ES GESCHAH IN EINER NACHT/IT HAPPENED ONE NIGHT

Frank Capras prototypische Screwball-Comedy

Ellen Andrews (Claudette Colbert) ist die Tochter eines der reichsten Männer Amerikas, des Bankiers Alexander Andrews (Walter Connolly). Ellen hat sich heimlich mit dem Dandy King Westley (Jameson Thomas) verheiratet, weshalb ihr Vater ihr zürnt und sie auf seine Yacht verfrachtet hat, um sie unter Kontrolle zu halten, bis die Ehe annulliert wurde. Doch Ellen entkommt mit einem beherzten Sprung vom Schiff ins Meer. Sie schwimmt an Land und will nun nach New York, in die Arme ihres Gatten.

Da sie kaum Mittel zur Verfügung hat, entschließt sie sich, mit dem Bus die Ostküste – wir befinden uns in Florida – hinauf zu reisen. Im Bus lernt sie den Reporter Peter Warne (Clark Gable) kennen, der soeben von seinem Chef Joe Gordon (Charles C. Wilson) gefeuert wurde. Warne erkennt Ellen und will die Zufallsbekanntschaft dahingehend ausnutzen, daß er sich mit einem Livebericht von ihrer Flucht, die mittlerweile die großen Gazetten des Landes beschäftigt, wieder bei Joe einschmeicheln kann. Der geht auch auf den Deal ein.

Da Ellen nach dem Diebstahl ihres einzigen Gepäckstücks wirklich mittellos ist, willigt auch sie ein, Peter ihre Flucht beschreiben zu lassen – wenn er bereit ist, ihr zu helfen nach New York zu gelangen.

Während das ungleiche Paar nun die Busreise antritt, bemüht Ellens Vater Detektive, lobt Belohnungen aus für Hinweise auf seine Tochter und setzt Himmel und Hölle in Bewegung, um sie aufzustöbern. Das führt dazu, daß Ellen und Peter sich immer wieder etwas einfallen lassen müssen, um ihre Verfolger zu täuschen oder abzuschütteln.

Im Bus befindet sich u.a. auch Oscar Shapeley (Roscoe Karns), der sich zunächst an Ellen ranschmeißt, von Peter aber in die Schranken gewiesen wird. Doch am 2. Tag der Reise – im Bus herrscht eine ausgelassene Stimmung, als einige der Reisenden mit Gesangseinlagen unterhalten – erkennt Shapeley anhand eines Zeitungsbeitrags und eines Fotos, um wen es sich bei Ellen in Wirklichkeit handelt. Als der Bus aufgrund einer Unachtsamkeit des Fahrers im Straßengraben landet, nimmt Shapeley Peter zur Seite und bietet ihm ein fifty-fifty-Geschäft an – oder aber, Peter solle ihm die Hälfte der ausgelobten 10.000 $ Belohnung zahlen.

Peter bedient sich einer ausgemachten Lügengeschichte, bei der er gegenüber Shapeley behauptet, er gehöre einer Gaunerbande an, die Ellen entführe. So wird er den nun verängstigten Mann los. Doch ist ihm auch klar, daß der, sobald er anfängt nachzudenken, schon begreifen wird, daß er auf den Arm genommen wurde. Also machen Ellen und Peter sich nun zu Fuß auf den Weg.

Obwohl Peter sich für den weltbesten Tramper hält und sich mächtig ins Zeug legt, gelingt es erst ein Auto anzuhalten, als Ellen ihre „weiblichen Reize“ einsetzt und viel Bein zeigt. So werden die beiden zwar mitgenommen, sitzen aber einem Betrüger auf, der die erstbeste Gelegenheit nutzt, mit Peters Koffer abzuhauen. Peter verfolgt ihn und kehrt kurze Zeit später mit dem Wagen des Betrügers zurück, den er dem Kerl kurzerhand entwendet hat. So können die beiden ihre Reise nun also komfortabler fortsetzen.

In einem Motel liegen beide in ihren Betten – Peter hat regelmäßig eine Decke zwischen ihnen gespannt, damit Ellen ihre Privatsphäre hat; außer in einer Nacht, die sie unter freiem Himmel verbringen mussten – als Ellen ihm gesteht, daß sie sich in ihn verliebt habe. Sie wolle mit ihm hingehen, wohin er wolle. Doch Peter zögert und weist sie sogar zurück, da er an ihre bereits vollzogene Ehe mit King Westley denkt. Als er es sich anders überlegt, ist Ellen bereits unter Tränen eingeschlafen.

Peter nutzt dies und macht sich mit dem Wagen auf nach New York, welches nur ein paar Stunden entfernt ist. Er geht zu Joe und pumpt sich 1000 $ von ihm, da man ein Mädchen schließlich nicht abgebrannt um seine Hand bitten könne. Joe wittert das ganz große Geschäft, wenn Peters Geschichte, er werde Ellen Andrews heiraten, wirklich stimmt.

In Peters Abwesenheit ist den Besitzern des Motels aufgefallen, daß der Wagen fort ist, woraus sie schließen, daß sie betrogen wurden. Als sie in das Zimmer eindringen, finden sie die schlafende Ellen vor. Die ist zutiefst verstört ob Peters Abwesenheit. Sie ist nun bereit, nachzugeben und zu ihrem Vater zurückzukehren. Der hat mittlerweile ebenfalls eine Kehrtwende gemacht und über die Zeitungen verlauten lassen, er stünde einer kirchlichen Trauung zwischen seiner Tochter und King Westley nicht mehr im Wege.

So kehrt Ellen also nachhause zurück und bereitet sich auf die Hochzeit vor. Peter, der nun erst recht von seinem Chef für einen Hochstapler gehalten wird, sieht sich inzwischen in seinen Ansichten über Ellen – er hält sie für eine arrogante, verwöhnte höhere Tochter, die ihren Willen immer durchsetze – bestätigt. Er wendet sich an ihren Vater mit der Bitte, seine Auslagen zu begleichen.

Andrews hat begriffen, daß seine Tochter unglücklich ist. Er ahnt, daß sie den windigen King Westley nicht wirklich liebt, sondern lediglich einwilligt, nun auch „ordentlich“ zu heiraten, um keinen weiteren Ärger zu machen. Er kontaktiert Peter und bittet ihn auf sein Anwesen – ausgerechnet am Tag der Trauung. Peter willigt ein.

Als die beiden Männer aufeinandertreffen, ist Andrews sofort von dem jungen, gutaussehenden Kerl und seinem Charme angetan. Erst recht, als der ihm erklärt, er wolle keinesfalls die 10.000 $ Belohnung, sondern lediglich 39,60 $, die er unterwegs ausgegeben habe – inklusive seiner Verluste, wie des Koffers, eines Huts usw. Als Andrews nachfragt, erklärt Peter, für ihn sei das eine Frage des Prinzips. Er wolle kein Geld, das ihm nicht zustehe und schon gar nicht für ein solch verwöhntes Wessen, wie Ellen es sei.

Später, Peter ist gegangen, führt Andrews seine Tochter zum Altar und flüstert ihr, die zurückzulegenden Meter nutzend, einen Fluchtweg zu, er werde alles weitere mit King Westley regeln. Sie müsse nur im entscheidenden Moment fliehen. Was Ellen dann auch tut.

Während Andrews King Westley mit einer gehörigen Summe abfinden lässt, damit der nun doch in die Annullierung der Ehe mit Ellen einwilligt, können Ellen und Peter endlich einander in die Arme fallen – und heiraten…

Allgemein wird Frank Capras IT HAPPENED ONE NIGHT (1934) gern als erste Screwball-Comedy betrachtet, als Prototyp jenes Genres, das maßgeblich die 30er und 40er Jahre der Traumfabrik an der Westküste der USA bestimmen sollte. Dabei müsste man eigentlich Capras eigenem PLATINUM BLONDE (1931) mindestens einen ähnlichen Status zugestehen, allerdings war der ältere Film eine Pre-Code-Produktion, erschien also, bevor Hollywood sich mit dem sogenannten Hays-Code eine Selbstzensur hinsichtlich gewalttätiger und vor allem sexuell/erotisch offener Filme auferlegte. Nachdem der Code eingeführt war, mussten sich Drehbuchautoren allerhand einfallen lassen, damit sie Schlüpfrigkeiten und Anspielungen in ihren Büchern unterbringen konnten. Auch, wenn es keine wirklich griffige Definition gibt, war auch der sogenannte „Lubitsch-Touch“ eine Folge des Hays-Code, allerdings gehörte es für Ernst Lubitsch immer schon zu einem gelungenen Film, gewisse Dinge im Dunkeln, Andeutungen und Anspielungen wirken zu lassen und die Fantasie des Zuschauers anzuregen, anstatt ihm alles zu zeigen, was es zu zeigen gäbe. Viele Pre-Code-Filme gingen hingegen sehr freizügig mit Nacktheit und Erotik um und boten ein gerüttelt´ Maß an Gewalt. Hollywood wollte mit dem Hays-Code lediglich einer staatlichen Zensur zuvorkommen.

Frank Capra, der bis heute zu den wichtigsten und einflußreichsten Regisseuren des frühen klassischen Hollywoods gezählt wird, bediente sich ähnlicher Mittel, wie Lubitsch es tat, um seinen Filmen einen gewissen Unterton zu geben. Vor allem den Komödien, für die er berühmt wurde. IT HAPPENED ONE NIGHT ist dafür ein Paradebeispiel. Eine unterschwellige Erotik ist zwischen den Hauptfiguren – und ihren Darstellern – ununterbrochen zu spüren, angedeutet wird einiges und ein Merkmal der latenten Komik des Films sind die Bemühungen Peter Warnes, der männlichen, von Clark Gable gespielten Hauptfigur, Sorge dafür zu tragen, daß er und sein Schützling Ellen Andrews – in der Gestalt von Claudette Colbert – , obwohl sie sich bei Gelegenheit auch als Ehepaar ausgeben, sittlich streng getrennt zu Bette gehen. Ein Muß in Zeiten des Codes, der es nicht einmal erlaubte, eindeutig als Ehepartner ausgewiesene Paare in ein Bett zu legen.

Misst man den Film an seiner heutigen Bedeutung – er wurde auf verschiedene Kritikerlisten gewählt; so als einer der besten amerikanischen Filme generell, als eine der besten amerikanischen Komödien und als einer der besten amerikanischen Liebesfilme – verwundert zunächst einmal seine Produktionsgeschichte. Denn weder Claudette Colbert, noch Clark Gable, die beide einen Oscar für ihre Leistungen als Hauptdarsteller gewannen, wollten mitspielen, beide mussten mit ungewöhnlichen Mitteln gelockt, bzw. gezwungen werden, ihre jeweiligen Rollen zu übernehmen. So soll die Colbert nahezu das doppelte ihrer üblichen Gage erhalten, Gable von Louis B. Mayer höchstselbst massiv bedrängt worden sein, da der Schauspieler sich bei der MGM widerspenstig gezeigt hatte und die Leihe an Columbia Pictures, die Capras Film produzierte, eine Art Strafe war, mit der Mayer seine Macht über seine Schauspieler demonstrieren wollte. Das Drehbuch des Films verfasste Robert Riskin, der schon zuvor mit Capra zusammengearbeitet hatte und maßgeblich dafür verantwortlich war, daß gerade Capras frühe Filme oft als „links“ und „New Deal“-konform betrachtet wurden. Letztere Entwicklung ist nicht zuletzt deshalb interessant, weil Capra selbst ein überzeugter Republikaner und Konservativer war, der privat in erbittertem Widerstand zu Roosevelts Maßnahmen zur Bekämpfung der Great Depression stand.

IT HAPPENED ONE NIGHT wurde – trotz all der anfänglichen Schwierigkeiten in der Produktion – ein immens erfolgreicher Film sowohl an den Kinokassen als auch bei den Kritikern. Er war der erste Film, der bei den Oscars die fünf wesentlichen Preise – Bester Film, Beste Regie, Bestes Drehbuch, Bester Hauptdarsteller, Beste Hauptdarstellerin – erringen konnte. Für Claudette Colbert wurde er zu einem Sprungbrett in die beste Phase ihrer Karriere, Gable konnte seinen Star-Status konsolidieren und blieb einer der beliebtesten Schauspieler Hollywoods. Sieht man sich beide in ihren Rollen an, will man kaum glauben, daß sie angeblich keine Lust auf den Film gehabt haben sollen. Alles, was ihr Spiel, ihre Leinwand-Personae für die Ewigkeit festlegen sollte, ist hier zu sehen. Sie bieten prototypische Darstellungen, die für die Screwball-Comedy wesentlich wurden.

Die beiden begegnen sich – auch und gerade als Mann und Frau – auf Augenhöhe, geben einander Widerworte, streiten mit Verve, wissen aber in entscheidenden Momenten auch, wie sie gemeinsam agieren müssen, um ihre jeweiligen Interessen durchzusetzen. Riskin hatte ihnen ein Drehbuch geschrieben, das einige unglaublich witzige Dialoge bot. Und jene Szene, in der die beiden, als Detektive sie aufspüren, ein schon nah an der Hysterie streitendes Ehepaar mimen, darf getrost als die vielleicht lustigste Dialogszene der Filmgeschichte betrachtet werden. Das Timing ist unglaublich, die Geschwindigkeit, mit der die beiden sich ihre Zeilen an den Kopf werfen, sich dabei unterbrechen – ungewöhnlich für einen Film der Ära – , wie sich die Sätze überlappen, die Bewegungsabläufe, mit der sie die gesamte linke Hälfte des Bildes ausfüllen und beherrschen, während ihnen die entgeisterten Detektive und der Besitzer des Motels, in dem sie untergekommen sind, zuschauen, ist ein Lehrstück für schauspielerische Präzision, exakte Inszenierung, perfekte Bildgestaltung, die definitive Mise en Scene. Und es ist ein Beweis dafür, daß auch das frühe Hollywood eben nicht nur abgefilmtes Theater war, sondern sehr selbstbewußt eigene Formen und Mittel entwickelte, seine Themen zu setzen. Und das, obwohl die Szene ein One-Take ist, mit einer starren Kamera, ohne Zwischenschnitte, gefilmt. Also auch ein Beweis für darstellerische Kraft auf der Leinwand, denn die Schauspieler müssen den Dialog, die Szene, durchspielen.

Während Gable die frühe Form eines Hollywood-Topos gibt – den abgehalfterten Reporter, der im Dauerclinch mit seinem Chefredakteur liegt und sich immer wieder neu gegen dessen Bedenken durchsetzen muß – und dabei nicht nur sein gutes Aussehen, sondern auch die ihm eigene Schmierigkeit des Strizzis ausstellen darf, spielt Colbert die selbstbewußte junge Ellen Andrews, die sich aus dem Zugriff ihres Vaters befreit. Der, ein reicher Bankier, will natürlich nur das Beste für sie und schießt dabei etwas übers Ziel hinaus, indem er sie praktisch gefangen hält. Die Dame entwindet sich mit einem beherzten Sprung von der väterlichen Yacht dessen Einfluß, und findet sie sich schließlich, nahezu bargeldlos und lediglich mit dem, was sie am Leib trägt bekleidet, an einem Busbahnhof wieder, von wo aus sie nach New York will, um ihren zukünftigen Gatten wiederzusehen. Den der Vater – nicht zu Unrecht, wie sich herausstellt – selbstredend ablehnt. Im Bus trifft sie dann auf Peter Warne, eben jenen abgehalfterten Reporter, der schnell erkennt, wer sie ist, ihre Flucht begleiten und daraus eine Artikelserie für jene Zeitung schreiben will, die ihn eben erst gefeuert hat.

Es ist eine typische Ausgangskonstellation für eine Screwball-Comedy, welche allerdings sehr oft in ausladenden Settings angesiedelt sind, im Dunstfeld der Reichen und Schönen. Riskin und Capra gehen einen anderen Weg und verstehen es, ihre märchenhafte Geschichte (schon der Titel unterstützt eine solche Sichtweise auf den Film) – natürlich verlieben die beiden ungleichen Partner sich ineinander, natürlich kommt es zu allerhand Verwicklungen und braucht es einige Umwege, bis sie einander endlich in den Armen liegen dürfen – in ein sehr reales Setting einzubetten. Der Film ist zeitgenössisch und so trifft Ellen Andrews, ein ohne Frage verwöhntes junges Ding, mit Warne, mehr aber noch in den verschiedenen Figuren, die ihnen unterwegs begegnen, erstmals auf die „normale“ Welt, auf „normale“ Menschen.

Capra legt seinen Film im Grunde als ein Road-Movie an, spielt doch ein Großteil der Geschichte on the road, im Bus, im Auto, auf den ländlichen Nebenstraßen der Ostküste. Das gibt Buch und Regie die Möglichkeit, allerhand Momente und Szenen einzubauen, die das „normale“ Leben der 1930er Jahre dokumentieren sollen. Armut, Bitternis, Not, aber auch die Freuden einfacher Leute. In einer der schönsten Szenen des Films unterhält eine zufällig sich zusammenfindende Musiktruppe – bestehend aus Gitarre und Fiddel und einem Herrn, der singt – die Insassen des Busses und nach und nach machen etliche andere mit, steuern einzelne Strophen des Liedes bei und schließlich singt der gesamte Bus gemeinsam den Refrain. Auch den Fahrer reißt die Stimmung mit und als er, wie alle andern auch, beginnt, den Darbietenden Applaus zu zollen, landet der Bus im Sumpf. Daraus ergeben sich weitere Komplikationen für das flüchtige Paar. Es ist ein gutes Beispiel dafür, wie klassisches Schreiben in Hollywood funktionierte, wie sich die Handlung organisch aus einzelnen Szenen ergibt, wie ein Nebenaspekt nicht nur für einen Lacher sorgt, sondern zugleich als Motor für weitere Entwicklungen wirkt. Höchste Erzählökonomie.

Wie es sich für eine ordentliche Screwball-Comedy gehört, trifft das Paar auch auf allerlei seltsame Menschen, die in ihrer Skurrilität wunderbar gezeichnet sind. Allen voran ist da Oscar Shapeley zu nennen, ein Herr, der sich im Bus an Ellen heranmacht, von Peter ausgebremst und später von diesem mit einer Räubergeschichte des Busses verwiesen wird, als Shapeley merkt, mit wem er es da zu tun hat – denn natürlich hat Daddy längst eine Belohnung für Hinweise auf den Verbleib seiner Tochter ausgelobt. Doch Peter ahnt, daß es keine gute Idee wäre, weiter im Bus zu verbleiben. Also machen er und Ellen sich zu Fuß auf den Weg, was zu allerhand weiteren Verwicklungen führt. Aber auch zu weiteren Beweisen, wie dieses ungleiche Paar funktioniert. Denn es gibt herrliche kleine Gesten, die dem Zuschauer die Rollenverteilung wie nebenher vermitteln. Hängt Peter im Zimmer die besagte Decke als Raumtrenner zwischen den Betten auf, beteiligt sie sich mit einem Zupfer an der entsprechenden Decke, bemüht er sich, ein Bett aus Stroh für die beiden zu basteln, tritt sie hier und da ein paar Halme durch die Gegend. Kleine Momente, die den Klassenunterschied markieren, zeigen, wie verwöhnt sie daherkommt, während er trotz all seiner Macken und seiner Großspurigkeit eben auch ein Mann des Volkes ist, der sich zu helfen weiß – und ein Mann von Ehre. Diese seine Erkenntnis, sie sei ein verwöhntes Blag, reibt er ihr aber auch bei jeder sich bietenden Gelegenheit unter die Nase.

Klassenunterschiede sind einer der treibenden Faktoren des Films. Immer wieder konfrontiert Capra sein Paar mit dem Elend des Landes. Im Bus treffen sie auf eine Mutter mit ihrem Sohn. Als die Dame in Ohnmacht fällt, erfahren sie von dem Jungen, daß beide, Mutter und Sohn, tagelang nichts gegessen hätten. Was Ellen dazu veranlasst, dem Jungen Peters letztes Geld zuzustecken. Sie sieht zwar das Elend, hat aber kein Verhältnis zum Geld und welchen Wert es in welcher Situation hat. Diese Haltung des Laissez-faire wird in Peters späterer Weigerung gespiegelt, die ausgelobte Belohnung von Ellens Vater anzunehmen. Für Peter eine Frage des Prinzips. Es wird in dieser Haltung eine maximale Distanz des „einfachen Mannes“ zu einem für damalige Zeiten Superreichen, dem die Lage des Landes nichts anzuhaben scheint, einleuchtend markiert, ohne daß Capra das Thema in den Vordergrund schiebt.

Anders, als in vielen späteren seiner Filme, haben diese Erfahrungen allerdings wenig Einfluß auf die Geschichte oder die Entwicklung der Figuren, allen voran Ellens. Denn sie bleibt die höhere Tochter, die sich – natürlich – von Daddy eines Besseren belehren lässt und vom Traualtar weg flieht, um schließlich Peter in die Arme zu rennen, den sie nun wirklich zu lieben glaubt. Ihr düpierter Verlobter, ein etwas undurchsichtiger Herr namens King Westley, der aber schillernd genug ist, um Peter und auch sonst jedermann ein Begriff zu sein, lässt sich glücklicherweise mit einem Scheck von Ellens Vater abspeisen, womit alle Eventualitäten beseitigt sind. Auch dieser King Westley gehört zu den skurrilen Figuren des Films. Alexander Andrews, Ellens Vater, kommt, gemessen an seiner Position, vergleichsweise gut weg. Häufig desavouiert Capra die Mächtigen in seinen Filmen, werden kapitalistische Mechanismen bloßgestellt und angegriffen. Dieser Mann aber, eigentlich prädestiniert als Repräsentant eines raubtierhaften Kapitalismus, entpuppt sich als ebenso liebender wie gewitzter Vater, der das Herz am rechten Fleck und deshalb ein Gespür für einen Mann wie Peter Warne hat.

Capra und Riskin geben sich Mühe, ein Sammelsurium von Gewinnern und Verlierern während der Great Depression zu zeigen und zumindest indirekt eine kritische Haltung einzunehmen. Denn die Reichen und Schönen spielen weiter ihre dekadenten Spiele, während das Land vor die Hunde geht. Wie häufig in seinen Filmen, neigt Capra auch hier dazu, den „einfachen Mann von der Straße“ ein wenig zu verherrlichen, während die Großkopferten schlecht wegkommen. Hier eben mit der Ausnahme von Ellens Vater. Die Menschen, denen vor allem Ellen im Bus begegnet – Peter kennt diese Welt, sie ist ihm vertraut, er kennt sich hier aus und versteht es, sich hier wie selbstverständlich zu bewegen –  sind trotz aller Armut und der Not ehrliche Leute (sieht man einmal von Shapeley ab, der aus der Situation allerlei Vorteile ziehen will, erst amouröser Natur, dann, als er Ellen erkennt, finanzieller), die voller Lebenslust und -freude dargestellt werden. Gerade dafür steht die oben zitierte Szene, in der alle Businsassen gemeinsam singen und sogar durch den Bus tanzen. IT HAPPENED ONE NIGHT ist auch ein Beispiel dafür, daß das klassische Hollywood in seiner sogenannten goldenen Ära durchaus ein soziales Bewußtsein haben konnte, das Leben im Land spiegelte, auch, wenn dies oftmals unter eher verharmlosenden oder zur Verherrlichung neigenden Aspekten geschah. Ein Happyend muß sein – das sah auch Capra so.

Nun ist kaum etwas so vergänglich, wie Humor. Er entwickelt sich, er baut zwar aufeinander auf, Witze jedoch, über die unsere Großeltern gelacht haben, finden spätere Genrationen selten noch wirklich lustig. So ist es eben auch mit Komödien. So verwundert es kaum, wenn ein Film, eine Komödie von 1934 heutzutage kaum mehr für die Lacher sorgen kann, die sie bei ihrer Veröffentlichung hervorgerufen haben mag. Wer sich aber einen Sinn für Humor und seine Entwicklung erhalten hat, der wird gerade in den Filmen von Frank Capra, auch wenn sie häufig sentimental sind, immer noch Momente finden, die ihn erheitern. Wer aber vor allem einen Sinn für Eleganz, für organisch entwickelte Geschichten, für Schauspielkunst, für die Bedingungen des Films – Inszenierung, Technik, Timing, Bildgestaltung, Schnitt und Montage – besitzt, der wird nicht umhinkommen, IT HAPPENED ONE NIGHT seinen vollen Respekt zu zollen und dieses Kleinod klassischer amerikanischer Filmkunst zu genießen.

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