ICH FOLGTE EINEM ZOMBIE/I WALKED WITH A ZOMBIE

Ein dichtes, poetisches Märchen von den Schrecken der Wildnis

Die Krankenschwester Betsy (Frances Dee) tritt einen neuen Job auf der Karibikinsel San Sebastian an. Sie soll auf einem Anwesen die junge Jessica Holland (Christine Gordon) versorgen, die – sehr zum Unglück ihres Mannes Paul (Tom Conway) – in eine Art katatonische Starre verfallen ist. Sie lebt, doch ihr Geist scheint entrückt, möglicherweise gar zerstört. Der verbitterte Ehemann Paul versucht Betsy schon auf der Überfahrt vom Überseehafen auf die Insel zu vermitteln, daß das, was ihr schön erscheint (hier: Fliegende Fische über der spiegelglatten, scheinbar leuchtenden See), in Wahrheit ein Spiegel der rauhen, vielleicht gar bösen Natur sei: die Fische flögen aus Furcht, sie seien auf der Flucht, das leuchten der See käme von toten Algen: Alles sei Vergehen und vergänglich, was schön sei, sei oft nur ein Abbild des Todes. Auf dem Anwesen, dessen Eingang von einer zweckentfremdeten Gallionsfigur, die den heiligen Sebastian darstellt, geschmückt wird, lernt Betsy dann die anderen Bewohner kennen: Wesley (James Ellison), der Bruder von Paul, ein Alkoholiker, der wohl ein dunkles Geheimnis brütend mit sich trägt und die Mutter der beiden, Mrs. Rand (Edith Barrett). Sowohl der Hausarzt als auch Paul haben jeweils eine Erklärung für Jessicas Zustand: der erstere hält ihn für die Folge eines Tropenfiebers, der letztere deutet seine Verantwortung an, ohne zu sagen, worin diese bestünde. Nach und nach verliebt sich Betsy in ihren Arbeitgeber. Selbstlos, wie sie ist, will sie gerade deswegen Jessica heilen, um Paul glücklich zu sehen. Dieser jedoch läßt sie wissen, daß seine Gefühle den ihrigen nicht unähnlich sind, er also Jessicas Heilung nicht unbedingt wünsche. Betsy will nicht aufgeben und folgt dem Rat einer Hausangestellten, einen Voodoopriester aufzusuchen, möglicherweise habe Jessicas Zustand etwas mit den ominösen Zauberpraktiken der einheimischen Magier zu tun? Da die Betsy bekannten Methoden der Schulmedizin (Insulinschocks) nicht helfen, führt sie Jessica nachts zu dem Voodooplatz, wo sich der große Magier als niemand anderes als Mrs. Rand entpuppt, die sich den Voodooglauben der Einheimischen zu Nutze macht, um sie „normalen“, also schulmedizinischen Untersuchungen unterziehen zu können. Und so schließt sich der Kreis. Es hatte sich zuvor schon angedeutet, daß Wesley in Jessica verliebt gewesen ist und Mrs. Rand wollte ein innerfamiliäres Zerwürfnis dadurch verhindern, daß sie Jessica – und zwar mittels eben jener von ihr als unseriös abgelehnten Voodoo-Praktiken – in deren Zustand versetzte. Jessica wird nachhause gebracht. Doch währenddessen nehmen die Einheimischen ihre Rituale wieder auf, sie werden intensiver und schließlich durchsticht einer eine Puppe mit einer Nadel. Wesley zieht aus der San-Sebastians-Statue einen der Pfeile, ersticht Jessica und trägt deren Leichnam hinaus ins Meer. Bei Ebbe ziehen die Wattfischer los und finden die beiden – tot.

Jacques Tourneur drehte für RKO Pictures einen kleinen Zyklus an Horrorfilmen, deren zweiter dieses sehr kurze aber höchst intensive Werk war. Zusammen mit dem Produzenten Val Lewton etablierte er einen atmosphärisch dichten Stil, der ästhetisch höchsten Ansprüchen genügte, zugleich jedoch jedes Bild doppeldeutig und dadurch bedrohlich wirken ließ. Was in der ersten dieser Koproduktionen, CAT PEOPLE (1942), vor allem in Innenräumen funktionierte und zu einem eleganten Spiel mit Formen und Schatten führte, wird hier in die Natur hinaus getragen (wobei viele der Außenszenen sehr wohl Studioaufnahmen sind). Die Insel – Paul läßt daran während der Überfahrt zu Beginn des Films keinen Zweifel – scheint verflucht. Alles hier ist träge, langsam. Fast meint man trotz der schwarz-weiß-Bilder die Sonne zu spüren, die Hitze, die einen in der feuchten Luft kaum atmen läßt. Ein schwüler Film. So herrscht von Anfang eine bedrohliche Atmosphäre, die aber zugleich weder durch sichtbare, noch akustische Zeichen bestätigt wird. Das Leben hier scheint einem eigenen Rhythmus zu folgen, dem Betsy sich anpassen muß, dazu gehören scheinbar eben auch die menschenfeindliche Umgebung und die seltsamen Rituale. Abends dringen die Trommeln der Einwohner zu den Bewohnern der Plantage hinüber.

Tourneur verzichtete hier, wie eigentlich in all seinen Filmen (außer, wenn er, wie in NIGHT OF THE DEMON [1957] zu anderem gezwungen wurde) auf den sichtbaren Horror. Nie sieht man etwas, das einen wirklich verstören könnte, es werden keine visuellen Schocks verabreicht, oberflächlich gesehen passiert in diesen Filmen nicht einmal viel. Wenn Betsy Jessica durch die Bambusrohre und das Schilf zu der Voodoostätte bringt, dann ist dies – darin den expressionistischen deutschen Filmen der 20er Jahre nicht unähnlich – ein zwar lautloses, dafür aber fast abstraktes schwarz-weißes Spektakel aus Schatten und Licht. Diesem zu folgen ist für den Zuschauer sowohl ein ästhetisches Vergnügen, denn Tourneur betont hier die Schönheit (der man ja, wie Paul erklärte, im Zusammenhang mit diesem Ort eh nicht trauen darf) des Schattenspiels, aber auch ein Schrecknis, denn in der Schönheit, der Ästhetik der Szene liegt auch etwas Dräuendes, gar etwas Dämonisches. In diesem Dickicht kann alles lauern. Was dieses Alles sein könnte, bleibt jedoch vollkommen der Phantasie des Zuschauers überlassen. Wie so vieles an diesem Film.

Der „Zombie“ schließlich, der in dem Dickicht eine Art Wegweiser darstellt, ist später derjenige, der auf die Plantage geschickt wird (?), um Jessica zu holen, indem sie ihm folgen soll – deshalb der Titel des Films. Und dieser „Zombie“ wird sie schließlich auch am Ende des Films zurück auf die Plantage tragen, nachdem man ihre und Wesleys Leiche gefunden hat. Was daran schauerlich ist, ist weniger die Gestalt des Zombies selbst (obwohl diese ebenfalls dazu angetan ist, Schrecken zu verbreiten, nur spielt Tourneur das nicht aus, so daß der Zuschauer den Anblick nicht schockartig, sondern wie nebenbei geboten bekommt), vielmehr ist es die Selbstverständlichkeit, mit der jeder – auch Betsy erstaunlicherweise – dieser Figur begegnet. So wird der Film auch eigentlich erst zum Horrorfilm: Der Zuschauer kann sich in dieser Welt nicht wirklich zurecht finden. Alles wirkt wie eine Traumlandschaft. Und wie uns in Träumen manchmal Dinge wie selbstverständlich erscheinen, die wir im „realen“ Leben befremdlich finden, so begegnen uns auch hier immerzu Zustände, Figuren und Haltungen, die wir zunächst ganz „normal“ finden, dann erst, mit der Zeit, eher seltsam und bedrückend. Und alles, alles kann passieren. Je mehr man merkt, daß man in einem Traum steckt, desto größer die Angst vor den Regeln des Traums.

Tourneur bevorzugt hier, anders als in CAT PEOPLE, eine scheinbar klare Auflösung. Daß Mrs. Rand ihre Schwiegertochter in Trance versetzte, um ihre Familie zu retten – sich also freudianisch als jenes von Hollywood so heiß geliebte Muttermonster entpuppt) – , ist dann eben eine fast banale Auflösung, die lediglich durch die Szenen, in denen die Eingeborenen die Rituale wieder verstärken und dann die Nadel in die Puppe stechen, konterkariert und in ihrer rationalen Nachvollziehbarkeit in Frage gestellt wird. So haben wir es schließlich mit einem ödipalen Übermutterdrama zu tun. Darin liegt vielleicht eine kleine Schwäche des Films.

Allerdings liegt hier auch jener Punkt des Films, der aus heutiger Sicht leider nicht ganz zu verschweigen ist: Sowohl Mrs. Rand als auch der Hausarzt der Hollands geben zu, Voodoopraktiken zu nutzen, um die Eingeborenen zu überreden, Medizin zu sich zu nehmen. Der Film nimmt vollkommen diese Position ein. Das bedient natürlich Klischees, die in den 1940er Jahren zwar auch schon rassistisch waren, damals allerdings noch weitaus salonfähiger. Wir heutigen müssen schon bemerken, daß der Film Eingeborene als zumindest etwas minderbemittelt (und das nicht in materialistischer Weise) darstellt. Das fängt bei Aberglauben an und geht über die genutzte Sprache bis hin zur Bedrohlichkeit schwarzer Körper. Denn gleich wie Tourneur den „Zombie“ auftreten läßt – es ist ein Hüne, dunkelhäutig mit weit hervorstehenden Augen. Er entspricht einem damals herkömmlichen rassistischen Klischee, ähnlich wie es 10 Jahre zuvor Cooper und Schoedsack im originalen KING KONG (1933) ebenfalls bedient hatten. Der schwarze Mann als unheimliche Bedrohung. Potent, stark und immer in der Lage, dem weißen Mann die Frau streitig zu machen. Tourneur dreht die Spirale lediglich etwas weiter, wenn er den schwarzen Mann dann – in einer Geste der Abwehr – dann auch als willenlos, schwach und unterwürfig zeigt. Man könnte dem Film auch vorwerfen, die Insel als auch ihre Einwohner so oder so lediglich als Dekoration zu nutzen. Dies alles ist eigentlich nur exotischer Hintergrund zu eben jenem Mutter-Sohn-Drama, das ebenso im schottischen Hochland oder auf einer Ranch in den Weiten des Wilden Westens spielen könnte.

Doch soll das alles nicht den Film schmälern. Innerhalb der Genreregeln und seiner Zeit geschuldet, ist es einer der überzeugendsten Grusel/Horrorfilme, die Hollywood neben den klassischen Universalstreifen a la DRACULA (1931) und FRANKENSTEIN (1931) hervorgebracht hat. Tourneurs Stil ist prägend gewesen und einzigartig. Niemand hat Horrorfilme in jenen Jahren in Hollywood auf diese Art und Weise gedreht und den Horror, also den Schrecken, den Menschen angesichts (zunächst) unerklärlicher Ereignisse empfinden, derart interpretiert. Zeitlos. Schön. Schrecklich.

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