AUGE UM AUGE/OUT OF THE FURNACE

Scott Cooper zeichnet ein düsteres Bild des zeitgenössischen Amerika

Russel Baze (Christian Bale) ist ein Arbeiter, irgendwo in Pennsylvania. Er ist im lokalen Stahlwerk angestellt, wo er oftmals Doppelschichten schiebt, um den Unterhalt für sich, seinen bettlägerigen Vater (Bingo O´Maley) und seine Freundin Lena (Zoe Saldana) zu erwirtschaften. Auch sein Bruder Rodney (Casey Affleck), ein Veteran des Irakkrieges, arbeitet im Werk, kann aber nur wenig zum Unterhalt des Vaters beitragen, da er sich wieder und wieder verschuldet. Vor allem bei dem Buchmacher John Petty (Willem Dafoe), der es an sich gut mit dem Jungen meint und ihn gelegentlich als Kämpfer bei illegalen Faustkämpfen einsetzt, allerdings verlangt, daß er verliert, um seine Wetten sicher platzieren zu können. Rodney fällt das schwer, wodurch sein Schuldenstand bei Petty zusehends wächst. Russell begleicht die Schulden immer wieder.

Eines Abends fährt Russell alkoholisiert und viel zu schnell nachhause und rammt dabei einen fremden Wagen. Darin saßen eine Frau und ihr Kind, die beide zu Tode kommen. Russell wird zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.

Während dieser Zeit muß Rodney erneut in den Irak, der Vater der Brüder stirbt und Lena wendet sich von Russell ab.

Als Russell aus der Haft entlassen wird, renoviert er das Haus seines Vaters und nimmt die Arbeit im Stahlwerk wieder auf. Lena ist mittlerweile von dem Polizeichef Wesley Barnes (Forst Whitaker) schwanger, obwohl Russell bei einem Treffen festzustellen glaubt, daß sie ihn immer noch liebt. Trotz seines Schmerzes über diesen endgültigen Verlust seiner Liebe versichert er ihr, daß sie bestimmt eine großartige Mutter wird.

Rodney ist mittlerweile vollends verschuldet und zudem nicht mehr bereit im Stahlwerk zu arbeiten. Er ist voller Wut und Hass, nachdem er seinem Land gedient hat und nun arbeits- und perspektivlos in seinem Heimatkaff vergammelt. Petty lässt ihn nun häufiger kämpfen. Russell bittet Rodney inständig, die Kämpfe aufzugeben und eine ordentliche Arbeit anzunehmen.

Rodney aber will einen letzten Kampf in den Bergen, wo es eine Menge Geld zu verdienen gibt – auch wenn der Kampf fingiert ist. Petty lehnt dies ab, da er den dortigen Veranstaltern, allen voran dem Drogendealer Harlan DeGroat (Woody Harrelson), nicht traut. Zudem hat er selber hohe Schulden bei DeGroat. Schließlich willigt er auf Rodneys Drängen hin aber doch ein. Die beiden fahren den weiten Weg in die Appalachen.

Währenddessen gehen Russell und sein Onkel Red (Sam Shepard) auf die Jagd und erlegen einen Hirsch. Russell selbst stellt aber fest, daß er nicht mehr töten kann, als er seinerseits Wild vor der Flinte hat.

Rodney verliert den angesetzten Kampf, was ihm sichtlich schwerfällt, zumal er seinem Gegner haushoch überlegen ist. DeGroat fordert nach dem Kampf die ausstehenden Schulden von Petty, der sich jedoch weigert, da der verlorene Kampf als Entschuldung ausgemacht war. Auf der Rückfahrt durch die finsteren Wälder in den Bergen werden Petty und Rodney von DeGroats Leuten angehalten. DeGroat tötet Petty noch im Wagen, Rodney wird in den Wald geschleppt und dort ebenfalls erschossen.

Die Polizei stößt auf das Verbrechen, weil Petty sein Telefon anhatte, als DeGroat die Männer anhielt, und dieses durch einen zufälligen Anruf auf die Mailbox von Pettys Freund Dan Dugan (Tom Bower) den gesamten Mord an dem Buchmacher aufgezeichnet hatte. Russell wird von Barnes informiert und hat Hoffnung, daß Rodney noch leben könnte. Doch Barnes erklärt, er habe in den Bergen, die jenseits der Staatsgrenze in New Jersey liegen, keine Befugnisse und könne nichts ausrichten, würde aber alles Notwendige veranlassen, um Rodney zu finden.

Russell und Red suchen aber auch auf eigene Faust nach Rodney. Sie stoßen auf die Verbindung zwischen Petty und DeGroat und fahren schließlich in die Berge, um den Mann zu stellen. Doch sie treffen ihn nicht an, stattdessen kommt ihnen eine Polizeistreife in die Quere, die ihnen auf Barnes Anweisung gefolgt ist, um sie zu beschützen.

Einige Tage später sucht Barnes Russell auf, um ihm eigenhändig zu sagen, daß ein Jäger in den Wäldern auf Rodneys Leiche gestoßen ist. Auch das FBI ist nun an DeGroat interessiert, doch der hat sich vor einem Zugriff durch die Bundesbehörde abgesetzt.

Russell gelingt es, DeGroat anzurufen und ihn damit zu locken, daß er dessen Geld habe. Er solle in die Bar kommen, in der Petty sein Büro hatte und Dan als Barkeeper arbeitet. Als DeGroat mit einem Gehilfen auftaucht, macht Russell den Wagen der beiden Männer fahruntüchtig, dann schaltet er den Gehilfen aus. Doch bevor es ihm gelingt, DeGroat zu stellen, tötet der Dan und flieht. Russell folgt ihm und es kommt in einem alten, stillgelegten Stahlwerk zu einem Kampf. Russell entwaffnet DeGroat, schießt ihm ins Bein, später auch in den Bauch und treibt ihn vor sich her. Als Barnes schließlich am Schauplatz eintrifft, sieht er, wie DeGroat versucht, sich davon zu schleppen und Russell auf den Fliehenden anlegt. Barnes fleht Russell an, nicht zu schießen, doch der tötet DeGroat mit einem Kopfschuß.

Später sitzt Russell in der Dunkelheit am Esstisch im Haus seines Vaters.

Scott Cooper trat als Regisseur erstmals 2009 in Erscheinung, als er mit CRAZY HEART (2009) einen vielgelobten kleinen Film über einen alternden Countrymusiker drehte und Jeff Bridges damit zu seinem ersten Oscar als Bester Hauptdarsteller verhalf. OUT OF THE FURNACE (2013), Coopers zweite Regiearbeit, schlug einen komplett anderen Ton an und deutete schon darauf hin, in welche Richtung er sich dann mit BLACK MASS (2015) und vor allem HOSTILES (2017) entwickeln sollte – eine deutlich härtere nämlich. Die Melancholie und leichte Nostalgie seines Erstlings sind auch in den späteren Arbeiten zu spüren, doch wurde Coopers Analyse der amerikanischen Wirklichkeit weitaus dunkler und bedrückender, vor allem gewalttätiger.

Wie so viele vor ihm, nutzt auch Cooper das Vehikel des Genre-Films, um den Zustand einer Gesellschaft zu beschreiben, die zusehends ihre Mitte und damit ihre Hoffnung verliert. OUT OF THE FURNACE ist ein Drama im Thrillergewand, ein Film, der sich keiner Sentimentalität hingibt, ein Gesellschaftsbild ohne Beschönigung. Angesiedelt in und um Pittsburgh im Bundesstaat Pennsylvania, erzählt Cooper eine schlichte Geschichte aus der Arbeiterklasse. Seine Protagonisten sind in den Stahlwerken angestellt, die auch in den USA dem Untergang geweiht scheinen. Diese Männer, allen voran der von Christian Bale gespielte Russell Baze, arbeiten hart und frönen denkbar einfachen Freizeitbeschäftigungen: Sie trinken in Bars, spielen Billard, wetten und gehen im Herbst auf die Jagd. Sie versuchen, ihr Leben auf ehrliche Art und Weise zu fristen, auch wenn dies zusehends schwieriger erscheint, da die Krankenkassen nötige Medikamente nicht mehr zahlen, der Lohn zu gering ist, um auch nur durchschnittliche Lebenshaltungskosten zu begleichen, weshalb man Doppelschichten fährt, und allgemeine Armut um sich greift.

Daß dies einige nicht mehr mitmachen wollen und stattdessen zu illegalen Mitteln greifen, um Geld zu verdienen, leuchtet geradezu ein, wenn man die löchrigen Straßen, über die sie heimfahren, die heruntergekommenen Häuser und Innenstädte sieht und feststellen muß, daß dieses Land, einst so stolz auf seine Leistungen, zusehends zu verfallen scheint. Die einen betätigen sich als Buchhalter illegaler Wetten zu illegalen Kämpfen, andere gehen gleich aufs Ganze und vertreiben Drogen. Die unterbesetzte Polizei brauchen die einen, wie die anderen kaum zu fürchten. Wenn aber jemand einen Fehler begeht, bspw. betrunken Auto fährt und dabei einen fürchterlichen Unfall verursacht, muß er damit rechnen, die ganze Härte des Gesetzes zu spüren zu bekommen, egal, wie rechtschaffen er sich bisher verhalten hat. Und selbst die, die für dieses Land im Niedergang gekämpft haben, die ihr Leben riskierten und ihre Freunde haben sterben sehen, dürfen weder Hoffnung noch Gnade erwarten. Fast scheint es, als ließe diese Gesellschaften die Ehrlichen fallen, wenn nicht gar büßen, und die Verbrecher mit allem davonkommen.

Dies ist der Zustand, den Cooper in seinem Film überdeutlich ausstellt. Mit der Unterstützung einer ganzen Riege hervorragender Schauspieler – darunter der schon erwähnte Christian Bale, aber auch Woody Harrelson, Forest Whitaker, Willem Dafoe, Zoe Saldana, Casey Affleck oder Sam Shepard – gelingt ihm eine realistische Darstellung dieses Amerikas um das Jahr 2008 herum. Ein zerrissenes Land, müde vom Krieg, gebeutelt von den Wirtschaftskrisen und der daraus resultierenden Rezession, die etliche Arbeiter und Angestellte ihre Jobs, dann die Häuser gekostet hat. Resignation und eine stille Melancholie bestimmen diese Leben in den Arbeiter-, den Stahlstädten des Ostens, die dem Untergang geweiht scheinen. Und dann bricht die Gewalt in den Alltag ein. Ein Drogendealer – Harrelson gibt diesen Harlan DeGroat als dem Wahnsinn schon Verfallenen, gibt ihm eine nicht nur unterschwellige Brutalität, einen menschenverachtenden Zynismus mit, der die Figur ab dem ersten Augenblick, da sie auf der Leinewand erscheint, ungeheuer bedrohlich wirken lässt – der scheinbar unangreifbar ist, sich in den Westen New Jerseys und die dortigen Ausläufer der Appalachen zurückziehen kann, wo sich niemand an ihn herantraut, wo er eine lokale Größe ist, wo er wie ein König sein Land verwaltet. Er vertreibt Drogen, stellt sie teils – Crystal Meth – selbst her, er veranstaltet die bereits erwähnten illegalen Kämpfe, verschiebt sie, wettet, verleiht Geld zu Wucherzinsen und fordert brutal und rücksichtslos Gelder ein, die andere ihm schulden. Wie eine natürliche Kette setzt sich der Druck, den DeGroat auf den Buchmacher Petty ausübt auf dessen Schuldner fort, in diesem Fall Russells Bruder Rodney, einen Veteranen des Irakkrieges, der nicht mehr bereit ist, im Stahlwerk zu arbeiten.

So setzt sich eine fürchterliche und todbringende Verbindung von Ereignissen in Gang, die nur in einer Katastrophe enden kann. Illegale Boxkämpfe, äußerste Brutalität, geheime Wetten nach verschobenen Niederlagen – fast erinnern diese Zustände an jene der 30er Jahre während der Großen Depression, als man zu endlosen Tanzwettbewerben antrat und nur der Sieger nach manchmal 20stündigen Marathontänzen ein kleines Gewinnersalär mitnehmen konnte. Damals gab es auch genau diese Art von Boxkämpfen, meist von vornherein verschachert, bei denen doch nur die Ausrichter und Buchmacher Gewinn verzeichnen konnten, die Kämpfer aber sehen mussten, wo sie mit ihren Verletzungen und oft bleibenden Schäden blieben. Cooper beschwört genau diese wirtschaftlich schlimmen Zeiten herauf. Ebenso beschwört er aber auch die Schönheit des Landes herauf und setzt sie in harten Kontrast zu der Gewalt seiner Story.

In einer ebenso atemberaubenden, wie ekelerregenden Gegenmontage zeigt er dem Publikum Rodneys finalen Kampf in den Bergen, wo Petty eigentlich nicht hinwollte, und Russells gemeinsamen Jagdausflug mit seinem Onkel Red. Während im Kampf praktisch keine Regeln mehr gelten, die Faustkämpfer regellos aufeinander eindreschen und sich fürchterliche Blessuren zufügen, ist die Jagd von Präzision geprägt. Red schießt einen Hirsch, den er mit einem „sauberen Schuß“ – also einem Treffer direkt ins Herz – erlegt hat. Dies ist für Jäger eine Maxime: Das Tier soll nicht leiden und man geht mit der Beute ehrenhaft um. Man zieht ihm die Haut ab, man verwertet seine Einzelteile, man tötet, um zu leben, nicht aus sportlicher Betätigung oder gar Spaß. So sinnlos der Faustkampf für die Kämpfenden wirkt, so sinnvoll wird hier das Jagen als Hochamt gezeigt.

Russell allerdings kann nicht töten. Auch er hat einen Hirsch vor dem Lauf, doch er setzt das Gewehr wieder ab und lässt das Tier laufen. Er hat eine Gefängnisstrafe verbüßt, weil er unter Alkoholeinfluß einen Unfall gebaut hat, der Menschenleben forderte. Er will nicht mehr töten. Zunächst erscheint dem Zuschauer der Unfall und die folgende Haft als dramaturgisch unausgegoren, als überfrachte der Regisseur seinen Film mit zu viel dramatischen Ereignissen, doch macht dieser Umweg im Folgenden Sinn. Denn es ist genau dies ein Beispiel dafür, wie in dieser Gesellschaft kaum wer ehrlich bleiben kann. Ein einziger Fehler und man sitzt in den Mühlen der Justiz, die gnadenlos ist. Was an sich nicht zu kritisieren ist und erst in Korrespondenz zu den Ereignissen, die sich nach dem illegalen Kampf in den Bergen abspielen, Bedeutung erhält. Denn obwohl Petty und Rodney nicht zurückkehren, die Polizei sogar weiß, daß beide offenbar Opfer von DeGroat geworden sind, unternimmt niemand wirklich etwas. Und als das FBI doch bereit ist, gegen den Mann vorzugehen, ist der längst über alle Berge. Etwas, so Coopers Ansatz, ist in Schieflage geraten, wenn wir zwar jene einsperren, deren Vergehen vielleicht wirklich nur einmalige Fehler im Leben waren, diejenigen aber, deren Leben komplett auf Verbrechen und Ausbeutung aufbaut, verschonen, ihnen nur halbherzig nachsetzen.

Natürlich evoziert jene Szene, in der Russell den Hirsch nicht schießt, Erinnerungen an einen der großen Filme der 70er Jahre, der ebenfalls – auch er ein Gesellschaftsdrama, getarnt als Kriegsfilm – den Niedergang der amerikanischen Zivilgesellschaft behandelte: THE DEER HUNTER (1978) von Michael Cimino. Dort geht eine Freundesgruppe noch einmal auf die Jagd, bevor einige von ihnen in den Vietnamkrieg ziehen müssen und dort gehen sie auch wieder auf die Jagd, nachdem einige von ihnen zurückgekehrt sind. Nur sind sie nicht mehr dieselben. Obwohl sie sich alle an die „Ein-Schuß-Doktrin“ halten, die auch Red und Russell als Ehrenkodex des Jägers so wichtig ist. Nach dem wahllosen Töten, der äußersten Brutalität, derer sie sich im Krieg bedienen mussten, gelingt es der Hauptfigur Michael, den damals Robert De Niro in der seiner besten Leistungen seiner Karriere spielte, nicht mehr, auf ein Tier zu schießen. Und auch Russell kann oder will nicht mehr töten.

OUT OF THE FURNACE hat vieles gemein mit THE DEER HUNTER. Nicht nur die beschriebenen Jagdszenen. Es ist dasselbe Setting – die Stahlwerke um Pittsburgh – und es ist die gleiche Schicht – Arbeiter und Malocher – von denen beide Filme erzählen. Wo Ciminos Film von dem moralischen Niedergang einer Gesellschaft berichtete, die sich und ihre Mitte irgendwo in einem fremden Land verloren hatte, erzählt Coopers Film von einer Gesellschaft, die das ganz für sich allein geschafft hat. Liegt der Krieg im älteren Film noch vor den Protagonisten, ist er für Rodney, den Veteranen, bereits passé. Sehen wir in THE DEER HUNTER die Angst vor dem Einsatz – und später die Verheerungen, die er angerichtet hat – , zeigt OUT OF THE FURNACE die Gleichgültigkeit, mit der man in der Heimat mit Amerikas modernen Kriegen umgeht. War Vietnam noch ein Alltagsthema und beschäftigte die Leute, ist der Irakkrieg im jüngeren Film etwas Abstraktes, das kaum mehr Erwähnung findet.

Coopers Geschichte kippt zu einem recht späten Zeitpunkt – bei nahezu zwei Stunden Laufzeit nimmt diese letzte Entwicklung gerade einmal ca. zwanzig Minuten in Anspruch – zu einer Art Rachegeschichte und einem Selbstjustizdrama, für das der Regisseur angegriffen wurde. Nachdem die Polizei in Gestalt des FBI, aber auch in Person des Chief Barnes, den Whitaker als ebenfalls resignierten Mann gibt, keine Zugriff auf DeGroat bekommen hat und der Mord an Petty und Rodney ungesühnt zu bleiben scheint, nimmt Russell die Gerechtigkeit selbst in die Hand, lockt DeGroat in eine Falle, die allerdings auch Unschuldige das Leben kosten wird, und stellt ihn schließlich. Nach einem kurzen Kampf gelingt es Russell, seinen Widersacher zu bezwingen. Er schießt ihn an und lässt ihn dann vor sich herlaufen, schießt ihn erneut an, lässt ihn wieder laufen, nur um ihn dann, auf einem offenen Feld, zu töten. Barnes, der zu spät zum Ort des Geschehens kommt, kann dies nicht mehr verhindern – trotz aller Beschwörungen durch den Polizeichef, der zugleich der neue Freund von Russells alter Freundin und der Vater ihres Kindes ist, erlegt Russell DeGroat im wahrsten Sinne des Wortes mit einem gezielten Schuß in den Rücken. Erlegt ihn wie ein wildes Tier.

Natürlich ist dies Selbstjustiz, natürlich nimmt hier jemand das Recht in die eigene Hand. Doch rechtfertigt der Film diese Handlung nicht wirklich, auch zeigt er den Akt nicht als folgenlos, da mit Barnes das Gesetz ja anwesend ist. Obwohl OUT OF THE FURNACE hier abbricht und dann noch einmal aufblendet, um Russell allein am Tisch in seiner Küche zu zeigen, dürfen wir davon ausgehen, daß hier jemand auch sich selbst richtet, indem er einen anderen richtet. Dieser Mann – und das ist die eigentliche Aussage, die aber auch zurückschlägt auf das, was wir in den nahezu zwei Stunden zuvor gesehen und erlebt haben – hat nichts mehr zu verlieren. Es wurde ihm seine Unbescholtenheit genommen, er hat seine Freundin verloren, von der wir wissen, wie sehr er sie und sie ihn geliebt hatte, ihm wurde der Bruder genommen und damit letztlich auch der Glaube an ein Amerika, das bei all seinen Fehlern doch immer noch ein Versprechen trug. So wird der Schluß des Films zu einer bitteren Aussage, einer Abrechnung mit einer Gesellschaft, die einerseits außer Rand und Band geraten scheint, andererseits aber keine Kraft mehr aufbringt, gegen den eigenen Untergang anzugehen und sich zu erneuern. Und es ist eine ebenso bittere Ironie, daß Russell nun, da er bewußt und willentlich getötet hat, ebenfalls davon zu kommen scheint. Als Unfallverursacher wurde er verurteilt, als Mörder offenbar nicht. Nichts in dieser Welt scheint noch richtig zu sein.

OUT OF THE FURNACE wurde dafür kritisiert, zu überladen zu sein, zu viel auf einmal zu wollen und dabei zu rudimentär vorzugehen. Man kann die Kritik nachvollziehen, man kann dem Film aber seine Kraft und Wucht nicht absprechen. Vielleicht brauchte Scott Cooper den Anlauf, den CRAZY HEART, OUT OF THE FURNACE und BLACK MASS darstellen, um zu der künstlerischen Kraft zu gelangen, die ein Meisterwerk wie HOSTILES möglich machte. Dennoch ist dies ein gelungener Film. Es ist kein Unterhaltungsfilm, sondern eine bittere Gegenwartsanalyse, die weniger von ihrer Geschichte, als vielmehr von der fesselnden Atmosphäre und vor allem einem brillanten Ensemble lebt.

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