PARKLAND

Eine minutiöse Rekonstruktion der Stunden unmittelbar nach dem Kennedy-Attentat

Dallas, Texas, der 22. November 1963. Präsident Kennedy (Brat Stimley) besucht die Stadt, wohl wissend, daß er hier mehr Feinde als Freunde hat. Die Wagenkolonne fährt durch die Straßen, Menschen begeben sich an zentrale Plätze, um den Präsidenten, seine Frau Jackie (Kat Steffens), den Gouverneur von Texas und dessen Frau zu sehen. Darunter der Amateurfilmer Abraham Zapruder (Paul Giamatti).

Auf der Dealy Plaza fallen Schüsse, der Präsident wird schwer getroffen. Er wird ins Parkland Memorial Hospital gebracht, wo die Ärzte beginnen, um sein Leben zu kämpfen. Dr. Charles Carrico (Zac Efron) ist diensttuender Arzt, sein Vorgesetzter Dr. Malcolm O. Perry (Colin Hanks) stößt zu ihm und unterstützt ihn. Ebenso die Schwester Doris Nelson (Marcia Gay Harden). Während das medizinische Personal verzweifelt versucht, den Präsidenten am Leben zu erhalten, tauchen immer mehr Menschen in der Notaufnahme auf: Agenten, der Leibarzt des Präsidenten, ein Priester und im Hintergrund Jackie Kennedy, die nahezu apathisch ist.

Währenddessen nehmen die Behörden die Ermittlungen auf. Unter der Leitung von Secret Service-Agent Forrest Sorrels (Billy Bob Thornton) bemühen sie sich, den Zapruder-Film sicherzustellen und zu entwickeln. Der nämlich zeigt das gesamte Attentat ungefiltert. Doch stellt sich die Entwicklung des Films als schwierig heraus, da es sich bei der Kamera um ein sehr modernes Gerät handelt, das Filmmaterial dementsprechend neuartig und schwer zu entwickeln ist. Zudem wird Zapruder von verschiedenen Journalisten und Reportern bedrängt, die den Film natürlich ebenfalls haben wollen, exklusiv, als Scoop.

Vertreter des FBI finden derweil heraus, daß Lee Harvey Qswald (Jeremy Strong), der recht schnell als Attentäter gefasst wird, wenige Tage vor dem Anschlag Kontakt zu ihrem Büro aufgenommen hat. Der verantwortliche Agent James Hosty (Ron Livingstone) erklärt, daß er Kontakte wie den zu Oswald – ob brieflich oder direkt, Kontakte, bei denen dauernd mit irgendwas gedroht wird oder heimliche Verschwörungen aufgedeckt werden müssten – mehrfach im Monat habe und es gar nicht möglich sei, jedem einzelnen nachzugehen. Doch sein Vorgesetzter und seine Kollegen sehen vor allem den Schaden, der dem FBI entsteht, wenn der Kontakt publik wird.

Oswalds Bruder, Robert Edward Lee Oswald, Jr. (James Badge Dale) erfährt durch das Radio, was geschehen ist. Er selbst war nicht an der Dealy Plaza, um den Präsidenten zu sehen. Er nimmt sich den Resttag frei und versucht, Kontakt zu Marina, Oswalds Frau, aufzunehmen, dann kümmert er sich um seine Mutter, Marguerite Oswald (Jacki Weaver). Marguerite steht offenbar am Beginn einer Demenz, scheinen ihr doch verschiedene Zeitebenen durcheinander zu geraten. Zudem redet sie ununterbrochen davon, daß ihr Sohn ein Geheimagent der CIA sei und in direktem Kontakt zu Präsident Kennedy stehe. Zugleich – auch sie hat nur per Radio vom Attentat und davon erfahren, wie ihr Sohn darin verstrickt sein soll – beginnt sie sofort damit, sich und ihrer direkten Umwelt vorzurechnen, wie sie mit einem Buch die ganze Geschichte um den Kennedymord versilbern wolle.

Obwohl der Gerichtsmediziner von Dallas darauf besteht, die Leiche obduzieren zu dürfen, wird sie gemeinsam mit Lyndon B. Johnson, dessen Frau, Jackie Kennedy und der gesamten Entourage zurück nach Washington, D.C. geflogen. Kaum an Bord, wird Johnson als neuer Präsident vereidigt.

Robert Lee Oswald besucht seinen Bruder, der eher abweisend wirkt, keine Hilfe in Anspruch nehmen will, aber auch erklärt, daß er nicht verstehe, was vor sich geht.

Während weiter ermittelt wird, die Ärzte sich dem Verlust stellen müssen und Amerika einen neuen Präsidenten bekommt, gehen die Stunden ins Land. Am Morgen des 24.11,.1963 soll Lee Harvey Oswald in das Bezirksgefängnis verlegt werden. Da die Überführung mehr oder weniger öffentlich stattfindet, sogar live im Fernsehen übertragen wird, kann die ganze Nation miterleben, wie ein bis dahin weitgehend Unbekannter, Jack Ruby, ungehindert in der Tiefgarage des Polizeiquartiers, in dem Oswald bis dahin festgehalten wurde, den vermeintlichen Attentäter von John F. Kennedy erschießt.

Das Attentat auf Präsident John F. Kennedy wird gern als Wendepunkt der jüngeren amerikanischen Geschichte betrachtet. Eher nostalgisch Veranlagte stellen es gern so dar, als sei die (amerikanische) Welt vor dem 22. November 1963 vollkommen in Ordnung gewesen, der Begriff “unschuldig“ wird dann gern herangezogen. An diesem Tag also habe, dieser Narration zufolge, Amerika – sprich: Die USA – seine Unschuld verloren, sei in eine böse, von geheimen Mächten kontrollierte Phase eingetreten. Etliche Verschwörungsmythen ranken sich rund um die Ermordung des 35. Präsidenten der Vereinigten Staaten – und haben ein Eigenleben entwickelt, wie bei kaum einem Ereignis nach dem 2. Weltkrieg.

Da gibt es die bis heute umstrittene Einzeltäterthese rund um den vermeintlichen Schützen Lee Harvey Oswald, der aus dem Gebäude eines Schulbuchverlages mit einem eher veralteten Gewehr drei recht präzise Schüsse auf den fahrenden Wagen abgegeben haben soll, in dem Kennedy gemeinsam mit seiner Frau Jacqueline, genannt „Jackie“, dem Gouverneur von Texas sowie dessen Frau saß,; da ist die in ihrer Schnelligkeit an sich schon seltsam anmutende Verhaftung Oswalds, der sofort beteuerte, er sei ein Strohmann; da ist die folgende Ermordung Oswalds anderthalb Tage später durch den Nachtklubbesitzers Jack Ruby; da ist der Zapruder-Film, im Grunde einer der ersten Snuff-Filme der Geschichte, der die Vorgänge auf der Dealy Plaza in Dallas genau zeigt und dessen Veröffentlichung den Verschwörungen später noch einmal gewaltigen Auftrieb verliehen hat; da ist die Hatz, mit der Lyndon B. Johnson schon auf dem Flug gen Washington, D.C. als neuer Präsident vereidigt wurde; da sind all die raunenden Gerüchte um die Mafia, die Kubaner, militante, reaktionäre Kräfte des Südens, die den allzu liberalen Präsidenten aus dem Weg haben wollten. Und es gibt etliche Indizien, Behauptungen, angebliche Aussagen von später verschwundenen Zeugen, die Kreuzfeuer gesehen und gehört haben wollen. Es gab den hastig erstellten Warren-Bericht, der die Vorgänge angeblich abschließend behandelt. Im Laufe der Jahre kamen Hunderte Bücher, Dokumentationen, Zeitungsartikel, Reportagen und Filme hinzu, die alle unterschiedliche Theorien aufstellten, was wirklich hinter dem Mord an Kennedy stecke. Mal waren sie überzeugender, mal vollkommen der Einbildungskraft fantasiebegabter Zeitgenossen und Wichtigtuer entsprungen.

In den nun schon weit über 50 Jahren, die seit dem Attentat vergangen sind, haben sich im Grunde drei Lager herausgebildet: Die, die an die Einzeltäterthese glauben, jene, die sie rundweg ablehnen und nahezu jedes Detail aufsaugen, das irgendwie zu beweisen scheint, daß es eine riesige Verschwörung gab, und jene Unentschlossenen, die die erwiesenen Details – bspw. die nahezu unmögliche Flugkurve der tödlichen Kugel – für zu belastend halten, um Oswald wirklich für einen Einzeltäter zu halten, zugleich aber nicht all den Geschichten folgen wollen, die im Laufe der Dekaden um jenen Tag in Dallas gesponnen wurden.

Umso wohltuender, daß Peter Landesman sich für seinen Film PARKLAND (2013), den er sowohl geschrieben als auch inszeniert hat, dafür entschied, all diese Fragen schlicht zu ignorieren. Zumindest weitestgehend. Stattdessen konzentriert er sich auf Fakten und gesicherte Informationen, um den Tag des Attentats zu rekonstruieren. Das titelgebende Parkland Memorial Hospital war jenes Krankenhaus, in welches Kennedy direkt eingeliefert wurde und wo die diensttuenden Ärzte und Schwestern verzweifelt um sein Leben kämpften. Hier spielt ein Großteil des Films, der sich bemüht, die Stunden nach dem Anschlag minutiös wiederzugeben. Das Drehbuch basiert, passend zum Stil, den Landesman für seinen Film wählt, auf einem Sachbuch des Staatsanwalts Vincent Bugliosi[1]. Die Dramatik wird somit maximal reduziert, die Fakten, die Abläufe, die Hektik, der Schock jedoch in gleichem Maße hervorgehoben. Wobei Landesman all diese Fakten und Abläufe für sich selber sprechen lässt.

Die von Barry Ackroyd verantwortete Kamera schaut dem Treiben distanziert zu, auch wenn sie in entscheidenden Momenten – per Hand geführt – nah am Geschehen ist. So entsteht in diesen Augenblicken der Eindruck eines Kamerateams, das in einem Liveeinsatz steckt, hautnah am Geschehen und dennoch unbeteiligt, eben beobachtend. Neben diesen zentralen Szenen, folgt der Film auch den Wegen des Secret Service, dem von Abraham Zapruder und jenem von Oswalds Bruder, der hin und her gerissen ist zwischen seinen familiären Verpflichtungen, soweit er sie empfindet, einer für ihn vollkommen unübersichtlichen Situation und der schnell einsetzenden Sippenverurteilung durch Sicherheitsbeamte, Angehörige des Sheriffbüros und der verschiedenen Geheimdienste. Der gesamte Film, der eine Lauflänge von ca. 94 Minuten hat, umfasst schließlich einen Zeitraum von etwa 30 Stunden. Er endet mit dem Mord an Oswald, zuvor hat man die Vereidigung von Johnson im Flugzeug, in dem sowohl der Sarg mit Kennedys Leiche, als auch Jackie Kennedy mitflogen, gesehen.

Die grundsätzlich distanzierte Haltung des Films wird durch das hervorragende Spiel aller Schauspieler aufgefangen und in gewissem Sinne konterkariert, zumindest komplettiert. Zurückhaltend und dennoch intensiv und vor allem präzise, gelingt es ihnen, Schock, Angst, Trauer zu vermitteln, die von allen Beteiligten Besitz ergreifen, wenn auch aus ganz unterschiedlichen Gründen. Die eine verliert ihren Ehemann; der andere – bspw. der Chef des Secret Service, den Billy Bob Thornton als leichenblassen Technokraten gibt – „seinen Mann“, den zu schützen er geschworen hat; wieder andere kämpfen – ihrem eigenen Berufseid folgend – um das Leben eines Menschen und können es doch nicht retten. Der Besitzer des so beweisträchtigen Films fürchtet um seine Bilder, während ihm der Schock deutlich anzusehen ist; die Agenten des FBI wiederum – dem Objekt der Tötung gegenüber eher emotionslos eingestellt – begreifen schnell, wie sehr ihr Image leiden wird, wenn die Öffentlichkeit erfährt, daß Oswald zuvor Kontakt zu ihnen aufgenommen hatte.

Es gelingt Landesman, ganz unterschiedliche Aspekte dieses Tages herauszuarbeiten und bei allem Abstand, den der Film zum Geschehen einhält, doch auch in einen menschlichen Kontext einzubetten. Auch in Momenten, in denen fast Ungeheuerliches geschieht, hält der Film diesen Abstand ein und lässt die Dinge für sich sprechen – und wirken. Manchmal sind es nahezu unkommentierte kleine Gesten, die aus sich heraus große emotionale Kraft entwickeln: Jackie Kennedy, die den Ärzten etwas Undefinierbares übergibt, bis sie merken, daß es Teile von Kennedys Hirn und der Schädeldecke sind, die sie da in Händen halten. Solche Momente werden allerdings nie in ihrer Drastik ausgespielt, sondern vermitteln greifbar die Hilflosigkeit aller Beteiligten. In der Kälte der FBI-Agenten und einiger Leibwächter, die offenbar kaum Probleme haben, ihre Loyalität sofort einem anderen zu schenken, ist spürbar, daß Kennedy nicht unumstritten war und gerade mit dem FBI immer wieder Händel hatte. Die nur am Rande gezeigte Vereidigung Johnsons eröffnet wortwörtlich einen kleinen Blick auf die politische Tragweite des Ereignisses.

Eine der besten Volten des Drehbuchs ist es, sich neben den Geschehnissen im Krankenhaus vor allem auch auf Oswalds Bruder und dessen emotionale und völlig verstörte Reaktion auf das Geschehen zu konzentrieren. Robert Edward Lee Oswald, Jr. ist eine der Figuren, die in dem Drama bislang meist selten bis gar nicht vorkamen. Daß die Mutter der Brüder, Marguerite Oswald, früh versuchte, Kapital aus dem Geschehen zu schlagen, ist weithin bekannt, auch, daß Oswalds Frau, Marina, schnell zum Spielball verschiedener Kräfte wurde. Während letztere im Film kaum vorkommt, wird seine Mutter durchaus mit Würde als eine sich nach außen aggressiv gebende Dame gezeigt, die offensichtlich bereits auf dem Weg in die Demenz ist und mit den nun erhobenen Vorwürfen schlicht überfordert wirkt. Sie kann selbst die an sich ja schon fiktional anmutende Wirklichkeit nicht mehr von Ideen in ihrem Kopf und falsch verstandenen Informationen von außen unterscheiden. Wie sie darauf beharrt, ihr Sohn sei ein Agent, er und Kennedy seien die wichtigsten Männer in den USA, ihr Gerede von dem nun zu schreibenden Buch – man bekommt Mitleid und ist dennoch auch abgestoßen von dieser Frau. Mehr aber bedauert man Robert Lee, der versucht, vernünftig, gar ruhig zu bleiben, die Tat natürlich verurteilt, seinem Bruder aber dennoch helfen will, einfach, weil dies die familiäre Position verlangt. Dies ist – im Kontext von PARKLAND – vielleicht die eigentliche Tragödie. Denn hier wird deutlich gezeigt, wie ein Mensch in Ereignisse verwickelt wird, für die er nicht verantwortlich ist, die viel zu groß, zu weitreichend sind und denen gegenüber er hilflos dasteht.

Auch der Umgang mit Abraham Zapruder ist interessant. Der wahre Zapruder war nicht nur glühender Anhänger von Kennedy, sondern auch ein Wichtigtuer, der schnell Vorteile aus seinen zufälligen Aufnahmen erzielen wollte. Er verkaufte seinen Amateurfilm – von dem er eine Kopie einfordert, als der Secret Service die Aufnahmen verlangt – an das Life Magazine, wenn auch unter Auflagen, und trat sehr bald in diversen Talkshows auf. Im Film wird allerdings auch seine Überforderung deutlich, das Ansinnen diverser Journalisten abzuschmettern, sein Unvermögen, sich mit einer Pressemeute auseinanderzusetzen und zugleich seinen „staatsmännischen Pflichten“ nachzukommen, dem Secret Service das Band zur Verfügung zu stellen, eine Kopiermöglichkeit zu finden, etc. Ein Mann am Rande des Nervenzusammenbruchs.

Menschen, distanziert beobachtet, die vom „Hauch der Geschichte“ berührt werden und dennoch in ganz realen Situationen stecken, die sie durchleben, ertragen, meistern müssen. Und an denen sie – vielleicht zwangsläufig – scheitern. Landesman legt seinen Fokus auf jene, die in den Geschichtsbüchern, wenn überhaupt, nur am Rande vorkommen und zeigt sie in einer Extremsituation, für die es keine Blaupause, keine Richtlinien gibt.

So entsteht ein Konglomerat verschiedener Handlungsstränge, die sich nur am Rande berühren, meist durch einzelne Figuren miteinander verbunden, die an unterschiedlichen Orten auftauchen – was vor allem auf Forrest Sorrels, den von Thornton gespielten Secret Service-Mann, zutrifft. Der Zuschauer erhält den Eindruck, eine Dokumentation mit einzelnen Spielszenen zu verfolgen. Der Film entfaltet jedoch – und das ist einer seiner erstaunlichen Pluspunkte – Spannung. Im Detail sehr genau nachgestellt – Set Design und Ausstattung haben wirklich gute Arbeit geleistet – schaffen es die Inszenierung und vor allem die Montage des Films mit Tempo und Rhythmus, ein Publikum zu bannen, das mit den Details weitestgehend vertraut sein dürfte.

Allerdings erwächst daraus auch eine kritische Frage hinsichtlich des gesamten Unternehmens PARKLAND: Warum erzählt man dies alles? Denn der durchschnittliche Zuschauer wird die groben Fakten kennen, die, die einen solchen Film im Jahr 2013 unbedingt sehen wollen, werden auch die Einzelheiten wissen. PARKLAND fügt sozusagen dem allgemeinen Stand der Ermittlungen nichts Neues hinzu. Vielleicht wollte Landesman, dessen Spezialität die jüngere amerikanische Geschichte ist, einer hitzigen Diskussion ein kühlendes Element hinzufügen, etwas, das ein wenig den Dampf aus dem Kessel lässt. Aber braucht es das noch? Ist überhaupt noch Dampf im Kessel? Andere Ereignisse – allen voran der Angriff auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 – haben mittlerweile viel größere, weitreichendere Verschwörungsmythen hervorgebracht. So zynisch es klingen mag, aber die Ermordung Kennedys und die Verschwörungserzählungen darum herum, sind mittlerweile eher Teil der Folklore, denn Gegenstand ernsthafter Investigation. Die Debatte ist längst abgeklungen.

PARKLAND ist letztlich ein Film für Liebhaber und Detailfreaks, für jene, die sich für die Materie so oder so interessieren. Denen allerdings bietet der Film trotz aller Einwände ein irritierend spannendes Geflecht aus Einzelsträngen, die jene Stunden, als die Demokratie in den USA möglicherweise wirklich auf dem Spiel stand, recht passend wiedergeben. Er zeigt aber auch – sei es idealistischer Weise oder aus einer gewissen Berechnung heraus – wie ein Staatswesen funktioniert, wie in allen Bereichen Menschen bemüht sind, ihre Aufgaben zu erledigen und zwar auf die ihnen bestmögliche Art und Weise. Und einige kleine Hinweise auf die danach sprießenden Verschwörungserzählungen bietet auch Landesman dann eben doch. Allerdings immer nur als Andeutung, nie als ein zentrales Motiv der Narration oder der Bildgestaltung. Medikamente, die den Ärzten zugesteckt werden und die Kennedy zwingend braucht, die aber nicht zum Einsatz kommen; die aus Sicht Jackie Kennedys gefilmte Vereidigung Johnsons im Flieger, durch die halb geöffnete Tür der Kabine gefilmt und so durchaus als konspirativ einzustufen; Secret Service-Mitarbeiter, die ihre Loyalitäten sofort verschieben; die tief reaktionären Bemerkungen von Mitarbeitern des Sheriff-Büros gegenüber Oswalds Bruder, wohin er und seine Familie sich verziehen sollten; die immer wieder angedeutete Ablehnung Kennedys und seiner Politik; die Sorge, daß Dallas und Texas – oder das FBI – nun schlecht dastünden: Das alles sind durchaus Indizien, die auf ein Klima hinweisen, in dem Gefahr für Kennedy herrschte und möglicherweise auch Verschwörungen hätten gedeihen können. Auf jeden Fall Gerüchte und die daraus entstehenden Narrative.

Es ist also ein lebensnahes Panorama jener Stunden entstanden, die mitentscheidend für Amerikas allerjüngste Vergangenheit sein mögen. Denn darauf muß Landesman sich verlassen: Die, die seinen Film schauen, wissen eben auch um die Konsequenzen, die aus diesem Tag entwachsen sind. Beispielsweise die Ausweitung der Kampfhandlungen in Vietnam, die schließlich 1964 zu einem offiziellen Krieg erklärt wurden, um nur ein Beispiel zu nennen. Und in einem solchen übergeordneten Kontext sollte man vielleicht den ganzen Film betrachten: Ein Puzzlestein, ein Detail, eine Fußnote, ein Kommentar, nur im Zusammenhang mit all den schon existenten Geschichten und Interpretationen, den Analysen und Studien verständlich und interessant.

 

[1] Bugliosi, Vincent: RECLAIMING HISTORY: THE ASSASSINATION OF PRESIDENT JOHN F. KENNEDY. New York, 2007.

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