CONTAGION

Steven Soderbergh bietet das extrem realistische Szenario einer Pandemie

Beth Emhoff (Gwyneth Paltrow) kehrt von einem beruflichen Asien-Aufenthalt zurück. Sie landet in Chicago, wo sie einige Stunden Zeit hat, bevor sie gen Minneapolis weiterfliegen muß. In dieser Zeit trifft sie sich mit einem ehemaligen Liebhaber zu einem Schäferstündchen in einem Hotel. Als sie schließlich zuhause ankommt, zeigt sie starke Grippesymptome. Zugleich spürt auch ein Mann in Hongkong starke Grippesymptome. Beth wird in den Stunden nach ihrer Rückkehr immer kränker, bis sie schließlich kollabiert. Im Krankenhaus versuchen die Ärzte alles, um ihren Zustand zu verbessern, doch sie stirbt. Bei einer heimlichen Autopsie stellen die Mediziner fest, daß ihr Gehirn angegriffen scheint. Auch in Hongkong stirbt der Mann, der offenbar die Grippe hatte, mittlerweile ist seine Lebensgefährtin allerdings ebenfalls erkrankt. Auch Beth´ Sohn Clark zeigt nun erste Symptome einer Erkrankung, lediglich Beth zweiter Ehemann und Stiefvater von Clark, Mitch Emhoff (Matt Damon), scheint immun.

Nach und nach treffen bei den Gesundheitsbehörden in den unterschiedlichsten Ländern und bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) alarmierende Meldungen über Grippesymptome und schwere, oft tödliche Krankheitsverläufe ein. Offenbar hat man es mit einer Epidemie, wahrscheinlich bereits einer Pandemie zu tun.

Während die WHO die Suche nach einem Impfstoff veranlasst und mit der Epidemiologin Dr. Leonora Orantes (Marie Cotillard) eine Fachfrau darauf ansetzt, in Asien nach dem Ursprung der Krankheit zu suchen, wird in Atlanta, USA, das CDC (Centers for Disease Control and Preventation) mit der Erforschung und möglicher Prävention der Krankheit, die noch keinen Namen trägt, beauftragt. Der Leiter des CDC, Dr. Ellis Cheever (Laurence Fishburne) wird darüber hinaus von Militärexperten befragt, ob es sich bei der Krankheit um einen biologischen Terrorangriff handeln könne, was er allerdings nicht glaubt.

Im Auftrag des CDC fliegt Dr. Erin Mears (Kate Winslet) nach Minneapolis. Sie soll die Infektionskette und die Kontakte von Beth Emhoff nachverfolgen. Dabei stößt sie auch auf Beth´ Seitensprung, was sie Mitch, der weiterhin in Quarantäne ist, mitteilen muß. Für den Witwer bricht das Bild seiner Ehe auseinander. Seine Tochter Jory (Anna Jacoby-Herron), die aus seiner ersten Ehe stammt, besucht ihn. Gemeinsam mit ihr begibt er sich schließlich in häusliche Quarantäne, was für die junge Frau mehr und mehr zu einer Art Gefängnis wird, zumal Mitch mit aller Gewalt auf Einhaltung der Quarantäne drängt, weshalb auch der Nachbarsjunge sie nicht besuchen darf.

Dr. Ally Hextall (Jennifer Ehle), die mit Dr. Cheever eng zusammen arbeitet, schickt Material des Virus nach San Francisco zu Dr. Ian Sussmann (Elliott Gould), der ihr Mentor und Doktorvater war und als eine Koryphäe auf dem Gebiet der Virologie gilt. Hextall ist sich sicher, daß er das Virus zumindest wird identifizieren können. Doch da mittlerweile das Militär die Kontrolle über die Forschungsarbeit übernommen und bestimmt hat, daß nur noch Personen mit dem dafür nötigen Sicherheitsgrad weiter an dem Material forschen dürfen, soll Sussmann seine Untersuchungen einstellen. Der Arzt macht aber dennoch weiter.

Dr. Mears sucht weiter fieberhaft nach Kontaktpersonen in Beth´ Umkreis. Sie und andere versuchen zugleich, die Bevölkerung so gut es geht zu unterrichten, ohne Panik zu schüren. Doch schließlich erkrankt auch Mears. Sie stirbt in einem Sammellager für Virus-Patienten, das sie zuvor selber eingerichtet hatte.

In Asien gelingt es Dr. Orantes derweil mit Hilfe ihrer Kollegen vor Ort, die Infektionskette zu erforschen. Anhand von Videobändern aus dem Hotel und den Bars, in denen Beth sich am Vorabend ihrer Abreise aufgehalten hat, können die Forscher die Personen identifizieren, mit denen Beth Kontakt hatte und auch nachvollziehen, wie sich das Virus wahrscheinlich übertragen hat. Einer der Mitarbeiter von Dr. Orantes, Li Fai (Tien You Chui) erzählt ihr, daß seine Mutter am Virus gestorben ist und daß in seinem Dorf die Hälfte aller Bewohner erkrankt sind. Als er Orantes zu einem Treffen begleiten soll, entführt er sie mit Hilfe einiger Freunde, um sie als Geisel zu halten. Er will erzwingen, daß sein Dorf im Falle, daß ein Impfstoff gefunden wird, früh, am besten sofort beliefert wird.

Die Pandemie greift um sich. Mehrere Städte weltweit werden unter Quarantäne gestellt, die Bürgerrechte in den USA werden eingeschränkt, die Nahrung rationiert. Die Angestellten der Städte und der staatlichen Behörden streiken, weshalb der Müll nicht mehr abgeholt wird, Behörden unterbesetzt sind oder gar schließen müssen. Die öffentliche Ordnung droht zusammen zu brechen, da es zu Demonstrationen gegen die Maßnahmen der Regierung und zu Plünderungen kommt. Mitch beobachtet eines Nachts sogar, daß im Haus gegenüber Einbrecher kurzerhand die gesamte dort lebende Familie erschießen. Als er die Polizei informieren will, bekommt er lediglich Computerstimmen an den Apparat, die ihn auf immer andere Nummern verweisen.

Die Pandemie ruft auch allerhand Verschwörungstheoretiker und Scharlatane auf den Plan. Alan Krumwiede (Jude Law) ist ein solcher. Der Blogger, der sich selbst als Journalisten bezeichnet und gelegentlich Artikel bei einer Zeitung in seiner Heimatstadt San Francisco unterbringt, hat anhand der ersten Internetaufnahmen aus Asien, wo Menschen in einem Bus den Zusammenbruch eines Kranken gefilmt haben, verstanden, daß da womöglich etwas Großes heraufzieht. Er bleibt an den Ereignissen nah dran. Er selbst glaubt, daß ein Extrakt aus Forsythien am besten gegen das Virus hilft und macht einen Selbstversuch, als auch er erkrankt. Tatsächlich überlebt er die Infektion, was ihn für pharmakologische Konzerne interessant macht, die ihm nun viel Geld bieten, wenn er sie in sein Geheimnis einweiht und dann auf seinem Blog, der immerhin an die 12 Millionen Follower erreicht, Werbung für ihr Produkt macht.

Dr. Sussmann hat derweil auf eigene Faust weiter an dem Virus geforscht und kann seiner früheren Doktorandin Hextall die Ergebnisse schicken. So erfahren die Forscher am CDC, daß es sich um eine Mutation handelt, die Erbgut von Fledermäusen und Schweinen enthält. Sie taufen das neuartige Virus MEV-1.

Dr. Cheever, der sich im Fernsehen eine Auseinandersetzung mit Krumwiede liefert, bei der er auch persönlichen Angriffen des Mannes ausgesetzt ist, begreift, daß das Virus wahrscheinlich nicht mehr einzudämmen ist. Entgegen den Anordnungen der Behörden, informiert er seine Frau, die in Chicago weilt, und veranlasst sie, sofort alles stehen und liegen zu lassen und zu ihm nach Atlanta zu fahren. Als dies herauskommt, wird Cheever damit konfrontiert. Ihm werden weitere TV-Auftritte untersagt und mit einem späteren Disziplinarverfahren gedroht. Er darf aber vorerst weiter in seiner Position bleiben.

Dr. Hextall konnte das Virus unterdessen isolieren. Aufgrund ihrer Analyse und Nachzüchtung kann ein vorläufiger Impfstoff hergestellt werden. Doch werden die Probeläufe und Testphasen noch Wochen, wenn nicht Monate in Anspruch nehmen.

Wie im Falle von Dr. Orantes in Asien, kommt es auch an anderen Orten auf der Welt zu Entführungen und Geiselnahmen. Da die Plünderungen in den USA immer weiter zunehmen, greifen die Behörden zu immer drakonischeren Maßnahmen, um die Ordnung aufrecht zu erhalten.

Dr. Hextall, deren Vater, auch er ein Arzt, ebenfalls erkrankt ist, will nicht mehr warten. Sie injiziert sich den Impfstoff selber und kann damit beweisen, daß er wirkt. Nun wird der Impfstoff in zunächst kleinen Margen hergestellt und es finden öffentliche Verlosungen und Lotterien statt, wer zuerst geimpft wird.

Das Department of Homeland Security verhaftet Krumwiede, da er nicht nur zersetzende Theorien verbreitet, sondern mit seinen Forsythien-Fantasien auch Menschen gefährdet hat. Eine Untersuchung hat ergeben, daß der Mann nie mit dem Virus infiziert war, sondern eine „normale“ Grippe hatte. Doch Krumwiede kann sich auf seine Follower verlassen: Sie stellen seine Kaution. Er kommt frei.

Mitch und Jory harren weiterhin in ihrem Haus aus, bis endlich auch Jory geimpft wird. Auch der Nachbarsjunge ist mittlerweile immun und so können er und Jory, die sich ineinander verliebt haben, Wiedersehen feiern. Mitch findet die Kamera von Beth und sieht ihre letzten Fotos: Obwohl sie ihn betrogen hat, trifft ihn der Verlust schwer. Er betrachtet seine tote Frau, wie sie fröhlich zwischen ihm Fremden in Hongkong feiert.

Dr. Cheever will Dr. Hextall dazu bewegen, auf einem Empfang im Foyer des CDC teilzunehmen, wo sie als mutige Forscherin gefeiert wird. Sie will aber nicht, stattdessen schreibt sie Berichte.

In Asien übergibt ein führender Angestellter der WHO Impfstoff an die Entführer von Dr. Orantes, die daraufhin freigelassen wird. Im Dorf, wo man sie gefangen gehalten hatte, hat sie sich die Zeit damit verkürzt, die Kinder zu unterrichten. Als sie und ihr Vorgesetzter am Flughafen sitzen, teilt er ihr mit, daß der Impfstoff, der den Asiaten gegeben wurde, lediglich ein Placebo sei. Dr. Orantes verlässt daraufhin den Flughafen und kehrt ins Dorf zurück.

In einer Rückschau sieht man Tag eins der Pandemie: Bulldozer eines amerikanischen Unternehmens nehmen Rodungsarbeiten im Urwald Asiens vor, wobei sie Fledermäuse aufschrecken. Eine davon fliegt mit einem Stück Banane im Maul in einen Schweinestall, wo sie es fallen lässt. Ein Schwein frisst es. Später wird dieses Tier ausgesucht, verladen, geschlachtet und in einem Restaurant verarbeitet, wo am Abend Beth, die für eben jenes Unternehmen arbeitet, dessen Bulldozer im Urwald im Einsatz sind, isst, feiert und sich mit dem Koch und anderen Anwesenden ablichten lässt…

 

Seit dem Spätwinter und dem Frühjahr 2020 spricht die ganze Welt hauptsächlich von der Corona-Pandemie. Wie knapp Hundert Jahre zuvor die „Spanische Grippe“, hält nun das Corona-Virus Covid-19 die Welt in Atem. Nicht ganz so tödlich, medizinisch zumindest halbwegs im Zaum zu halten, sorgte es doch für Lockdowns, wirtschaftlichen Abschwung, enorme Härten im sozialen Miteinander und schien das Potential zu besitzen, gerade demokratische Gesellschaften spalten zu können, da die Maßnahmen, die ergriffen wurden, um das Virus einzudämmen, nicht allen gefielen. Die Bekämpfung des Virus – soviel konnte auch der pandemische Laie erkennen – war ein Fahren auf Sicht, ein großes Experiment, bei dem täglich neue Erkenntnisse neue Maßnahmen, Verschärfungen und Lockerungen erzwangen.

Als Szenario für Katastrophenfilme dienten Pandemien hingegen schon immer. Ob Elia Kazans PANIC IN THE STREETS (1950), ob Wolfgang Petersens OUTBREAK (1995) oder Marc Forsters WORLD WAR Z (2013) – unsichtbare Killer, die sich unbemerkt verbreiten, waren immer schon beliebte Bedrohungen, um ein Publikum nachhaltig zu schockieren und in Angst und Schrecken zu versetzen. So gesehen ist Steven Soderberghs CONTAGION (2011) ebenfalls nur ein weiterer Katastrophenfilm, der den Zuschauer ängstigt. Doch unterscheidet er sich fundamental von den anderen genannten Filmen und kann vor dem Hintergrund der aktuellen Pandemie und dem, was man sozusagen live daraus lernt, als ausgesprochen realistisch betrachtet werden. Dazu trägt sicherlich bei, daß der Film mit Unterstützung des CDC (Centers for Disease Control and Preventation), der amerikanischen Behörde zur Seuchenprävention und -bekämpfung, gedreht wurde, was sich in der dargestellten Faktenlage ebenso niedergeschlagen haben dürfte, wie im Look des Films, der extrem realistisch anmutet.

Soderberghs Film ist, darin ähnelt er sicherlich Petersens Werk am ehesten, definitiv ein Thriller[1]. Das Besondere an diesem Thriller ist allerdings, daß es dem Regisseur aufgrund der Drehbuchvorlage von Scott Z. Burns gelingt, die Spannung des Films nicht aus Momenten zu ziehen, die den Regeln des herkömmlichen Thrillers folgen – selbst eine Entführungsgeschichte, die in die Handlung eingebaut wird, nutzt er nicht für Action oder Spannungselemente – sondern der realistisch dargestellten Suche nach Impfstoff und Medikamenten, der Nachverfolgung der Infektionsketten und einigen Verweisen auf politische Ranküne, die aber weder ausgespielt, noch bevorzugt behandelt, sondern lediglich als Nebeneffekte einer plötzlich auftretenden Krankheit und dem daraus resultierenden Kompetenzwirrwarr dargestellt werden.

Bei einem Budget von gerade einmal 60 Millionen Dollar, was in diesen Zeiten nicht viel Geld für einen Hollywood-Film ist, mit einem Aufgebot an internationalen Stars – darunter Matt Damon, Kate Winslet, Marie Cotillard, Gwyneth Paltrow, Elliott Gould, Laurence Fishburne, Jude Law und Armin Rohde – in teils kleinen Nebenrollen, drehten Soderbergh, der auch die Kamera bediente, und sein Team an den unterschiedlichsten Orten weltweit. In San Francisco und Chicago, in Minneapolis, Atlanta, in Dubai, Hongkong, Japan, Russland, in der Schweiz, in Großbritannien, Malaysia und Brasilien fanden Aufnahmen für den Film statt, wodurch es Soderbergh schafft, das Pandemische, den globalistischen Faktor einer solchen Krankheit in unseren Zeiten der schnellen weltweiten Verbindungen, fassbar und spürbar zu gestalten.

Allein der Auftakt des Films, der mit schnellen Ortswechseln anschaulich macht, wie sich ein Virus an den unterschiedlichsten Orten bemerkbar machen kann und wie es durch leichte Berührungen, Anwesenheit zur falschen Zeit am falschen Ort und eigentlich nebensächliche Dinge, wie ein leeres Glas in einer Bar, in Windeseile Verbreitung findet, ist packend inszeniert, setzt den Ton des Films und wird damit zu einem echten Catcher. Der Zuschauer wird rasend schnell in das Geschehen hineingezogen, dem er sich dann für fast zwei Stunden nicht mehr wird entziehen können. Unterlegt mit einem mal perkussiven, meist aber elektronischen Soundtrack, den Cliff Martinez zu verantworten hat und der die Handlung mal treibt, mal entschleunigt und gelegentlich auch die emotionale Seite des Geschehens unterstützt, ohne dabei je kitschig oder auch nur sentimental zu werden, begleitet der Film eine Wissenschaftlerin des CDC, die die Infektionsketten in den USA nachzuvollziehen versucht, bis sie schließlich selbst erkrankt und schließlich an dem Virus stirbt; eine Epidemiologin der WHO, die in Asien den ursprünglichen Ausbreitungsherd zu erkunden sucht, wird als Geisel einer Dorfgemeinschaft festgehalten, die sich so Impfstoff erpressen will; der Chef des CDC versucht, die unterschiedlichen Dienste und Laboratorien zu koordinieren, sieht sich massiven Angriffen, vor allem aus der alternativen Bloggerszene und eines einflußreichen freien Journalisten, ausgesetzt, muß zwischen Wissenschaft. Politik und dem Militär vermitteln und irgendwann einsehen, daß ihm die Kontrolle entgleitet, was dazu führt, daß er seiner Frau geheime Informationen mitteilt, damit sie sich in Sicherheit bringen kann; eine der Forscherinnen, der es gelingt, das Virus zu isolieren und somit belastbar zu analysieren, entwickelt einen Impfstoff, den sie sich schließlich selber spritzt, da sie nicht mehr auf Versuchsreihen warten kann; ein Familienvater sieht hilflos zu, wie erst seine Frau, dann sein Steifsohn sterben, während er selbst offenbar immun ist und die Pandemie unbeschadet übersteht – dafür bricht allerdings sein Weltbild zusammen, da die Erkundigungen der Wissenschaftler ans Tageslicht bringt, daß seine Frau nicht ganz treu war.

All diese Geschichten sind mal enger, mal ferner miteinander verzahnt, doch wirkt der Film dabei weder episodisch, noch fragmentiert er. Soderbergh und Burns fügen all diese eher distanziert erzählten Einzelteile nahezu organisch zusammen, schaffen eine einheitliche Erzählstruktur, die durch nüchterne Einblendungen des jeweiligen Tages seit dem Ausbruch zeitlich eingeteilt werden – am Ende werden es über 140 Tage gewesen sein – und bieten damit ein eindringliches, sehr bedrohliches und schockierend realistisches Bild dessen, was eine Pandemie eben bedeuten kann. Wie nebenbei – und da muß man Soderbergh gesondert für loben, weil er sich wirklich als Filmemacher, als Bilderproduzent beweist und auf sein Publikum vertraut – werden die sozialen Verwerfungen mit erzählt, indem wir sie sehen, ohne daß sie extra erklärt werden. Da die städtischen Angestellten irgendwann streiken, stapelt sich der Müll in den Straßen, es kommt zu Demonstrationen gegen die Maßnahmen und schließlich zu Plünderungen und Massenaufständen, die Straßen sind leergefegt und Bahnhöfe, Flughäfen, öffentliche Gebäude liegen verweist. Auch die Gegenentwürfe der Esoteriker, die lieber auf Forsythienextrakt vertrauen, als auf wissenschaftliche Expertise, die Gegenerzählungen einer Internetszene, die überall Verschwörungen und politisches Kalkül hinter den staatlichen Entscheidungen wittert, denken Buch und Regie mit – und erweisen sich damit als ausgesprochen prophetisch, bedenkt man all die mittlerweile blühenden Verschwörungsnarrative, die sich aus der aktuellen Pandemie-Krise im Internet reell breitmachen.

CONTAGION ist, anders als bspw. WORD WAR Z, kein Untergangsthriller. Auch bietet er kein aufgesetztes Happy-End, wie es Petersen in OUTBREAK tat. Vielmehr bemüht er sich um eine realistische Erzählung. Das Virus, im Film handelt sich um eine Mutation, die sowohl Erbgut von Schweinen, wie von Fledermäusen beinhaltet, heißt im Film MEV-1 und soll ein neuartiges Virus darstellen, weißt allerdings Ähnlichkeiten sowohl mit der Vogelgrippe (H5N1) und dem Corona-Virus SARS auf. Es wirkt enorm tödlich, wir erfahren an einer Stelle des Films, daß es in den USA nahezu zweieinhalb, weltweit an die 26 Millionen Menschen getötet hat. Dennoch gelingt es den Wissenschaftlern irgendwann, einen Impfstoff zu entwickeln. Anders, als es ein Film wie OUTBREAK naheliegt, an dessen Ende die wesentlichen Protagonisten gerettet und die Bösen verhaftet sind und selbst der Affe, der das ganze Unheil anrichtete, in rettendem Gewahrsam ist, ist bei Soderbergh allerdings mit der Impfung nicht alles wieder gut oder gar wie zuvor. Die Verluste, sowohl die menschlichen als auch die wirtschaftlichen und sozialen, zeigt und benennt der Film deutlich.

Soderbergh lässt es sich nicht nehmen, seinem Film auch eine subtile politische Botschaft einzuschreiben. Einerseits ist da der Impfstoff, der in das asiatische Dorf geliefert wird, damit die WHO-Epidemiologin freigelassen wird und das sich als Placebo herausstellt – letztlich kennen die Institutionen eben doch wenig Erbarmen, zeigen wenig Mitgefühl mit den Schwächsten in den Ketten der Infektionen; andererseits wird am Ende des Films „Tag 1“ beschrieben, also der Ausbruch der Epidemie, die sich so schnell zu einer Pandemie auswächst. Eine durch Bulldozer eines amerikanischen Unternehmens aufgescheuchte Fledermaus in Asien knabbert an einer Banane, flieht dann in einen nahgelegenen Schweinestall, wo sie das Stück Banane fallen lässt, eines der Tiere im Stall frisst es, somit gelangt es in die Nahrungskette des Menschen. Zudem wäscht der Koch, der das Schwein gekauft und zubereitet hat, sich nicht die Hände, bevor er seine Gäste – darunter einer Vertreterin jener Firma, die die Bulldozer stellt – per Handschlag begrüßt. Soderbergh beschreibt also mit einfachen Mitteln jenen Kreislauf, der uns zukünftig noch häufiger mit Bedrohungen wie einer Corona-Pandemie konfrontieren wird. Ein Kreislauf, der nicht zuletzt dadurch ausgelöst wird, daß sich die Kreise von Menschen und wilden Tieren – bspw. Fledermäusen – immer häufiger kreuzen, weshalb der Mensch eben auch mit Viren in Berührung kommt, die sonst vielleicht in den Tiefen der Urwälder verborgen geblieben wären.

CONTAGION überzeugt aufgrund seiner distanzierten, rein deskriptiven, den Zuschauer wenig emotionalisierenden Erzählweise. Es ist ein Film, der sich auf eine fast dokumentarische Perspektive zurückzieht, der seinem Material vertraut und davon ausgeht, daß dieses Material an sich genügend Potential birgt, um das Publikum zu berühren und, ja, auch zu ängstigen. Hinzu kommt eine herausragende Ensembleleistung aller am Film beteiligten Schauspieler, die auch kleinen Rollen wie der der Beth Emhoff, Leben einzuhauchen verstehen und so den menschlichen Faktor unter all den medizinischen Fakten zu verdeutlichen vermögen. CONTAGION verlässt sich vor allem aber auf seine Bilder. Es muß nicht alles, was wir sehen, noch einmal dialogisch erklärt werden, was dies zu einem wirklich erwachsenen Film macht. Ein Film von einem reflektierenden Künstler für ein reifes Publikum, auf das sich dieser Künstler verlassen will und verlassen kann. Ein seltenes filmisches Kunststück, das erneut hochaktuell ist.

 

[1] Kazans Film ist im Grunde ein Kriminalfilm, der im Look eines ‚Film Noir‘ daherkommt; Forsters Werk ein Zombiefilm, der das Virus als Erklärung nutzt.

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