UNHEIMLICHE BEGEGNUNG DER DRITTEN ART/CLOSE ENCOUNTERS OF THE THIRD KIND

Steven Spielberg liefert den Film zum spirituellen Neuanfang Mitte der 70er Jahre

Weltweit treten seltsame Phänomene auf: In der mexikanischen Wüste wird ein Fliegergeschwader gefunden, das seit dem Zweiten Weltkrieg als verschollen gilt, in der Wüste Gobi liegt das angeblich versunkene Wrack eines Ozeandampfers, in amerikanischen Luftkontrollzentren werden unbekannte Flugobjekte wahrgenommen und in Indien summt eine Menschenmenge eine Tonfolge, die sie angeblich vom Himmel empfangen hat. Der französische Forscher Claude Lacombe (François Truffaut) reist zu den Stätten dieser Ereignisse, drängt sich ihm und seinem Team doch der Eindruck auf, es möglicherweise mit sich ankündigenden Außerirdischen zu tun zu haben.

Zugleich machen einige ganz normale Menschen in den USA ebenfalls höchst eigenartige Erfahrungen: Die alleinerziehende Mutter Jillian Guiler (Melinda Dillon) wird mehrfach Zeugin von seltsamen Lichtphänomenen, die sich um ihr Haus herum bemerkbar machen. Als sie und ihr kleiner Sohn Barry (Cary Guffy) den Lichtern folgen, machen die beiden unter anderem die Bekanntschaft von Roy Neary (Richard Dreyfuss), der seinerseits während einer nächtlichen Fahrt auf dem Highway die Lichter nicht nur gesehen hatte, sondern diesen auch extrem nahegekommen ist. Wie andere, denen es ähnlich erging, weist er sonnenbrandähnliche Male im Gesicht und auf seinen Armen auf.

Neary ist mit Ronnie (Teri Garr) verheiratet, gemeinsam haben sie zwei Kinder. In Folge seiner Erlebnisse mit den Lichtern entwickelt der an und für sich schon leicht auffällige Neary zusehends immer seltsamere Verhaltensweisen. So ist er wie besessen von einer bestimmten Form, die er unbedingt nachbauen will. Zunächst zeichnet er einen Turm, später formt er ihn beim Abendessen mit Kartoffelpüree, schließlich plündert er die Nachbarschaft auf der Suche nach Materialien, mit denen er ihn übermannsgroß nachbauen kann.

Auch andere UFO-Jünger beginnen, genau diese Form zu zeichnen oder anderweitig nachzuempfinden. Auch Jillian tut dies, nachdem ihr Haus eines Nachts geradezu belagert wurde und ihr Sohn Barry durch die Katzenklappe entkommen konnte und den fremden Lichtern gefolgt ist.

Neary und Jillian werden Teil einer kleinen Gesellschaft von UFO-Gläubigen, die sich aufmachen, den seltsamen Turm ihrer Träume zu suchen. Neary stößt eher zufällig darauf, dass es sich dabei um den Devils Tower in Wyoming handelt, als er nachts eine Dokumentation im Fernsehen sieht. So macht er sich auf, glaubt er doch wie einige andere, dass die Außerirdischen sich dort zeigen werden.

Derweil überlegen Lacombe und seine Mitstreiter, wie sie einerseits Kontakt zu den Außerirdischen aufnehmen könnten, sollten diese tatsächlich landen; andererseits suchen sie fieberhaft nach Möglichkeiten, die Menschen von dem Gelände um den Devils Tower fernzuhalten. Sie überlegen sich die Strategie, in den Medien über einen schweren Unfall mit Chemikalien berichten zu lassen und drapieren dafür die Straßen mit totem Vieh aus Schlachthöfen, damit ihre Version glaubhaft klingt. Wer sich dem Gebiet nähert, wird von Männern in Schutzanzügen eingesammelt und in ein Dekontaminierungslager verfrachtet. So ergeht es auch Neary und Jillian, die sich gemeinsam dem Ort der Erlösung, wie sie sie erhoffen, genähert haben.

Doch es gelingt ihnen gemeinsam mit einem weiteren Gläubigen zu entkommen. Zu dritt klettern sie in den Berg hinein, wohin ihnen Hubschrauber folgen, die ein Schlafgas versprühen, dem sich Jillian und Neary jedoch entziehen können.

Die beiden werden Zeugen, wie sich die Forscher im Tal hinter dem Berg auf einer provisorischen Landestation auf die Ankunft der Aliens vorbereiten. Es ist ihnen gelungen, die Tonfolge in Lichtsignale und eine bestimmte Handbewegung zu übersetzen, mit deren Hilfe Lacombe hofft, mit den Aliens kommunizieren zu können. Zunächst tauchen die schon mehrfach gesichteten kleinen Schiffe auf, doch schließlich bricht sich das Mutterschiff Bahn durch die Wolkendecke über Wyoming und landet.

Die Klappen öffnen sich und entlassen Dutzende von Menschen, die offenbar über Jahrzehnte und Jahrhunderte eingesammelt worden waren, jedoch keinen Tag gealtert scheinen. Dann erscheint erst ein größeres Wesen mit sehr langen Extremitäten und schließlich eine ganze Schar kleinerer Außerirdischer, die mit ihrer glatten Haut wie Kinder wirken.

Neary, der sich mit einem Kuss von Jillian verabschiedet hat, ist hinunter in die Station geklettert und wird von Lacombe einem Kommando zugeordnet, zu dem zwölf Wissenschaftler gehören, die an Bord des Schiffes gehen und die Außerirdischen offenbar auf ihrem interstellaren Flug begleiten sollen. Doch als er sich ihnen zeigt, ist es Neary, der von den fremden Wesen umringt wird. Sie scheinen in ihm ebenso einen Erlöser zu sehen, wie er in ihrer Ankunft Erlösung von einem Leben sieht, das ihm falsch vorkommt und in dem er nicht glücklich werden kann.

Neary folgt den Wesen in das Schiff und geht mit ihnen auf die Reise, nachdem sich das größere der Wesen von Lacombe verabschiedet hat. Er hatte nicht nur mit den Tönen recht – die Erstkommunikation hat genau über diese funktioniert – sondern auch mit den Handzeichen. Die Fremden gehen in Frieden und, wer weiß, vielleicht auch als Freunde.

Als die zweite Hälfte der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts anbrach, machte sich in den USA politisch wie kulturell Katerstimmung breit. Die so aufgewühlten 60er waren schon länger passé. Nach dem Woodstock-Festival, das für Viele ein Zeichen des „Neuen Zeitalters“, des Age of Aquarius, gewesen war, hatten die Morde der Manson-Bande und das Festival in Altamont (beides 1969) wie böse Omen, wie Menetekel, in das neue Jahrzehnt verwiesen. Und das erwies sich schnell als moralisch fragwürdig, wenn nicht gar bankrott. Hedonismus und eine gewisse Dekadenz machten sich breit. Viele der Träume von Freiheit und Selbstbestimmung, von freier Liebe und dem Überwinden von Rassen- und Klassenschranken, die in der Counter Culture der 60er Jahre geblüht hatten, waren in einem sich verdichtenden Nebel immer härterer Drogen und immer härterer Gewalt immer undeutlicher und leider auch immer unwichtiger geworden. Der Vietnamkrieg war zwar beendet worden, seine Wunden jedoch – von Narben zu sprechen wäre deutlich zu früh gewesen – waren frisch und klafften weit; die Nixon-Administration hatte zurücktreten müssen, nachdem ihr massive Korruption und kriminelle Energie im Falle des Watergate-Skandals nachgewiesen werden konnten; die Erkenntnis, dass ständiges Wachstum und der Wohlstand der Nachkriegszeit wahrscheinlich nicht haltbar sein würden, brach sich erstmals mit dem Bericht THE LIMITS OF GROWTH des Club of Rome aus dem Jahr 1972 Bahn, verdichtete sich dann aber erst recht, als die erste Ölkrise im Jahr 1973 über die Staaten des Westens hereinbrach.

Kulturell machten sich diese Entwicklungen nicht zuletzt auf der Leinwand und auch in der Musik bemerkbar. Es waren nicht mehr Psychedelik und ausufernde Gitarrensoli angesagt, die eher smoothen Töne der West Coast waren durch die drei harten Akkorde des Punk abgelöst worden[1]. Im Kino hatte sich mit dem New Hollywood Cinema und seinen Vertretern – Filmemacher wie Arthur Penn, Haskell Wexler, Martin Scorsese, Hal Ashby, Mike Nichols, Peter Bogdanovich und viele, viele mehr – ein neuer, harter Realismus bemerkbar gemacht. Neben dieser Entwicklung – und teils aus ihr hervorgehend – hatte es zugleich aber auch einen Trend zu neuem Eskapismus gegeben. Regisseure wie George Lucas, Francis Ford Coppola und auch Steven Spielberg – auch sie alle ursprünglich der Schule des New Hollywood entstammend (alle hatten wesentliche Beiträge geliefert) – hatten mit Werken wie THE GODFATHER[2] (1972), JAWS (1975) und vor allem STAR WARS (1977) dem Kino Auswege aus seiner größtenteils selbst verschuldeten Krise der 60er Jahre gewiesen. Blockbuster hieß die Zauberformel: Filme, die, meist sehr teuer in der Herstellung, die Massen anlockten, bestenfalls auf mehreren Leinwänden der Kino-Center zugleich gespielt und – dies war die kommerzielle Neuerung, die Lucas mit STAR WARS dem Markt bescherte – mit ausgreifendem Merchandising für Spielzeug, Bettwäsche, Tassen etc. begleitet wurden. Die Folgen dieser Politik sind noch heute zu spüren, wenn ein Film wie AVATAR (2009) wochen-, wenn nicht gar monatelang, acht von zwölf Leinwänden in den Multiplexen der Innenstädte blockiert und für kleinere, stillere, wahrscheinlich auch bessere Filme nur noch Randzeiten bleiben, um aufgeführt zu werden. Aber das ist wahrlich eine andere Geschichte, eine Geschichte für sich.

Interessanter als die sicherlich sehr wichtigen wirtschaftlichen Aspekte ist vielleicht die Tatsache, wie amerikanische Filme sich im Laufe der 70er inhaltlich veränderten. Das New Hollywood war an und für sich schon von eher düsteren Themen geprägt. Und gleich, ob seine Vertreter zeitgenössische Themen aufbereiteten – Hal Ashby in HAROLD AND MAUDE (1971) bspw. – oder aber auf klassische Genres zurückgriffen – wie Arthur Penn in BONNIE AND CLYDE (1967) oder Sam Peckinpah in vielen seiner Western, stellvertretend sei PAT GARRETT AND BILLY THE KID (1973) genannt – , der Grundton war oft melancholisch, beißend, bitter und manchmal auch sentimental. Spielberg seinerseits hatte mit einem düsteren Genre-Hybrid auf sich aufmerksam gemacht. DUEL (1971) wirkte wie ein Horrorfilm im Gewande eines Road Movies, gedreht mit den stilistischen Mitteln des Western. SUGARLAND EXPRESS (1974), eindeutig dem New Hollywood zuzuordnen in seiner genauen Beobachtung sozialer Wirklichkeit am Ende der Nixon-Ära, portraitiert ein Land ohne Mitleid. Und JAWS erzählte nicht nur brillant von einem zumeist unsichtbaren Ungeheuer, das uns unter der Wasseroberfläche attackiert, sondern auch von einer gnadenlosen Natur, die zurückzuschlagen schien. Hier wie auch in Filmen wie SILENT RUNNING (1972) oder PHASE IV (1974) – beides interessanterweise Werke der Science-Fiction – konnte man bereits deutlich die Angst vor der Zerstörung der Umwelt, der Natur, unseres Lebensraums, spüren.

JAWS allerdings war der allererste Blockbuster des Kinos, wie wir sie auch heute noch kennen, und sicher kein eindeutiger Beitrag zum New Hollywood Cinema, sondern schon ein Schritt in eine auch für den Filmemacher Spielberg neue Richtung. Ungewohntes Terrain. Spielberg verfolgte damals schon eine eigene Agenda und nahm sehr bald eine Sonderstellung unter den Filmemachern in Hollywood ein. So war bei ihm immer ein Happyend zu erwarten, bis zum Äußersten ging er nicht, nicht einmal in seinem späten Holocaust-Film SCHINDLER´S LIST (1994). Er suchte und erzählte dann Geschichten, die bei allen Schrecknissen zumindest Hoffnung bargen; im Falle von SCHINDLER´S LIST kündete sie von einem Mann, der in der Hölle moralisch sauber blieb und so zu den Gerechten unter den Menschen gezählt werden konnte. Auch in DUEL und in JAWS überleben die Protagonisten und dürfen trotz aller Schrecken nach Hause zurückkehren. Nur SUGARLAND EXPRESS macht eine Ausnahme und endet in einer Tragödie und damit sehr ungewöhnlich für einen Film des Regisseurs.

Mitte der 70er Jahre machte sich also in gewisser Weise Ratlosigkeit breit. Das Zeitalter des Politischen schien vorbei, es hatte letztlich in den weiter oben konstatierten moralischen Bankrott geführt. Vietnam und Watergate hatten bewiesen, dass Amerika keineswegs das gelobte Land war, dessen Kriege gerecht und dessen Führung weise sind. Im Gegenteil. So machte sich bald eine nahezu esoterische Sehnsucht nach Innerlichkeit breit, Spiritualität war gefragt und Hoffnung suchte man in neuen Glaubensrichtungen und unter der Führung manchmal seltsamer Gurus. Die Bhagwan-Bewegung ist vielleicht der deutlichste Ausdruck dieser Suche. Sicher, begonnen hatten damit schon die Hippies in den späten 60ern, doch waren sie eher eine Randerscheinung, vielleicht eine gewisse Avantgarde, die den Weg wies. Nun aber schwappten etliche fernöstliche Techniken in das progressive und immer begeisterungsfähige Kalifornien und damit nach und nach in den Mainstream. Yoga, Ayurveda, Meditation und die Suche nach der eigenen spirituellen Mitte hatten schnell das politische Engagement des Vorgängerjahrzehnts abgelöst. Die Zeit war reif für neue Glaubensansätze und religiöse Erfahrungen.

Steven Spielberg lieferte auch hier zur rechten Zeit mit den richtigen Themen. CLOSE ENCOUNTERS OF THE THIRD KIND (1977) war genau der Film, der die Zweifelnden und Verzagten abholte und zumindest eine Möglichkeit aufzeigte, sich neuen Fragen zuzuwenden und – vielleicht, möglicherweise – brandneue Antworten zu bekommen. Diesmal im Gewande eines Science-Fiction-Films, der von der Begegnung einiger verzagter Mittdreißiger mit Außerirdischen erzählt und dabei ein deutliches Schisma ausstellt zwischen Wissenschaft und Glauben mit eindeutiger Sympathie für den Glauben. Dass der Film schon von der zeitgenössischen Kritik als tief religiös wahrgenommen wurde, davon zeugen nicht nur einschlägige Texte und Untersuchungen damaliger Publikationen, sondern allein ein Blick in die Wikipedia genügt, die diesem Aspekt auffallend viel Aufmerksamkeit widmet. Aber warum auch nicht? Es ist schon bemerkenswert, wie hier eine sehr moderne Erlösungsgeschichte erzählt wird, wobei die Erlösung hier nicht einmal übernatürlichen oder fantastischen Ursprungs ist (wenn man ein absolutes Wesen wie einen Gott oder eine jungfräuliche Geburt denn als „übernatürlich“, zumindest aber „fantastisch“ zu begreifen bereit ist), sondern aus den Weiten des Alls kommt und dies zudem mit einem enormen technischen Aufwand.

Spielberg baut allerdings hier und da doppelte Böden in seine Erlösungsgeschichte ein. Als die Figuren der Geschichte und somit auch die Zuschauer des Films endlich die Wesen aus einer fremden Welt zu sehen bekommen, scharen sich diese um die Hauptfigur Roy Neary, als sei dieser ihr Erlöser. Und der ist ein Nerd, ein Freak, nicht erst, seit er beginnt, einem Fetisch zu huldigen und eine Vision nachzubauen, die er hatte. Das nun ausgerechnet dieser Kind-Mann, oder vielleicht einfach kindische Mann, ein Erlöser sein könnte, ist ein Aspekt, den der Film also andeutet, jedoch nicht ausspielt. Auf jeden Fall bauen Spielberg und sein Co-Autor Paul Schrader eine gewisse dialektische Doppeldeutigkeit in diesen Aspekt ihrer Geschichte ein und damit auch eine gewisse Ambivalenz. Denn hier scheinen nicht nur wir, die menschliche Spezies, auf Erlösung zu hoffen, sondern die, die ein Mann wie Neary als solche feiert, scheinen ihrerseits eine Erlöserfigur zu suchen und in ihm zu finden.

Nimmt man die vielen religiösen Hinweise, die angeblich im Film versteckt sind – und die Schrader in Interviews auch teils bestätigte – dann hat man es mit einer Art neustem Testament zu tun. Für einen jüdischen Filmemacher wie Spielberg ein eher unwahrscheinliches Unterfangen, sollte man meinen. Doch es stimmt schon – es sind ausgerechnet zwölf Männer und Frauen, denen es schließlich gelingt, durch die Absperrmaßnahmen des Militärs zu dringen und dem Devils Tower, jenem visionären Gebilde, dessen Herstellung sich Neary immer obsessiver widmet und wo die Ankunft der Aliens erwartet wird, zumindest nah zu kommen. Es sind jedoch nur Roy und Jillian, denen es schließlich gelingt, der Ereignisse ansichtig zu werden und nur Roy wird auserwählt sein, die Himmelfahrt im Raumschiff anzutreten. Ob er eines Tages auf die Erde zurückkehren wird? Als eine Art Heiland? Wir wissen es nicht und da Spielberg sich weigerte, einen zweiten Teil zu drehen (was schließlich dazu führte, dass er bereit war, zwei veränderte Schnittfassungen vorzulegen, deren Veränderungen zu Streitereien in der Gemeinde der CLOSE-ENCOUNTERS-Jünger führte, um im Bilde zu bleiben), werden wir es wahrscheinlich auch nie erfahren. Tatsache ist, dass die Außerirdischen offenbar schon zuvor die Erde besucht haben und dabei immer mal Erdbewohner eingesammelt hatten, denn bevor sie sich den staunenden Wissenschaftlern am Fuße des Devils Tower schließlich zeigen, entlassen sie eine ganze Reihe von Menschen, die sie im Laufe von Jahrhunderten (achtet man auf deren Kleidung, müssen es Jahrhunderte gewesen sein) entführt haben. Offenbar war keiner von diesen als Erlöser auserkoren worden.

Man kann einen Film ja immer unter vielerlei Aspekten und Perspektiven betrachten und analysieren. Dass CLOSE ENCOUNTERS OF THE THIRD KIND stark mit den esoterischen Bedürfnissen seiner Zeit korreliert, steht wohl außer Frage. Roy Neary ist ein Nerd, wie er im Buche steht, zudem ein Freak, der keine Karten lesen kann und nachts gern mit seiner elektrischen Eisenbahn spielt. Das nächtliche Erlebnis auf dem Highway zu Beginn des Films, lässt ihn nach und nach zu einem Gläubigen werden. Er hat – wie die anderen „Apostel“, die sich aufmachen, die Ankunft der Außerirdischen zu begrüßen – Visionen des Devils Tower, er muss zu seiner Überzeugung stehen, auch, als er sich lächerlich zu machen droht, auch gegen seine Nächsten, in diesem Fall seine Frau und die Kinder. Die fallen aus Spielbergs Story einfach raus, nachdem Roy sich gen Wyoming aufmacht, um rechtzeitig am Devils Tower einzutreffen. Und offenbar spielen sie in Roys Überlegungen auch keine Rolle mehr, nachdem er sie verlassen hat. Seine letzte menschliche Regung gilt Jillian, die er küsst, bevor er sich jenen zwölf Männern und Frauen anschließt, die wiederum die Wissenschaftler ausgesucht haben, um mit den Aliens zu fliegen, die von denen scheinbar aber nicht anerkannt werden und also auch nicht mit an Bord kommen. Diese Ehre wird – zumindest zeigen es die Bilder so – nur Roy zuteil. Der küsst Jillian, dann wendet er sich von der Welt ab und dem All (dem Himmel) zu.

So gelesen, ist es eine durch und durch positivistische Art, den Film zu verstehen. Man könnte ihn aber auch ganz anders lesen. Als das Drama eines sich unverstanden fühlenden Exzentrikers und Egomanen bspw., der nur den eigenen Bedürfnissen und Nöten folgen kann und will. Richard Dreyfuss´ Interpretation der Rolle des Roy Neary gibt dieser Lesart durchaus Nahrung und Spielberg, der auch ein Meister der Szenen ohne Dialog ist, bietet diese Lesart in einigen Momenten des Films ebenfalls an. In der Spiegelung einer berühmten Szene aus JAWS, in der Roy Scheider in der Rolle des Chief Brody, der nicht weiß, wie er der Bedrohung durch einen Hai begegnen und dabei den Anforderungen des Tourismus in der Kleinstadt in der er lebt, gerecht werden soll, von seinem jüngsten Sohn imitiert wird, dem es damit gelingt, Kontakt zum vor sich hinbrütenden Vater aufzunehmen, beginnt Roy am Abendbrottisch, sich mehr und mehr Kartoffelpüree aufzuhäufen und damit den Berg, den er immer wieder in seiner Fantasie sieht, nachzubauen. Währenddessen sitzt seine Familie erschrocken dabei und beobachtet den Vater, der immer absenter, immer distanzierter und immer weiter entfernt wirkt. Sowohl seiner Frau als auch den Kindern laufen Tränen der Trauer über die Gesichter, erkennen sie hier doch, dass offenbar kein wirklicher Kontakt mehr zum Vater möglich ist. Je mehr er Kontakt mit außerirdischem Leben aufnimmt, desto weniger Kontakt ist ihm mit Wesen seiner Art und Spezies möglich.

An diesen Stellen macht sich allerdings auch eine der Schwächen des Films bemerkbar. Anders als in seinen bisherigen und mehr noch den folgenden Filmen – allen voran E.T. THE EXTRA-TERRESTRIAL (1982) – gelingt es Spielberg in CLOSE ENCOUNTERS OF THE THIRD KIND nicht, dem Publikum wirkliche Identifikationsfiguren anzubieten, auf die es sich verlassen kann. Mit anderen Worten: Gemessen an Spielberg-Filmen in ihrem Eskapismus und ihrer Perfektion, weist dieser erstaunliche Schwächen auf. Die lassen sich auf verschiedenen Ebenen finden. Neben der Tatsache, dass wir es bei Roy Neary von Anfang an mit jemandem zu tun haben, der uns nicht ganz geheuer ist (übrigens ein Schicksal, welches Spielbergs Film mit Stanley Kubricks THE SHINING aus dem Jahr 1980 teilt; auch da haben wir es von Beginn an mit einer derart seltsamen und dysfunktionalen Familie zu tun, dass es uns schwerfällt, mir diesen Gestalten mit zu fiebern) und zudem einer Reihe von Nebenfiguren – darunter Roys Familie – die zu blass bleiben, um uns Identifikationspotential zu bieten, kann Spielberg sich lange nicht entscheiden, wie er seine Geschichte eigentlich erzählen will.

Die sehr persönliche Geschichte der Entfremdung zwischen Roy und seinen Nächsten wird immer wieder unterbrochen und wir werden auf die weltweite Odyssee einiger Wissenschaftler mitgenommen, die Hinweise auf die kommende Ankunft der Außerirdischen stoßen. François Truffaut spielt für Spielberg den Wissenschaftler Claude Lacombe, der den Hinweisen, Zeichen und Tönen aus dem All nachgeht, die sich mehr und mehr zu einem Bild zusammensetzen. Doch auch auf dieser Ebene bleibt Spielberg seltsam distanziert. Vielleicht wollte er bewusst – und damit ebenfalls zeitkonform[3] – eine gewisse Skepsis gegenüber den „exakten Wissenschaften“ einbauen, was der Dramaturgie nur bedingt guttut. Wie gesagt: Der Film eröffnet in gewisser Weise ein regelrechtes Schisma zwischen Wissenschaft und Glauben. Jedenfalls wird der Zuschauer immer dann, wenn er sich gerade auf die etwaige Erzählperspektive eingelassen hat, aus dieser wieder herausgerissen und erneut mit der jeweils anderen konfrontiert. Entweder wir folgen den Wissenschaftlern um Lacombe rund um die Welt – wobei diese uns völlig fremd bleiben und ausschließlich in ihren Funktionen begegnen, was dem Film eine Dimension gibt, die an so experimentelle Science-Fiction-Filme erinnert wie bspw. THE ANDROMEDA STRAIN (1971), in dem Robert Wise seine Protagonisten ebenfalls fast ausnahmslos funktional auftreten ließ und sie so sehr distanziert, aber hochprofessionalisiert charakterisierte – oder wir sind der fast hysterischen Familie Neary ausgeliefert, in der schon allerhand außer Kontrolle scheint, ohne dass Vater Roy beginnt, an UFOs zu glauben. Spielbergs Film wirkt lange Zeit seltsam uneinheitlich und zerrissen.

Hinzu kommt allerdings eine für seine Verhältnisse seltsame Zurückhaltung in den Bildern, vor allem dort, wo sie Grandioses versprechen. Wir kennen den Regisseur als einen Bildmagier, der sich niemals ein überwältigendes Bild, eine überwältigende Totale entgehen ließe. Hier aber enthält er uns oft genau diese Bilder vor und beobachtet stattdessen die Gesichter jener, die sehen, was uns vorenthalten wird. Eine gewollte Verzögerungstaktik? Fast scheint es so. Doch präsentiert der Regisseur dann eben doch immer wieder, was er in petto hat. Ein Schiff, das mitten in der Wüste Gobi gefunden wird, eine Fliegerstaffel auf einem Schrottplatz irgendwo in Mexiko, den Devils Tower, der in seiner Erhabenheit über die Ebenen Wyomings aufragt. Doch fast scheint es so, als wolle Spielberg die Establishing Shots, das überwältigende Bild schlechthin, jenen Moment, in dem die Hand zwischen Popcorntüte und Mund verharrt, ganz seinen Außerirdischen und ihrem finalen Auftritt überlassen.

Zuvor sind wir einige Male Zeuge der rasenden Begleitschiffe geworden, wir haben mit Roy erlebt, wie diese „fliegenden Eistüten“, wie sie an einer Stelle des Films bezeichnet werden, über den Himmel von Illinois geschossen sind, wir haben erlebt, wie eins davon direkt hinter seinem Wagen auftauchte und es dort einige Momente der Hand zwischen Mund und Popcorntüte gleichtat, schließlich haben wir mit Jillian und ihrem Sohn den Angriff der Außerirdischen erlebt – zumindest wirkt es wie ein Angriff, auch wenn er damit endet, dass der kleine Barry sich den Wesen geradezu anbietet, ihnen gleichsam hinterherrennt. Doch was Spielberg liefert, wenn das Mutterschiff sich über dem Devils Tower nähert und schließlich auf der Station, die dort errichtet wurde, niedergeht, das spottet jeder Beschreibung und ist vor 1977 nicht so häufig auf der Leinwand zu sehen gewesen. Dass NewHollywood-Veteran Vilmos Zsigmond für seine Arbeit an dem Film den Oscar für die beste Kamera erhielt, verwundert kaum. Er wurde dabei im Übrigen von einer ganzen Riege hoch renommierter Kameraleute unterstützt, darunter William A. Fraker und László Kovács. Zumindest Letzterer selbst ein Vertreter des New Hollywood Cinema.

Wenn das Schiff schließlich landet, bringt Spielberg dann alle Ebenen seines Film zusammen: Die Wissenschaftler, ein Team, zusammengestellt aus aller Welt, die sich der babylonischen Sprachverwirrung gleich kaum untereinander verständigen kann und dauernd auf Übersetzer und Dolmetscher angewiesen ist – Truffaut spricht als Lacombe nahezu ausschließlich Französisch – , haben eine Tonfolge isoliert, eine Sequenz, die sich sowohl in eine psychedelisch anmutende Farbgebung wie auch in Handzeichen übersetzen lässt. Dies ist die Kommunikationsgrundlage mit den Aliens. Die „neuen Apostel“, jene Menschen, die ebenfalls von den Wissenschaftlern auserwählt wurden, um in ihren roten Anzügen mit den Außerirdischen zu gehen und denen Neary schließlich beigeordnet wird, bevor die Wesen aus dem All ihn ganz explizit auswählen, stehen bereit. Und mit Jillian und Neary sind eben auch zwei der „Auserwählten“ vor Ort, die ihren Weg zu diesem Berg mitten im Nirgendwo auf eigene Faust gesucht und gefunden haben und denen die Form des Berges eben zu einem Fetisch wurde, den sie wieder und wieder gezeichnet, nachempfunden oder halt aus Kartoffelpüree nachgebildet haben. Und es landet ein Raumschiff, welches in seiner Form und Erhabenheit an eine Kathedrale erinnert und von der Kritik dann auch immer wieder mit einer solchen verglichen wurde. Wenn Männer wie Lacombe dieses sehen, wenn sie sehen, wie sich die Wesen aus dem All um Neary scharen, dann, so scheint Spielberg uns sagen zu wollen, dann wird auch der letzte Wissenschaftler gläubig, dann wird deutlich, welche Seite – Glaube oder Wissenschaft – gewinnen wird.

So entscheidet sich also der Glaubenskampf zugunsten des „kleinen Mannes“, symbolisiert in Roy Neary, der nicht über die technischen Apparate und die Möglichkeiten der modernen Wissenschaft verfügt, jedoch in seinem reinen, naiven, eben kindlichen Glauben gefestigter ist als jeder Wissenschaftler in seiner „naturgegebenen“ Skepsis. Und zu diesem Bekenntnis zum Glauben des einfachen Menschen kommt eine quasi-christliche Botschaft, dass wir uns alle lieben können und keine Angst haben müssen vor dem und den Fremden, solange wir bereit sind, uns ihnen und ihren Welten zu öffnen. Gleichsam eine Friedensbotschaft. Alles fügt sich also zusammen in dieser apotheotischen Schlussszene des Films: Die inhaltlichen Ebenen, der versteckte Subtext, letztlich auch der immanente Meta-Text, da Spielberg ja, um sein Glaubensbekenntnis auf die Leinwand zu bringen, auf genau den technischen Hokuspokus setzt, den er inhaltlich zumindest in Frage stellt, wenn Roy Neary mit einfachsten Mitteln schafft, was die Männer um Lacombe nur mit äußersten Anstrengungen technisch zustande bringen. Kommunikation nämlich.

Vielleicht musste Spielberg sich genau so entscheiden. Denn CLOSE ENCOUNTERS OF THE THIRD KIND, der mit seinen Tricks und Effekten, auch wenn diese auf die Gesamtlänge des Films eher spärlich eingesetzt wurden, Maßstäbe setzte, ist eben auch ein Bekenntnis zum Kino traditioneller Machart. Es ist ein Bekenntnis zum Kino, wie es einst die „Generation Spielberg“, die natürlich auch schon mit dem frühen Fernsehen aufwuchs, die großen Säle aber noch kannte, in denen sich Tausend Menschen versammelten um Hollywoods Version der Welt und ihrer Geschichte zu bestaunen, überwältigte. Dies ist genau das – Überwältigungskino par excellence. Und erfüllt damit selbst eine quasi-religiöse Funktion, denn ist Kino in seiner konventionellen Art und Weise nicht genau das – den Zuschauer glauben machend? Glauben machend, er sähe, was nicht sein kann? Ihn also zu einem Gläubigen erhebend? So gesehen, hat Steven Spielberg mit CLOSE ENCOUNTERS OF THE THIRD KIND ein wahres Bekenntnis vorgelegt. Sein Bekenntnis zum Kino des überwältigenden Spektakels. Und in diesem Sinne hat er danach ja Film um Film vorgelegt, um dies wieder und wieder zu bezeugen.

In diesem Fall wendete er sich gerade zum rechten Zeitpunkt von jenem Kino der 70er Jahre ab, das soziale Wirklichkeit abbilden wollte und einem Kino zu, welches die aufkommende Dekade der 80er prägen sollte: Ein Kino des Spektakels, ein Fantasy-Kino im Gewand von Thrillern und Kriegsfilmen, in welchen Supermänner wie Rambo und Rocky reparieren konnten, was der Politik und der Gesellschaft zu reparieren nicht mehr gelang. Spielberg mag das so nicht im Sinne gehabt haben, eben weil seine Botschaft so religiös, ja christlich anmutet, doch leistete er dieser Entwicklung auf seine Art und Weise mindestens so Vorschub, wie es sein Freund George Lucas mit den ebenfalls religiös grundierten STAR WARS-Filmen tat. Beide gemeinsam schufen ein neues Kino, dessen Folgen bis heute auf den Kinoleinwänden der Welt zu besichtigen sind.

 

[1] Obwohl eine der wesentlichen Bands der 60er und der Gegenbewegung – die Grateful Dead – der unbedeutenden Meinung des Autors dieser Zeilen einige ihrer besten Jahre Ende der 70er hatten.

[2] Bevor ein Aufschrei der Empörung durchs Rund geht: Sicherlich ist THE GODFATHER nicht nur der künstlerisch wertvollere Film im Vergleich zu STAR WARS, und ganz sicher ist es sogar ein Produkt des New Hollywood; dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass gerade Coppola zur Riege jener Filmemacher gehörte, die eher wie die Tycoons des klassischen Studio-Systems dachten und der immer davon träumte, Filme zu drehen, wie es ein Irving Thalberg oder ein Darryl F. Zanuck getan hatten und dessen Mafia-Saga eindeutig auf den Eskapismus der „goldenen Jahre“ Hollywoods verwies.

[3] In jenen Szenen, in denen Roy und Jillian unsanft von Männern in Schutzanzügen in Lastwagen verfrachtet werden, um sie aus dem vermeintlichen Gefahrengebiet zu evakuieren, erinnert Spielbergs Film erstaunlich an George A. Romeros THE CRAZIES (1973); allerdings kehrt Spielberg die Motivik um: Bei Romero gab es einen realen Chemieunfall, der vom Militär und der Regierung verheimlicht werden soll, bei Spielberg wird ein Gasunfall vorgetäuscht, um die Menschen aus dem Gebiet zu vertreiben, wo man mit der Landung Außerirdischer rechnet. Einig sind sich beide Filme lediglich darin, dass es etwas gibt, das man vor der Bevölkerung zu verheimlichen hat.

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