THE GIFT – DIE DUNKLE GABE/THE GIFT
Sam Raimi bietet ein mäßig spannendes, jedoch seriös inszeniertes Mystery.Drama
Annie Wilson (Cate Blanchett) lebt mit ihren drei Kindern in der Stadt Brixton, irgendwo in den Südstaaten. Nachdem ihr Mann ein Jahr zuvor bei einem Unfall in der Fabrik, in der er arbeitete, ums Leben gekommen ist, leben sie und die Kinder von einer geringen Witwenrente. Annie verdient mit Wahrsagerei und dem Legen von Karten ein wenig hinzu, erhält jedoch nur Spenden, da Wahrsagerei in dem Staat, in dem sie leben, verboten ist.
Zu ihren Kunden gehören unter anderem der Automechaniker Buddy Cole (Giovanni Ribisi) – ein verstörter junger Mann, der seit Jahren versucht, herauszufinden, weshalb er solch eine Wut auf seinen Vater empfindet – und Valerie Barksdale (Hilary Swank), die regelmäßig von ihrem Mann Donnie (Keanu Reeves) verprügelt wird. Annie bemüht sich, den beiden nicht nur mit ihrer Gabe zu helfen, sondern allgemein mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.
Das hat zur Folge, dass sie mehrfach von Donnie Barksdale bedroht wird, da er Annie vorwirft, bei seiner Frau gegen ihn zu intrigieren. Schließlich geht er so weit, in das Haus der Wilsons einzudringen und die Familie zu bedrohen.
Annies ältester Sohn Mike (Lynnsee Provence) eckt seit dem Tod seines Vaters immer wieder in der Schule an. Es kommt vermehrt zu Schlägereien mit seinen Mitschülern. Eines Tages wird Annie einmal mehr zur Direktion gerufen. Schulleiter Wayne Collins (Greg Kinnear) gibt sich Mühe, Verständnis für den Jungen aufzubringen, Annie zeigt sich jedoch wenig zugänglich. Sie ist nicht willens, über ihre innerfamiliären Probleme zu reden.
Während der Unterredung kommt Collins´ Verlobte Jessica King (Katie Holmes), Tochter eines lokalen Großindustriellen und führenden Honoratioren der Stadt, hinzu. Plötzlich wird Annie von einer ihrer Visionen überwältigt: Sie sieht Jessica, blutüberströmt, gefesselt in ein Bettlaken eingewickelt in einem See liegen. Dann öffnet sie plötzlich ein Auge und starrt Annie an.
Annie geht mit ihrer Freundin Linda (Kim Dickens) auf eine Party, bei der sie Jessica zufällig in einer eindeutigen Situation mit dem Staatsanwalt David Duncan (Gary Cole) antrifft. Verstört zieht Annie sich zurück.
Wieder daheim, muss sie feststellen, dass jemand in ihr Haus eingedrungen ist, der Fernseher läuft und auf ihrem Bett wurde mit ihren Legekarten das Wort „Satan“ gebildet. Annie ist der festen Überzeugung, dass es sich bei dem Eindringling nur um Donnie Barksdale gehandelt haben kann.
Jessica King wird als vermisst gemeldet. Doch die Polizei – allen voran Sheriff Pearl Johnson (J.K. Simmons) kommt in dem Fall nicht weiter. Jessicas Vater, der Industrielle Kenneth King (Chelcie Ross) bittet gemeinsam mit Wayne Collins und dem sich sichtlich unbehaglich fühlenden Sheriff Annie um Hilfe. Doch der gelingt es zunächst nicht, in ihren Karten etwas zu Jessicas Verbleib zu finden. Wayne, der zusehends in einer Depression versinkt, spricht sie bei einer anderen Gelegenheit darauf an, dass sie doch schon bei dem Aufeinandertreffen in der Schule etwas gesehen habe, er habe dies erkennen können. Doch Annie verneint dies.
Eines Tages wird Annie aber von einer plötzlichen Vision heimgesucht, bei der sie Jessica erneut als Tote, nass und in ein Laken eingehüllt sieht. Wieder blickt diese sie an. Diesmal glaubt Annie, den Ort, wo Jessica zu finden ist, erkannt zu haben. Es ist ein Teich, der sich als Teil von Donnie Barksdales Land entpuppt. Der junge Mann wird daraufhin festgenommen.
Es kommt zu einer Gerichtsverhandlung, in deren Folge Annie von dem Verteidiger Gerald Weems (Michael Jeter) hart ins Kreuzverhör genommen wird. Dabei fordert er sie u.a. auf, den Geschworenen ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, was naturgemäß nicht gelingt.
Als Annie aus dem Gerichtsgebäude kommt, stürzt Buddy auf sie zu, er brauche sofort ihre Hilfe, er habe erkannt, was der ominöse blaue Diamant sei, der ihn in seinen Träumen verfolge. Annie, die sonst immer für Buddy da war, bittet ihn diesmal, sie in Ruhe zu lassen, sie müsse sich erholen.
Abends wird Annie von Buddys Mutter zur Hilfe gerufen. Buddy konnte sich endlich erinnern, wer der Peiniger seiner Kindheit war: Sein Vater, der ihn missbraucht hat. Nun will Buddy sich an ihm rächen, hat ihn gefesselt und überschüttet ihn mit Benzin. Er droht, ihn anzuzünden. Und es gelingt auch Annie nicht mehr, Buddy zu überzeugen, seinen Vater gehen zu lassen.
Annie macht sich fürchterliche Vorwürfe, Buddy nicht geholfen zu haben, als dieser sie um Hilfe bat. Nun sitzt der Junge in einer Nervenheilanstalt, sein Vater liegt mit schwersten Verbrennungen in einer Klinik.
Annie muss zudem gewärtigen, ihre Kinder zusehends zu vernachlässigen. Auf Mikes wiederholte Bitten, mit ihm über seinen Vater zu sprechen oder ihn an dessen Grab zu begleiten, reagiert Annie immer häufiger abweisend und aggressiv.
Donnie wird verurteilt und sitzt nun im Todestrakt. Zum Urteil hat beigetragen, dass im Laufe der Verhandlung herauskam, dass er eine Affäre mit Jessica hatte und diese am Tag ihres Todes nicht nur gesehen hatte – was durch Zeugen bestätigt wurde – sondern sie auch geschlagen hat.
Brixton kommt langsam wieder zur Ruhe, Jessicas Vater und auch ihr Verlobter scheinen beruhigt, da der Mörder nun gefasst und verurteilt sei. Lediglich Annie, die weiterhin Visionen der toten Jessica quälen, beginnt, an Donnie Barksdales Schuld zu zweifeln.
Annie trifft sich mehrfach mit Wayne, der weiterhin unter Jessicas Tod leidet. Zwischen den beiden scheint sich eine zarte Leidenschaft zu entspinnen. Dennoch fragt Wayne Annie mehrfach, ob und wenn, was sie sehe hinsichtlich Jessicas.
Wayne und Annie fahren zu dem Teich hinaus, wo Jessicas Leiche gefunden wurde. Dort angelangt, hat Annie eine erneute Vision von Jessica, diesmal so deutlich, dass sie den Mörder erkennen kann: Es ist Wayne. Der scheint genau darauf gewartet zu haben und versucht, Annie zu töten. In diesem Moment taucht Buddy auf und schlägt Wayne nieder.
Annie bringt den bewusstlosen Wayne zur Polizei und übergibt ihn an Sheriff Johnson. Der lobt Annie für ihre Geistesgegenwart, Wayne zu überwältigen. Annie erklärt – zum wiederholten Male – dass es Buddy gewesen sei, der ihr geholfen habe. Sheriff Johnson erklärt ihr schließlich, dass es nicht Buddy gewesen sein kann, da dieser sich in der Anstalt, wo er nach dem Angriff auf seinen Vater untergebracht wurde, erhängt habe.
Annie besucht mit ihren Söhnen das Grab ihres Mannes.
Ein Film wie THE GIFT (2000) ist recht typisch für seine Zeit: Ein Ensemble mittlerer bis bereits größerer Stars – hier immerhin neben Cate Blanchett Keanu Reeves in einer herausgehobenen Nebenrolle, ein Jahr nach dem Super-Blockbuster MATRIX (1999) – treten in einem Krimi, einem Justiz-Thriller oder, wie im vorliegenden Fall, gar einem Mystery-Thriller auf, der eine moderat spannende Story bietet, ansonsten viel Lokalkolorit (auch das Südstaaten-Setting kam damals häufiger vor) und genügend Action, um auch die Jungs bei der Stange zu halten. Meist sah man diesen Produktionen an, dass sie auf ein bestimmtes Publikum hin zugeschnitten waren, gedacht für die ebenso spannende, leichte, jedoch nicht zu billige Samstagabend-Unterhaltung, die sowohl ein jugendliches Publikum aus Mädchen und Jungs, als auch ein erwachsenes Publikum ansprechen sollte. Die meisten Filme dieser Kategorie sind längst vergessen.
THE GIFT jedoch sticht heraus. Und das nicht nur wegen der ungewöhnlichen Story, sondern mehr noch wegen der ungewöhnlichen Präsentation. Obwohl die Geschichte nicht nur mit Elementen des Übernatürlichen kokettiert und ein wenig damit spielt, sondern im entscheidenden Moment sogar handfest darauf vertraut, dass das Publikum tatsächlich zu glauben bereit ist, was ihm präsentiert wird, setzt Regisseur Sam Raimi diese Story extrem naturalistisch und vor allem vergleichsweise ruhig und bedächtig in Szene.
Bereits der Name Sam Raimi birgt für eine gewisse Qualität. Immerhin ist der Mann zunächst einmal ein Held der Undergroundszene des Splatter-Films. Man kann sogar sagen, dass er dort wie ein Gott verehrt wird, denn er hat dem Sub-Genre einst mit seinem Fun-Splatter THE EVIL DEAD (1981) entscheidende, bis heute nachwirkende Impulse versetzt. Auch die Nachfolger EVIL DEAD II – DEAD BY DAWN (1987) und mehr noch ARMY OF DARKNESS (1992) wurden mehr als wohlwollend von der Gemeinde aufgenommen. Mit dem Neo-Noir-Thriller A SIMPLE PLAN (1998) bewies Raimi, dass ihm auch seriöse Schauspielerführung und durchaus differenzierte Zwischentöne liegen. Später dann überzeugte Raimi vor allem mit der Adaption der Spider-Man-Comics aus dem Marvel Universum. Er war es, der die für viele Fans des freundlichen Kletterkünstlers aus der Nachbarschaft bis heute gültigen Filme zum Thema geschaffen hat, all den Nachfolgern seither zum Trotz.
Hier, in THE GIFT, zeigt er sich als Meister ruhiger, langsam aufkommender Spannung, die durch ein ebenfalls fein gesponnenes Sozialdrama gekrochen kommt und den Zuschauer nach und nach packt und fesselt. Allerdings – auch das sei schon an dieser Stelle erwähnt – packt das Ganze nicht so, dass es dem Publikum die Nerven zerfetzen würde. Dazu sind die Spuren, die das Drehbuch legt, doch zu oberflächlich und die Angebote an potentiellen Tätern und möglichen Tathergängen zu überschaubar. Zudem ist der, den wir alle als Mörder akzeptieren würden, weil er so ein herrlicher Widerling ist – eben jene von Reeves gespielte Figur namens Donnie Barksdale – viel zu offensichtlich für die Rolle der falschen Fährte, des Wrong Man, vorgesehen, als dass er sich dann tatsächlich als Täter eignen würde. Obwohl – vielleicht wäre ja auch das einmal eine Variante: Am Ende ist es genau derjenige, den alle dafür halten…na ja, ein andern Mal.
Aber ganz offensichtlich ist es den Drehbuchautoren um Billy Bob Thornton – womit ein weiterer Meister benannt wäre, der hinter der Kamera wesentlich zum Gelingen dieses Werks beigetragen haben dürfte – auch gar nicht zwingend um den spannendsten Thriller aller Zeiten oder Ähnliches gegangen. Nein, es war anderes, was sie im Sinn hatten. Tausendsassa Thornton – Schauspieler, Regisseur, Autor nicht nur von Drehbüchern und zudem Sänger, solo wie auch in einer Band – erzählt eine hintergründige Geschichte und nutzt dafür das Genre des Mystery-Thrillers, um sein Anliegen zu verdeutlichen. Mit der von Blanchett gespielten Annie Wilson entwirft er nämlich eine Frauenfigur, anhand deren Geschichte er sehr viel darüber erzählen kann, wie Männer funktionieren, wie sie auf Frauen blicken und vor allem, wie sie auf Frauen reagieren.
Annie Wilson ist eine alleinerziehende Mutter, die sich und ihre drei Kinder so gerade über die Runden bringt. Ihr Mann ist bei einem Unfall tödlich verunglückt, nun lebt sie von der äußerst bescheidenen Rente, die ihr zugesprochen wurde. Darüber hinaus sind es Spenden, die sie für ihre Dienste von ihren Kundinnen bekommt. Denn Annie liest diesen die Zukunft. Sie ist Wahrsagerin, deren hellseherischen Kräfte der Film als gegeben hinnimmt. Weder das Buch noch die Regie machen großes Aufheben um diese Gabe, inszenieren sie an einigen Stellen allerdings gekonnt. Auch die Menschen, die Annie kennen, die diese Gabe in Anspruch nehmen, nehmen sie als gegeben hin. Und selbst die Polizei, in Gestalt von Sheriff Johnson, ist – wenn auch widerwillig – bereit, ihr zuzuhören, als sie Hinweise auf die verschwundene Frau gibt, um die der Fall sich dreht. Dass Annies Fähigkeiten hingenommen werden bedeutet aber nicht, dass diese sie nicht stigmatisieren würden: In Gestalt von Donnie Barksdale, einem stadtbekannten Schläger, reinster White Trash, wie er um das Jahr 2000 klischeehafter kaum gezeichnet werden konnte, dessen Frau Valerie Annie mehrmals berät, wird deutlich, dass Annie von einigen sogar als „Hexe“ betrachtet wird.
Und damit ist Barksdale nur das offensichtlichste Beispiel eines Mannes, dem Annie unheimlich ist, dem aber Frauen an sich unheimlich zu sein scheinen, denn wie es scheint, kann er sich auch der eigenen Frau nur gewalttätig nähern. Die weiterhin auftretenden Männer – der Witwer des Opfers, der Sheriff, der Rechts- sowie der Staatsanwalt usw. – rangieren von weinerlich bis verachtend, eitel und überheblich, so oder so glauben sie sich einer Frau wie Annie überlegen. Zumindest wähnen sie sich alle – bis auf den trauernden Verlobten, der sich dann später als Täter entpuppt; ein Mann, der deshalb zum Mörder wurde, weil die Getötete das war, was Männer gern „Luder“ oder „Flittchen“ nennen, jedenfalls vergnügte sie sich gern mit verschiedenen Kerlen, was natürlich des Mannes tiefstliegende Verletztheit (und Angst) zutage fördert – in überlegenen Positionen, halten sich selbst für Gott weiß was für Geschenke an die Menschheit und nutzen alle, auf unterschiedliche Weise, verschiedene Arten von Gewalt. Der eine prügelt, der andere ironisiert, der dritte droht, ein weiterer macht Annie als Zeugin verächtlich und der, der sich den halben Film über mit Wehleidigkeit die Sympathie der Wahrsagerin zu erschleichen versucht, die selbst noch um ihren Mann trauert, ist schließlich bereit erneut zu töten, um sich und sein Geheimnis zu schützen.
Eins aber ist all diesen Männern gleich: Sie sind im Grunde schwach. Sie fürchten sich vor selbstständigen Frauen, die sich zu helfen wissen und nicht auf männliche Hilfe oder Unterstützung angewiesen sind. Erst recht können sie nicht akzeptieren, dass es da draußen Fähigkeiten und Gaben gibt, die vielleicht eher dem weiblichen Prinzip zuzuordnen sind denn männlicher Kompetenz, die sich ja zumeist aus mathematischer Berechenbarkeit und sogenannter rationaler Logik ergibt. Annie Wilson „sieht“ Dinge, sie ist in der Lage, auf die Zukunft zuzugreifen, wenn auch oft impulsiv, selten gewollt und damit keiner Logik folgend, die ein Mann verstehen könnte. Ein Zustand, der für den Herrn Verteidiger im Laufe der Verhandlung, in der Annie als Zeugin auftritt, nahezu unerträglich wird, als er von ihr Beweise ihrer Fähigkeiten in Form billiger Taschenspielertricks einfordert, die sie naturgemäß nicht liefern kann. Und auch nicht liefern will.
Das Drehbuch konzentriert sich lange auf Annie und ihre Kundschaft, darauf, wie sie mehr als Lebenshilfe, manchmal therapeutisch – vor allem bei Buddy Cole, einem verstörten jungen Mann, dem sie zur Seite steht und der später eine entscheidende Rolle im Verlauf der Handlung spielen wird – wirkt und sich bemüht, den Menschen, die ihre Hilfe suchen, gerecht zu werden. Denn auch das konstatiert der Film recht eindeutig: Annie, die stigmatisierte Frau, die vielen in der Kleinstadt Brixton ein wenig unheimlich ist, versteht sehr viel mehr von den Gefühlen der Menschen, als es den meisten recht ist. So ist sie in der Lage, Buddy Zugang zu sich selbst zu verschaffen, ihn in die Bereiche zu führen, wo es ihm gelingt, das Unrecht, welches ihm als Kind angetan wurde, zu erkennen. Thornton und seine Co-Autoren machen es sich allerdings nicht zu einfach. Denn sie zeigen anhand des Handlungsstrangs um Buddy ebenso, wie anhand der Reaktion Annies auf die Bedürfnisse ihrer Kinder – alles Jungs, deren ältester sichtlich unter dem Verlust des Vaters leidet und dessen Ängste und Sehnsüchte sie lange nicht wahrnehmen will – , dass auch sie Fehler macht, Offensichtliches übersieht und damit – zumindest in Buddys Fall – eine Tragödie auslöst.
THE GIFT wirkt lange wie ein Sozialdrama, das dem Publikum ein möglichst authentisches Bild des Lebens in einer ärmlichen Kleinstadt irgendwo in den Südstaaten – wahrscheinlich Louisiana, bedenkt man die Rolle, die der Sumpf hier spielt – bieten will. Zugleich bildet der Film aber auch eine Gesellschaft ab, in der Rassentrennung und der damit einhergehende Rassismus – auch wenn dieser hier oberflächlich betrachtet so gut wie keine Rolle spielt – immer noch alltäglich sind, in welcher enge moralische Vorstellungen Vorurteile und Hass hervorbringen und in welchem eine Frau, die ihren Unterhalt auf zugegeben ungewöhnliche Art und Weise verdient, schnell als „Hexe“ gebrandmarkt und somit aus der Gesellschaft exkludiert werden kann. Es ist eine engstirnige, provinzielle Gesellschaft, die, legt man sie auf die amerikanische Gesellschaft als Ganzes um, kein sonderlich freundliches Bild dieses Landes und der Menschen abgibt, die es bevölkern.
Unaufgeregt und letztlich auch an dem zugrundeliegenden Kriminalfall eher marginal interessiert, inszeniert Raimi ein sauberes Drama, erweist sowohl der eigentlichen Handlung seinen Respekt, wie er auch den Nebenhandlungen Respekt und volle Aufmerksamkeit zollt: Sei es das Ehedrama der Barksdales und die Unfähigkeit einer Frau wie Valerie, sich von einem Schläger (wenn auch keinem Mörder) loszusagen; sei es die Geschichte um den geschändeten Buddy Cole, der sich schließlich auch nur helfen kann, indem er Gewalt gegen seinen Vater, den Peiniger von einst, einsetzt und damit die männlichen Verhaltensmuster bestätigt, die der Film anprangert; sei es die Bedürfnisse von Annies Kindern, die ihren Vater vermissen und denen die Mutter, vielleicht gerade noch zum letztmöglich richtigen Zeitpunkt gerecht wird und damit, hoffentlich, den Kreislauf männlicher Gewalt durchbrechen kann.
THE GIFT ist kein herausragender Thriller und sollte als solcher sicher auch nicht betrachtet werden. Es ist aber, wie oben erwähnt, ein hervorragendes Drama, gut erzählt, mit glaubwürdigen Figuren und recht hoher lokaler Authentizität. Zudem gelingt es Raimi, eine ganz besondere, den Südstaaten entsprechende Atmosphäre zu kreieren, die das Publikum packt und einen Sog entfacht, der es über die knapp zwei Stunden Laufzeit gefangen nimmt.