UNTER GEHEIMBEFEHL/PANIC IN THE STREETS

Elia Kazan lässt Richard Widmark nach einem Mörder suchen, um diesen heilen zu können

Bei einem Kartenspiel in einer Bar in New Orleans kommt es zu einem Streit. Kochak (Lewis Charles) will den Kartentisch verlassen, obwohl er Gewinne erzielt hat. Doch geht es dem Mann, der offenbar illegal in die USA eingereist ist, alles andere als gut. Ihm ist heiß, zugleich hat er Schüttelfrost. Dennoch ist es ein Ding der Unmöglichkeit, einfach als Gewinner aus einem Spiel auszusteigen. So folgen ihm seine Mitspieler Poldie (Tommy Cook), der auch Kochaks Cousin ist, Raymond Fitch (Zero Mostel) und Blackie (Jack Palance), der dabei der Wortführer ist. Sie stellen Kochak, töten ihn und nehmen ihm sein Geld ab.

Am folgenden Tag wird die Leiche aus dem Hafenbecken gefischt. Man bringt sie ins Leichenschauhaus, wo der örtliche Gerichtsmediziner sie untersucht. Dabei fallen ihm einige Merkwürdigkeiten im Körper des Toten auf. Er lässt Dr. Clint Reed (Richard Widmark) informieren, der für die nationale Gesundheitsbehörde arbeitet.

Reed, der eigentlich einen freien Tag daheim bei seiner Frau Nancy (Barbara Bel Geddes) und mit seinem Sohn Tommy (Tommy Rettig) verbringen wollte, erklärt sich bereit, ins Leichenschauhaus zu kommen. Dort stellt er schnell fest, daß man es mit einer Seuche zu tun hat: Der Tote war mit der Pest infiziert. Zwar hat Reed schnell ein Gegenmittel zur Hand, wodurch die Polizisten und Mediziner, die bisher in den Fall involviert waren, geimpft werden können, doch weist Reed gegenüber Captain Warren (Paul Douglas), der die Ermittlung leitet, darauf hin, daß ihnen etwa 48 Stunden blieben, um sämtliche Personen aufzutreiben, die Kontakt zu dem Toten hatten, dessen Identität unbekannt ist. Ansonsten müsse man von einer Epidemie ausgehen, die die Stadt bedrohe.

Warren, Reed und der Polizeipräsident treffen sich mit dem Bürgermeister und anderen Abgeordneten der Stadt. Man berät, wie vorzugehen sei, wobei Reed mehrfach feststellen muß, daß man ihn nicht wirklich ernst nimmt und die Gefahr eher geringschätzt. So greift er schließlich zu drastischen Worten, um den Anwesenden die Dringlichkeit der Lage zu veranschaulichen. Captain Warren soll mit Reed zusammenarbeiten, was er nicht sonderlich schätzt, hält er den Arzt doch für einen College-Jungen von einer „dieser Ostküstenuniversitäten“, der „alles tun würde, um sich interessant zu machen“. Doch Reed lässt sich nicht beirren. Er fordert eine Nachrichtensperre. Einerseits will er eine Massenpanik verhindern, andererseits aber auch, daß die Mörder des unbekannten Mannes die Stadt verlassen und die Seuche ins Land hinaustragen.

Die Suche beginnt. Die Polizei kontaktiert nahezu jeden Informanten, den sie hat, etliche werden auf die Polizeistationen gebeten und nach dem unbekannten Toten befragt. Doch niemand will ihn kennen, oder gesehen haben. Selbst Fitch, der ebenfalls befragt wird, sagt, er kenne den Mann nicht. Dafür informiert er aber Blackie. Der wiederum nimmt an, daß der Tote über Schmuggelware verfügt habe, anders kann er sich nicht erklären, weshalb die Polizei so großes Interesse an ihm hat.

Reed, der den Toten für einen Ausländer osteuropäischer Abstammung hält und der Meinung ist, er müsse ein Illegaler sein, geht zum Heuerbüro der Handelsmarine, wo er das Bild des Toten herumzeigt. Dadurch erfährt er schließlich, daß der Unbekannte mit einem Schiff namens Nile Queen ins Land gekommen sei. Auch wenn er der Meinung ist, Reed wolle sich nur wichtigtun, ist Warren bereit, den Arzt auf das bereits wieder ausgelaufene Schiff zu begleiten. An Bord stellen sie fest, daß es auch dort bereits neue Krankheitsfälle gibt, die sie gleich mitnehmen, der Rest der Besatzung wird geimpft.

An Bord haben Warren und Reed erfahren, daß der Tote griechisches Essen mochte. Zurück in New Orleans suchen sie daraufhin etliche griechische Restaurants auf. In einem werden sie zwar fündig, der Besitzer erinnert sich an den Toten, doch seine Frau macht ihm deutlich, daß er den Mund halten solle, man wolle nichts mit der Polizei zu tun haben. Doch wendet sich der Mann wenig später an Reed und Warren, nachdem seine Frau gestorben ist. Auch sie war bereits mit der Pest befallen. Nun ist der Mann bereit, Warren und Reed gegenüber alles zu erzählen, was er weiß. So kommen der Arzt und der Polizist der Sache immer mehr auf den Grund.

Der Reporter Neff (Dan Riss), der schon in der Leichenschau anwesend war und einen Riecher für Stories hat, will bringen, was er bisher weiß und droht damit, fehlende Informationen durch Spekulation zu ersetzen. Warren lässt den Mann verhaften, was Reed zwar befremdlich findet, dann aber deckt.

Bei einem Besuch zuhause, wo Reed sich bei seiner Frau darüber beschwert, daß er nicht ernstgenommen werde und für die Arbeit, die er mache, zu wenig verdiene – schon am Morgen gab es eine Diskussion zwischen Nancy und ihm um eine nicht beglichene Rechnung – belehrt sie ihn, daß er nicht in Selbstmitleid versinken solle. Wer in seinem Alter könne behaupten, ein Medizinstudium erfolgreich abgeschlossen zu haben, einen Posten wie seinen bei der staatlichen Gesundheitsbehörde sein Eigen zu nennen und zudem noch einen Rang beim Militär einzunehmen? Reed gibt ihr recht. Dann teilt sie ihm mit, sie sei schwanger. Die beiden necken sich, doch ist eindeutig, wie sehr sich beide über Familienzuwachs freuen.

Schnell ist die häusliche Ruhe jedoch vorbei, denn das Telefon schellt und Reed wird zu einem Treffpunkt mit Warren bestellt. Dort angekommen, tauchen auch der Polizeipräsident und der Bürgermeister auf. Es kommt zu einem heftigen Streit wegen der Inhaftierung des Reporters. Warren nimmt eine mögliche Disziplinarstrafe an, doch Reed stellt sich vor ihn und erklärt, er habe die Inhaftierung angeordnet. Wenn, dann sei er dafür zu bestrafen. Neff, der, aus der Haft entlassen, ebenfalls zugegen ist, kündigt an, daß er die gesamte Story in der Frühausgabe bringe – in vier Stunden. Er stehe für die Öffentlichkeit und die habe ein Recht darauf, informiert zu werden. Reed erklärt einmal mehr, warum er gegen die Veröffentlichung sei und daß die „Öffentlichkeit“, bzw. die „Gesellschaft“ nicht nur New Orleans betreffe, sondern die gesamten Vereinigten Staaten. Als der Reporter weg ist, erklärt der Bürgermeister Reed, daß er ja mit ihm übereinstimme, aber aus Gründen der Staatsräson nicht anders habe handeln können.

Derweil haben Blackie und Fitch den mittlerweile ebenfalls erkrankten Poldie aufgesucht. Zuvor mussten sie seiner Mutter versprechen, sich um ihren Kumpel zu kümmern, weshalb Blackie nach einem befreundeten Arzt schickt. Eine Krankenschwester, die durch die Mutter gerufen wurde, stellt sich Blackie in den Weg und beharrt darauf, daß der Patient ins Krankenhaus müsse, doch Blackie will davon nichts wissen und schickt sie weg. Während er und Fitch auf den Arzt warten, bedrängt Blackie Poldie, ihm zu sagen, wo Kochak seine Ware versteckt oder für wann und wo er Ware erwartet habe. Doch der bereits delirierende Poldie kann Blackie keine Auskunft geben, mehr noch: Er hat keine Ahnung, wovon sein Kumpel eigentlich spricht. Schließlich trifft der Arzt ein und stellt ebenfalls fest, daß Poldie dringend in eine Klinik müsste. Doch Blackie ist lediglich bereit, ihn in die Praxis des Arztes zu bringen.

Als Blackie, Fitch und der Arzt den schwerkranken Poldie gerade die Treppen hinuntertragen, tauchen Reed, Warren und die Polizei auf, die durch die Krankenschwester alarmiert wurden. Nun kommt es zu einer Verfolgungsjagd, bei der Blackie und Fitch um jeden Preis versuchen, der Polizei zu entkommen. Sie denken, sie sollen für den Mord an Kochak eingebuchtet werden, während sie nicht ahnen, in welcher Gefahr sie schweben. In den Lagerhallen an den Werften im Hafen kommt es zum Showdown, bei dem Reed mehrfach versucht, die Lage friedlich zu klären und die Delinquenten darauf hinweist, daß er ihnen helfen und sie heilen könne, dafür müssten sie sich aber stellen. In einer Panikattacke schießt Blackie auf Fitch und versucht, an einem Seil auf ein Schiff zu klettern. Doch er stürzt ab. Nun können die Polizisten ihn festnehmen.

Warren fährt Reed zu dessen Haus und bietet ihm eine Flasche Parfum an. Es hatte eben doch Schmuggelware gegeben. Doch Reed lehnt ab. Er will gerade ins Haus gehen, da kommt sein Nachbar zu ihm und sagt, er müsse mehr Zeit mit Tommy verbringen. Reed lacht und sagt, das würde er nur allzu gern tun.

In seinem ebenso informativen wie unterhaltsamen Buch SEEING IS BELIEVING OR HOW HOLLYWOOD TAUGHT US TO STOP WORRYING AND LOVE THE 50´S[1] ordnet Peter Biskind Elia Kazans PANIC IN THE STREETS (1951) bei jenen Filmen ein, die er unter dem Begriff der “therapeutischen Gesellschaft“ (therapeutic society) subsumiert. Dies, so seine These, seien Filme, in denen der Arzt – weiter gefasst: der Experte – das Kommando übernimmt und sogar der Polizei, bis dahin die Autorität, vor allem wenn es um Verbrechen ging, übergeordnet wird. Seine Analyse von Kazans ‚Film Noir‘ bietet noch andere, bedenkenswerte Einblicke – bspw. die Frage, inwiefern die Pest, die hier New Orleans und damit die gesamten USA bedroht, mit Ausländern vor allem osteuropäischer Abstammung gleichgesetzt wird und der Film also zutiefst xenophobische Reflexe bedient – doch gerade was die Haltung eines Films gegenüber einem Experten, einem Arzt, betrifft, ist Biskinds Betrachtungsweise evident.

PANIC IN THE STREETS erzählt in seiner Grundstruktur von einem Verbrechen und der Suche nach den Verbrechern. Stilistisch entspricht der schwarz-weiß-Film einem ‚Film Noir‘. Die Nacht und die Schatten der Docks von New Orleans bieten eine bedrohliche Kulisse, ein unbescholtener Mann – Richard Widmark in einer Rolle, die es ihm erlaubte, sein Repertoire zu erweitern und aus der Falle der „baddies“ zu entkommen, die er bis dato meist zu spielen hatte – , ein Arzt, wird zu einer Untersuchung hinzugezogen, weil dem Leichenbeschauer nicht ganz geheuer ist bei seinem Befund. Und siehe da: Sofort erkennt dieser unbescholtene Mann, Clint Reed, daß man es mit der Gefahr einer Epidemie zu tun hat, ist der Tote doch offenbar mit der Pest infiziert. So wird die Suche nach den Mördern, die offiziell Captain Warren, launig gespielt von Paul Douglas, leitet, zur Fahndung nach den Trägern der Krankheit. Denn nun haben die Verantwortlichen nur noch 48 Stunden, bis die Seuche sich auszubreiten beginnt. Schnell übernimmt also Reed das Kommando und weist die Polizisten an, was sie zu tun und wen sie zu suchen haben, er legt sich aber auch mit den Autoritäten der Stadt, namentlich dem Bürgermeister, und der Presse an, der er keine Informationen geben will, um die titelgebende Panik zu verhindern. Außerdem, so sein Argument, würde der gesuchte Mörder und Träger der Seuche dadurch gewarnt und möglicherweise die Stadt verlassen, was die Gefahr einer Epidemie exorbitant erhöhen würde.

Kazan inszeniert den gesamten Film formal wie eine Mörderjagd und damit im Kern als Kriminalfilm oder Kriminaldrama. Zugleich versteht er es aber auf bravouröse Weise, eine zweite Ebene einzuziehen, in der wir erleben, wie Reed daheim genau die Kontrolle abgibt, die er als Arzt hat und ausübt. Seine Frau Nancy ficht Erziehungsmethoden mit ihm aus (er gibt dem gemeinsamen Kind Geld fürs Kino, obwohl verabredet war, daß Sohnemann Tommy sich dieses erarbeiten müsse), macht ihm zwar das Essen warm und bereitet ihm ein Bett im Wohnzimmer, da er nicht im ehelichen Bett schlafen darf aufgrund seiner möglichen Infektion, gibt ihm aber Kontra, wenn er beginnt, sich zu bemitleiden, weil er nicht ernst genommen werde und Polzisten und Politiker seine Expertise nicht verstünden. Zugleich muß er feststellen, daß sogar sein Nachbar von gegenüber, mit dem Tommy wohl Zeit verbringt, ihm Tipps zur Erziehung des Sohnes zu geben hat. Denn der legt Reed nahe, er solle doch mehr Zeit mit seinem Jungen verbringen. Zum Glück hat Nancy aber auch die frohe Botschaft, daß die Familie Reed demnächst Zuwachs erhält, was Clint natürlich all seine Bemühungen wieder im Glanze des Nützlichen erscheinen lässt. Definitiv etabliert Kazan mit der Familie Reed, der für einen Kriminalfilm erstaunlich viel Raum gegeben wird, eine moderne Partnerschaft (auf dem Niveau der frühen 50er Jahre betrachtet) und verdeutlicht damit umso stärker, daß der Arzt Reed ein Experte in seinem Feld ist, sich aber durchaus zurück zu nehmen weiß, wenn er die Kompetenz anderer, sprich seiner Frau, erkennt.

Der Umgang mit der Pest und die Art und Weise, wie ihr begegnet wird, mutet in Kazans Film allerdings nahezu naiv an. Da wird niemand in Quarantäne gesteckt – lediglich droht Reed damit, daß, wer sich nicht impfen ließe, gleich weggesteckt würde -, der Impfstoff ist sofort zur Hand und ein kleiner Pieks bewahrt die Anwesenden vor Schlimmerem. Dennoch legt sich Clint daheim lieber aufs Sofa, als ins eheliche Bett, man weiß ja nie. Aber letztlich ist es Kazan sicherlich nicht um eine genaue Darbietung von Seuchenbekämpfung zu tun. Als ‚Film Noir‘ muß man PANIC IN THE STREETS dem Subgenre der semidokumentarischen Filme zuordnen. So wie Henry Hathaways CALL NORTHSIDE 777 (1948) oder Hitchcocks THE WRONG MAN (1956), gibt sich auch Kazans Film Mühe, authentisch und realistisch zu wirken, allerdings ohne sich einer Over-Voice zu bedienen, wie sie oft genutzt wurde, um dem Gezeigten Glaubwürdigkeit und den Anschein des Dokumentarischen zu verleihen. Allerdings bleibt dies bei Kazan eher Behauptung. Nicht nur der Umgang mit der Seuche selbst spricht dafür, sondern auch die Jagd nach den Mördern, die geheilt werden sollen. Durchaus geben sich Drehbuch und Regie Mühe, die Suche nach den Tätern realistisch zu gestalten, vieles aber ist Zufall und Annahme. Der eigentliche Clou bei der Sache und Biskinds Ansatz, den Film als „therapeutischen Film“ einzustufen, liegt jedoch in der Verschiebung von der Mördersuche hin zur Patientensuche. Wenn die Suchmannschaften, denen Reed sich anschließt, die Täter schließlich in den Lagerhallen bei den Docks stellen, müht der Arzt sich, die Dringlichkeit zu verdeutlichen, indem er allein hineingeht und ruft, daß man sich stellen solle, da er die Männer heilen könne. Von Strafe für einen kaltblütigen Mord ist keine Rede. Nicht Strafe ist hier das Movens hinter der Jagd, sondern Heilung. Und damit verbunden natürlich die Tatsache, daß man eine Ausbreitung der Seuche verhindern will. Wobei sich hier auch die Deutung anbietet, Kriminalität selbst schon als eine Krankheit zu betrachten, vielleicht eine soziale Krankheit, die ebenso heilbar ist, wie eine Epidemie.

Neben all diesen subtextuellen Aspekten muß man Kazans Film aber auch bescheinigen, ausgesprochen spannend zu sein. Richard Murphys Drehbuch, das auf einer Originalidee von Edna und Edward Anhalt basiert (wofür die beiden 1951 auch mit einem Oscar ausgezeichnet wurden), ist voller herrlicher Einzeiler und schmissiger Dialogpassagen. Vor allem die Auseinandersetzungen zwischen Reed und Captain Warren, bis sie sich schließlich zusammenraufen und der eine die Expertise des andern anerkennt, haben es in sich. Aber es gelingen auch ausgesprochen packende Darstellungen und Charakterisierungen aller Figuren. Allen voran ist dabei Jack Palance´ Blackie zu nennen. Der Mann ist ein Mörder, er beherrscht die Docks und die Spelunken am Hafen, man nimmt sich vor ihm in Acht. Doch Palance, der hier sein Spielfilmdebut gab, versteht es – und das Script ermöglicht es ihm – diesen Mann vielschichtig anzulegen. Er scheint einem Irrtum aufzusitzen, wenn er glaubt, daß der Patient Null, jener spätere Tote, der die Panik auslöst, ein Schmuggler sei, an dessen Ware er heranwill. Das gibt der Sache eine gewisse Tragik, auch wenn sich später erweist, daß es die Schmuggelware wirklich gab. In seinem Bemühen um Poldie, den er für den Komplizen des Toten hält, zeigt er sich jedoch ausgesprochen ambivalent. In einer aufregenden Szene will er den schon von der Krankheit gezeichneten Mann zugleich retten und dazu bringen, ihm zu verraten, wo die Schmuggelware ist. Man nimmt ihm seine Besorgnis um die Gesundheit seines Kumpels durchaus ab, glaubt ihm auch, daß er diesen nicht nur deshalb am Leben halten will, um an die Informationen zu gelangen. Ähnlich ist es bei seiner Begegnung mit Poldies Mutter, die ihn unter Tränen bittet, etwas für ihren Sohn zu tun. Blackie zeigt sich empathisch und bereit, zu helfen. Allerdings erweist er sich bei der anschließenden Flucht und Hatz durch die Docks dann als der eiskalte Killer, der zu sein wir ihn zuvor schon im Verdacht hatten.

Auch andere Figuren – allen voran die von Barbara Bel Geddes gespielte Nancy und Douglas´ Captain Warren, aber auch Blackies Kompagnon Fitch und etliche Nebenfiguren bei der Polizei und der Stadt, sowie der Reporter Neff – sind genau und liebevoll, wenn auch meist dramaturgisch rein funktional, gezeichnet. Der Plot selbst funktioniert denkbar einfach. PANIC IN THE STREETS ist also ein direkt und geradeaus erzählter Kriminalfilm, der ein anderes, neues und damit umso spannenderes Grundmuster aufweist. Allerdings ein Grundmuster, das es in sich hat. So sehr man den Ansatz, Kriminalität als eine Art (soziale) Krankheit – crime is a disease – zu betrachten, denn immerhin soll Blackie ja geheilt werden, als sehr modern betrachten kann, so sehr kann man die Seuche auch ideologisch aufgeladen als genau die Bedrohung betrachten, die Anfangs der 50er Jahre die amerikanische Gesellschaft geradezu obsessiv beschäftigte: Kommunismus (und andere totalitäre und/oder faschistische Systeme). Für Joe McCarthy, jenen Senator, der bereit war, seine Kommunistenhatz auch mit faschistoiden Mitteln durchzuziehen, war der Kommunismus eben genau das: eine unsichtbare Bedrohung, die langsam, schleichend geradezu, in die Gesellschaft eindrang und diese zersetzte.

Reed macht dies an einem Punkt des Films deutlich: Auf den Vorwurf des Bürgermeisters und des Reporters Neff, er enthielte durch seine Sperre der Gesellschaft (society/the public) wesentliche Informationen vor, entgegnet er, sie alle seien „die Gesellschaft“. In zehn Stunden könne man jede Stadt in Amerika erreichen, ja, sogar jede Stadt auf der Welt. Damit gibt Reed/Widmark der damals erst beginnenden Global-Struktur und Wahrnehmung einer weltweiten Gemeinschaft Ausdruck, definiert aber auch das Bedrohungsszenario. Denkt man diesen Ansatz mit der von Biskind festgestellten Xenophobie zusammen, wird schnell deutlich, daß Ausländer – und damit, ein weiterer Punkt, auf den Biskind hinweist, auch die Arbeiterklasse, die sich in den Dock- und Werftarbeitern manifestiert und hier recht deckungsgleich mit Ausländern ist – eine Gefahr per se darstellen.

Kazan und sein Kameramann Joseph MacDonald untermauern diese Sichtweise mit den nüchternen, eben „dokumentarisch“ anmutenden Aufnahmen vom Hafen von New Orleans, den Hinterzimmerkneipen, den Hafenbars, Heuerstuben und Lagerhallen, die teils on location entstanden. Sie geben dem Film seinen authentischen Look, sie lassen den Zuschauer aber subtil auch genau die Gefahr spüren, die von all diesen Fremden ausgeht. Der Patient Null, der Tote, der zu Beginn des Films aus dem Hafenbecken gezogen wird, war illegal in den USA, was Blackie, neben der intensiven Suche der Polizei nach dem Mann, erst auf die Idee bringt, es mit einem Schmuggler zu tun gehabt zu haben; viele der Seeleute, die sich Reed gegenüber erst gesprächig zeigen, nachdem er explizit darauf hingewiesen hat, daß er nicht von der Polizei sei und niemand etwas zu befürchten habe, symbolisieren genau die Furcht, die konkret gegenüber ausländischen (oder gar inländischen) Agitatoren einer vermeintlich gefährlichen Ideologie herrschte, aber auch ein diffuses Unbehagen gegenüber armen, fremden und, was in diesem Fall durch Sprachschwierigkeiten markiert wird, ungebildeten Menschen.

Clint Reed hingegen ist ein Experte und dieses Expertentum wird zunächst zwar auch von den Autoritäten in Frage gestellt – mehrfach muß er sich fragen lassen, wer er eigentlich sei und welche Befugnisse er habe, vor allem von der Polizei, die als raubeinig und ungehobelt dargestellt wird – , doch je deutlicher die Gefahr wird, die von der Seuche ausgeht, desto klarer sind alle – inklusive des Bürgermeisters – bereit, sich seiner Meinung zu unterwerfen. Das führt soweit, daß Captain Warren den Reporter Neff inhaftieren lässt, als dieser droht, alles in der Zeitung zu bringen. Der Bürgermeister schreitet ein und gibt Warren eine Rüge und lässt Reed wissen, daß der ja nur eine „beratende“ Funktion habe, aber nachdem die Aufregung sich gelegt hat und man unter sich ist, erklärt er gegenüber Reed eben auch, daß er es genau wie dieser sähe, aufgrund seines Amtes und seines Eides aber nun mal handeln müsse, wie er gehandelt habe. Er ist ein überzeugter Vertreter der Bürgerrechte, eben auch dort, wo das seiner eigenen Überzeugung widerspricht. Eine sehr idealisierte Darstellung eines Amtsträgers, wollte man meinen. In der Darstellung des Reporters reiht sich Kazans Film wiederum in jene der 50er Jahre ein, die die Presse sehr viel kritischer sahen und zweideutiger darstellten, als Hollywood-Filme das bis dahin getan hatten. Bestes Beispiel dafür ist natürlich Billy Wilders ACE IN THE HOLE (1951).

PANIC IN THE STREETS steht in seiner Handhabe und Vermittlung von Wissen, Bildung und Expertentum – wobei, darauf weist Biskind ebenfalls hin, auch die selbst heute noch geltenden Vorurteile gegen „Washington“ eine Rolle spielen, denn natürlich steht Reed auch für einen Studierten, der sich für was Besseres halte und meinte, die Arbeit der Polizei erledigen zu können – aber ganz auf deren Seite. Hier siegt, in positivistischer Weise, Bildung über Erfahrung – auch, wenn dieser, durch Warren repräsentiert, durchaus Respekt gezollt wird. Damit steht der Film in einer Reihe mit etlichen Filmen der 50er, die genau dieses positivistische Weltbild schon wie Propaganda anmutend vertraten. Filme wie NO HIGHWAY IN THE SKY (1951), THUNDER BAY (1953) oder STRATEGIC AIR COMMAND (1955) – zwei davon Kollaborationen zwischen Anthony Mann und James Stewart, der selbst ein Technik-Nerd und Flieger war und dem durchaus am propagandistischen Effekt dieser Filme gelegen haben mag.

Wie so oft bei Filmen aus den 50er Jahren, dem ideologisch vielleicht am stärksten aufgeladenen Jahrzehnt in der Geschichte Hollywoods, bleibt auch bei PANIC IN THE STREETS ein seltsamer Doppelgeschmack hängen. Ein spannender Film, von einem Meister seines Fachs gedreht, hervorragende Schauspieler und eine hoch professionelle Produktion – das ganze unterlegt mit einem Soundtrack, in dem immer wieder sowohl Swing als auch der Blues als markante musikalische Signaturen New Orleans´ anklingen – , all das bietet hervorragende Unterhaltung, die die subtileren Anliegen gut zu kaschieren versteht. Im Subtext hingegen finden sich durchaus fragwürdige, ebenfalls doppeldeutige Motive, die das Vergnügen zumindest ein wenig eintrüben. Spannend ist der Film aber allemal und er zeigt sowohl einige seiner Darsteller, als auch seinen Regisseur in Hochform.

 

[1] Biskind, Peter: SEEING IS BELIEVING OR HOW HOLLYWOOD TAUGHT US TO STOP WORRYING AND LOVE THE 50`S. New York, 1983/2001. S.21-34.

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