtet hat – in Staub und Dunst zu verhüllen scheint. Giftig und verloren wirkt die Insel und wir ahnen, daß diejenigen, die hier gestrandet sind, nichts Gutes zu erwarten haben.

Natürlich hatte das geneigte Publikum, welches mit Romeros Film vertraut war, eine gewisse Erwartungshaltung. Romero hatte den Ton gesetzt, den ein zünftiger Zombiefilm anzuschlagen hatte: Apokalyptisch, brutal, gnadenlos blutig und ausweglos musste der daherkommen, eine Welt ausstellen, die jedweder Gnade verlustig war. Wollte das Publikum dieser Filme eigentlich mit Spannung unterhalten werden? Wahrscheinlich eher nicht. Wahrscheinlich war der Vergleich des Blutfaktors in Film A mit jenem in Film B nicht unwesentlicher Teil des ganzen Spaßes. Und die Masse der ab nun bis Mitte der 80er Jahre produzierten Zombiefilme – die die Kritiker von einer „Zombieflut“ oder, in Anlehnung an den Titel eines weiteren einschlägigen Films gleicher Machart, von einer „Invasion der Zombies“ sprechen ließ – lieferte auch genau das: Immer aberwitzigere Splattereffekte, die auf immer ekelerregendere Zerstörungsgrade von Körpern abzielten. Interessant sind die meisten eher unter soziologischen Aspekten: Wieso rollte diese Welle extremer Gewaltfilme, die mit Weltuntergangsszenarien gepaart wurden, gerade in diesen Jahren durch die europäischen und nordamerikanischen Bahnhofskinos? Was brachte das Sich-Ergötzen an diesen spezifischen Gewaltorgien zum Ausdruck? Worauf wies es hin? Fragen, die hier allemal nicht zu beantworten sind.

Man kann also festhalten, daß Lucio Fulci in der endlosen Reihe der DAWN OF THE DEAD-Epigonen (oder Plagiate, darüber darf gestritten werden) der mit Abstand beste Film gelungen ist. ZOMBI 2 packt auch, weil er Protagonisten bietet, die uns nicht – auch das im Unterschied zu den meisten seiner Nachfolger – vollkommen kalt lassen und in Dr. Menards Fall sogar genug Tragik mitbringen, uns wirklich zu berühren. Das ist natürlich der Tatsache geschuldet, daß Fulci – auch das dem höheren Budget geschuldet – zumindest in den wesentlichen Rollen auf wirklich talentierte Schauspieler zurückgreifen konnte, allen voran Richard Johnson in der Rolle des ebenso unglücklichen wie unseligen Arztes.

Wer sich also über die Klassiker wie NIGHT OF THE LIVING DEAD (1968) oder DAWN OF THE DEAD (1978) hinaus einen Eindruck verschaffen will, wie sich der Zombiefilm als Subgenre entwickelte und wo sich der Horrorfilm anfangs der 80er Jahre neben den damals v.a. in den USA aufkommenden Slasherfilmen à la HALLOWEEN (1978) oder FRIDAY THE 13TH (1980) und deren zahllosen Nachfolgern befand, der hat mit der ungeschnittenen Version  von Fulcis Halbklassiker sicherlich einen guten, weil Überblick verschaffenden Griff getan.

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