MAD MAX
Ein Endzeitfilm, ein Geschwindigkeitsfilm, Film als reine Bewegung - George Millers Klassiker des B-Movies
In nicht allzu ferner Zukunft…ist die Welt mehr oder weniger kurz davor, endgültig vor die Hunde zu gehen. Die Gesellschaft erodiert, nomadische Rockerbanden, wie die Hell Jockeys, marodieren über die Highways und versetzen Kleinstädte in Angst und Schrecken. Die Polizei versucht mit ihren Interceptor-Fahrzeugen, den Rockern Paroli zu bieten.
Einer von ihnen ist Max Rockatansky (Mel Gibson). Er gehört zu jener Einheit, die auf den Überlandstraßen patrouilliert. Als der Nightrider (Vincent Gil), Anführer der Hell Jockeys, aus dem Gefängnis ausbricht und sich eines Polizeifahrzeugs bemächtigt, ist es schließlich Max, der ihn stellt, wobei der Nightrider und seine Begleiterin sterben.
Max lebt am Meer mit seiner Frau Jessie (Joanne Samuel) und dem gemeinsamen Kind. Daheim ist er ein liebender Ehemann und Vater. Er bemüht sich, die Eindrücke, die er auf der Straße, im Job, sammelt, nicht mit in sein Heim zu bringen. Er weiß aber auch, daß es ein gefährlicher Job ist. Erst recht, nachdem ihm sein Chef Fifi Macaffee (Roger Ward) mitgeteilt hat, daß die Hell Jockeys dem „Mörder“ des Nightrider Rache geschworen haben.
Die Rocker fahren in eine Kleinstadt, wo die Leiche ihres Anführers aufgebahrt liegt und darauf wartet, abgeholt zu werden. Die Bande, deren Boss nun Toecutter (Hugh Keays-Byrne) ist, fällt in den Ort ein und terrorisiert ihn. Frauen werden belästigt, Kinder verängstigt und einzelne Männer zusammengeschlagen oder, an ein Motorrad gekettet, die Hauptstraße rauf und runter geschleift. Schließlich überfallen einige von ihnen ein fliehendes Pärchen, schlagen den Mann zusammen, demütigen ihn und vergewaltigen die Frau. Dann zieht die Bande ab. Nur der junge Johnny (Tim Burns), ein Junkie. Großmaul und Feigling aus gutem Hause, bleibt zurück.
Als Max und sein Kumpel und Kollege Jim Goose (Steve Bisley) eintreffen, können sie Johnny verhaften und die junge Frau beruhigen. Johnny wird in die Hall of Justice, ein düsteres Gebäude, verbracht, wo Goose ihn vernimmt. Doch Johnny ist voll mit Drogen und fantasiert vom Nightrider, dessen Mörder nun um ihr Leben zu fürchten hätten. Bald darauf trifft mit Bubba Zanetti (Geoff Parry) an der Spitze, der als rechte Hand von Toecutter fungiert, eine Delegation mit einem Anwalt in der Station ein. Johnny kommt frei. Goose ist außer sich, da er die Frau gefunden und gesehen hat, was ihr angetan wurde. Fifi und Max gelingt es, Goose zurückzuhalten. Noch einmal droht Johnny den Polizisten.
Goose und der Techniker in der Polizeistation zeigen Max einen V8 – einer der letzten extrem PS-starken Wagen. Sie haben diesen noch ein wenig aufgemotzt. Max ist sofort begeistert und will den Wagen ausprobieren.
Abends nach der Schicht kehrt Goose gern in einem Tanzlokal am Highway ein. Hier becirct er regelmäßig eine Sängerin und verbringt die Nacht mit ihr. In einer dieser Nächte manipulieren die Hell Jockeys die Radschrauben an Goose´ Motorrad. Am nächsten Tag hat der Polizist dementsprechend einen Unfall mit seinem Gefährt. Er landet weich im Weizen am Straßenrand, doch seine Maschine hat einen Totalschaden. Während er die Maschine in die Werkstatt schleppen will, wird der Transporter, mit dem er dies zu tun gedenkt, ebenfalls von den Hell Jockeys angegriffen. Nach einem schweren Unfall überschlägt er sich mehrfach.
Toecutter kommt mit Johnny, den er zuvor am Strand getauft hat, ihm aber auch angekündigt hat, daß er bald wird „liefern“ – sprich jemanden wird töten – müssen, um ein vollständiges Mitglied der Bande zu werden, zur Unfallstelle und zwingt ihn, ein Streichholz in den Wagen zu werfen, aus dem Goose sich zu befreien versucht. Johnny will das nicht tun, aber schließlich fällt ihm das Streichholz praktisch aus der Hand.
Max kommt ins Krankenhaus und betrachtet entsetzt, was von seinem Freund Goose noch übrig ist. Er erklärt seinem Boss, Fifi Macaffee, daß er den Dienst quittieren wolle, auch, weil er befürchtet, immer mehr wie jene zu werden, die er jagt. Fifi will ihn unbedingt davon abhalten. Max sei ein Held, einer jener Männer, wie man sie brauche, um eine Gesellschaft zusammen zu halten. Schließlich willigt Max ein, einen längeren Urlaub zu nehmen und sich die Sache nochmal zu überlegen.
Unterwegs treffen Max, Jessie und ihr Sohn in einer Werkstatt auf die Hell Jockeys. Einige von ihnen belästigen Jessie und den Kleinen, als diese ein Eis kaufen wollen. Jessie gelingt es, sich gegen Toecutter zur Wehr zu setzen, indem sie ihm in die Weichteile tritt. Dann rettet sie sich und den Jungen in den Wagen und rast zurück zu Max, der noch in der Werkstatt über einen neuen Reifen verhandelt. Einer der Rocker, Cundalini (Paul Johnston), versucht seine Stahlkette auf den Wagen zu werfen, die aber verhakt sich und reißt dem Mann glatt die Hand ab. Die Familie flieht.
Sie erreichen ohne weitere Vorkommnisse die Farm, wo sie den Urlaub verbringen wollen. Die Farm gehört der alten May (Sheila Florence), die hier mit dem leicht schwachsinnigen Benno (Max Fairchild), einem Hünen von einem Mann, lebt.
Max und Jessie verbringen einige ruhige Tage. Eines Nachmittags geht Jessie allein zum Strand, nur begleitet vom Familienhund. Sie sonnt sich und will später auf die Farm zurückkehren, wozu sie ein Waldstück durchqueren muß. Schon am Strand hatte sie ein komisches, ungutes Gefühl beschlichen, jetzt, im Wald, glaubt sie sich verfolgt. Immer wieder nimmt sie Schatten wahr, die zwischen den Bäumen entlanghuschen. Sie wird erst durch den Kadaver ihres Hundes, den jemand aufgeschlitzt und an einen Baum gehängt hat, dann durch Benno, der urplötzlich vor ihr steht, zu Tode erschreckt.
Schließlich schafft sie es zurück zur Farm und informiert Max, daß sie verfolgt werde. May ist der Meinung, daß es Benno gewesen sei, doch Jessie bleibt dabei, daß da noch mehr Männer gewesen sind, außerdem töte Benno keine Tiere. Dann plötzlich fällt ihr auf, daß ihr Sohn nicht bei ihnen im Haus ist, wo May sie versorgt. Er war zuvor bei Max gewesen, der jedoch in den Wald gelaufen ist, um nachzusehen, was Jessie meinte.
Als Jessie die leere Decke sieht, auf der das Kleinkind lag, schwant ihr Übles. Und richtig: Als sie in den Hof der Farm zurückkehrt, trifft sie dort auf einige Hell Jockeys, die das Kind in ihren Fängen haben. Jessie versucht, sie zu überreden, ihr das Kind zu geben, doch die Rocker denken nicht daran. Sie machen sich über Jessie lustig und verlangen im Gegenzug Cundalinis Hand zurück. Da taucht May mit einer Schrotflinte auf und zwingt die Männer, das Kind rauszurücken. Sie sperrt die Rocker in einen Schuppen, dessen Tür aber nicht lange unter den Tritten und Schlägen der Eingesperrten standhält. May und Jessie fliehen mit dem Wagen, an dem Max zuvor gearbeitet hatte. Schnell gibt der den Geist auf. May fordert Jessie auf, zu fliehen, sie wolle versuchen, die Banditen aufzuhalten.
Doch die rasen auf ihren Motorrädern unbeeindruckt an ihr vorbei und überfahren Jessie und das Kind kaltblütig. Der heranstürmende Max kann nur noch verzweifelt über den Leichen seiner Frau und des Kindes zusammenbrechen.
Nun gibt es für ihn kein Halten mehr. In der Hall of Justice bemächtigt er sich des V8 und begibt sich auf die Straße für seinen Rachefeldzug. Nach und nach kann er einige der Rocker stellen. Schließlich findet er Johnny leblos auf der Straße. Doch ist dies eine Falle: Johnny soll Max anlocken, dann schießt ihm Bubba ins Bein. Der verletzte Max liegt auf der Straße und müht sich, an seine Waffe zu gelangen. Bubba fährt ihm über den Arm. Als er erneut ansetzt, um Max den Rest zu geben, gelingt es dem, seine Waffe zu erreichen und Bubba von seiner Maschine zu schießen. Toecutter flieht mit Johnny.
Max verfolgt die beiden. Schließlich kann er Toecutter, der Johnny mittlerweile abgesetzt hat, auf einer Landstraße stellen. Die beiden rasen hintereinanderher, aber Max hat in seinem Wagen ein Instrument, das ihm die Lage auf der Straße vor ihm anzeigt. So weiß er, daß ihnen hinter dem nächsten Hügel ein Truck entgegenkommt. Er stoppt ab und lässt Toecutter in sein Schicksal rasen. Der kracht mit voller Wucht in den Truck. Er und sein Motorrad werden auf dem Asphalt verteilt.
Max rast weiter. Er fährt Tag und Nacht auf der Suche nach den letzten Hell Jockeys. Schließlich findet er Johnny bei einem Autowrack, wo der die Leichen fleddert. Max kettet ihn an den zerstörten Wagen und bastelt mit einem Feuerzeug eine Sprengfalle, bei der das auslaufende Benzin die Feuerzeugflamme erreichen und das Wrack mit dem daran angeketteten Johnny in die Luft jagen wird. Max wirft ihm eine Säge zu und erklärt, daß Johnny in etwa zehn Minuten die Ketten zersägen kann, was zeitlich wahrscheinlich nicht reichen wird, um der Sprengfalle zu entgehen. Seinen Knöchel hingegen würde er in ca. fünf Minuten durchsägen können.
Trotz Johnnys verzweifelten Gebettel, ihn zu befreien und nicht sterben zu lassen, setzt sich Max in seinen Wagen und fährt davon. Während man sieht, wie er sich von der Unfallstelle entfernt, explodiert im Hintergrund der Wagen.
Als um die Jahreswende 1979/1980 eine Billigproduktion aus Australien auf den Leinwänden der Kinos weltweit erschien und ihr Publikum in anderthalb Stunden vorführte, auf welch kreative und vielfältige Art man Autos, Motorräder, Wohnwagen und andere Gefährte, die die Straßen bevölkern, zerstören kann, war das Genre des Actionkinos im engeren Sinne noch gar nicht etabliert. Action, das war integraler Bestandteil einzelner Genres – allen voran des Western oder des Science-Fiction-Films à la George Lucas (STAR WARS/1977). So gesehen, kann man George Millers MAD MAX (1979) durchaus als Geburtsstunde des reinen Actionfilms betrachten. Man kann sogar noch weitergehen und ihm unterstellen, in gewissem Sinne ein Experimentalfilm zu sein. Und – aber das ist eher eine Betrachtung aus über vierzig Jahren vorangeschrittener Filmgeschichte – man kann ihm attestieren, ein Dokumentarfilm zu sein. Doch dazu später.
MAD MAX war eine Billigproduktion, ein B-Movie, ein schnell runtergedrehter Brutalo-Streifen, der in gewissem Sinne mit den Horrorfilmen seiner Zeit korrespondierte. Miller und sein Team präsentierten nämlich nicht nur ohne Unterlass rasante Verfolgungsjagden und Crashs, sondern garnierten dies mit allerhand dem Splatter-Kino abgeschauten Details wie abgerissenen Händen, aufgeschlitzten Haustieren und psychischem Terror, wie man dies so nur in den einschlägigen Bahnhofskinos jener Zeit zu sehen bekam. Und genau dort gehörte auch MAD MAX hin. Dort startete er seinen Siegeszug und wurde zu einem der erfolgreichsten Filme des Kinojahrs. Und er bot einem jungen Schauspieler aus Australien die Möglichkeit, sich erstmals international zu präsentieren. Der junge Mann hieß Mel Gibson und startete in den folgenden Jahren eine Weltkarriere, die ihresgleichen sucht.
Millers Film korrespondiert aber auch mit seiner Zeit, indem er in den Abgesang auf die Hoffnungen der späten 60er Jahre und auch eines Großteils der 70er einstimmte. Die Welt, die Miller darstellt, liegt laut eines kurzen Einschubs „einige Jahre in der Zukunft“. In dieser Zukunft scheint die staatliche Macht erodiert, die Polizei, zu der auch die Titelfigur Max Rockatansky gehört, kämpft einen schier aussichtslosen Kampf gegen nomadische Rockerbanden, die die Straßen unsicher machen. Diese Straßen tragen Namen wie Anarchy Road und führen in Todeszonen, die zu betreten eigentlich verboten ist, woran sich aber niemand hält. Die Zivilgesellschaft, die in dieser Welt durchaus noch existiert, scheint sich längst mit der Anarchie, die auf den Straßen herrscht, abgefunden zu haben. Die marodierenden Banden sind in Millers Film eindeutig dem Rocker- aber auch dem Milieu der 1979 neuesten Subkultur, dem Punk, entnommen. Outlaws der Straße, die nach ihren eigenen Gesetzen leben. Ähnlich, wie es Filme wie Michael Winners DEATH WISH (1974) gehalten hatten, scheint auch Miller zunächst recht reaktionär gewisse jugendliche Subkulturen zu denunzieren, indem er sie als Vorboten einer drohenden gesellschaftlichen Apokalypse darstellt. MAD MAX, so, wie er die Gesellschaft darstellt, könnte man also auch als einen Vorboten der Anfang der 80er Jahre aufkommenden Endzeitfilme betrachten, die ganz offensichtlich auf die Zeitläufte reagierten, indem sie mit der Angst vor der atomaren Katastrophe, vor gesellschaftlichem, ökonomischem und ökologischem Niedergang spielten.
Doch ganz so weit geht Miller (noch) nicht. Er zeigt, daß es eben auch in dieser Welt noch eine Zivilgesellschaft gibt, er zeigt einige der Polizisten als moralische Wesen und vor allem zeigt er mit Max einen Mann, der eine Familie hat und deshalb in der Angst lebt, eines Tages genauso zu werden, wie diejenigen, die er als Polizist verfolgt. Das teilt er seinem Boss auch mit, der ihm daraufhin erstmal Urlaub gibt. Den will Max mit Frau, Kind und Hund auf der Farm einer alten Freundin verbringen. Da er zuvor maßgeblich dafür verantwortlich war, daß der Nightrider, Boss der Hell Jockeys, bei einer rasanten Verfolgungsjagd den Tod gefunden hat, werden er und seine Familie unterwegs mehrfach von der Bande bedroht und schließlich auf der Farm überfallen. Nachdem die Rocker Max` Frau und Sohn getötet haben, mutiert der zuvor liebende Ehemann endgültig zu einem extrem brutalen und zynischen Killer und Rächer. Spätestens an diesem Punkt im Film verstehen wir, daß Max` Befürchtung, längst Teil des Spiels auf den Straßen zu sein, völlig zutreffend ist. Der Firnis der Zivilisation ist dünn und in uns schlummern immer schon die atavistischen Reflexe.
Doch ist Millers Film eher subversiv als reaktionär. Denn vor allem in der Darstellung von Max` Kollegen wird deutlich, daß sie den Rockern ähnlicher sind, als sie es vielleicht ahnen. Ihr Verhalten ist durch die gleichen Bedürfnisse geprägt. Sie sind Aufschneider, sie nutzen ihre Stellung, um andere auszuspähen, sie erliegen dem gleichen Rausch der Geschwindigkeit und ihre Mittel sind mindestens so rücksichtslos wie die der Rocker. Der Unterschied besteht lediglich darin, daß ihre Gewaltausübung gesetzlich gedeckt ist. Auch ihre Fahrzeuge wirken ähnlich aufgemotzt und runtergekommen, wie die der Rockerbande. Und vor allem frönen sie einem ähnlichen sadomasochistischen Kleidungsstil, wie ihre Gegner. Es verwundert, daß MAD MAX nicht früh ikonographisch für einen Teil der homosexuellen Community wurde, denn Miller lässt wenig Zweifel daran aufkommen, daß all diese Kerle in ihrer komplett übertriebenen Männlichkeit einer unterdrückten und von ihnen wahrscheinlich grundlegend abgelehnten Homosexualität unterliegen. Man kann das als homophob betrachten, was für einen Film der späten 70er/frühen 80er Jahre nicht ungewöhnlich wäre. Man kann es aber auch als eine subversive Analyse dessen bezeichnen, was heute „toxische Männlichkeit“ genannt wird. Ganz offensichtlich macht sich Miller, der auch maßgeblich am Drehbuch beteiligt war, über genau diese Machokultur lustig. Und versucht, sie immanent zu entlarven.
Der erste Auftritt der Hell Jockeys ist bereits Beweis dieser These. Selten, vielleicht nie, hat man gesehen, daß eine Rockerbande derart dargestellt wurde. Angefangen bei ihrem Chef Toecutter, der brillant von Hugh Keays-Byrne dargestellt wird, über dessen Adlatus Bubba Zinetti, der mit seinem blondierten Haar und in seinem strengen Leder-Look direkt den einschlägigen Clubs rund um die Christopher Street entstiegen sein könnte, dem jungen Johnny, ein Feigling, den Toecutter sich zurecht erziehen will, bis zu all den mehr oder weniger namenlosen Mitgliedern der Gang, hat man es mit einem Haufen extrem exaltierter Männer zu tun. Sie verbreiten Angst und Schrecken – aber sie tun dies auf eine recht eigenartige Weise. Sie lassen ihre Maschinen dröhnen, damit auch der letzte im Kaff verstanden hat, daß sie da sind, dann aber bewegen sie sich über die Hauptstraße, als kämen sie direkt aus einem Seminar für Ausdruckstanz. Man kann es wirklich nur mit dem Begriff „exaltiert“ beschreiben: Ausgreifende Schritte, kurze Walzereinlagen, überkandideltes Benehmen gegenüber wem auch immer. Und genau so setzt sich das durch den Film fort. Toecutter hält gern pathetische Reden über seinen toten Freund, den Nightrider, der nun, nach seinem Ableben, über den Nachthimmel zieht, wenn ihm so empfundenes Unrecht geschieht, neigt Toecutter dazu, wie eine Katze zu fauchen, redet er mit einer Frau, leckt er seine Fingerspitzen an und streicht sich die Mähne aus dem Gesicht. John Carpenter griff auf diese Darstellung zurück, als er ESCAPE FROM NEW YORK (1981) drehte und dort ebenfalls Punks und dem Rockermilieu entstammende Insassen eines Gefängnisses auftreten ließ, das ganz Manhattan umfasst.
Doch Miller geht weiter. Denn auch seine Polizisten werden als ebenso ledersüchtige Straßenmachos dargestellt, wie es die Rocker sind. Sie sind in Lederklüfte gekleidet, ihr Chef Fifi Macaffee, ein Hüne von einem Mann, spaziert mit nacktem Oberkörper, nur mit Schal und hautenger Lederhose bekleidet, durch seine Wohnung und gießt seine Blumen mit einem Kännchen, das in seiner Pranke wie ein Fremdkörper wirkt. Max` Kollegen können es gar nicht abwarten, bis sie endlich eine Verfolgungsjagd aufnehmen dürfen und nehmen dann – vor allem die anfängliche Jagd auf den Nightrider zeugt davon – überhaupt keine Rücksicht mehr auf Zivilpersonen. Max` bester Freund, Goose, scheint der einzige zu sein, den moralische Motive umtreiben. Max selbst bleibt lange erratisch. Miller spielt mit Doppelbödigkeiten, wenn er uns zunächst martialisch zeigt, wie sich ein Mann, den wir nur in Detailaufnahmen sehen, anzieht, seine Kluft, seine Rüstung, anlegt. Dann greift dieser Mann in die Verfolgung des Nightrider ein und tötet seinen Kontrahenten. Etwas später sehen wir genau diesen Mann, wie er liebevoll mit Frau und Kind zusammensitzt und das häusliche Leben genießt. Es führt offenbar ein Doppelleben. So nett und freundlich er daheim ist, als seine Kollegen ihm einen V8 präsentieren, einen der letzten Wagen, die über einen 598 PS starken Motor verfügen, wirkt dies auf ihn wie eine Droge. Er will sofort mit dem Wagen los und ihn ausprobieren. Später wird dieser Wagen zum Instrument seiner Rache.
Miller antizipiert eine Darstellungsweise, die in den folgenden Jahren dominant werden sollte. Mit Schauspielern wie Sylvester Stallone, Arnold Schwarzenegger, Jean-Claude Van Damme u.a. hielt ein Körper- und Machokult in Hollywood Einzug, wie es ihn in dieser Weise noch nicht gegeben hatte. Männer wurden zu Halbgöttern, ihre Körperlichkeit nicht nur Kult bei den Zuschauern (was bspw. durch den Anstieg an Fitnessstudios belegt wurde), sondern fast schon ein Fetisch. Miller, dessen Männer zwar nicht über die Muskelpakete eines Schwarzenegger verfügen, durch ihre Kluft aber ähnlich ausgestellt werden, befeuert diesen Männlichkeitskult einerseits, andererseits gibt er ihn bereits der Lächerlichkeit preis. Toecutter, Bubba Zanetti, vor allem der junge Johnny, sie sind alle auch Hysteriker. Johnny ist durch und durch feige, er riskiert immerzu eine große Schnauze, wenn es aber zum Schwur kommt – er soll für Toecutter Goose in Brand stecken, der hilflos in einem verunglückten Wagen steckt – kneift er. Miller zeigt ihn also als einen Menschen, der noch über ein moralisches Grundgerüst verfügt, dieses aber ununterbrochen negieren will, um unter seinen Kumpanen Anerkennung zu finden. Die wird ihm vor allem von Bubba vorenthalten, der Johnny für genau das hält, was er ist – ein Feigling und Speichellecker.
Miller spricht diesen Männern sogar ein seltsames Gespür für Ästhetik zu, eine ganz eigene Poesie. In einer Strandszene wollen zwei der Bandenmitglieder Sex mit einer weiblichen Schaufensterpuppe imitieren. Toecutter und Bubba beschließen, daß diese Frau – auch darin kommt ein, wenn auch bösartig gezeichnetes, schwules Element zum Tragen – ein Agent des Feindes sei und hingerichtet gehöre, da sie mit ihren weiblichen Vorzügen die Sinne der Männer verwirre. Bubba will sie mit seiner Pistole „hinrichten“, doch bevor er zur Tat schreiten kann, schnappt Johnny sich eine Schrotflinte und ballert der Puppe den Kopf weg. Daraufhin nimmt ihn Toecutter und führt ihn ins Wasser, wo er ihn in einem seltsamen Akt aus Bedrohung – er hält ihm die Schrotflinte in den Mund – und Liebkosung – er umarmt ihn – einer Art Taufe unterzieht. Auch hier ist Toecutters Rede pathetisch und zeugt von einem gewissen religiösen Subtext, der seinem Verhältnis zu seinen Männern zugrunde liegt. Kurz darauf folgt die Szene, in der der Boss Johnny zwingt, Goose in Flammen zu setzen.
Miller unterlegt seinen Film nicht nur hier (hier aber sehr deutlich) mit diesem religiösen Subtext. Alle diese Männer – ob Outlaws oder Polizisten – sind Jünger eines Kultes, sind Anhänger einer Sekte, deren Gott die Maschine, deren Ekstase die Geschwindigkeit ist. Und es ist dieser Rausch der Geschwindigkeit, der MAD MAX zu dem gemacht hat, was er dann wurde. Denn was auch immer Miller zeigt, das (wahrscheinlich zumeist männliche) Publikum nahm den Film überwiegend affirmativ auf. Die Feinheiten, die Subtilitäten der Darstellung von Männern, gingen an diesem Publikum weitestgehend vorbei, wenn es sie nicht sogar ebenfalls als Zustimmung zum gezeigten Verhalten interpretierten. Daß ein Werk mißverstanden wird, ist nun allerdings nichts Neues. So erging es etlichen Filmemachern, selbst den größten, wie einem Stanley Kubrick, der sich Zeit seines Lebens für die Gewaltdarstellungen in A CLOCKWORK ORANGE (1971) rechtfertigen musste, so erging es den Wachowski-Brüdern mit ihrem postmodernen Albtraum MATRIX (1999), der nicht nur, aber auch in der rechtsextremen Szene zum Kultfilm avancierte. Doch vielleicht geht man zu weit, wenn man Miller ausschließlich unterstellt, mißverstanden worden zu sein, weil seine tieferliegenden Hinweise und Analysen nicht wahrgenommen wurden. Denn was er zeigt, und vor allem wie er es zeigt, zeugt schon auch von einer Lust an der Destruktion.
Anfangs dieses Textes wurde MAD MAX unterstellt, nicht nur experimentellen Charakter zu haben, sondern auch dokumentarischen. Vielleicht eine (zu) steile These, doch lässt sie sich durchaus belegen. Man könnte gar so weit gehen, zu fragen, wieviel MAD MAX mit einem Film wie Jean-Luc Godards WEEK END (1967) zu tun hat. Oder mit TRAFIC (1971) von Jacques Tati. Bei Godard sehen wir eine Welt, die ähnlich endzeitliche Merkmale aufweist, wie die in MAD MAX; vor allem sehen wir immer wieder Autounfälle, von denen scheinbar niemand wirklich Notiz nimmt. Auf den Straßen in MAD MAX herrscht pure Leichenfledderei, niemand kümmert sich um Verletzte oder Tote, stattdessen werden die Fahrzeuge und auch die Toten durchstöbert, wird aus den Tanks das letzte Benzin abgesaugt. Die teils zu reinen Rennmaschinen umgebauten Motorräder und die Autos sind wiederum ähnlich fantasievoll ausgestattet, wie der berühmte Wohnwagen aus Tatis letztem Kinofilm. Was bei Godard und Tati noch als Kritik an der modernen Technologie-Welt verstanden werden kann, wird bei Miller allerdings zum State of the art. Während bei Godard und Tati Staus wesentliche Elemente des modernen Lebens sind, die die Technik letztlich genau zum Gegenteil dessen werden lassen, wozu sie eigentlich gut ist – Verlangsamung und Stillstand statt Mobilität und Vorankommen – sieht die Sache bei Miller exakt umgekehrt aus: Hier wird das Fahren, die Geschwindigkeit, zum reinen Selbstzweck. Zwar gibt es keine Staus, sondern endlos lange, vollkommen geradlinige und vor allem leere Highways, aber sie führen nirgendwo mehr hin. Außer in die Todeszone.
Kameramann David Eggby findet etliche Perspektiven und Kamerapositionen, die das Gefühl der Geschwindigkeit unterstützen und beschwören. Die Kamera, tief an Autos und Motorrädern angebracht, rast praktisch direkt über den Asphalt dahin. Oder sie ist so auf der Straße angebracht, daß die Wagen und Motorräder über sie hinwegrasen und damit die Geschwindigkeit einfangen und vermitteln. Darin spiegeln sich auch Filme wie TWO LANE BLACKTOP (1971) oder VANISHING POINT (1971), die zu Beginn der 70er Jahre das Fahren zu einer existenziellen Erfahrung machten, die es – in Entsprechung und Fortführung des Westerns – zur reinen Daseinsform erhoben. Anders, als dies in MAD MAX der Fall ist, steht das Fahren (und Rasen) in jenen Filmen aber auch in einem Bezug zur gegenwärtigen Gesellschaft. In MAD MAX, wie nun mehrfach erwähnt, wird die Geschwindigkeit nun zum reinen Selbstzweck. Die Häufung der Szenen, in denen die Kamera diese Geschwindigkeit perfekt suggeriert, in denen die Raserei, die Stunts, wenn Motorräder stürzen und die Fahrer durch die Luft geschleudert, Fahrzeuge in ihre Einzelteile zerlegt werden, zeugt von der Lust an der Zerstörung und deren Darstellung. Darin wiederum auch den Filmen von Laurel und Hardy und den frühen Slapstick-Komödien verwandt. Es ist eine Schau des Machbaren in einer Zeit, in der das, was man auf der Leinwand sah, exakt so vor der Kamera stattfand. So gesehen stimmt es, daß MAD MAX ein Film ist, der der Regie, der Kamera und den Stuntleuten gehört. Die Handlung, letztlich eine reine und recht einfältige Rachegeschichte, ist nebensächlich.
George Miller und David Eggby – auch dies ist sowohl experimentell als auch dokumentarisch zu begreifen – führen noch einmal vor, was Film im Kern eigentlich ist: Bewegung im Raum, der als Fläche dargestellt wird. Schon die rasenden Destruktionsorgien der oben erwähnten Laurel und Hardy zeugten von dieser Ur-Form dessen, was Film ausmacht. In und aus der der Bewegung definiert sich Film und nimmt damit eine maximale Position zur Fotografie ein. Zeigt jene uns den Moment, so gibt der Film, seriell, den einzelnen Moment wieder und verdichtet in der Serialität die Momente, aneinandergereiht, in Bewegungsabläufen. MAD MAX wirkt in seinen rasenden Szenarien wie der Versuch, dies noch einmal zu belegen, spürbar, erfahrbar zu machen, im wahrsten Sinne des Wortes. Wie die ersten Filme, die sich einfach daran ergötzten, Bewegungsabläufe zu zeigen, bis hin zu Momenten, in denen ein Zug frontal auf den Zuschauer zufährt (und diese ersten Zuschauer in Angst und Schrecken versetzte), so scheint auch Miller noch einmal dieses Grundprinzip des Films ganz schlicht vor Augen führen zu wollen.
Genau auf dieser Ebene wird MAD MAX aber, wie bereits angedeutet, auch zu einem Dokumentarfilm. Sicher, dies ist eine Betrachtungsweise aus den 20er Jahren des 21. Jahrhunderts. Denn heute wäre ein solcher Film – was er aber sicher auch in seiner Zeit bereits war – reiner Eskapismus. Mit den Möglichkeiten der CGI, der Computer Generated Imagery, sind längst Bilder möglich, die jenseits aller technischen Machbarkeit liegen. Da stapfen Dinosaurier über die Leinwand, wird der Weltraum sinnlich erfahrbar, werden Explosionen und Autorennen und Verfolgungsjagden und Kampfsequenzen aus Perspektiven darstellbar, die keine Kamera analog einfangen könnte. Die Filme der Marvel-Studios sind das eindrücklichste Beispiel dafür, doch auch eine Trilogie wie LORD OF THE RINGS (2001-03) wäre ohne CGI nicht möglich gewesen, wie Regisseur Peter Jackson ganz unbefangen selbst zugab. Was der Zuschauer in MAD MAX geboten bekommt, ist echt. Jeder Unfall, jedes zerstörte Auto, jeder durch die Luft geschleuderte Körper ist echt. Und man kann das wahrnehmen. Die Wucht des Aufpralls, wenn Toecutter schließlich, von Max gehetzt, frontal auf einen Truck prallt – unterstützt durch eine extreme Detailaufnahme seiner vor Entsetzen geweiteten, blutunterlaufenen Augen, ein Stilmittel, das Miller mehrfach nutzt – ist fast körperlich spürbar. Wenn bei der Verfolgungsjagd mit dem Nightrider ein Wohnwagen, der die Straße kreuzt, schlicht in zwei Teile zerlegt wird (nebenbei – es war Millers eigener Wohnwagen, da die Produktion kein Geld für ein extra als Requisit angeschafften hatte), ist das echt. Diese gnadenlose Authentizität ist es, die MAD MAX einen dokumentarischen Charakter verleiht, da hier – einem Filmmuseum gleich – noch einmal nachweisbar ist, wie Film einst entstand. Es war eine gefährliche Angelegenheit, solche Szenen zu drehen.
Eggby lässt einzelne Szenen immer wieder damit beginnen, daß die da auch schon rasend schnelle Kamera in der Vogelperspektive den Highway einfängt und sich dann in vollem Flug nahezu bis auf das Niveau des Asphalts niedersenkt, was die Geschwindigkeit, die Bewegung selbst, umso stärker betont und spürbar macht. In Anbetracht des wirklich niedrigen Budgets, muß man nicht nur anhand der technischen Umsetzung des Films, sondern eben auch anhand der Figuren, auch kleinerer Nebenfiguren wie des offenbar geistig zurückgebliebenen Sohns der Farmbesitzerin, des Polizeibosses Fifi, des Werkstattbesitzers, wo Max seinen geplatzten Autoreifen reparieren lässt, anhand der Ausstattung und vieler kleiner Details, die dem Film seine Atmosphäre, den Look und auch seine Härte geben, klar konstatieren, daß er voller Fantasie ist und aus sehr wenig sehr viel macht. Es ist einer jener Filme, von denen man gern sagt, sie machten keine Gefangenen. Mit Einsetzen des Vorspanns, der sehr nüchtern gehalten ist, und der Musik, die – eine Legende, mit der man aufräumen sollte – nicht vom Queen-Gitarristen Brian May komponiert und eingespielt wurde, sondern von einem gleichnamigen australischen Komponisten, ist der Film in your face. Er ist sofort da, jeder Ton der Musik zeugt davon, indem sie dem Zuschauer geradezu einhämmert, daß das, was nun folgt, von großer Härte und tiefem Ernst sein wird. Und genau so ist auch die Kameraarbeit von Eggby gehalten. Die Bilder sind nicht subtil, sondern immer hat der Zuschauer den Eindruck, ganz vorn in der Achterbahn zu sitzen, mitten im Geschehen zu sein. Man kann ihnen nicht entkommen, sich ihnen nicht entziehen.
MAD MAX war weltweit enorm erfolgreich. Warner Bros. übernahm den Vertrieb und nach anfänglichen Versuchsvorführungen, startete er dann auch in allen wesentlichen Kinoländern. Für George Miller, von Haus aus Arzt, aber ein Mann mit einer großen Liebe fürs Kino, war es das Ticket, in der Filmbranche Fuß fassen zu können. Für Hauptdarsteller Mel Gibson sowieso. 1981 folgte dann Teil zwei, MAD MAX 2: THE ROAD WARRIOR (1981), ebenfalls von Miller inszeniert. Es gelang ihm, seiner Story einen weiteren Twist zu geben, die Figuren wurden noch abstruser, die Wagen und Gefährte noch bizarrer und die Gewalt noch härter. Spätestens mit MAD MAX BEYOND THUNDERDOME (1985) war dann aber auch diese Reihe im Mainstream angekommen. Mit Tina Turner in einer wesentlichen Rolle und natürlich den begleitenden Songs und Musikvideos wurde nun das große kommerzielle Geschäft abgeschöpft. Überzeugen konnte das nur noch partiell, gerade weil auf die Gewalt als Stilmittel verzichtet wurde, um den Film massenkompatibel zu machen. Miller legte dann dreißig Jahre später mit MAD MAX: FURY ROAD (2015) noch einmal nach. Fairerweise sollte man den Film, wegen des zeitlichen Abstands und auch wegen der Abwesenheit seines einstigen Hauptdarstellers, vielleicht für sich und nach anderen Kriterien beurteilen, als seine Vorgänger.
MAD MAX aber bleibt als Solitär einer der Filme der 70er Jahre, die ein neues filmisches Zeitalter mit einläuteten und von bleibendem Wert sind. Er kann noch immer unterhalten, er kann immer noch überzeugen, er hat nichts von seiner Wucht und Kraft eingebüßt und damit die Zeit gut überstanden. Und er steht – als Solitär – für eine Zeitenwende im kommerziellen Kino, deren Auswirkungen bis heute spürbar sind. Zudem sorgte er mit dafür, daß ein gewisser Härtegrad in das Mainstreamkino einsickerte und sich ebenfalls bis heute dort gehalten hat. Nicht viele Filme können für sich in Anspruch nehme, die Zeiten auf so vielfältige Weise so gut überdauert zu haben. Allein das macht seinen bleibenden Wert schon aus.