MORITURI/KENNWORT: MORITURI/MORITURI
Ein leider etwas verunglückter Kriegsfilm, der sich mit deutscher Schuld auseinanderzusetzen versucht
Robert Crain (Marlon Brando), ein Deutscher, der während des 2. Weltkriegs mit Schweizer Papieren in Indien lebt, ist Pazifist und hält sich aus dem Weltgeschehen heraus. Doch stöbert ihn der britische Geheimdienst auf. Colonel Statter (Trevor Howard) zwingt Crain durch eine regelrechte Erpressung, einen Geheimauftrag anzunehmen: Crain soll, getarnt als SS-Offizier und Gestapo-Mann Hans Keil an Bord eines deutschen Frachters gehen, der von Tokio aus gen Deutschland segelt. An Bord befinden sich große Mengen Gummi, die der Wehrmacht für ihre Kraftfahrzeuge zur Verfügung gestellt werden sollen, die die britische Armee aber ebenso gebrauchen kann. Da auf dem Frachter zwölf Sprengladungen angebracht sind, mit denen das Schiff, sollte es vom Feind aufgebracht werden, zerstört werden soll um zu verhindern, dass die Ladung an den Feind fällt, ist es Crains Auftrag, diese Sprengsätze ausfindig und unschädlich zu machen. Er hat dafür aber nur eine bestimmte Zeitspanne, denn dann kreuzt das Schiff eine britische Flotte, die es in Empfang nehmen wird.
In Tokio wird der deutsche Kapitän Müller (Yul Brynner) seinerseits vom Wehrmachtskommando gezwungen, den Frachter, der das Gummi geladen hat, zu übernehmen. Müller ist nicht gut beleumundet, hat er doch bereits ein Schiff bei einer Feindberührung verloren, angeblich, weil er zum Zeitpunkt des Unglücks betrunken gewesen sei. Müller bestreitet dies vehement. Dennoch bekommt er mit dem Ersten Offizier Kruse (Martin Benrath) einen eingefleischten Nazi zur Seite gestellt, der den ideologisch keineswegs gefestigten Kapitän überwachen und im Notfall das Kommando übernehmen soll.
Müller ist ob dessen keineswegs erfreut, noch weniger erfreut es ihn, als ihm mitgeteilt wird, dass der SS-Mann Keil in geheimer Mission an Bord ist. Niemand in Tokio kennt ihn, seine Papiere aber scheinen echt und sein Auftauchen versetzt alle in Nervosität, kann seine Anwesenheit doch alles Mögliche bedeuten. Müller jedenfalls geht auf Nummer sicher und verwehrt ihm den freien Zutritt zu sämtlichen Bereichen des Schiffes. Lediglich die zivilen Bereiche stehen ihm offen.
Das erschwert Crain/Keil die Suche nach den Sprengladungen. Dennoch gelingt es ihm unter großer Gefahr, einige davon zu entschärfen. Dabei sieht er sich mehrfach mit dem Matrosen Donkeyman (Hans Christian Blech) konfrontiert. Der und einige weitere Männer der Besatzung sind politische Gefangene, die gezwungen wurden, an Bord des Frachters zu arbeiten. Zwischen Crain/Keil, Müller und Kruse kommt es unterwegs vermehrt zu Spannungen, da Müller beide vermeintlichen Partei-Granden nicht leiden kann, Kruse seinerseits will herausbekommen, wer Keil ist und was sich hinter seinem so geheimnisvollen Aufenthalt auf dem Schiff verbirgt. Beide – Müller wie Kruse – fürchten, von Berlin, also der Gestapo, überwacht zu werden, jeder von ihnen allerdings fürchtet diese Überwachung aus ganz unterschiedlichen Gründen.
Als ein japanisches U-Boot auftaucht, werden einige deutsche Offiziere und zudem amerikanische Gefangene, darunter eine einzige junge Frau, die Jüdin Esther (Janet Margolin), an Bord gebracht. Für Crain/Keil wird die Situation immer bedrohlicher, da die Offiziere ihm seine Identität nicht glauben und drohen, Berlin über seine Person und seinen Auftrag zu befragen. Glücklicherweise gelingt es ihm mit einem Bluff zumindest etwas Zeit herauszuschlagen, wohl wissend, dass seine Tarnung bald auffliegen könnte.
Crain/Keil wendet sich an Esther, sie soll ihm helfen, die Amerikaner davon zu überzeugen, ihn bei seiner geplanten Übernahme des Schiffes zu unterstützen. Doch wird Esther von ihren Mitgefangenen – wie einst von den Deutschen, was sie Crain/Keil zuvor eindringlich geschildert und ihn damit zutiefst beschämt hatte, da er die Deutschen nicht für schlimmer als alle anderen hielt, nun aber von deren Gräueln in den Lagern aber auch an der Ostfront erfährt und begreift, wie wesentlich es für einen Menschen wie Esther ist, zu entkommen – vergewaltigt, da die meisten von ihnen der Meinung sind, ihr Leben nicht für eine Jüdin opfern zu wollen.
Crain/Keil gelingt es nun aber auch, Kontakt zu Donkeyman und einem kleinen Kreis von Matrosen sowie einem Offizier aufzunehmen, die auf seiner Seite sind. Sie erklären sich bereit, die Meuterei durchzuführen und das Schiff zu übernehmen. Zumal Crain/Keil ihnen versichern kann, dass es ihm gelingen wird, die amerikanischen Verbände herbei zu lotsen, da Müller, der ein guter Seemann ist und ahnte, wo die Falle des Feindes zuschlagen würde, den Kurs geändert hat.
Müller seinerseits erfährt durch eine allabendlich beim Essen in der Messe abgespielte Sendung des Rundfunks, dass sein Sohn, der als Kapitän auf einer Fregatte der Marine unterwegs ist, einen Abschuss hatte. Doch schnell wird klar, dass das Schiff, welches er versenkt hat, ein Lazarettschiff war und lediglich Verletzte untergegangen sind. Für Müller ist dies eine unfassbare Schande, betrachtet er sich selbst doch als ehrenhaften Seemann und keineswegs als Nazi, wodurch jede Schandtat gerechtfertigt sei, wie Kruse zu verstehen gibt.
Müller betrinkt sich maßlos, wodurch die Gerüchte, er sei eben doch ein Alkoholiker und deshalb am Verlust seines früheren Schiffes Schuld, erneut Auftrieb erhalten. Kruse setzt ihn schließlich ab, entwendet ihm die Schlüssel für sämtliche Räume an Bord und bringt damit auch die Gewalt über die an Bord befindlichen Waffen an sich.
Als die Meuterei losbricht, schlägt sie schnell fehl, da weder Crain/Keil noch dessen Verbündete sie wirklich gut durchdacht haben und Kruse zudem frühzeitig erfährt, was vor sich geht. Die Amerikaner erweisen sich als feige und helfen weder den deutschen Meuterern noch Esther, als diese an Deck gebracht wird. Crain/Keil beobachtet aus einem Versteck, wie Kruse die ohnehin schon völlig verwirrte Frau einfach erschießt, weil sie ihm nicht mehr von Nutzen ist.
Crain/Keil beschließt, das Schiff entgegen seiner Befehle nun doch zu zerstören, da die amerikanischen Verbände zu weit entfernt sind. Während er von Kruse und dessen Männern verfolgt wird, macht er einige der Zünder wieder scharf und jagt das Schiff schließlich in die Luft. Dabei sterben viele der Matrosen und selbst Kruse kann sich nicht mehr retten, obwohl Donkeyman sich noch bemüht, den verhassten Nazi aus dem Wasser zu ziehen.
Lediglich Müller und Crain/Keil sind zu guter Letzt noch an Bord des richtungslos durch das Meer treibenden Frachters. Crain fordert Müller auf, einen Notruf abzusetzen, der zweifellos die Amerikaner herbeirufen wird. Müller weigert sich – er sei Vieles, so sein Argument, ein Verräter jedoch sei er nicht. Dann verschwindet er in den Resten der Brücke. Kurz darauf hört Crain das Signal, Müller hat sich eines Besseren besonnen.
Bernhard Wicki, ein Außenseiter des deutschsprachigen Films, war den Produzenten in Hollywood schon mit seinem bitteren Kriegsfilm DIE BRÜCKE (1959) aufgefallen, übernahm dann als einer von vier Regisseuren die Inszenierung der Großproduktion THE LONGEST DAY (1962), die vom D-Day, dem Tag der Invasion in der Normandie, erzählte, und wurde schließlich für MORITURI (1965) gebucht – die zweite echte Hollywood-Arbeit seiner Karriere, sieht man einmal von THE VISIT (1964) nach dem Stück DER BESUCH DER ALTEN DAME von Friedrich Dürrenmatt ab, welches eine deutsch-italienisch-französische Ko-Produktion unter der Ägide der amerikanischen 20th Century Fox Studios gewesen ist. Es sollte darüber hinaus Wickis letzter amerikanischer, oder, besser, sein letzter Hollywood–Film werden.
Hier wurde der Regisseur mit all jenen Bedingungen konfrontiert, die viele europäische Filmschaffende, gleich ob Regisseure, Schauspieler oder Produzenten, oftmals erschauern ließen: Er war Spielball des Studios, musste mit genau vorgeschriebenen Budgets arbeiten (die er überzog), hatte einen exakten Drehplan einzuhalten (was ihm nicht gelang), wurde ununterbrochen auf zeitliche und finanzielle Versäumnisse und Verzögerungen hingewiesen und war zudem mit zwei ausgesprochen selbstsichere Stars konfrontiert, die sich ihrer Macht und ihres Einflusses überaus bewusst waren. Hier waren es Yul Brynner und mehr noch Marlon Brando, der die Hauptrolle übernahm und der als erklärter Perfektionist nicht mit dem sich seinerseits perfektionistisch gebenden Wicki und dessen Arbeitsweise zurechtkam.
Das allerdings war in Brandos Fall mittlerweile Usus, legendär sind die Geschichten über seine immer wiederkehrenden Auseinandersetzungen mit den Regisseuren der Filme, an denen er beteiligt war. In diesem Falle auch deshalb interessant, weil es wohl Brando selbst gewesen ist, der sich Wicki als Regisseur gewünscht hatte. Er war von dessen Arbeit an DIE BRÜCKE beeindruckt und wollte für MORITURI, den er als sehr „deutschen“ Film betrachtete, auch einen deutschen Regisseur (der Wicki als Sohn eines Schweizers, geboren und aufgewachsen in Österreich, tatsächlich nicht war), von dem er sich ein genaueres Verständnis der Figuren und tiefere Einblicke in die Hintergründe der Story erhoffte. Doch vermochte auch dieser Wunsch und seine Erfüllung dann nicht zu verhindern, dass Brando und Wicki mehrfach miteinander in Konflikt gerieten.
Brando hatte nach den für ihn so gloriosen 50er Jahren mit Rollen wie der des Stanley Kowalski in A STREETCAR NAMED DESIRE (1951), des wilden Johnny in THE WILD ONE (1953) oder als Terry Malloy in ON THE WATERFRONT (1954), nicht immer ein gutes Händchen bei der Auswahl seiner Filme bewiesen und in einigen eher schwachen Produktionen gespielt, allerdings als Fletcher Christian in der Neuverfilmung von MUTINY ON THE BOUNTY (1962) wenn auch nicht die Kritik, so zumindest das Publikum überzeugen können. MORITURI gab ihm nun die Möglichkeit, ein Experiment fortzuführen, welches er in THE YOUNG LIONS (1958) begonnen und dort nicht zu seiner Zufriedenheit hatte beenden können: Einen „guten“ Deutschen darzustellen, der kein Flüchtling war, sondern während des Krieges für die Nazis kämpfte. Einen Deutschen also, der in einem verbrecherischen System „sauber“, „menschlich“, „anständig“ geblieben war. Im früheren Film gehörte Brando als blonder Wehrmachtsoffizier Christian Diestl, der zu Beginn voller Pathos und (falschen) Idealismus an den Nationalsozialismus glaubt, noch eindeutig dem verbrecherischen System an. Das machte es schwierig, eine differenzierte Darstellung abzuliefern, hatte Hollywood sein Publikum in den Dekaden zuvor doch eindeutig mit dem Bild des grausamen, „bösen“ Deutschen gefüttert, dem nur Verachtung entgegenzubringen war. In MORITURI gibt Brando nun einen in Indien lebenden, die Nazis eher verachtenden Deutschen, der vom britischen Geheimdienst mit fragwürdigen Methoden mehr oder weniger gezwungen wird, sich auf eine äußerst gefährliche Mission einzulassen. Um diese Mission erfüllen zu können, muss er in die Rolle eines SS- und Gestapo-Manns schlüpfen, was Brando die Möglichkeit gab, noch einmal einen wenn auch nur vorgeblichen Nazi zu spielen, der dennoch moralisch sauber ist.
Dieser Robert Crain ist allerdings ein äußerst zynischer Mann, der sich längst von den Zeitläuften abgewandt hat und ein gutes, abgeschiedenes Leben im Fernen Osten führt. Er will nichts mit den politischen Machenschaften egal welcher Couleur zu tun haben und hält den Krieg – ob gerecht oder nicht – einfach nur für dumm. Er selbst bezeichnet sich als Pazifisten. Doch muss er sich der Erpressung durch die Briten in Gestalt des wie immer überzeugenden Trevor Howard beugen, der bereits in MUTINY ON THE BOUNTY Brandos Gegenspieler als Captain Bligh gewesen war, hier aber nur eine vergleichsweise kleine Nebenrolle ausfüllen darf. Das allerdings gelingt ihm mit all seiner Routine als eiskalter, ebenfalls äußerst zynischer Colonel ebenso einprägsam wie nachhaltig.
Sobald die Geschichte dann ins Rollen kommt, wird sie zu einer mehr oder weniger rein deutschen Angelegenheit. Crain soll sich als vermeintlicher SS-Mann an Bord eines Frachters begeben, der enorme Mengen für die Wehrmacht gedachtes Gummi geladen hat, welches die Briten aber ihrerseits dringend benötigen. Deshalb soll Crain die an Bord angebrachten Sprengladungen entschärfen, um es britischen Flottenverbänden zu ermöglichen, das Schiff aufzubringen, ohne dass es von den Deutschen zerstört wird. An Bord stößt Crain auf einen Kapitän – Yul Brynner als alkoholisierter Melancholiker oder melancholischer Alkoholiker, die Fachleute streiten noch – der mit den Nazis wenig bis nichts zu tun hat, einen ersten Offizier – Martin Benrath in der einmal mehr ausgesprochen stereotypen Rolle des bösen Nazis, die der deutsche Schauspieler allerdings diabolisch auszufüllen verstand – sowie eine Besatzung, die zerrissen ist zwischen überzeugten Anhängern des Regimes und politischen Sträflingen, die gezwungen wurden, an Bord zu arbeiten. Deren Anführer wurde von dem heute leider fast vergessenen Hans Christian Blech gespielt. Überhaupt war es Wicki gelungen, neben Benrath und Blech noch weitere deutsche Schauspieler im Film unterzubringen. Das gibt der Besatzung des Schiffes einen gewissen authentischen Anstrich, doch fällt eben auch der Unterschied zwischen den in ihrer Hollywoodmanier auftretenden Stars Brando und Brynner und den methodisch dann doch ganz anders geschulten, geprägten und arbeitenden deutschen Nebendarstellern auf.
Spätestens also, wenn sich die Filmhandlung an Bord des Schiffes verlagert, beginnt die Verhandlung darüber, ob es die guten Deutschen im falschen System gegeben habe. Dem Film lag der gleichnamige Roman von Werner Jörg Lüdecke zugrunde. Lüdecke, der während des Krieges für das Propagandaministerium arbeitete, bis man herausfand, dass er zu einem Viertel jüdischer Abstammung war, hatte selbst auf einem Blockadebrecher ähnlich jenem gedient, wie er im Film vorkommt. Er wusste also recht genau, wovon er erzählte, als er den Roman bereits 1943 verfasste. Lüdecke soll weder mit dem Drehbuch noch mit dem daraus resultierenden filmischen Ergebnis zufrieden gewesen sein. Drehbuchautor Daniel Taradash krempelte den Roman gehörig um und gab verschiedenen Figuren mal mehr, mal weniger Raum und Gewicht. Allerdings legte er sehr viel Wert auf die Differenzen und die daraus entstehenden Konflikte zwischen den überzeugten Nazis und den übrigen Deutschen, die erstere verachten. In den wenigen Szenen, die die Matrosen wirklich zeigen und ihnen einen gewissen Raum zur Entfaltung bieten, überzeugt das Drehbuch, da es die Männer möglichst authentisch und präzise charakterisiert.
Doch liegt genau hier auch das Grundproblem des Films, der sich nie wirklich entscheiden kann, was genau er eigentlich sein will: Ein Kriegsfilm? Ein Spionagethriller? Ein auf hoher See ausgefochtenes Drama zwischen weltanschaulich unterschiedlich geprägten Protagonisten, die sich ihren eigenen Wahrheiten stellen müssen? Für letzteres spricht vor allem die Anlage der Figur des Kapitäns Müller, den Brynner so schwermütig gibt, dass man fürchtet, es könnte mehr als eine Darstellung sein. Dieser Mann wird zu Beginn auf ähnliche Art und Weise wie Crain gezwungen, einen Auftrag zu übernehmen, den er eigentlich nicht will. Wie Colonel Statter bedienen sich auch die deutschen Offiziere, die Müller den Befehl erteilen, den Frachter von Tokio aus gen Heimat zu steuern, abgefeimter Methoden, um den Mann auf Linie zu bringen.
Dies ist eine interessante und durchaus treibende Doppelung in der Dramaturgie: Zwei Männer, die nicht an das glauben, was sie tun. Doch während Crain im Laufe der Handlung begreifen muss, wie wichtig sein Tun dann doch ist, ist es in Müllers Fall genau anders herum: Für ihn bestätigen sich all die Zweifel, die er so oder so schon hatte auf fürchterliche, weil sehr persönliche Art und Weise, als er begreift, was sein Sohn getan hat. Zunächst ist er nämlich ausgesprochen stolz auf ihn, als er erfährt, dass der als Kapitän eines Kriegsschiffes ein feindliches Schiff versenkt hat – bis ihm klar wird, dass das feindliche Schiff ein Lazarettschiff gewesen ist. Danach betrinkt sich Müller gnadenlos, flucht auf Hitler und den Krieg und wird von Kruse schließlich seines Kommandos enthoben. Zudem gerät er – mehr als Crain und jeder andere auf dem Schiff – in einen wirklichen Loyalitätskonflikt. Müller wird während des Films als ein Mann portraitiert, der mit den Nazis nichts am Hut hat, dem die Anwesenheit eines der SS angehörenden Gestapo-Mannes, als der Crain in der Rolle des Herrn Keil (ein telling name, soll er doch genau das vollbringen: Einen Keil treiben) auftritt, an Bord seines Schiffes äußerstes Unbehagen bereitet, und der mit seinem Ersten Offizier, dem von Benrath gespielten Kruse, aufgrund dessen ideologischer Überzeugungen nicht zurechtkommt. Doch Müller will eben auch kein Verräter sein. Als Crain/Keil sich ihm offenbart, will er sich einer möglichen Revolte nicht anschließen.
In Crains Fall liegen die Dinge ein wenig anders. Er findet den Krieg als solchen dumm, er bezichtigt die Menschen, die auf Gewalt als Lösung setzen, ebenfalls als dumm und er will sich eigentlich aus all dem heraushalten. Vielleicht muss der Film ihn deshalb in Indien leben lassen, denkbar weit entfernt von den europäischen Schauplätzen, um glaubhaft zu machen, dass der Mann nichts von deutschen Überfällen auf Nachbarländer und den damit verbundenen Gräueln mitbekommen haben soll. Wie dem auch sei – an Bord des Frachters erledigt er seinen Job dann doch erstaunlich gewissenhaft. Und spätestens, wenn einige amerikanische Gefangene an Bord gebracht werden, die ein japanisches U-Boot aufgenommen hatte, darunter auch die junge Jüdin Esther, die unter den Deutschen Fürchterliches erleben und ertragen musste, kippt Crains Haltung, begreift er doch nach und nach, was der Krieg, was der deutsche Überfall auf die Welt, tatsächlich bedeuten. Da Esther später im Film von ihren Mitgefangenen gemeinschaftlich vergewaltigt wird und diese damit exakt das Verbrechen an ihr begehen, das zuvor Deutsche an ihr begangen hatten, stellt der Film die moralische Eindeutigkeit allerdings gleich wieder in Frage.
So viel also zu den Auseinandersetzungen um Ideologie und persönliche Verstrickung. Ein durchaus spannendes Konzept. Es ist aber eine durchaus interessante Frage, ob dieses Konzept dem Film wirklich zuträglich ist, denn definitiv übernimmt er sich und bürdet sich zwischen all diesen Konfliktlinien viel zu viel auf. Denn Wicki will – oder soll? – ja auch noch einen spannenden Unterhaltungsfilm abliefern. Also zeigt er in langen Einstellungen vor allem Crains Bemühungen, die Sprengladungen zu entschärfen[1]. Wicki gelingen neben vielen anderen gerade diese Szenen dann mit der Unterstützung von Conrad Halls brillanter Kameraarbeit auf tatsächlich ausgesprochen beeindruckende Art und Weise.
Aaron Rosenberg, der für die 20th Century Fox als Produzent fungierte, scheute keinen Aufwand, um den Film so realistisch wie möglich erscheinen zu lassen. In Japan wurde ein Frachter aufgetan, wie er im Film zu sehen ist und den man eigens nach Kalifornien, genauer in die Gewässer um Catalina Island schleppen ließ, wo – teils auf hoher See – gedreht wurde. Den Aufwand und auch die authentisch wirkenden, ebenfalls aufwändigen, auf dem Meer entstandenen Einstellungen des Schiffs sieht man dem Film dann auch an. Es ist eine teure Produktion, die dem Studio offenbar wichtig gewesen ist. Für spätere Außenaufnahmen wurde zudem ein U-Boot nachgebaut; die Aufnahmen aus der Vogelperspektive, die den durch die See pflügenden Frachter einfangen, und auch jene, die nach dem Showdown am Ende des Films den nahezu zerstörten Frachter im Meer treibend zeigen, sind prachtvolle Panoramabilder.
Weil es ein wirklicher Frachter ist und Wicki und sein Team verstanden, diesen nahezu perfekt in Szene zu setzen, sind aber vor allem jene Szenen, in denen Brando durch das Schiff kriecht und die Sprengladungen sucht und entschärft, unglaublich packend. Das liegt einerseits daran, dass wir es mit wirklichen Spannungsmomenten zu tun haben, wird Crain bei seiner Arbeit doch immer wieder unterbrochen – er muss darauf achten, nicht erwischt zu werden, da er zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß, dass der von Blech gespielte Matrose Donkeyman eher auf seiner Seite und kein überzeugter Nazi ist, dieser seine Wege aber immer wieder kreuzt. Wicki verzichtet in diesen Szenen vollkommen auf musikalische Untermalung – wobei man den Soundtrack von Jerry Goldberg loben muss, der den Film meist mit einem treibenden Rhythmus unterlegt – und auch auf jegliche Dialoge. Man hört minutenlang lediglich die Maschinen des Schiffes arbeiten, man hört die Kolben schnaufen, man hört den tuckernden Rhythmus der Motoren in der Tiefe des Schiffskörpers.
Besser noch werden diese Sequenzen durch die Art, wie Wicki und Hall das Schiff selbst zum Protagonisten erheben. Halls Kamera nimmt unfassbare Perspektiven ein, immer wieder wird die Tiefe des Schiffsrumpfs ausgelotet, indem die Kamera waghalsige Manöver durchführt, sich weit über Geländer lehnt, die Treppenschluchten zwischen den Maschinendecks entlang-, hinauf- und hinunterfährt, gleichsam an Brando/Crain haften bleibt und seine Versuche, die Sprengladungen zu identifizieren und zu entschärfen, hautnah verfolgt. Da der Film in schwarz-weiß gehalten ist, wird die Tiefe der Bilder noch durch ein extremes Licht-Schatten-Spiel unterstützt, wenn wir mal durch die Decks in düstere Tiefen hinunterblicken, dann plötzlich Figuren in schwarzen Flächen verschwinden und der Film alle Tiefe zu verlieren scheint. Wicki und Hall scheinen dafür bewusst Anleihen beim ‚Film Noir‘ genommen zu haben. Wie modern Hall die Kamera hier genutzt hat, welch ausgefeilte Akzente er setzte, zeigt auch seine spätere Karriere im ‚New Hollywood Cinema‘, wo er an einigen der wesentlichen Werke dieser so wegweisenden Ära des Hollywood-Films beteiligt gewesen ist. In MORITURI entstehen durch seine Arbeit Kontraste, wohin man schaut, die ihrerseits mit den Kontrasten in der Darstellung dieses Sammelsuriums „guter“ wie „böser“ Deutscher an Bord dieses schicksalhaften Schiffes korrespondieren.
Die Versuche, die Sabotage zu sabotieren, bedienen im Grunde klassisches Spionage- und Agentenkino, das spätestens seit den frühen James-Bond-Filmen hoch im Kurs stand. So erscheint MORITURI zunächst wie ein Agententhriller, bzw. wie einer jener eher dem britischen Kino zuzurechnenden Kriegsfilme, die den 2. Weltkrieg wie eine Art riesiges Kommandounternehmen voller Spezialeinheiten präsentierten. Gerade im britischen Kriegsfilm gab es haufenweise Geschichten von Einzelkämpfern, die hinter den feindlichen Linien abgesetzt wurden und Geheimaufträge zu erledigen hatten, welche dann immense Folgen auf den Schlachtfeldern zeitigten. Generell aber liebte der Kriegsfilm der 60er Jahre – man denke an THE GUNS OF NAVARONE (1961), THE DIRTY DOZEN (1967) oder WHERE EAGLES DARE (1968) – Storys wie diese, da sie zugleich Einzelne heldisch verehren und zugleich oft Ensemble bieten konnten, die einige aufstrebende oder aber Alt-Stars zusammen auf der Leinwand zeigten. Kommerzielle Überlegungen also. Sicher ist MORITURI von Spektakeln wie den genannten dann doch ein gutes Stück entfernt, es ist sicher kein Actionfilm, doch tendenziell weist er trotz aller Ambitionen, die er sichtlich vor sich herträgt, schon in diese Richtung.
Mit der Aufnahme der Gefangenen und damit auch der jungen Jüdin, die im Film ein furchtbares Ende findet, als Kruse sie schlicht erschießt, da sie ihm nicht mehr von Nutzen ist – und das Drehbuch nicht nur, aber an dieser Stelle ganz besonders die Grausamkeit hervorhebt, die deutsche Soldaten an Juden, aber auch an anderen Feinden begingen und dabei tatsächlich echtes Entsetzen hervorzurufen versteht – wird dann aus dem Spionagethriller eindeutig ein Kriegsfilm. Und zwar eins ehr ernsthafter, was ihn ebenfalls von den weiter oben Genannten unterscheidet. Mit der Aufnahme der Gefangenen ändert sich dann auch die Einstellung, mit der Crain seinen Auftrag angeht. Mag er ihn zuvor durchaus gewissenhaft verfolgt haben, spätestens, wenn er sich Esther nähert, um sie in seine Pläne einzuweihen und sie bewegen will, ihm zu helfen – sie soll die gefangenen Amerikaner überzeugen, sich an seiner Meuterei zu beteiligen, wird dann aber von den Männern vergewaltigt – erkennt er, wie schrecklich dieser Krieg tatsächlich ist und dass er sich seine zynisch abwartende Haltung des überlegenen Pazifisten nicht mehr leisten kann, wenn er moralisch sauber bleiben will. Um diese Wandlung in einem so straken Charakter wie Crain aber glaubhaft vermitteln zu können, brauchte es eine so starke Figur mit einem so fürchterlichen Schicksal wie Esther. Und es brauchte die Hinwendung zum Kriegsfilm und die Abwendung vom reinen Abenteuer- und Spionagefilm, um sie an Bord des Schiffes zu bekommen. Dramaturgische Notwendigkeiten, die dem fertigen Film als solche anzumerken sind.
MORITURI war kein kommerzieller Erfolg beschieden und Bernhard Wicki kehrte nach diesem Erlebnis Hollywood endgültig den Rücken. Fortan drehte er in Europa und schuf dort noch einige bemerkenswerte und ausgesprochen eindringliche Filme, denen abseits der Feuilletons zumeist leider keine große Aufmerksamkeit beschieden war. Als Darsteller konnte er da schon durchaus stärker reüssieren und so wurde er ein gern gesehener Gast in größeren und kleineren Film- und Fernsehproduktionen. Diese Auftritte ermöglichte es ihm, seine eigenen Filme zu realisieren.
Für Brando war MORITURI ein weiteres Ärgernis in einer Reihe ärgerlicher Filme. Er drehte bald darauf mit Arthur Penn THE CHASE, kommerziell ebenfalls ein wenig erfolgreicher Film. Allerdings gilt für ihn, was eben auch für MORITURI gelten sollte: So schlecht, wie die zeitgenössische Kritik ihn sah, ist der Film eben nicht. Er ist zunächst einmal durchaus spannend, er hat großartige Bilder und bietet eine recht eindringliche Story, die heutzutage sicherlich überholt wirkt und deren Kernpunkte – nichts ist schwarz-weiß, es gab auch unter den Nazis Ambivalenz und Versuche, menschlich zu bleiben – heute auch anders verhandelt würden. Der Film ist recht rasant und temporeich inszeniert, weist einen guten Soundtrack auf die Schauspieler der Nebenrollen bieten eine gute Ensembleleistung.
Allein mit seinen beiden Hauptdarstellern Marlon Brando und Yul Brynner lässt sich hadern. Wobei Brynners Rolle nicht viel hergibt. Ob seine Wut und der daraufhin folgende Vollsuff für einen Mann, der den Rest der Zeit sehr viel Wert auf seine Seemannsehre legt, glaubhaft wirken, man weiß es nicht. Doch macht der Mime aus seinem Part noch das Beste, was ging. Die Verzweiflung in Müllers Gebaren, wenn er begreift, dass sein Sohn dem verbrecherischen Regime auch da noch dient, wo er selbst zum Verbrecher wird – ein Lazarettschiff zu versenken wird auch von allen anderen an Bord, auch den ideologisch Gefestigten, deutlich sichtbar verurteilt – wirkt echt und Brynner vermag es gerade in einem Moment wie diesem, seiner Rolle Tragik zu verleihen.
Brando allerdings wirkt tatsächlich desinteressiert und abwesend. So gut er in einigen seiner (frühen, natürlich auch in späteren wie in THE GODFATHER/1972) Rollen auch gewesen sein mag – sie wurden weiter oben ja teils aufgezählt –, so neigte er auch immer zum Chargieren, bediente sich, wie später Kollegen wie Jack Nicholson oder Robert De Niro, der aus der gleichen Schule wie Brando, dem Actor´s Studio, kam, gewisser Manierismen, die er in nahezu alle seine Rollen einbrachte – darunter das exzessive Kopf-in-den-Nacken-Legen – wodurch seine Figuren oft arrogant und überheblich wirken, selbst wenn es nicht zu ihnen passt. So kann man im Urteil über Brando in MORITURI nur Peter Zander zustimmen, der schrieb: „Brando als gelangweilter Lebemann, der zu seinem Auftrag regelrecht gezwungen werden muss, ihn dann sichtlich ungern ausübt und am Ende doch nur ein Wrack hinterlässt: Das spricht allerdings Bände über den Star jener Jahre.“[2]
Bernhard Wickis letzter amerikanischer Film ist allerdings trotz aller gerechtfertigten Kritik, trotz des gelangweilten Marlon Brando, trotz der Unentschlossenheit, trotz der teils immensen Logiklöcher, die das Drehbuch aufweist, durchaus einen zweiten Blick, eine neue Betrachtung wert. Denn nicht nur ist es doch ein spannender Unterhaltungsfilm, sondern er zeigt auch, wie sich sogar Hollywood, wenn es sich nicht einfach nur auf das Klischee des „bösen“ Deutschen verließ, gewillt war, einen zweiten Blick auf jene düsteren Jahre zu werfen und zumindest eine Auseinandersetzung zu suchen, wie man unter Bedingungen wie denen des Nazi-Regimes versuchen konnte, ein Mensch zu bleiben. Vielleicht ist der Versuch im vorliegenden Fall nicht gelungen, interessant ist er allemal. Und vielleicht ist das Interessante des Films eben gerade der Tatsache geschuldet, dass ein deutschsprachiger, aus Europa stammender Regisseur ihn gedreht hat. Insofern hatte Marlon Brando möglicherweise dann doch seinen Anteil daran, dass der Film in Teilen zumindest gelungen ist.
[1] Es ist an sich schon ein ironisches Unterfangen, dass hier der feindliche Agent das Schiff retten soll, haben Agenten in Spionagefilmen normalerweise doch eher die Aufgabe, feindliches Gut zu zerstören; es ist eine ganz nette Volte des Buchs, es hier im Grunde auf das genaue Gegenteil anzulegen.
[2] Zander, Peter: MORITURI. In: Feldvoß, Marli/Löhndorf, Marion: MARLON BRANDO. Berlin; 2004; S. 188.