ALIEN 3/ALIEN3
David Fincher bietet allerhand Sub- und Metatexte im dritten Teil der Saga, allerdingsa von allem ein wenig zu viel
An Bord der USS Sulaco, eines Raumfrachters, der Ellen Ripley (Sigourney Weaver) und drei weitere Überlebende einer Rettungsmission vom Exo-Mond LV-426 im Kälteschlaf zu Erde befördern soll, bricht ein Feuer aus. Das Schiff entscheidet, seine schlafenden Passagiere in einer Rettungskapsel auf dem Planeten Fiorina 161 abzusetzen. „Fury 161“, wie die Bewohner ihre Heimat nennen, ist eine Sträflingskolonie, wo ausschließlich Männer in den dort vorhandenen Erz-Minen und der dazugehörigen Raffinerie arbeiten.
Bei der Bruchlandung sterben die Insassen der Rettungskapsel – bis auf Ripley, die schwer verletzt überlebt. Auch der Android Bishop (Lance Henriksen) wird schwer beschädigt in die Mülldeponie der Kolonie verfrachtet.
Als Ripley erwacht, trifft sie vor allem der Verlust von Newt schwer. Das Mädchen war ihr während der Mission auf LV-426 ans Herz gewachsen. Der Arzt Clemens (Charles Dance), der scheinbar freiwillig in der Kolonie seinen Dienst verrichtet, versteht Ripleys Schmerz über den Verlust. Zwischen ihm und Ripley kommt es zu Zärtlichkeiten, die sowohl für ihn als auch für sie eher ungewöhnlich sind.
Den restlichen Männern fehlt solche Empathie. Die Gemeinschaft auf Fury 161 ähnelt einer einem apokalyptischen Glauben anhängenden Sekte, die mönchische Regeln befolgt – darunter das Zölibat. Deshalb ist Ripley vom Moment ihres Auftauchens an, ein Störfaktor in der vorherrschenden Ordnung. Da die Sträflinge teils Schwerverbrecher sind, die auch vor Vergewaltigung und Mord nicht zurückschrecken, ist Ripley in Gefahr.
Als einige der Häftlinge sie zu vergewaltigen versuchen, ist es der Sträfling Dillon (Charles S. Dutton), der ihr zur Hilfe kommt, ihr aber auch unmissverständlich klarmacht, dass sie sich separat halten solle. Nur so sei sie sicher, bis Hilfe einträfe und sie mit zur Erde nehmen könne.
Ripley ist allerdings sehr interessiert an den Gründen dafür, dass das Mutterschiff sie und die anderen per Rettungskapsel ins All geschossen hat. Sie findet Bishop in einem Altmetalllager und es gelingt ihr mit der Hilfe von Clemens, ihn zumindest soweit wieder herzustellen, dass er ihr seine Aufzeichnungen aus der USS Sulaco vorspielen kann. So erfährt Ripley, dass dort ein Feuer ausgebrochen ist. Anhand des Bildmaterials wird ihr klar, dass für dieses Feuer eine säureartige Flüssigkeit verantwortlich gewesen ist. Ripley wird klar, dass ein Facehugger, eines jener Zwischenstadien des Alien, das sie nun seit Jahrzehnten verfolgt, auf dem Schiff gewesen sein muss.
Was sie und die anderen Bewohner von Fury 161 allerdings nicht ahnen: Der Facehugger hatte sich ebenfalls in die Kapsel retten können und hat auf dem Strafplaneten einen Hund als Wirt gefunden. Aus diesem bricht nach geraumer Zeit ein Alien hervor und nistet sich in den Katakomben und den labyrinthischen Gängen der Mine ein.
Als die ersten Bewohner der Kolonie verschwinden, ist Ripley aber schnell klar, womit sie es zu tun haben – allerdings glauben ihr die Sträflinge nicht, von Clemens einmal abgesehen. Der wiederum wird vor Ripleys Augen nach der gemeinsamen Liebesnacht getötet. In derselben Situation nähert sich das Alien Ripley bis auf wenige Zentimeter, tötet sie jedoch nicht.
Wenig später schlägt das Wesen vor aller Augen zu und tötet einen der Sträflinge. Nun verstehen auch die anderen Insassen, in welcher Gefahr sie schweben.
Während die Besatzung des Planeten überlegt, wie man sich des Aliens erwehren kann, führt Ripley einen Körperscan bei sich selbst durch. Sie ahnt Schreckliches, das nun bestätigt wird: Der Grund, dass das Alien sie verschont hat, findet sich in ihrem Brustkorb, wo eine Alien-Königin brütet. Es wird nicht mehr lange dauern, bis sie aus Ripleys Körper hervorbrechen und sie töten wird.
Die Daten, die Ripley durch den Scan erstellt hat, werden an die Erde übermittelt, der Mutterkonzern, für den auch Ripley arbeitet, erhält sie und kündigt eine Rettungsmission an. Nach wie vor ist die Gesellschaft an dem Alien interessiert, glaubt man doch, es als biologische Waffengattung züchten zu können.
Innerhalb der Belegschaft kommt es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Häftling Walter Golic (Paul McGann), der ein fanatischer Vertreter der Religion ist, die auf Fury 161 herrscht. Er glaubt, in dem Alien die Verkündung, die Erfüllung der Prophezeiung vom todbringenden „Drachen“, dem Leibhaftigen selbst, erkannt zu haben. Seine Mithäftlinge setzen ihn fest, damit er kein Unheil anrichten kann.
Ripley bittet Dillon, sie zu töten, damit die Königin in ihr nie das Licht der Welt erblickt. Dillon ist dazu bereit, wenn Ripley ihm und den anderen Insassen zuvor hilft, das in der Kolonie wütende Alien zu töten.
Gemeinsam fasen sie den Plan, das Wesen in die Gießerei zu locken und dort mit Blei einzufassen. Doch Golic kann sich befreien, befreit seinerseits das Alien, nachdem es in eine Falle gelockt wurde, wird dann aber von ihm getötet.
Schließlich gelingt es Dillon und den anderen Männern aber doch, das Alien in die gestellte Falle zu locken und mit Blei zu übergießen. Allerdings sterben bis auf den Häftling Morse (Danny Webb) alle anderen Bewohner des Planeten. Ripley befiehlt Morse, die Sprinkleranlage zu betätigen, wodurch das in Blei gefasste Alien mit Wasser übergossen wird und in Tausende Stücke zerspringt.
Während dieser Vorgänge ist das Rettungsschiff eingetroffen. Der Vorsitzende des Konzerns, Weyland (ebenfalls Lance Henriksen) erklärt Ripley, dass die Königin aus ihrer Brust entfernt und getötet werden solle. Doch Ripley weiß aus den früheren Begebenheiten, dass der Konzern das Wesen als biologische Waffe vermarkten will. So entschließt sie sich, sich selbst zu töten und damit das Alien mitzunehmen: Sie lässt sich rücklings in den Schmelzofen fallen. Während des Falls bricht das Alien aus ihrer Brust hervor, doch Ripley gelingt es, das Wesen zu fassen und mit sich in die Hitze zu reißen.
Die Produzenten der ALIEN-Serie (1979/86) bewiesen bei der Regie-Besetzung des dritten Teils, ALIEN3 (1992), tatsächlich großen Mut. Hatten sie die Regie für Teil 2, ALIENS (1986), mit James Cameron bereits einem relativen Newcomer anvertraut, der allerdings zuvor mit TERMINATOR (1984) einen riesigen kommerziellen Erfolg zu verzeichnen hatte, so übergab man die Regie für den dritten Teil mit David Fincher an einen Künstler, der zwar schon etliche Musik-Videos und Werbespots, aber noch nie einen kommerziellen Langfilm gedreht hatte[1]. Die Geschichten über die Auseinandersetzungen zwischen den Vertretern des Studios und dem eigenwilligen Regisseur sind legendär; Fincher ist bis heute extrem unzufrieden mit dem Ergebnis seiner Arbeit und behauptet, von dem Film, den er habe drehen wollen, sei im Ergebnis – auch in der mittlerweile veröffentlichten Special Edition – kaum etwas bis nichts mehr zu sehen.
Gemeinhin wurde ALIEN3 von der Gemeinde der ALIEN-Aficionados (und die ist gewaltig, hat die Serie doch absoluten Kult-Status) dann auch als der schwächste der bis dato drei Teile betrachtet; ein Verdikt, das sogar noch Gültigkeit hatte, nachdem Teil 4, ALIEN: RESURRECTION (1997), in die Kinos gekommen war. Dabei kann man Finchers Arbeit durchaus etwas abgewinnen, führt sie die Serie doch nicht nur inhaltlich wieder näher an das Original heran, sondern auch stilistisch und filmisch.
Cameron hatte für den unmittelbaren Vorgänger ein dem Original nahezu diametral entgegengesetztes Szenario entwickelt: Statt eines einzigen Aliens sind es Horden der todbringenden Wesen, die in einer Siedlerkolonie hausen, welche just auf jenem Stern gebaut wurde, wo in Teil eins der Reihe die Besatzung der Nostromo – so der Name des kommerziellen Raumfrachters, der im Original Ort der Handlung ist – erstmals auf den fremdartigen Organismus gestoßen war. Anstatt schleichenden Horror zu bieten, setzte der Regisseur auf satte, bluttriefende und oft rasante Action. So gelang es Cameron einerseits, den Figuren – allen voran der Hauptfigur Ellen Ripley – erstaunlicherweise mehr Tiefe zu verleihen und auch die Charaktere derer, die im Film dann bald ihr Leben lassen müssen, genauer auszuarbeiten, zugleich aber eben auch einen astreinen Actionstreifen abzuliefern, der sein Publikum in der Kinofassung weit über zwei Stunden zu fesseln und in Aufruhr zu versetzen verstand (die Special Edition ist gleich noch einmal über zwanzig Minuten länger, was dem Film ebenfalls nicht schadet).
Finchers Film nun führt Ripley, die am Ende von Teil zwei mit den Überlebenden des Desasters auf dem Exo-Mond LV-426 in einer Raumkapsel geflohen war, per Notlandung auf einen Planeten, der als Strafkolonie dient. Hier hat sich eine reine Männergesellschaft aus Mördern, Vergewaltigern und Psychopathen in einer quasi-religiöse Sekte mit apokalyptischem Anstrich eingerichtet, die ein zölibatäres Leben führen, sich strengen, im Grunde mönchischen Regeln unterwerfen und ganz in ihrer Arbeit in den Erz-Minen des Planeten und der dazugehörigen Raffinerie aufgehen. Diese Ordnung wird nun durch Ellen Ripley – als Frau – und durch das, was sie mitbringt – das Alien – gestört. Zunächst ist es die Frau an sich, die disruptiv wirkt. Sie verhält sich ausgesprochen selbstsicher und verlangt, dass man ihr erklärt, was aus ihren Mitreisenden geworden ist und vor allem, weshalb sie mit einer Rettungskapsel von dem Schiff aus, auf dem sie eigentlich Richtung Erde reisten, auf diesen unwirtlichen Planeten geschossen wurden? Ripley hat natürlich einen Wissensvorschuss, sie ahnt bald, dass die Geräte auf dem Mutterschiff etwas erkannt haben müssen, das zu dem Entschluss führte, die Schlafenden abzukoppeln. Bei den Männern der Strafkolonie ruft Ripleys Auftritt sofort aggressives Verhalten hervor. Weder sind sie willens, Ripleys zunächst eher geraunte Warnhinweise zu glauben, erst recht sind sie nicht willens, solche Hinweise aus dem Mund einer Frau entgegen zu nehmen. Einzig und allein ein Arzt namens Jonathan Clemens, der die Kolonie betreut, ist bereit, Ripley zu Glauben zu schenken und ihr in ihrem Furor, was das, was sich da möglicherweise auf dem Planeten einnistet, zu folgen.
Das Drehbuch von David Giler, Walter Hill und Larry Ferguson – Giler und Hill hatten bereits an dem originalen ALIEN-Film (1979) als Produzenten mitgewirkt, hier aber zum ersten Mal das Script verfasst – bietet also auch ohne das Alien schon genügend Konfliktpotential, um einen enorm spannenden Film zu generieren. Hinzu kommen – neben der eher herkömmlich-konventionellen Art und Weise, wie das Alien dann damit beginnt, die Besatzung der Kolonie zu dezimieren – weitere Aspekte, die den Film spannend und auch hintergründig machen. Cameron hatte im Vorgänger bereits einen Themenkomplex angelegt, der hier eine andere, ganz neue Dimension bekommt: Die Frage der Mutterschaft. Denn kämpften am Ende von Teil 2 mit Ripley und der Königin noch zwei „Mütter“ darum, ihre jeweilige Brut zu schützen – wobei Ripley, deren eigene Tochter zu Beginn von ALIENS bereits tot ist, das Mädchen Newt als Ersatztochter annimmt; Newt stirbt bei dem Aufprall der Rettungskapsel zu Beginn von ALIEN3 – muss Ripley nun begreifen, dass sie selbst zum Wirt für ein neues Alien geworden ist. Offenbar war einer der tödlichen Organismen bei der Flucht von LV-426 in das Raumschiff gelangt, mit dem die Überlebenden damals geflohen sind. Ein sogenannter Facehugger, also jenes Zwischenstadium des Wesens, das sich am Gesicht des Wirts festsaugt und die Eier in ihn hineinpumpt, die dann in ihm wachsen und irgendwann buchstäblich aus ihm hervorbrechen, muss die Schlafenden infiziert haben. Es war schließlich dessen säurehaltiges Blut dafür verantwortlich, dass im Schiff Feuer ausbrach, was die technischen Überwachungssysgteme dazu veranlasste, die Rettungskapsel abzusetzen.
Die Idee, dass Ripley das Alien in sich trägt, es gleichsam „austrägt“ – eine deutliche Steigerung zu der „angenommenen“ Mutterschaft des unmittelbaren Vorgängers – führt eine erweiterte und die Story erweiternde Ebene in die Beziehung zwischen Ellen Ripley und diesem Wesen ein, das nun schon so lang ihr Leben bestimmt, wie sie an einer Stelle im Film auch selber anmerkt. Die hier erweiterte Dimension wird in jener Szene überdeutlich, in der sich das Alien, nachdem es Clemens getötet hat, Ripley nähert, sein Maul bis auf wenige Zentimeter an ihr Gesicht heranschiebt und dann von ihr ablässt. Offenbar kann es spüren – oder riechen? – dass sich ein Artverwandter in dieser Frau, dem Wirt, eingenistet hat. Und dieser Wirt, der das Heranwachsende nährt, wird selbstredend nicht getötet. So wird Ripley, symbolisch und genau für die Zeitspanne, die sie das Wesen in sich trägt, zu einem Teil der Alien-Gemeinde, wird gleichsam zu einem der ihren. In dieser Szene ist David Fincher übrigens eines der eindringlichsten Bilder der gesamten, an ikonographischen Bildern nicht gerade armen Serie gelungen. Immer wieder ziert dieser Moment, in welchem sich das Alien und Ripley vielleicht so nah wie nie zuvor und nie danach kommen, Artikel und Abhandlungen zu der gesamten Serie. Immerhin ein kleiner Triumph für diesen vermeintlichen Paria der Reihe.
Der andere Aspekt, den das Drehbuch einführt, der allerdings weniger die Metaebene der Serie berührt – also das Verhältnis des Menschenwesens Ellen Ripley zu etwas vollkommen Fremden, welches sich im Alien materialisiert – sondern vielmehr spezifisch auf diesen Teil gemünzt ist, ist die Frage nach Männergemeinschaften und sie bedrohende Infiltration(en). Die Männer auf Fury 161, wie die Strafkolonie von ihren Bewohnern genannt wird, leben in der bereits erwähnten mönchsähnlichen Gemeinschaft. Sie haben allesamt ewig keine Frau gesehen, was im Film gleich dazu führt, dass einige der Sträflinge versuchen Ripley zu vergewaltigen, was dann aber durch den Mitgefangenen Dillon verhindert wird und in der Folge auch keine weitere Rolle spielt, weshalb man sich fragt, ob die entsprechende Szene dramaturgisch überhaupt nötig gewesen ist? Dass Ripley – und letztlich auch das, was sie in sich trägt – in eine im Grunde eingeschworene Gemeinschaft eindringt und dort als Fremdkörper für Unruhe sorgt, liegt auf der Hand und hätte sicher auch subtiler als durch eine versuchte Vergewaltigung gezeigt werden können. Wie so häufig kreuzen sich in der Vergewaltigung allerdings, wenn auch ebenfalls wenig subtil, die Themen „Männergemeinschaft“ und „Sexualität“. Und sie kreuzen sich, wie so oft, im Medium der Gewalt. An dieser Schnittstelle wird allerdings auch ein weiterer Metaaspekt der gesamten Reihe berührt – der der immer nur symbolisch oder subtextuell behandelten Sexualität. Doch dazu später mehr.
Zugleich werden durch die Darstellung dieser Männergemeinschaft und ihre strengen, eben ans Religiöse gemahnenden Regeln weiterführende Fragen aufgeworfen: Sind die Männer in der Kolonie verkappt (oder offen) homosexuell? Kann ihr körperlicher Zugriff auf eine Frau deshalb nur gewalttätig sein? Eine solche Interpretation würde dem Film allerdings eine unterschwellige Homophobie unterstellen. Allerdings wird und nie eine wirklich zärtliche Begegnung zwischen diesen Männern angeboten. Stattdessen ist die einzige liebevolle körperliche Begegnung, die der Film uns bietet, jene zwischen Ripley und dem Arzt Clemens, der sich mannigfaltig von den anderen Männern abgrenzt; vor allem dadurch, dass er freiwillig hier lebt, nachdem er seine Strafe – er hatte einen für andere tödlichen professionellen Fehler begangen – abgesessen hat. Er ist dadurch aber eben auch eindeutig als nicht homosexuell definiert.
Die zeitgenössische Kritik wollte das Alien, das Ripley in sich trägt, dann gleich auch als eine Metapher für AIDS lesen. Das liegt insofern nahe, als dass das Virus zu Beginn der 90er Jahre immer noch wütete und noch längst nicht hinreichend erforscht war, geschwiege denn eingedämmt werden konnte. Die Implikationen, die eine solche Lesart mit sich brächte, wären allerdings noch weitaus reaktionärer, als man es dem Film in gewisser Weise eh schon unterstellen kann. Denn in einer solchen Lesart träte die Frau als solche als Bedrohung und letztlich sogar als eine Art Todesengel auf. Und wäre – wollte man dem allegorischen Ansatz folgen – sogar verantwortlich für die Seuche, die seit den 80er Jahren vor allem in den urbanen Zentren des Westens und Afrikas grassierte. Eine solche Lesart korrespondierte dann wiederum mit dem religiösen Subtext des Films: Die Frau als Verführerin, als Botin der Sünde, wie einst Eva im Garten Eden. Denn ist es nicht so, dass Fury 161 vor der Ankunft der Raumkapsel mit Ripley an Bord ein für seine Bewohner friedlicher und damit paradiesischer Ort war?
Das Thema Mutterschaft seinerseits korreliert natürlich an sich schon mit dem religiösen Ansatz des Films. Dieser wird dem Publikum schon während des Vorspanns vermittelt, wenn die an mittelalterlichen Chören und Gesängen orientierte Filmmusik von Elliott Goldenthal einsetzt. Maria, Mutter Gottes, die unbefleckte Empfängnis, die Mutterschaft als heiliger Zustand – der Assoziationen sind viele. Interessanterweise sorgt das Drehbuch für einen Bruch mit der bisherigen Ripley-Figur. Bedenkt man, dass die Studio-Bosse auf einen frühen Drehbuchentwurf, in dem Ellen Ripley nur noch am Rande vorkam, äußerst ablehnend reagiert haben sollen, da Ripley die bis dahin einzige mythische Frauenfigur im Actionkino sei, sie sich der Bedeutung der Figur also sehr bewusst gewesen sind, ist es umso erstaunlicher, dass sie zuließen, dass Ripley im fertigen Film eine Liebesnacht mit einem der Bewohner der Strafkolonie verbringt. Ob diese romantischen Gefühlen entspringt oder einem rein körperlichen Bedürfnis bleibt dahingestellt, definitiv will Ripley – die Jahre und Jahrzehnte im Kälteschlaf verbracht hat – Sex.
Die bisherige Figur Ellen Ripley – wie auch die anderen, meist gleichberechtigt auftretenden Frauenfiguren in den ALIEN-Filmen – zeichnete sich gerade dadurch aus, dass sie nicht sexualisiert wurde. In keinem der früheren Filme wird ihr ein sexueller Subtext zugeschrieben, lediglich die Tatsache, dass sie, wie wir in ALIENS erfahren, Mutter einer Tochter ist, deutet auf ein (früheres) Sexualleben hin. Das durchaus virulente sexuelle Element der Reihe ist vielmehr negativ besetzt. Das Aussehen des Alien, der phallusartige Kopf, aus dem ein zweites, steifes, „erigiertes“ Maul hervorschießt, wenn das Wesen sich anschickt ein Opfer zu töten, das sind die sexuellen Implikationen. Sexualität, wenn man so will, wurde in den Alien-Filmen also immer schon als etwas Gefährliches, Todbringendes gezeigt.
Dass Ripley nun also das Alien in sich trägt und damit zum Todbringer wird, ist insofern folgerichtig. Dass es ihr gerade jetzt, wo sie Träger des Virus ist – wenn man denn in dieser Diktion verharren will – nach körperlicher Intimität gelüstet, bedeutet also auch eine gewisse Tragik der Figur. Aber eben auch eine gewisse Doppelbödigkeit. Ripley wird so auch „objektiv“ zu einer Gefahr. Und schließlich werden ja auch sowohl sie als auch die durch die den Tod in sich tragende Frau bedrohten Bewohner der Kolonie „bestraft“. Nicht zuletzt, weil der offenbar wahnsinnige Sträfling Walter Golic das Alien befreit, weil er in ihm den „Drachen“, also Satan persönlich, erkannt zu haben glaubt. Für Golic erfüllt sich in diesem Moment die apokalyptische Prophezeiung jener Religion, die auf Fury 161 zelebriert wird. Eine Art sich selbst erfüllende Prophezeiung, wird sie doch ausgelöst von einem, der ihr scheinbar vollkommen verfallen ist.
Dies alles sind hoch komplexe Teilaspekte des Films, die miteinander korrespondieren, die aber nie wirklich zueinanderkommen und selten über sich selbst hinausweisen. So bleibt ALIEN3 im Grunde Stückwerk. Nicht zu leugnen ist, dass das Drehbuch jede Menge interessanter Ansätze bietet, aus denen Vieles hätte gemacht werden können. Es ist aber auch nicht zu leugnen, dass das Drehbuch heillos überfrachtet ist und unter seiner eigenen Last zusammenzubrechen droht. Nicht zuletzt der pseudoreligiöse Nonsens, der noch weit über die oben aufgeführten Verbindungen hinausweist, belastet den Film enorm, so dass er nie wirklich zu sich selbst zu kommen scheint, sich nie wirklich entscheiden kann, was er denn eigentlich sein will: Ein Horrorstreifen in der Tradition des ersten Teils, worauf die Art der Inszenierung, wenn die Sträflinge bspw. versuchen, das Alien in eine Falle zu treiben und ihm dabei einer nach dem andern zum Opfer fallen, hindeutet? Oder doch eine Abhandlung über das Wesen von Gut und Böse in einem religiösen Sinne, wobei ein Wesen wie das Alien natürlich hervorragend in jede apokalyptische Erzählung passt? Oder ist dies eine quasi-philosophische Abhandlung über das Wesen der Mutterschaft und darüber, dass man sein Kind liebt, auch wenn man weiß, dass es möglicherweise der Teufel ist, den man da in sich trägt? Und somit auch eine Betrachtung darüber, was es kostet, dies einzusehen und die Härte aufzubringen, das eigene Kind dem sicheren Tod zu überantworten?
Damit übrigens käme ALIEN3 zu dezidiert anderen Schlussfolgerungen als der ihm auf dieser Ebene artverwandte ROSEMARY´S BABY (1968). Denn dort ist die Mutter, Rosemary, letztlich bereit, sich ihrem Schicksal (wenn man es so nennen will) zu ergeben; sie rückt an die Krippe heran und beginnt das Kind leise und sanft zu schaukeln, nachdem sie den anfänglichen Schock ob dessen, was sie da im Bettchen erblicken musste, überwunden hat. Ripley – die sich schlussendlich dem Feuer der Erzraffinerie überantwortet, also den Märtyrertod wählt, was wiederum ins religiös geprägte Grundkonzept des Films passt – Ripley greift beherzt zu, als das Alien-Embryo während ihres Falls ins Feuer aus ihrer Brust hervorbricht[2], und verhindert dadurch, dass das Tierchen überlebt und weiterhin sein Unwesen treiben kann. Interessant an dieser Einstellung – einer der letzten des Films – ist die Art des Zugriffs und wie Fincher ihn inszeniert, bzw. Sigourney Weaver es darstellt: Ripley hält das Alien fest, doch könnte es auch der liebevolle Griff einer eben gebärenden Mutter sein, die ihr Neugeborenes an sich drückt, um es zu spüren.
Es sind solche Doppeldeutigkeiten, solche gebrochenen Symmetrien, die ALIEN3 bestimmen und wenn schon zu keinem wirklich guten, so doch zumindest zu einem interessanten Film machen. Immer wieder finden David Fincher und Kameramann Alex Thomson entsprechende Bilder, setzen sie das Licht ein, um den Wechsel der Ebenen in der Geschichte zu verdeutlichen, lassen die Zuschauer diesen unwirtlichen Ort, an dem Ripley gelandet ist, spüren, dringen tief in das unübersichtliche Labyrinth der Mine ein und evozieren Erinnerungen vor allem an den ersten Teil der Serie. Zudem erweist sich der Regisseur auf der Höhe seiner Zeit, wenn er seiner Interpretation des Stoffes mehr Härte beimischt und dabei sehr viel expliziter wird, als es die Vorgänger waren. ALIEN3 ist deutlich als ein Film der 1990er Jahre zu identifizieren, als klare Splatter-Elemente immer mehr in den Mainstream-Film vordrangen.
Das alles zusammengenommen hätte die Gemeinde eigentlich befrieden müssen, doch wie bereits erwähnt, wird Finchers Film bis heute als schwächster – oder zumindest einer der schwächsten – Beiträge zur Serie betrachtet. Dass es ein allemal interessanter Film mit einer ganzen Reihe interessanter Aspekte und Reflektionen auf die Serie einerseits, das Genre und auch auf Gesellschaften, die Sekten ähneln andererseits ist, wird gern übersehen. Zu Unrecht. ALIEN3 hätte eine Neu-Betrachtung verdient.
[1] Natürlich kann man die Regievergabe auch anders lesen: Als Ridley Scott den ersten Teil drehte, war auch er ein absoluter Newcomer als Spielfilmregisseur, hatte zuvor lediglich den bei der Kritik hoch angesehenen THE DUELISTS (1977) gedreht und war, wie Fincher, zuvor als Werbefilmer tätig gewesen. So gesehen, ist die ALIEN-Reihe immer schon ein Spielfeld für Newcomer gewesen, zumindest, bis in Teil 4 ALIEN: RESURRECTION (1997) mit Jean-Pierre Jeunet ein bereits etablierter Filmemacher den Regiestuhl übernahm.
[2] Zumindest in der Kinoversion des Films, in der Special Edition wird ihr ein anderer, ein „reinerer“ Tod gegönnt.
Literatur
Gangkofer, Ludwig; Mahmoud, Mona; Zauner, Kathrin: ALIEN. EINE KULTFILMREIHE. Landshut, 2007; S.93ff.
Gruteser, Michael: ALIEN in: FILMGENRES. SCIENCE FICTION; Hrsg. Koebner, Thomas. Stuttgart, 2003; S.322ff.
Miko, Tom: DAVID FINCHER´S FILMS. Wrozlaw, 2024; S.13ff.
Schnelle, Frank: DAVID FINCHER. Berlin, 2002; S. 107ff.