WEISSE ZEIT DER DÜRRE/A DRY WHITE SEASON

Ein engagierter Anti-Apartheid-Film aus den späten 80er Jahren

Während im Jahr 1976 in den Townships Südafrikas die Schüler laut gegen die minderwertigen Bildungschancen für Schwarze protestieren und dabei immer wieder die Gewalt der Polizei erleben müssen, lebt die Familie Du Toit ihr geregeltes und weitestgehend sorgenfreies Leben in einem Vorort. Ben Du Toit (Donald Sutherland) ist Geschichtslehrer an einer Schule, er geht seinem Job nach, bastelt daheim gern mit seinem Sohn Johan (Rowen Elmes) an Holzarbeiten, die Tochter Suzette (Susannah Harker) ist verlobt und Gattin Susan (Janet Suzman) hält die Familie zusammen und kümmert sich um das Haus.

Eines Tages spricht Gordon Ngubene (Winston Ntshona), der sich um den Garten der Du Toits kümmert, aber auch an der lokalen Schule als Gärtner arbeitet, Ben an. Er bittet ihn um Hilfe, da sein Sohn Jonathan (Bekhithemba Mpofu) während einer Demonstration festgenommen und fürchterlich geprügelt wurde. Doch Ben beschwichtigt. Wenn der Junge bestraft wurde, dann sei sicher auch etwas vorgefallen.

Erneut gibt es Demonstrationen und diesmal geht es nicht mit Prügelstrafen aus: Die Polizei schießt mir scharfer Munition auf die Kinder und Jugendlichen, als diese den Protestzug nicht auflösen. Auch, als die Demonstranten fliehen, werden sie verfolgt und gnadenlos niedergeschossen und geprügelt. Jonathan wird festgenommen und in einen der Käfigwagen der Polizei gesteckt. Gordon und seine Frau Emily (Thoko Ntshinga) suchen verzweifelt nach ihrem Sohn, doch finden sie ihn nicht einmal in den Leichenschauhäusern, wo etliche der toten Kinder liegen.

Ben liest in der Zeitung von den Unruhen – 58 tote Schüler, weit über 700 Verletzte – und ist entsetzt. Doch bei Treffen mit der Familie und den Eltern des Verlobten seiner Tochter sieht er sich mit der Ansicht konfrontiert, die „Aufständischen“ hätten es nicht besser verdient, sie seien selbst schuld, immerhin gebe sich die Regierung viel Mühe, die Situation der Schwarzen zu verbessern. Auch deutlich rassistische Argumente, wie jenes, Schwarze bräuchten keine Bildung, da sie sowieso dumm seien, sind zu hören.

Als Gordon Ben erneut bittet, ihm zu helfen – diesmal, den Leichnam seines Sohnes zu finden, denn mittlerweile wurde den Ngubenes mitgeteilt, daß Jonathan tot sei, setzt Ben sich zwar für die Familie ein, lässt sich jedoch recht schnell mit oberflächlichen Beschwichtigungen abspeisen. Gordon will diese nicht akzeptieren und versucht mit Hilfe seines Freundes und Anwalts Stanley Makhaya (Zakes Mokae), der für seinen Lebensunterhalt Taxi fährt, Jonathans Leichnam zu finden. Doch schnell schlägt die Staatsmacht zu. In Gestalt von Captain Stolz (Jürgen Prochnow) wird Gordon festgenommen und verschwindet in den Foltergefängnissen der Special Branch, jener Abteilung der Polizei, die offiziell gegen Terrorismus und Staatsfeinde kämpft, tatsächlich aber vor allem gegen die schwarze Bevölkerung Südafrikas vorgeht.

Erneut versucht Ben, der von Makhaya kontaktiert wird, für Gordon einzutreten, doch diesmal wird ihm klar signalisiert, daß er sich zurück zu halten habe, Gordon Ngubene sei ein gefährliches Subjekt, ein Terrorist. Ben zeigt sein völliges Unverständnis für diese Annahme. Doch er kann nichts für seinen ehemaligen Gärtner tun. Gordon stirbt schließlich unter fürchterlichen Qualen im Polizeigewahrsam, wo er gefoltert wird.

Als Makhaya Ben mitteilt, daß Gordon tot ist, empört sich der Geschichtslehrer erstmals wirklich. Er bittet Makhaya, ihn ins Township mitzunehmen, er will Gordons Leichnam sehen. Gegen anfänglichen Widerstand erklärt der Taxifahrer sich schließlich dazu bereit, Ben auf die für einen Weißen nicht ungefährliche Fahrt mitzunehmen. Im Bestattungsinstitut sieht Ben, wie fürchterlich Gordon zugerichtet wurde. Er weiß sofort, daß die Angabe der Polizei, der Mann habe Selbstmord begangen, nie und nimmer stimmen kann. Erstmals trifft er auch auf die Journalistin Melanie Bruwer (Susan Sarandon), mit der zu reden Ben jedoch ablehnt.

Ben sucht den Menschenrechtsanwalt Ian McKenzie (Marlon Brando) auf, der ihn vor Gericht vertreten soll. Ben will die Polizei, vor allem Captain Stolz, verklagen und erzwingen, daß die Behauptung, Gordon habe Selbstmord begangen, zurückgenommen wird. McKenzie lehnt das Mandat zunächst ab, da er weiß, wie wenig Sinn es macht, gegen die Staatsmacht vorzugehen. Doch als er merkt, daß Ben es ernst meint, sagt er zu – und sei es nur, so seine Einlassung, um Ben zu beweisen, daß es keinen Sinn mache.

Vor Gericht bestätigt sich diese Annahme schnell. Trotz aller Versuche McKenzies, zu beweisen, daß Gordon Ngubene unter fürchterlichen Umständen zu Tode kam und obwohl es ihm sogar gelingt, Captain Stolz im Zeugenstand in Bedrängnis zu bringen, beschließt das Gericht, daß es keine hinreichenden Gründe für ein Verfahren gäbe und lehnt die Klage ab.

Nun beschließen Ben und Makhaya, auf eigene Faust weiter zu machen, um vor das Verfassungsgericht zu ziehen. Sie sammeln über Wochen und Monate Eidesstattliche Erklärungen von Zeugen, die sowohl Jonathans Verhaftung, als auch die Vorgänge in den Foltergefängnissen gesehen haben. Mit Hilfe von Melanie Bruwer, deren Vater (Leonard Maguire) ein bekannter Professor ist, gelingt es sogar, eine Aussage von einem nach Swasiland geflohenen Zeugen zu bekommen, die eindeutig belegt, daß sowohl Jonathan, als auch sein Vater getötet wurden. Allerdings wird Melanie für ihren Einsatz mit Deportation bestraft und muß das Land Richtung Großbritannien verlassen.

Die Polizei geht nun auch immer deutlicher und radikaler gegen Ben vor. Das wirkt sich auf sein Familienleben aus. Sowohl seine Tochter Suzette als auch seine Frau Susan stellen sich immer deutlicher gegen ihn. Susan fordert ihn auf, sich für „sein Volk“ zu entscheiden, sie, die weißen Buren, hätten Südafrika erst zu dem gemacht, was es sei und es gehöre eben nun mal den Weißen. Sicher geschähen schreckliche Dinge, aber Susan ist sich sicher, daß die Schwarzen Gleiches – oder Schlimmeres – mit den Weißen täten, wenn sie nur könnten.

Ben geht hohe Risiken ein, als er die Eidesstattlichen Erklärungen, die er und Makhaya gesammelt haben, bei sich versteckt. Er hält das Versteck auch vor seiner Familie geheim. Captain Stolz durchsucht das Haus der Du Toits und macht Ben klar, daß er ihn ebenfalls verfolgen wird. Wie stark die Macht der weißen Gesellschaft ist, spürt Ben auch, als er seinen Job verliert. Der Direktor der Schule macht deutlich, daß er Ben für einen Verräter an der Sache der Weißen – und der Buren – hält. Auch Johan soll die Schule verlassen.

Am Weihnachtsabend kommt es zum endgültigen Eklat, als Makhaya in die familiäre Feier platzt, betrunken und vollkommen verzweifelt. Emily ist tot, sie wurde von Einsatzkräften vor den Augen ihrer Kinder zu Tode geprügelt, als sie sich weigerte ihr Haus im Township zu verlassen. Auch einzelne Zeugen, die für Gordon ausgesagt haben, verschwinden oder werden getötet. Susan verlässt das Haus und zieht zu Suzette und ihrem Mann. Johan will bei seinem Vater bleiben, doch als nachts auf das Haus geschossen wird, hält auch Ben dies für zu gefährlich.

Ben, der weiß, daß es keinen Sinn mehr macht, noch auf ein Verfahren zu hoffen, will, daß die Papiere, die er versteckt hält, in der Zeitung veröffentlicht werden, für die Melanie gearbeitet hat. Der Chefredakteur, ebenfalls ein überzeugter Gegner der Apartheid, erklärt sich einverstanden. Doch der Schuppen, in dem Ben die Papiere versteckt hatte, wird eines Tages in die Luft gesprengt. Zuvor hatte Suzette zufällig gesehen, wie Ben Johan das Versteck gezeigt hatte. Ben weiß nun, daß seine eigene Tochter gegen ihn arbeitet. Glücklicherweise hatte Johan schnell begriffen, daß es gefährlich ist, wenn Suzette Bescheid weiß und die Papiere in einem anderen Versteck untergebracht.

Nun denken sich Johan, Makhaya und Ben einen Trick aus, wie sie die Papiere an den sie ständig beobachtenden und verfolgenden Agenten der Special Branch vorbei zur Redaktion bringen können. Dafür vereinbart Ben ein Treffen mit Suzette, bei dem er ihr falsche Papiere übergibt, wohl wissend, daß sie diese umgehend an Stolz weitergeben wird. Derweil bringt der noch unverdächtige Johan die echten Papiere mit dem Fahrrad zur Redaktion. Suzette erklärt Stolz, den sie trotz allem verachtet, daß sie einfach nur wolle, daß alles wieder werde, wie es einst war. Dann geht sie. Stolz öffnet den Umschlag und merkt sofort, daß er nicht in den Händen hält, was er erwartet hatte. Wütend startet er seinen Wagen, als er Ben sieht, der vom Treffpunkt mit Suzette, einem Café, auf die Straße tritt. Stolz überfährt ihn und überrollt ihn dann mehrfach.

Die Zeitungen im In- und Ausland sind voll mit den Artikeln zu den Vorgängen um Gordon Ngubene und seinen Sohn und die Rolle, die die Special Branch dabei gespielt hat. Stolz geht dennoch weiter seiner Arbeit nach. Eines Morgens will er zur Arbeit fahren, als er aus einem Taxi heraus erschossen wird. Stanley Makhaya hat Ben, aber auch Gordon und all die Namenlosen gerächt. Er fährt davon.

Die himmelschreiende Ungerechtigkeit des südafrikanischen Apartheid-Systems, das sich nach 1945 verfestigte und dann bis in die 1990er Jahre Bestand hatte, war nahezu der gesamten Welt bewußt, wirklich dagegen angehen konnte – und wollte – allerdings kaum eine Nation, weder im Westen, noch in den Ostblockstaaten. Zwar wurden Sanktionen verhängt, das Land wurde aus dem Commonwealth, jener Organisation ehemaliger britischer Kolonien, ausgestoßen und immer wieder wurden zivile kulturelle und gesellschaftliche Versuche unternommen, gegen das Unrecht anzugehen, doch wirkliche Veränderung gab es erst, als sich die Weltordnung des Kalten Krieges auflöste und somit auch die Verhältnisse am Kap der guten Hoffnung heillos veraltet wirkten. Zu interessant war das Land zuvor als Geschäftspartner und Lieferant aller möglichen Rohstoffe. Künstler riefen immer wieder zu Boykotten auf und feierten jene politischen Helden, die die schwarze Widerstandsbewegung im Laufe der Jahrzehnte hervorbrachte, allen voran Nelson Mandela. Aber auch Steve Biko, dem Peter Gabriel einen seiner eindringlichsten Songs widmete, oder Bischof Desmond Tutu wurden selbstverständlich an die Seite von amerikanischen Bürgerechtlern wie Martin Luther King gestellt. Und auch das Kino mühte sich immer wieder, politischen EInfluß zu nehmen und das Publikum zu sensibilisieren. Gerade in Großbritannien, wo es eine jahrzehntelange Tradition des Widerstands gegeben hatte, wo viele Exil-Südafrikaner lebten und dafür sorgten, daß das Unrecht in ihrem Heimatland nicht in Vergessenheit geriet, waren Künstler wachen Sinnes, was das Land an der Südspitze des afrikanischen Kontinents betraf.

Die 80er Jahre sahen einige Filme, die sich des Apartheid-Problems annahmen, allen voran Richard Attenboroughs CRY FREEDOM (1987), der mit Denzel Washington als Steve Biko und Kevin Kline in der Rolle des Journalisten Donald Woods eine internationale Besetzung hatte und auch deshalb große Aufmerksamkeit generieren konnte. Ein Jahr später kam A WORLD APART (1988) auf den Markt, ein Film, der in den 60er Jahren spielte und ein dezidiert weißes Schicksal schilderte. Und ein weiteres Jahr später war es schließlich A DRY WHITE SEASON (1989), der mit Marlon Brando in einer kleinen aber wesentlichen Rolle Aufsehen erregte. Unter der Regie der französischen Filmemacherin Euzhan Palcy  wurde vom sozio-kulturellen Erwachen eines naiven Geschichtslehrers erzählt, der während der Unruhen in Soweto und anderen Townships im Sommer 1976 erst sehr langsam begreift, wie ungerecht und brutal das weiße Regime die schwarze Mehrheitsbevölkerung unterdrückt und bekämpft. Waren Attenborough und Chris Menges, der Regisseur von A WORLD APART, weiße Männer, die von Weißen in Südafrika erzählten, wundert es im Falle von Palcy, daß sie mit der Verfilmung eines Romans von André Brink – eines, wenn auch immer gegen die Apartheid engagierten, weißen Mannes – ebenfalls im Kern die Geschichte eines Weißen erzählte. Palcy selbst ist dunkler Hautfarbe.

Damit nämlich ist das eigentliche Problem all dieser Filme umrissen: Sie erzählen allesamt von Weißen, die mit dem Regime aneinandergeraten. Sie erzählen diese Geschichten so, daß fast der Eindruck entsteht, die schwarze Bevölkerung des Landes sei nicht in der Lage gewesen, sich selbst zu befreien. Doch die größten Opfer in diesem Kampf brachten Schwarze, nicht Weiße. Männer wie Mandela, der jahrzehntelang im Gefängnis saß, Biko, der grausam umgebracht wurde, Tausende Namenlose, die ihr Leben für den Freiheitskampf gaben. Männer wie Donald Woods, dessen Geschichte Attenborough als so heldenhaft schildert, mögen ihren Anteil daran gehabt haben, daß die Welt das Unrecht wahrnahm, daß gerade in Europa immer und immer wieder Stimmen laut wurden, die ein härteres Vorgehen gegen das Unrechtsregime einforderten. Kommunisten, wie Menges sie in A WORLD APART beschreibt, sind sicherlich mitentscheidend gewesen, daß die weiße Bevölkerung des Landes sich nicht sicher sein konnte, als homogene Gruppe zusammenzustehen, sondern mit der Verunsicherung leben musste, daß es auch in ihren Reihen Verfechter der Gleichheit und gerechter Gesetzgebung gab. Aber den eigentlichen Kampf mussten Schwarze führen, es war ihr Blut, das vergossen wurde, sie hatten die unsägliche Gewalt zu erleiden.

A DRY WHITE SEASON – das muß man dem Film zugutehalten – zeigt diesen Kampf und beschönigt nichts. Er stellt die Brutalität des Regimes ebenso aus, wie er die Naivität jener überdeutlich macht, die sich irgendwie unpolitisch gaben, sich in einem Land wähnten, wo die Dinge schon richtig laufen und die ansonsten nicht allzu genau hinschauten. Donald Sutherland spielt den Geschichtslehrer Ben Du Toit, dessen Gärtner Gordon Ngubene ihn mehrfach um Hilfe bittet, als sein Sohn während der Unruhen in Soweto erst eine drastische Prügelstrafe erhält, dann verschwindet und Tage später für tot erklärt wird. Als Ngubene versucht, die Todesursache herauszufinden und das Grab seines Sohnes sucht, wird er selber von der Polizeieinheit der Special Branch verhaftet und zu Tode gefoltert. Erst jetzt, als es im Grunde zu spät ist, wacht Ben auf und versucht mit Hilfe eines bekannten Menschenrechtsanwalts für die Sache seines ehemaligen Angestellten zu kämpfen. Zwar wird es ihm und dem Taxifahrer Stanley Makhaya, der selbst eine Zulassung als Anwalt hat, gelingen, einige eidesstattliche Erklärungen zusammen zu tragen, die die wirklichen Vorgänge um den Tod von Jonathan und Gordon Ngubene erklären, doch zu einer Verhandlung vor einem hohen Gericht kommt es nicht mehr, da die Special Branch mit äußerster Brutalität, die zu zeigen sich Palcy ebenfalls nicht scheut, gegen jeden vorgeht, der ihr zu nahe kommt oder gefährlich wird. Und so rückt auch der anfangs so gutgläubige Geschichtslehrer immer mehr in den Fokus der Polizei, was ihn zunächst seinen Job, dann seine Ehe und die sozialen Kontakte, schließlich das Leben kostet.

Obwohl Buch und Regie sich viel Mühe geben, das Leid der schwarzen Bevölkerung zu zeigen, bleibt es am Ende ein weißes Schicksal, das hier betrauert wird. Wenn Ben Du Toit am Ende des Films tot auf der Straße liegt, in einem eiskalten Racheakt überfahren vom Chef der Special Branch, einem Mann namens Stolz, den Jürgen Prochnow in einer Mischung aus eisigem Charme und unterschwelliger Gewaltbereitschaft spielt, dann ist er ein Märtyrer, derjenige, der nach einem Passionsweg, bestehend aus Erkenntnis, Trauer, Wut, Isolation und letztendlich Stigmatisierung den Opfertod als Gestus der Schuld des weißen Mannes auf sich genommen hat. All die vielen, vielen toten Schwarzen, die auch während der Handlung des Films sterben – allein jene Kinder, die in Soweto erschossen werden – stehen weit dahinter zurück. So sehr A DRY WHITE SEASON Gerechtigkeit herstellen, das ganze Bild, ein weites Panorama zeichnen will – es bleibt letztlich ein weißer Blick auf ein weißes Schicksal.

Doch neben der Meta-Kritik gibt es durchaus auch filmisch einiges anzumerken. Das Drehbuch von Colin Weiland gibt sich sichtlich Mühe, den verschiedenen Aspekten der Apartheid zu genügen, allerdings geraten die Figuren dabei oft klischeehaft und stereotyp. Die einzelnen Personen nehmen Funktionen ein: Der naive Ben, immerhin ein Geschichtslehrer, seine Frau, die das Unrecht zwar sieht, sich aber schließlich gegen ihren Mann stellt, der Sohn, der dem Vater zu Gefallen und auch aus wachsender eigener Überzeugung hilft, Geheimpapiere zu verstecken, die Tochter, die, um den Familienfrieden wieder herzustellen, den Vater verrät, der brutale Captain, der schwarze Helfershelfer und Folterknecht, der gegen die eigenen Leute vorgeht, der junge Schwarze, der im Polizeipräsidium arbeitet, Zeuge der Folterungen wird und doch Angst hat, auszusagen, froh, überhaupt einen guten Job ergattert zu haben, die junge Journalistin, die das System Südafrika schon lang durchschaut hat und kämpft, um schlußendlich nach England deportiert zu werden. Und schließlich Gordon Ngubene, der darum kämpft, seine Würde zu wahren und doch Opfer des Systems wird, und sein Freund, der Taxifahrer Stanley Makhaya, ein ebenso humorvoller wie weiser wie zynischer Mann, der entfernt die Züge eines Nelson Mandela trägt.

Sie alle stehen für einen bestimmten Aspekt in diesem System. Als Figuren bleiben sie aber meist flach, ihre Psychologie bleibt oberflächlich. So liegt es also in den Händen eines ausgesucht guten Ensembles, diese Figuren mit Leben zu füllen, sie glaubwürdig werden zu lassen und dem Film damit Herz und Seele zu verleihen. Und das gelingt. Nun hat man mit Donald Sutherland, Marlon Brando und Susan Sarandon in der Nebenrolle der kämpferischen Journalistin eine echte Bank an Darstellern. Brando, der zuvor jahrelang an keinem Film mitgewirkt hatte, übernahm die Rolle des Rechtsanwalts McKenzie für die tariflich festgelegte Mindestgage, lieferte dafür aber in den wenigen Leinwandminuten die eindringliche Performance eines Mannes, der weiß, daß sein Tun keinen Sinn hat, der längst durchschaut hat, daß er auf rechtsstaatlichem Wege nicht gegen das herrschende System ankommen kann. Es obliegt ihm, uns mit einigen der grässlichsten Details der Folter zu konfrontieren, die man sich vorstellen kann – und obwohl (oder gerade weil) der Film dabei auf Bilder verzichtet, läuft es uns kalt den Rücken hinunter, wenn wir hören, wie McKenzie mit bebender Stimme die Liste der Verletzungen vorliest, die sich an Gordon Ngubenes Körper feststellen ließen. Vielleicht bedarf es eben der schauspielerischen Kraft eines Marlon Brando, die Empörung dieser Momente so darzustellen, daß sie nicht einfach Behauptungen gleichen, bei denen ein Publikum weiß, daß es jetzt betroffen zu sein hat, sondern ein Publikum wirklich zu treffen.

Sutherlands Darstellung des langsam begreifenden Lehrers ist ähnlich stark und lässt den Betrachter nicht nur glauben, daß es diese Naivität gab, sondern begreifen, daß es sie geradezu brauchte, um ein System wie das der Apartheid aufrecht zu erhalten. Prochnow als Captain Stolz vertritt die Staatsmacht mit der ganzen Kälte und Brutalität, die sie ausstrahlte und in seiner Figur erst wird deutlich, daß eben auch Weiße als Gefangene des Systems betrachtet werden mussten. Wer aus der Phalanx der angenommenen weißen Überlegenheit ausbricht, wer an der eigenen Position zu zweifeln beginnt, wer das System in Frage stellt, sieht sich mit den in den 80ern typischen Vorwürfen, er sei ein Kommunist, konfrontiert und erleidet zumindest einen sozialen Tod. Janet Suzman, die Du Toits Gattin spielt, bietet einen ähnlich starken Auftritt, wenn sie glaubwürdig vermittelt, wie der Riss, der entsteht, wenn man anfängt zu begreifen, direkt durch eine Familie – und somit die Gesellschaft – läuft. Es ist eine großartige Leistung, daß sie den Zuschauer ihre innere Zerrissenheit spüren lässt, sogar verstehen lässt, weshalb sie sich schließlich gegen ihren Gatten stellt. Und dennoch wenden wir uns ab, wenn sie schließlich zu den typischen Argumenten weißer Überlegenheit greift, darauf beharrt, man müsse sich eben für eine Seite entscheiden und es seien die Weißen, die Buren, gewesen, die das Land überhaupt erst aufgebaut und zu dem gemacht hätten, was es ist.

Die Figuren – und damit auch die Darstellungen – der Schwarzen sind eher als Nebenrollen angelegt, lediglich Zakes Mokae in der des taxifahrenden Anwalts Stanley Makhaya wird im Laufe des Films zu einer Du Toit ebenbürtigen Figur. Auch seine Darstellung zwischen Lebensklugheit, Mißtrauen und Zynismus ist hervorragend, erinnert aber oft zu sehr an vergleichbare Charaktere in weitaus weniger engagierten Filmen, die unterstützende Funktionen haben und für Lacher und ein wenig Action sorgen sollen. Allerdings liegt dies an der Figur, ihrer Anlage im Drehbuch, nicht an der Kraft seiner darstellerischen Leistung.

Palcy bietet eine eher konventionelle Inszenierung, um die Geschichte zu erzählen, findet dann aber doch immer wieder Bilder und Momente großer Eindringlichkeit. So changiert der Film gekonnt zwischen nüchterner, manchmal fast distanzierter Betrachtung und Emotionalität, zwischen Subtilität und offener Empörung. Bewußt scheint sich die Regie dort zurück zu halten, wo andere die Möglichkeit genutzt hätten, den Zuschauer mit Trauer und Wut zu überwältigen – so zum Beispiel in jener Szene, in der Gordon Ngubene und seine Frau im Leichenschauhaus der Polizei ihren Sohn suchen und etliche tote Kinder sehen. In anderen Momenten hält sich Palcy weniger zurück und konfrontiert den Betrachter gnadenlos mit Bildern von Folter, auch die Inszenierung der Aufstände in Soweto schreckt nicht vor drastischen Bildern zurück. Gerade in diesen Szenen unterstützt der sonst ebenfalls eher zurückhaltende Soundtrack die Bilder. Dazu nutzt Palcy einzelne Stücke von Ladysmith Black Mambazo, die mit ihrer Grundierung traditioneller Stammesmusik die Dringlichkeit dieses Freiheitskampfes verdeutlichen. Und immer wieder werden diese Bilder mit solchen aus dem Garten der Du Toits gegengeschnitten, wo die Familie auf dem sattgrünen Rasen in weißen Stühlen sitzt und den Nachmittagstee genießt. Auch die Kontraste zwischen den schönen, baumbestandenen Wohnalleen der weißen Mittelschicht und den Townships ist überzeugend gelungen. Es dauert, bis wir die ganze Grausamkeit des Regimes wirklich begreifen, obwohl wir gerade durch diese Kontrastierung einen deutlichen Wissens- und Erkenntnisvorsprung vor Ben Du Toit haben, seine Lernkurve aber dennoch gut verfolgen können.

Vielleicht war es notwendig, diese explizit weiße Perspektive zu bieten, um ein weißes Publikum in den europäischen Ländern oder in Amerika abzuholen und dessen Aufmerksamkeit zu erringen. Wenn man von dieser Prämisse ausgeht, dann allerdings ist A DRY WHITE SEASON in mancher Hinsicht besser gelungen, ehrlicher, auch radikaler als bspw. Attenboroughs Hochglanzprodukt. Emotional packt Palcy den Zuschauer, argumentativ muß sie ihn bald nicht mehr überzeugen, da er versteht, was vor sich geht, in der Analyse aber bleibt ihr Film schwach, weil zu schematisch, zu eindimensional, zu thesenhaft. So kann man dies als einen Beitrag zu einem Kampf betrachten, von dem Sarandons Figur Melanie Bruwer einmal sagt, es sei kein Sprint, es sei ein Langstreckenrennen. Als Film allerdings überzeugt das dann nur teilweise, vor allem eben in den Leistungen der Schauspieler.

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