EXODUS: GÖTTER UND KÖNIGE/EXODUS: GODS AND KINGS
Rdley Scott nimmt sich nach den Römern und den Kreuzzügen diesmal eines biblischen Themas an
Pharao Sethos I. (John Turturro) lässt die Israeliten, die nach Ägypten gekommen sind nachdem sie aus ihrem Land vertrieben wurden, versklaven und ihre männlichen Nachkommen im Nil ertränken. Lediglich Moses (Christian Bale) überlebt, da seine Mutter ihn in einem Korb auf dem Fluss ausgesetzt hat und er von der Tochter des Pharaos gefunden und in den Palast gebracht wurde. Hier wächst er an der Seite von Ramses (Joel Edgerton) als ägyptischer Prinz heran.
Sethos I. präferiert Moses als seinen Nachfolger, weiß aber, dass es wegen der Blutverwandtschaft nicht möglich ist, den Ziehsohn seinem leiblichen Sohn vorzuziehen. Zudem hat Tuja (Sigourney Weaver), Ramses Mutter, ihre eigenen Pläne mit ihrem Sohn.
Als die Hethiter vor Kadesch lagern und das ägyptische Reich anzugreifen drohen, werden Moses und Ramses – beide Heerführer – geschickt, um die Streitmacht zurückzuschlagen. In der Vorbereitung der Schlacht prophezeit eine Hohepriesterin, dass ein Anführer in Not gerate und ein zukünftiger Anführer ihn erretten werde. Während sie sich auf den Kampf vorbereiten, bittet Ramses Moses, ihm nicht zu helfen, sollte eine solche Situation eintreten. Und tatsächlich gerät Ramses in Lebensgefahr, aus der Moses ihn allerdings rettet.
Sethos I. erfährt davon und zeigt sich gegenüber seinem Ziehsohn ausgesprochen dankbar.
Moses wird nach Pithom geschickt, wo die Hebräer als Sklaven in den Steinbrüchen arbeiten müssen. Der Statthalter befürchtet einen Aufstand. Die Angaben des Statthalters zu den Abgaben allerdings stimmen nicht und Moses verdächtigt ihn, den Pharao zu hintergehen. Dies findet er bestätigt, als er bemerkt – und dies auch sagt – , dass der Mann wie ein König lebt, ohne ein König zu sein.
Der Sklave Nun (Ben Kingsley) spricht Moses an. Erstmals erfährt er von seiner Vergangenheit und dass er eigentlich ein Hebräer ist. Moses lehnt die Ausführungen des alten Mannes ab. Er kehrt in die Hauptstadt zurück und berichtet Sethos I. von den Zuständen in Pithom. Erneut erklärt der alte Pharao, dessen Kräfte schwinden, dass er es vorziehen würde, wenn Moses sein Nachfolger würde.
Nach Sethos´ Tod, wird Ramses zu Ramses II. und damit neuer Pharao. Er regiert mit harter Hand und will die Verhältnisse in Pithom klären. Er bestellt den Statthalter ein und konfrontiert ihn mit Moses Vorhaltungen. Um von sich abzulenken, erzählt der dem neuen Pharao von Moses Vergangenheit und wer dieser eigentlich sei.
Daraufhin fordert Ramses II. von Miriam (Tara Fitzgerald), Moses Schwester, die die beiden Jungen erzogen hat, dass sie die Wahrheit sage. Als sie sich weigert, droht Ramses II. damit, ihr den Arm abzuschlagen, woraufhin Moses selbst erklärt, die Angaben des Statthalters entsprächen der Wahrheit. Daraufhin schickt Ramses II. Moses – gegen den Willen von Tuja, die die Hinrichtung Moses fordert – ins Exil.
Moses wandert durch die Wüste und trifft nach langer Zeit auf ein kleines Dorf, wo unbescholtene Menschen leben. Hier lernt er Zippora (Maria Valverde) kennen, in die er sich verliebt, die er schließlich heiratet und mit der er seinen Sohn Gershom (Hal Hewetson) bekommt. Lange Jahre lebt die Familie bescheiden und glücklich als Hirten, Bauern und Handwerker. Moses wird nun bei seinem eigentlichen Namen – Mose – gerufen.
Eines Tages erklimmt Mose den Berg hinter seinem Dorf, da einige Schafe in den Hang geklettert sind und ein Unwetter droht. Im Hang wird Mose von einem Erdrutsch verschüttet und von einem Kind gerettet, in dem sich Gott offenbart. Dieser Gott verlangt, dass Mose zurückkehre nach Ägypten und sein Volk – die Hebräer – heimführe.
Zurück in Ägypten bittet Mose seinen einstigen Freund und Waffenbruder Ramses II. sein Volk aus der Sklaverei und aus dem Land gehen zu lassen. Ramses II. lehnt dies aber ab. Zudem fordert Tuja, die über Moses´ Verbleib getäuscht worden war, dass das Todesurteil an ihm vollzogen werde.
Ramses II. will, dass Mose erfasst und getötet werde, doch ist niemand bereit, Mose zu verraten. So wird tagtäglich eine hebräische Familie als Vergeltung aufgehängt. Mose sieht diesen Hinrichtungen mit steigender Verbitterung zu.
Er geht in den Untergrund und bildet die Sklaven zu Kriegern aus. Sie führen einen regelrechten Guerilla-Krieg, greifen die Transportschiffe der Ägypter an, vernichten deren Getreidespeicher und hoffen, die Bevölkerung so gegen den Pharao aufzuwiegeln, was allerdings nicht gelingt. Zu brutal ist dessen Herrschaft, zu rigide seine Gesetze und zu hart die Hand, mit der er das Land im Griff hat.
Gott zürnt Mose, denn ihm dauern dessen Versuche zu lang. So schickt er Plagen über Memphis, die Stadt, in der auch Ramses II und seine Familie weilen: Krokodile begehen ein Massaker an den Nilfischern; das Wasser des Flusses färbt sich ob all des Blutes rot, woran die Fische sterben; eine Froschplage sucht die Stadt heim, da die Tiere aus dem Fluss steigen; den Fröschen folgen die Fliegen; Hagel vernichtet die Ernten; das Vieh stirbt; Heuschrecken fallen ins Land ein und setzen sich fest. Doch Ramses II. will nicht von seinem Handeln abweichen.
Gott erklärt Mose, dass nun die letzte Plage über die Ägypter käme: Der Engel des Todes würde das Land heimsuchen und alle Kinder töten. Mose solle die Hebräer anhalten, Lämmer zu schlachten und ihre Häuser mit deren Blut zu zeichnen, damit sie verschont blieben. Mose versucht, gegen diese letzte Plage aufzubegehren, doch Gott kennt kein Erbarmen.
Durch dieses letzte Eingreifen Gottes wird Ramses II. gebrochen und befiehlt den Hebräern, Ägypten zu verlassen. Der Auszug gen Kanaan beginnt. Doch Ramses II. erzürnt erneut, als er sieht, dass Ägypten geschlagen ist. Er dürstet nach Rache und verfolgt die Hebräer mit einer Streitmacht, um das ihm immer noch fremde Volk zu vernichten.
Mose, dem auf seinem Weg zurück nach Ägypten und zuvor bei seiner Flucht eine Meerenge aufgefallen war, die es bei Ebbe erlaubte, das Rote Meer zu durchqueren, führt sein Volk an die Gestade des Meeres, muss aber einsehen, dass es die falsche Stelle ist. Verzagend wirft er sein Schwert ins Meer als Zeichen, dass er aufgeben will. Da zieht sich das Meer, scheinbar vom Schwert geteilt, zurück. Die Hebräer durchqueren das Meer, während ihnen die Ägypter folgen, in ihrer rasenden Fahrt mit den Streitwagen aber dezimiert werden, als an einer prekären Stelle die Steilhänge, an denen der Weg entlangführt, wegbrechen und die Wagen mit sich in die Tiefe reißen.
Während das Gros der Hebräer sich retten kann, reitet Mose Ramses II. entgegen. Während das Meer in einer Sturzflut zurückkehrt, stehen sich die beiden ein letztes Mal gegenüber, dann brechen die Wassermassen über sie hinein.
Ramses II. wird an die Ufer Ägyptens gespült, wo seine Soldaten zu Hunderten tot liegen, Mose seinerseits an den Strand des gelobten Landes, wo er auf Nun und die anderen trifft. Nun ziehen sie gen Kanaan, unterwegs trifft Mose seine Frau und seinen Sohn wieder, die sich ihm anschließen.
Später wandert Mose auf den Berg Sinai, wo er in einer Höhle die Zehn Gebote in Stein meißelt, wobei Gott ihm Gesellschaft leistet und ihm zustimmt, dass die Israeliten Anweisung und Orientierung bräuchten.
Wirft man einen näheren Blick auf die Karriere von Ridley Scott und sucht nach Mustern, kann man schier verzweifeln: Der Mann hat sich in nahezu allen zeitgenössischen Genres umgetan, eigentlich fehlt nur ein Western in seinem Oeuvre; wenn man so will, wurde dieses uramerikanische Genre allerdings durch THELMA & LOUISE (1991) abgedeckt, wenn auch verkleidet als neumodisches Road-Movie. Dennoch lassen sich Präferenzen feststellen: Scott kehrt immer wieder in die Zukunft zurück und dreht opulente Science-Fiction-Filme jenseits der Weltraum-Opern eines George Lucas, andererseits wendet er sich immer wieder der Antike und dem Mittelalter zu, sozusagen der ältesten und der mittleren Vergangenheit der Menschheit, und erzählt von Mythen, Macht und den entsprechenden Männerphantasien. Hybris zieht sich thematisch durch viele dieser Filme. Und wird selten so deutlich, wie in der Bibelexegese EXODUS: GODS AND KINGS (2014).
Scott nimmt sich eines alttestamentarischen Themas an – die Geschichte Moses´ und des Auszugs der Hebräer aus Ägypten – und macht daraus ein Epos, durchaus in der Tradition der Monumentalfilme religiösen Zuschnitts des klassischen Hollywoods, allerdings in höchst modernem Zuschnitt. Mit etlichen Abwandlungen zum biblischen Original, in den Dialogen äußerst zeitgenössisch anmutend und durchgehend den Mythos in Frage stellend, erzählt der Meisterregisseur von einem Mann, der sich zunächst nah an der Macht wähnt und diese auch nicht in Frage stellt, dann geläutert zum Anführer seines Volks aufsteigt, welches er in die Freiheit führen will, und der von seinen Anhängern unbedingten Glauben erwartet, ja verlangt.
Dieser Mann, daran lassen Scotts Regie und das Buch von Steven Zaillian, Jeffrey Caine, Bill Collage und Adam Cooper keinen Zweifel, könnte ein Auserwählter Gottes sein, genauso gut aber auch ein Wirrer bis Irrer, der fürchterlichen Halluzinationen unterliegt. So schließt der Film zunächst eher an Freuds These an, dass Moses ein Ägypter gewesen sein könnte[1]. Genau dafür hält dieser sich auch im Film und es braucht, bis er vom Gegenteil überzeugt werden kann. Auf Freud verweisen auch etliche Momente im Film, die ihn eben als einen psychisch Auffälligen zeigen. Zudem geben Buch und Regie sich Mühe, ihre Haggada als eine Blaupause für die Geschichte der Shoah ebenso wie für den zeitgenössischen Antisemitismus anzulegen. Nur dort, wo es nicht mehr anders möglich ist – die Plagen und der Rückzug des Roten Meeres, das damit den Weg ins gelobte Land freigibt – lässt Scott Wunder gelten. Doch inszeniert er gerade diese Momente mit äußerst realistischer Drastik. Den Rückzug des Roten Meeres kann man, so wie er hier in Szene gesetzt wird, als einen Tsunami deuten. Denn bei einem Tsunami zieht sich das Meer ja bekanntlich zunächst zurück, um dann umso heftiger zurückzukehren.
Scott ist also weniger an der göttlichen/biblischen Geschichte interessiert, sondern eher an den sich offenbarenden Machtverhältnissen und den sich darin verbergenden Motiven. Sein von Christian Bale zunächst wie ein kalifornischer Sonnyboy gespielter Moses wähnt sich als ein Ägypter, der einst in die Familie des Pharao Sethos I. aufgenommen wurde. Er wird von seinem Ziehvater auch offensichtlich dessen leiblichem Sohn Ramses, später Ramses II., vorgezogen, kann aber die Nachfolge aufgrund des Geburtsrechts nicht antreten. So entwickelt sich zunächst ein Drama um innerfamiliäre Konflikte – Sigourney Weaver spielt Tuja, Ramses Mutter, die natürlich eigene Pläne mit ihrem Sohn verfolgt – und politische Wirrnisse. Moses erfährt erst spät, wer er ist, wird darob verbannt und muss dann in jahrelang anwachsender Akzeptanz lernen, wer er ist und welche Rolle ihm im Weltendrama zukommt.
Um diese seine Rolle zu akzeptieren, offenbart sich Gott Moses gegenüber in Gestalt eines Kindes. Allerdings ist nur Moses dieses Kind ersichtlich. Auch dies ist natürlich eine massive Abweichung von den biblischen Vorgaben. Scott lässt allerdings in der ersten Begegnung Moses´ mit diesem Gott-Kind oder Kind-Gott einen Dornenbusch in Flammen aufgehen, immerhin eine Reminiszenz an den biblischen Urtext. Später im Film – Moses sucht immer wieder das Gespräch mit diesem Gott – wird Moses von einem Getreuen bei einigen dieser Unterredungen beobachtet. In diesen Momenten wirkt er wie ein Irrer, der mit einem Unsichtbaren, ergo einer Einbildung, redet, denn der Beobachter kann das Kind/Gott nicht sehen. Durch diese Perspektivwechsel bricht Scott auf recht interessante Art und Weise die religiöse Erzählung und deutet zumindest an, dass Glaube oftmals bis in den Fanatismus hinein reicht. Und dass Glaube eben immer auch Aberglaube, die Akzeptanz des Unmöglichen, darstellt.
Zu dieser Interpretation passt, dass Moses seine Anhänger mehrfach auffordert, ihm blindlings zu folgen. Zu diesem Zeitpunkt im Film hat Bale sich in seiner Rolle bereits stark gewandelt, stellt Moses nun wirklich wie einen fanatisch an sein Ziel Glaubenden dar. Und in dem von Ben Kingsley gespielten Sklaven Nun[2], einem Hebräer, der früh versucht, Moses von seiner wirklichen Aufgabe zu überzeugen – nämlich Anführer und also Führer und Befreier der Hebräer zu werden – gibt es auch eine Figur, die die Rolle des Jüngers übernimmt, dessen, der den wahren Glauben verbreiten muss und in der Gemeinde genug Autorität besitzt, dass er die Lehren seines Herrn – oder eben An-Führers – glaubwürdig vertreten kann.
Scott gibt sich also allerhand Mühe, dem biblischen Ur-Text moderne massenpsychologische und individualpsychologische Interpretationen beizumischen. Was allerdings spätestens in der Darstellung des Ramses II. durch Joel Edgerton kaum mehr funktioniert. Die Rolle ist so oder so undankbar, da das Buch sich wenig Mühe gibt, Ramses´ Motivation näher oder gar ausgefeilt zu erklären. Er ist von den beiden ungleichen Nicht-Brüdern der schwächere, vom Vater zwar geliebt, aber nicht respektiert, von der Mutter verhätschelt und für eine bestimmte Rolle vorgesehen. Der sich dahinter verbergende Ödipus-Komplex – erneut erinnert der Film in den wenigen Momenten, in denen Sigourney Weaver überhaupt etwas zu tun hat, an Freud – wird eher trivial angedeutet und dessen Kenntnis beim Publikum schlicht vorausgesetzt, als dass der Film daraus einen eigenen Handlungsstrang entwickelte; warum Ramses II. später dann entgegen seinen Versprechungen gegenüber Moses beschließt, die Hebräer zu verfolgen und zu vernichten, was dann zu seinem eigenen Untergang führt, wie wir alle ja bereits wissen, bevor der Film es zeigt, ist nur noch mit Banalitäten – Rache halt – zu erklären.
Und manchmal haben die psychologischen Erklärungsmuster des Films ungewollt komische Züge: Zum Ende des Films sitzt Moses in einer Berghöhle und meißelt die zehn Gebote in Stein während Gott – immer noch in der Gestalt des Kindes – ihm dabei Gesellschaft leistet und Moses´ Gebote kommentiert. Unter anderem, so die Erkenntnis der beiden, bräuchten die Hebräer – die im Tal längst ums Goldene Kalb tanzen – Orientierung. Das klingt so, als überlegte sich das mittlere Management neue Führungsstrategien fürs mindere Personal. Denkt man an den eher distanzierten, sich eigentlich nie in Gestalt eines Menschen offenbarenden, den zornigen und auch strafenden Gott des Alten Testaments wie man ihn bisher kannte, dann wirkt diese Szene schon fast lächerlich. So aber wird also auch eine der Urszenen des jüdischen wie christlichen Glaubens – die Übergabe eben jener zehn Gebote Gottes an die Menschheit auf dem Berg Sinai – zu einem durch und durch menschlichen Tun.
Sicher, die Idee, das der gesamte abendländische Glaube auf den Obsessionen eines einzigen Mannes beruht, hat durchaus ihren Reiz, doch letztlich kann Scott diese Sicht dann eben doch nicht durchhalten. Denn dazu ist er zu sehr Regisseur auch von herkömmlichen Actionfilmen, ist er zu sehr Künstler und als solcher immer schon verliebt in das Spektakel und die Überwältigung des Publikums durch Bilder. Und so lässt er die Plagen über Ägypten kommen und der Film weidet sich schier am durch die Nilkrokodile verübten Massaker, das tatsächlich unglaublich echt wirkt, er weidet sich an den Froschmassen, die Memphis heimsuchen und an den Heuschreckenschwärmen, an den Bildern der Überflutungen, den schwärenden Wunden der Aussätzigen und den ausgezehrten Körpern der Hungernden. Und natürlich ist das sich zurückziehende Meer, wenn die Hebräer Ägypten verlassen wollen und an den Gestaden des Roten Meeres stehen, und die dann heranrollende Welle der zurückkehrenden Wassermassen ein unglaublicher Schauwert. Wenn ein einzelnes Pferd vor der sich auftürmenden Welle auf die Kamera zu galoppiert und dann mitgerissen wird, dann ist das – erst recht auf der Leinwand, für die dieser Film konzipiert wurde – atemberaubend.
Ebenso atemberaubend sind die – größtenteils durch CGI erstellten – Bauten, die der Film präsentiert. Dabei nimmt Scott es mit der historischen Genauigkeit nicht so ernst, zeigt die Hebräer als Sklaven beim Bau der Pyramiden, was so weder biblisch noch historisch überliefert ist, zumal die immer noch imposanten Bauwerke mindestens 1000 Jahre früher datieren. Dennoch: Die Welten, durch die sich die Menschen in EXODUS: GODS AND KINGS bewegen, sind – wiederum auf der Leinwand betrachtet – überwältigend. Gedreht wurden die Außenaufnahmen größtenteils im spanischen Andalusien, in der Nähe von Almería. Scott bewegte ein Heer von Statisten, womit er sicherlich auch eine Referenz an Stanley Kubrick und dessen enormen Aufwand bei SPARTACUS (1960) entrichten wollte.
Das alles ist natürlich das Spektakel, das Ridley Scott sich und seinen Zuschauer*innen schuldig zu sein meint. Es erstaunt bei ihm ja oftmals, in welcher Geschwindigkeit er seine Filme konzipiert, schreibt und dreht. Er muss, anders ist diese dichte Reihenfolge von teils sehr aufwendigen Werken nicht möglich, an einigen Filmen gleichzeitig arbeiten und oft sind das dann sehr unterschiedliche Stoffe. Das ist eigentlich nur damit zu erklären, dass eben große Teile eines Films wie EXODUS: GODS AND KINGS (der Zusatz im Titel war nicht Scotts Idee, sondern wurde später, nach Fertigstellung des Films, vom Studio und dessen Marketingabteilung hinzugefügt) eben an Rechnern entsteht und der Regisseur letztlich nur das Ergebnis begutachten und absegnen muss. So muss Scott bereits an seinem nächsten Film, dem Science-Fiction-Abenteuer THE MARTIAN (2015), gearbeitet haben, als sein antikes Drama noch in der Postproduktion war.
Es erstaunt, wie häufig bei Scott trotz dieser Arbeitswut hochinteressante und wirklich überzeugende Filme entstehen. Doch wirklich große Filme, Filme, die bleiben und die derart überzeugen, dass sie in den Kanon der Filmkunst eingehen, entstehen dabei doch eher selten. So sind die Filme, für die Scott selbst in den Olymp der Filmgötter einzog, wahrscheinlich immer noch ALIEN (1979) und BLADE RUNNER (1982), also zwei seiner frühesten Werke. Oft entstehen seine wirklich guten Filme erst in den späteren DVD-Veröffentlichungen, die oftmals neue, erweiterte Schnittfassungen bieten. So wurde aus einem durchschnittlichen Film wie KINGDOM OF HEAVEN (2005), der, als er erschien, wie eine Gewinnmitnahme des GLADIATOR-Erfolgs wirkte, in der DVD-Fassung, die deutlich länger und integraler ist, plötzlich ein wirklich guter Film, der gedankliche Tiefe aufweist hinsichtlich religiöser und humanistischer Fragen des Zusammenlebens verschiedener Kulturen und Völker.
Bei EXODUS: GODS AND KINGS fällt auf, dass der Film ebenfalls Ansätze hat, die wirklich interessant sein könnten, die er aber nie komplett ausspielt, lediglich andeutet. Und zwar sowohl auf der Bild-, wie auch der Dialogebene. Das sind jene Momente, in denen der Antisemitismus angesprochen wird. Die Szenen in Pithom, wo die Hebräer als Sklaven schuften müssen, erinnern in den Nahaufnahmen wohl nicht von ungefähr an Aufnahmen aus Konzentrationslagern und an von den Opfern oft beschriebene Szenen von den Todesmärschen, während sie in den Überflügen der Kamera allerdings wie zweitverwertete Aufnahmen von Sarumans Werkstätten aus den LORD OF THE RINGS-Filmen (2001-03) wirken. Gleiches beim Auszug der Hebräer: Wie sie da geprügelt und angespuckt werden, wie man ihnen Beschimpfungen und Beleidigungen zu- und nachruft, das erinnert deutlich an überlieferte Bilder aus den Pogromnächten des 3. Reichs.
Interessanter sind aber die Auslassungen Nuns, der Moses erklärt, was es mit seinem Volk – also den Juden – auf sich hat und weshalb man in der Diaspora lebt und nicht im Stammland. Sicher, der Film vereinfacht, er greift nicht die Unterschiede und auch Feindschaften der einzelnen Stämme Israels auf, sondern stellt die Hebräer als eine Einheit, als eine homogene Masse, ein Volk dar. Dennoch deuten sich immer wieder Momente an, die über die biblische Geschichte hinausweisen und auf die Gegenwart und die jüngere Vergangenheit hinweisen. Dahingehend muss man auch die Methoden interpretieren, die Moses im Film anwendet, um Ramses II. zu zwingen, die Israeliten gehen zu lassen: Es sind im Grunde Terror- und Guerillataktiken, die Ähnlichkeiten haben mit jenen, die durch die Hagana Anwendung fanden. So wird der israelitische Befreiungskampf in Ägypten aus dem rein religiösen Bezug entnommen und zu einem sehr weltlichen Befreiungskampf umgeschrieben, in welchem eben auch fragwürdige Mittel angewendet werden.
Dass Gott in diesem Zusammenhang gegenüber Moses als ein ungeduldiger Gott auftritt, dem die Maßnahmen nicht weit genug gehen und der selbst sehr viel drastischere Mittel in Form der Plagen vorschlägt, die wiederum der Mensch, also Moses, nicht gutheißen kann und will, ist ein weiterer interessanter Aspekt in der Interpretation des Films, dem dieser weitaus mehr Aufmerksamkeit hätte widmen können.
Vielleicht wartet Ridley Scott ja irgendwann auch in diesem Fall mit einer neuen, erweiterten, bearbeiteten Fassung seines Films auf. Bis dahin bleibt festzuhalten, dass EXODUS: GODS AND KINGS eben nur einer von vielen, vielen spektakulären Filmen des Regisseurs ist, nicht sein bester, sicher auch nicht sein schlechtester. Allerdings wohl kein Werk, das von bleibendem Wert sein wird. Letztlich ist es vor allem ein Film, der sich an seinen eigenen Schauwerten ergötzt und irgendwann vor allem von sich selbst überwältigt wirkt. Religionsbrimborium als Popcorn-Kino und Samstagabend-Unterhaltung, schnell konsumiert und ebenso schnell wieder vergessen.
[1] Freud, Sigmund: DER MANN MOSES UND DIE MONOTHEISTISCHE RELIGION. London, 1939.
[2] ‚Nun‘ verweist im Namen wohl bewusst auf das Buch Num, also das 4. Buch Mose und damit das 4. Buch des Alten Testaments.