DIE ZWEI GESICHTER DES JANUARS/THE TWO FACES OF JANUARY (FILM)
Leider funktioniert das weder als Literaturverfilmung, noch als Spannungsfilm
Drei Amerikaner in Europa, ca. 1962: Chester MacFarland (Viggo Mortensen) und seine Frau Colette (Kirsten Dunst) können vorerst nicht zurück in ihre Heimat, da nach Chester wegen Anlagebetrugs gefahndet wird. Der junge Rydal Keener (Oscar Isaac), der ein extrem schwieriges Verhältnis zu seinem Vater hat und nicht auf dessen Beerdigung war, verdingt sich in Athen als Fremdenführer für amerikanische Touristen. Bei einer seiner Führungen begegnet ihm das Paar. Chester erinnert ihn an seinen Vater, weshalb die drei miteinander ins Gespräch kommen. Rydal bietet sich an, ihnen Athen zu zeigen. So verbringen sie einige schöne Stunden miteinander. Als Rydal abends in das vornehme Hotel kommt, wo die MacFarlands abgestiegen sind, wird er per Zufall Zeuge, wie sich Chester abmüht, einen bewußtlosen Mann auf dessen Zimmer zu bringen. Rydal hilft dem Paar, sich eine neue Unterkunft zu suchen und dann, nachdem die Zeitungen anderntags berichten, daß es sich bei dem Bewußtlosen um einen amerikanischen Privatdetektiv handelte, der an einer Kopfverletzung starb, hilft er ihnen, sich neue Pässe zu besorgen und sich auf Kreta zu verstecken. Nun sind die drei auf Gedeih und Verderb aneinander gebunden. Und je brenzliger und unangenehmer die Situation wird, desto labiler zeigt sich Chester. Er wird eifersüchtig auf Rydal, den er verdächtigt, Colette schöne Augen zu machen. Zugleich weiß er aber auch nicht, ob diese nicht sogar darauf eingeht. Zusehends eifersüchtig, wird Chester, der immer mehr trinkt, unzugänglicher und auch gefährlich. Auf Kreta spitzt sich die Lage immer weiter zu. Und schließlich kommt es zu einem Unglück…
Warum man sich als erste Regiearbeit, auch wenn man zuvor etliche Drehbücher geschrieben hat, unbedingt einen der schwierigeren Romane einer an sich schon nicht ganz leicht zu verfilmenden Autorin aussucht? Es wird Hossein Aminis Geheimnis bleiben. Die Romane der Patricia Highsmith sind oftmals verfilmt worden, doch nur selten traf man auch den Geist der Vorlagen und nur sehr selten den psychologischen Ton (erstaunlicherweise fühlten sich eine Menge Deutsche und Europäer generell berufen, die Amerikanerin zu verfilmen), der doch an sich das Besondere der Autorin ausmacht. Es sind ein paar wirklich gute Filme darunter – vom Delon-Klassiker PLEIN SOLEIL (1960), über TV-Filme wie TIEFE WASSER (1983) oder Chabrols Verfilmung von THE CRY OF THE OWL (1987) bis zu Anthony Minghellas enorm detailgetreuer Neuverfilmung des ersten Auftritts von Tom Ripley THE TALENTED MR. RIPLEY (1999) – , echte Klassiker teils. Anderes ist leidlich gelungen, manches gar nicht. THE TWO FACES OF JANUARY (2014) ordnet sich unter „leidlich“ ein.
THE TWO FACES OF JANUARY ist, auf sein reines Handlungsgerüst reduziert, sicherlich schon eins der schwächeren Werke der Autorin, folgt man der Genese des Werkes, merkt man, daß es erstaunlichen Änderungen, Kürzungen und erneuten Kürzungen unterworfen war. Ein wenig machte sich die Autorin das Gezerre um das Buch zunutze und aus der Not eine Tugend. Im Grunde erzählt das Buch von einer einzigen Gefühlsverwirrung in einer amerikanischen ménage à trois, die sich nie dazu durchringen kann, wirklich eine zu werden. Ein ewiges Hin und Her des Begehrens, Begehrtwerdens, aus Annäherung und Abstoßen. Und dann wird daraus plötzlich eine Schicksalsgemeinschaft zweier Männer, die Hass aufeinander, die Liebe zur selben Frau und vor allem das Interesse, mit heiler Haut aus einer brenzligen Lage zu entkommen miteinander verbindet. Allerdings – und genau DARIN liegt der Reiz des Buches – sind die Rollen nicht eindeutig zugeordnet und die moralischen Urteile sind keineswegs eindeutig. Highsmith baut ständig Fallen, doppelte Böden und psychologische Stolperfallen ein, in die ihre Protagonisten ebenso sicher tappen, wie ihre Leser. Bei ihr kommt keine der männlichen Figuren – die im Buch definitiv dominant im Mittelpunkt stehen – wirklich gut weg. Das Drehbuch hingegen modifiziert nicht nur die Story – was im Sinne einer stringenten Dramaturgie vollkommen in Ordnung ist und in der Bearbeitung auch durchaus dem Handlungsgerüst der Vorlage gerecht bleibt – sondern es legt die Figuren viel eindeutiger aus und hebt damit einerseits jene Elemente des Buches hervor, die in dessen Handlung eher unbestimmt bleiben, andererseits verlässt es sich damit vor allem auf die Thrilleraspekte der Story – und das geht schief. Denn gerade als Thriller ist dies wirklich einer der schwachen Romane der Highsmith. Als Thriller mit eindeutig den Protagonisten zuweisbaren Rollen, ist das eindimensional, vorhersehbar und somit nur leidlich spannend.
Was bei Highsmith oft so einladend zur Verfilmung wirkt – daß sie das Innenleben der Figuren in Handlung zu übersetzen weiß, daß sie trotz der manchmal ins Minimalistische tendierenden Beschreibungen immer eine Atmosphäre zu erzeugen versteht, die das Binnenverhältnis der Figuren widerspiegelt – genau diese Elemente fallen in der Vorlage des Films eher spärlich aus. Das äußere Handlungsgerüst ist eher schwach, weil konventionell: Älterer Mann sieht hilflos zu, wie seine wesentlich jüngere Frau einem wesentlich jüngeren Mann verfällt und will sich deshalb rächen. Spannend am Roman sind die unterschiedlichen Ebenen des Verhältnisses gerade der beiden Männer zueinander. Der Junge, der den Konflikt mit dem Vater in einem griechischen Setting als ödipale Farce nachzeichnet, der Ältere, dem langsam die Kontrolle zu entgleiten droht, dessen Bezugssystem – Geld – nicht mehr funktioniert, der sich unsicher in einer ihm unverständlichen Umgebung fühlt, der anfängt, Fehler zu machen und diese auch vor sich selbst im Alkohol verstecken will – all das ist der eigentliche Motor des Romans und bleibt dort dennoch vage und in der Schwebe. Liebe, Zuneigung, Freundschaft, die Frage, wer mit wem geschlafen hat, Rache, Erpressung oder Vatermord – all diese Motive reißt der Roman an und hat schon gewaltig Mühe, damit zurande zu kommen. Das läßt sich kaum in ein Drehbuch übertragen, welches dann nicht ein schweres und wohl auch düsteres Drama wird, statt eines spannenden Thrillers. So also musste für den Film gestrafft und modelliert werden und auf einmal ist alles sehr eindeutig, sind alle Doppeldeutigkeiten glatt gebügelt und man hat eine stringente Story, der aber das Eigentliche, weil Besondere fehlt. Hinzu kommt, daß Viggo Mortensen diesen Chester MacFarland zwar überzeugend spielt, nur ist die ganze Figur nicht so angelegt, daß man ihr die Angst, die sie vor dem Jüngeren hat, abnehmen könnte.
So setzt der Film auf seine Schauwerte und sein Dekor. Set Design, Kostüme, die ganze Ausstattung des Films ist exquisit. Vor Ort in Athen und Kreta gedreht, bieten die Kulissen dem Kamermann Marcel Zyskind, sonst Stammkameramann bei Michael Winterbottom (IN THIS WORLD, 2002; THE KILLER INSIDE ME, 2010), fantastische Gelegenheiten für großartige Bilder. Sei es die Enge der Innenstadt von Heraklion, später die der (nachgestellten) Istanbuler Altstadt, seien es die Ruinen der Akropolis oder die Weite auf den Höhen bei Knossos, wo die drei Amerikaner, weit auseinander gezogen, durch die steinerne Einöde wandern. Hier noch am ehesten spiegeln sich Äußeres und Inneres, wird das eine im andern sichtbar. Doch genau in dieser Ästhetik und dem erlesenen Design des Films wird auch sein Problem deutlich. Überdeutlich: Er erstarrt in seinem Look, ohne diesen mit Leben zu füllen. Es gelingt ihm nur momentweise, den Zuschauer in die Ägäis anfangs der 60er Jahre zu entführen, ihn das Gefühl von Freiheit spüren zu lassen, daß ein junger Kerl wie Rydel weit von zuhause entfernt empfinden mag, das Gefühl von Entfremdung zu erzeugen, das Chester so zu schaffen macht. So sieht man sich wohl an den Bildern satt, doch nie fällt man in sie hinein.
THE TWO FACES OF JANUARY ist nicht gescheitert, das wäre ein zu harsches Urteil. Aber er hält keinesfalls, was er verspricht. Seine Möglichkeiten – angefangen bei den Drehorten, den Sets bis zur Besetzung – weiß er nicht wirklich zu nutzen. Er entscheidet sich in den maßgeblichen Momenten falsch, setzt auf die falschen Entwicklungen, will spannend sein, wo sich ein Ehedrama andeutet und tiefsinnig, wo der Zuschauer aktionsreiche Entwicklung erwarten würde. Doch wirkt dies nicht gewollt, wird uns das die Geschichte nicht aus einem ungewöhnlichen Winkel erzählt oder die Figuren anders, neu, aufregender erklärt. In seinem Midtempo und der Gestaltung einzelner Szenen, seinen Dialogen und der Bildgestaltung bleibt das alles konventionell, angelehnt an zeitgenössische Filme der Handlung. Ohne dem jedoch irgendetwas hinzuzufügen. Und genau dadurch wirkt der Film oft eben „gespielt“. Was dann wiederum die Qualität der Kulisse hervorhebt. Ein Teufelskreis.
Das alles kann durchaus momentweise unterhalten, es werden Schauwerte geboten, vieles überzeugt. Nur passt das alles nicht wirklich ineinander. Zu viel Möglichkeiten und fast alle verschenkt. Ein Film sollte eben doch mehr sein, als die Summe seiner Teile. Hier stechen einzelne Teile hervor und verdeutlichen aufs Schmerzhafteste, was anderen Teilen fehlt. Schade.