GREEN ZONE
Paul Greengrass geht den Gründen für den Irakkrieg nach
Der Chief Warrant Officer Roy Miller (Matt Damon) ist nach dem Irakkrieg im Jahr 2003 damit beauftragt, auf der Basis von Geheimdienstinformationen nach den Massenvernichtungswaffen zu suchen, die das Saddam-Regime angeblich an geheimen Orten gebunkert hatte und die vor der UNO als Grund des Angriffs auf den Irak benannt wurden.
Miller fällt auf, daß er und seine Männer erstaunlicherweise trotz detaillierter Angaben nie an den angegebenen Stellen fündig werden. Allerdings wird er von seinen Vorgesetzten abgewimmelt, als er diese Tatsachen anspricht. Es sei nicht die Zeit, sich derart zu exponieren, da sich politisch einiges tut: Ahmed Zubad wird von den U.S.-Behörden, namentlich von dem ranghöchsten Verbindungsmann im Pentagon, Clark Poundstone (Greg Kinnear), in Bagdad begrüßt. Die U.S.-Administration erhofft sich von Zubad, daß er eine Regierung führen könne, die alle ethnischen und religiösen Gruppen im Irak zusammenführt.
Bei einer neuerlichen Grabung nach einem geheimen Waffenlager wird Miller von einem seiner Männer auf einen Iraker aufmerksam gemacht, der sich der Einheit genähert hatte. Äußerst brutal wird der Mann zu Boden gedrückt und fixiert. Miller fordert seine Leute auf, ihn aufstehen zu lassen. Der Iraker schimpft über die Behandlung, nennt dann seinen Namen und erklärt Miller, er könne ihn „Freddy“ nennen. Freddy (Khalid Abdalla) hat beobachtet, wie sich in einem nahegelegenen Privathaus hochrangige Vertreter des alten Regimes mit dem General Al-Rawi (Jigal Naor) getroffen haben. Al-Rawi wird von den U.S.-Streitkräften schon länger gesucht.
Miller und seine Leute greifen auf das Haus zu, wobei es zu Kampfhandlungen kommt. Zwar kann der General entkommen, doch Miller hat ihn gesehen und erkannt. Millers Einheit nimmt den Hausherrn und zwei weitere Beteiligte des Treffens gefangen. Als die Männer in die Jeeps verfrachtet werden sollen, tauchen Special Forces auf und nehmen die Gefangenen an sich. Miller gelingt es, ein Notizbuch, das der gefangene Hausherr ihm gegeben hat, Freddy zuzustecken.
Nachdem die Spezialkräfte mit den Gefangenen entschwunden sind, suchen Miller und seine Leute Freddy. Sie stellen ihn in einer Seitengasse und werfen ihm vor, daß er abgehauen sei. Freddy wird wütend: Er habe ihnen Informationen gegeben, die sich als richtig erwiesen hätten, er habe das Buch an sich genommen und in Sicherheit gebracht, habe es eben zurückgeben wollen. Für wen sich Miller und seine Leute eigentlich hielten, ihn und seinesgleichen zu behandeln wie Kinder oder wie Gefangene? Auch er, Freddy, habe für sein Land gekämpft und dabei sein Bein verloren. Miller sieht ein, daß er falsch gehandelt hat und fragt Freddy, ob der einen Job wolle. Er brauche einen Dolmetscher. Freddy willigt ein.
Miller fährt in die Green Zone – jene Zone im Herzen Bagdads, in dem die provisorische Regierung untergebracht ist, die aber auch etliche U.S.-Dienste und Behörden beheimatet. Hier sucht Miller Martin Brown (Brendan Gleeson) auf, den ranghöchsten CIA-Mitarbeiter in Bagdad. Die beiden hatten sich zuvor kennengelernt, als Brown Zeuge wurde, wie Miller bei einem Briefing darauf hingewiesen hatte, daß die Hinweise auf Massenvernichtungswaffen durchweg falsch seien. Brown hatte Miller gegenüber sogar eingestanden, daß die meisten Berichte nutzlos seien, da sie auf den Aussagen eines einzigen Informanten beruhten, der sich „Magellan“ nenne und den Poundstone abschirme. Nicht einmal die CIA habe Zugriff auf den Mann.
Miller übergibt Brown das Notizbuch, das nach Aussage des Hausherrn, der es ihm gegeben hatte, den Aufenthaltsort von Al-Rawi verrate. Brown fordert Miller als Verbindungsmann für die CIA an und organisiert für ihn und einen Begleiter – Freddy als Dolmetscher – einen Besuch im Militärgefängnis, in dem der Mann, den Miller im Haus festgesetzt hatte, einsitzt.
Auch die Journalistin des Wall Street Journal Lawrie Dayne (Amy Ryan) ist auf der Suche nach „Magellan“. Sie hatte exklusiv über den Kronzeugen berichtet, offenbar durch Poundstone informiert. Der will ihr den Mann aber nicht zugänglich machen, obwohl sie mehrfach um ein Treffen gebeten hatte, um ihre Informationen zu verifizieren. Auch sie ist auf Miller aufmerksam geworden, als der bei einer offiziellen Gelegenheit auf die Nutzlosigkeit der Hinweise auf die Verstecke der Waffen hingewiesen hatte.
Miller und Freddy fahren ins Gefängnis. Mit einem Trick gelingt es ihnen, wirklich an den Gefangenen heranzukommen, der im Sicherheitstrakt sitzt. Doch der Mann, der zuvor von den Special Forces gefoltert wurde, liegt im Sterben. Er erklärt flüsternd, daß Al-Rawi doch nur getan habe, was bei „dem Treffen“ vereinbart worden sei. Auf Millers Nachfrage, welches Treffen er meine, kann der Gefangene nur „Jordanien“ hervorbringen.
Währenddessen hat Poundstone Millers Versetzung zur CIA rückgängig machen lassen. Er und Einheiten der Special Forces dringen in die CIA-Zentrale ein und erklären, daß sie ab nun federführend bei der Suche nach Al-Rawi seien, Brown habe das Notizbuch auszuhändigen.
Miller, zurück aus dem Gefängnis, sucht Dayne auf. Er hat ihre Berichte über „Magellan“ gelesen und will von ihr wissen, ob sie je die Richtigkeit ihrer Informationen verifiziert habe. Dayne muß eingestehen, daß sie sich immer auf die Aussagen von Poundstone verlassen habe. Miller schlußfolgert, daß es vor dem Beginn des Krieges ein Treffen zwischen dem Informanten und einem hohen Beamten der USA in Jordanien gegeben. Mit Hilfe von Brown gelingt es festzustellen, daß sowohl Al-Rawi, als auch Poundstone zur selben Zeit in Jordanien gewesen sind. Dadurch wird klar, daß nicht nur „Magellan“ und Al-Rawi ein und dieselbe Person sind, sondern, bedenkt man, wie dringend Poundstone Al-Rawi fassen will, die Auskünfte des Mannes hinsichtlich der Massenvernichtungswaffen wohl negativ ausgefallen waren. Poundstone hat also offenbar sowohl die Regierung der USA als auch den Kongreß belogen.
Derweil hat Poundstone die Special Forces beauftragt, nach Al-Rawi zu suchen und diesen zu töten. Miller seinerseits will nun selber nach dem General suchen, um ihn festzunehmen und so die Lügen Poundstones öffentlich machen und beweisen, daß die Gründe für den Krieg vorgeschoben waren. Über einen Mittelsmann versucht Miller, ein Treffen mit Al-Rawi zu vereinbaren. Er folgt einem Boten, wird dann aber von Al-Rawis Leuten entführt.
In einem Versteck verhört Al-Rawi Miller. Dabei wird deutlich, daß es offenbar Absprachen zwischen dem General und Poundstone gegeben hatte. Al-Rawi will wissen, weshalb die Zusagen, die er erhalten habe, nicht eingehalten würden. Er hat soeben erfahren, daß alle staatlichen irakischen Behörden aufgelöst, die Armee entwaffnet und ebenfalls aufgelöst werden. Dann erklärt er Miller auf dessen Insistieren, daß es schon seit 1991 keine Massenvernichtungswaffen im Irak mehr gebe.
Als die Special Forces, die Miller heimlich gefolgt sind, den Unterschlupf angreifen, flieht Al-Rawi, ordnet zuvor aber an, Miller zu töten. Miller kann sich wehren und tötet seinerseits den Schergen, der ihn hinrichten sollte. Dann folgt er Al-Rawi. Es kommt zu einem Wettlauf zwischen Miller und dem Kommandanten der Special Forces. Während Miller nach wie vor hofft, den General als Zeugen für die Falschbehauptungen der U.S.-Regierung aufrufen zu können, will der andere Al-Rawi töten. Auf einer Kreuzung kommt es zu einem Schußwechsel, bei dem der Kommandant getötet wird. Nun glaubt Miller, Al-Rawi endlich verhaften zu können, da taucht Freddy auf, der Miller ebenfalls gefolgt ist. Er erschießt den General. Als Miller protestiert, erklärt Freddy, nicht Miller oder sonst ein Amerikaner habe zu bestimmen, was im Irak passiere. Zuvor hatte Freddy Miller bereits erklärt, für welch grauenhafte Taten Al-Rawi verantwortlich sei.
In Bagdad wird der Versuch unternommen, eine neue Regierung zu installieren. Poundstone ist für die Amerikaner federführend beteiligt, doch die Verhandlungen erweisen sich als schwierig und zäh. In einer Verhandlungspause konfrontiert Miller Poundstone mit seinem Bericht, der bereits online ist. Poundstone erklärt Miller, daß das niemanden mehr interessiere, die Gründe für den Krieg seien vollkommen unwichtig. Daraufhin geht Miller seinem Widersache an den Kragen. Niemals könnten die Gründe unwichtig sein, denn es seien die Gründe dafür, daß Menschen sterben. Poundstone lässt seine Leibwächter eingreifen und entfernt sich.
Dayne findet abends eine Mail von Miller in ihrem Postfach. Diesmal, so schreibt er, solle man vielleicht berichten, wie es wirklich war. Im Anhang findet sie seinen Bericht und sieht, daß er ihn an sämtliche wichtigen Zeitungen, Sender und Presseagenturen verschickt hat.
Die Green Zone – die Grüne Zone – bezeichnet ein ca. 10 Quadratkilometer großes Areal im Zentrum Bagdads, in welchem nach der Beendigung des Kriegs der USA gegen den Irak im Jahr 2003 die irakische Übergangsregierung untergebracht war. Ebenso waren hier Streitkräfte der USA stationiert und etliche zivile internationale Behörden und Dienste angesiedelt. Es ist diese Green Zone die dem gleichnamigen Film GREEN ZONE (2010) von Paul Greengrass den Titel gab.
Greengrass hatte bis dato vor allem durch den zweiten und den dritten Teil der Reihe um den Agenten Jason Bourne auf sich aufmerksam gemacht und bewiesen, daß er intelligente Actionfilme drehen kann, die trotz teils atemberaubender Spannung einen gewissen Tiefgang aufweisen und ihre Themen auf komplexe Art und Weise reflektieren. In beiden Filmen hatte er mit dem Schauspieler Matt Damon zusammengearbeitet, der dann auch in GREEN ZONE die Hauptrolle übernahm. Und auch hier gelang ihm ein packender Thriller, der geschickt zwischen einem Kriegsfilm und einem Politthriller changiert. Im Zentrum steht dabei die Frage, ob es die Massenvernichtungswaffen, mit deren Existenz der Angriff auf den Irak von der U.S.-Regierung begründet worden war, wirklich gegeben hat. Das zugrundeliegende Drehbuch von Brian Helgeland basierte auf einem Enthüllungsbuch[1], das in den USA hochgelobt, preisgekrönt und ein vielgelesener Bestseller war.
Greengrass erzählt die zunächst einfach erscheinende Geschichte um den von Damon gespielten Chief Warrant Officer Roy Miller, der damit beauftragt ist, gemeinsam mit seiner Einheit auf der Basis von Geheimdienstinformationen die Massenvernichtungswaffen aufzuspüren und dabei vermehrt feststellen muß, daß diese Berichte nahezu alle falsch sind. Doch nutzt Greengrass diese Story nicht nur, um die politischen Verstrickungen und Winkelzüge der U.S.-Administration offenzulegen, sondern er wirft auch einen recht gnaden- und kompromißlosen Blick auf die Lebensbedingungen der irakischen Zivilbevölkerung und zeigt die amerikanische Armee, ihre verschiedenen Einheiten, die Special Forces, als eine brutale Besatzungsmacht, die weder vor Folter zurückschreckt, noch davor, gnadenlos Jagd auf ihnen unliebsame Repräsentanten des ehemaligen Regimes zu machen. Es sind so eher Momente, die manchmal nebensächlichi erscheinen, mit der eigentlichen Handlung wenig zu tun haben, es sind Blicke und Gesten, die die eigentliche Qualität des Films ausmachen.
Stilistisch produzieren Greengrass und sein Kameramann Barry Ackroyd dokumentarisch wirkende Bilder. Die meisten Szenen sind mit der Handkamera gefilmt, es sind wacklige, intensive, nah an das Geschehen heranführende Aufnahmen, grobkörnig (wie vieles in diesem Film wohl nachträglich bearbeitet), was ihnen das Aussehen von hektisch gefilmten Nachrichtenbildern gibt, entstanden im Getümmel des Gefechts oder der Unübersichtlichkeit einer akuten Gefahrensituation. Diese filmische Machart, der Look, dienen allerdings auch dazu, von der recht schlichten Story und den relativ holzschnittartig gezeichneten Figuren abzulkenken.
Genau das fällt im Gewitter der Bilder und des Tempos von Schnitt und Montage, einem hektischen Rhythmus, dann kaum auf. Im Mittelpunkt steht mit Roy Miller ein Soldat, der anfängt, den eigenen Vorgesetzten, aber auch jenen Institutionen zu mißtrauen, denen er eigentlich dient. Er deckt in kürzester Zeit – nimmt man es genau, umfasst die Film-Zeit einen Tag und eine Nacht – ein politisches Komplott auf, bei dem er feststellen muß, daß es Wochen vor dem Angriff ein Treffen zwischen einem hochrangingen Vertreter des Pentagon mit einem irakischen General in Jordanien gegeben hat. Offenbar hatte dieser General dabei klar gesagt, daß es seit dem ersten Golfkrieg zu Beginn der 90er Jahre keine Massenvernichtungswaffen im Irak mehr gegeben habe. Der Vertreter des Ministeriums jedoch log seine Vorgesetzten über diese Auskünfte an. Damit lieferte er die Begründung für die Angriffe. Und die Politik ließ sich natürlich gerne anlügen.
Dieser hochrangige Beamte, den Greg Kinnear als aalglatten Karrieristen spielt, ist als Figur jedoch viel zu durchschaubar und vor allem vollkommen schematisch, weil man genau diesen Typus schon aus etlichen Politthrillern der 80er und 90er Jahre kennt. Gleiches gilt für den erstaunlich freundlich gezeichneten CIA-Mann Martin „Marty“ Brown, den Brendan Gleeson angemessen abgewrackt, unrasiert und ungehobelt spielen darf. Auch er entspricht einem aus vielen Produktionen bekannten Vorbild: Der – wie es im Film auch einmal erwähnt wird – „Dinosaurier“, ein Kerl von altem Schrot und Korn, der seine Kenntnisse in gefährlichen Einsätzen vor Ort und nicht durch schicke, von Algorithmen errechnete Analysen gewonnen hat. Überhaupt kann man sich nur wundern, wie gut die CIA in diesem Film wegkommt, scheint Brown doch der einzige zu sein, der die Wirren des Nahen Ostens durchschaut und versteht und deshalb weiß, was Not täte, um das Land, das man da zerbombt und besetzt hat, zu befrieden. Erstaunlich vor allem wenn man bedenkt, daß die CIA schon seit dem Mauerfall keine gute Presse mehr hat, erst recht nicht seit 9/11.
Und es verwundert dann auch nicht, daß Roy Miller als Charakter ebenfalls blass bleibt. Er ist ein Soldat, der seinen Job machen will, er hält sich an Befehle und Anordnungen, ist aber ein denkender Mensch und insofern wird er zusehends stutzig, weil scheinbar nichts von dem, was er tut, Sinn ergibt. Etwas zu schnell ist er bereit, seine Position aufzugeben und sich dem windig erscheinenden Brown anzuschließen, dann wächst er über sich hinaus und nimmt auf eigene Faust die Verfolgung des flüchtigen Generals auf, den zu stellen so wichtig wäre, um die amerikanische Öffentlichkeit davon zu überzeugen, daß sie belogen wurde. Dieser Roy Miller ist aber – entgegen der Meinung einiger Kritiker – kein Jason-Bourne-Verschnitt, kein heimlicher Superman, sondern eher der Typus des aufrechten Amerikaners, wie ihn ein Tom Hanks so gern verkörpert. Ein Mann, der Recht von Unrecht zu unterscheiden versteht und im Zweifelsfall auch gegen geltende Befehle handelnd versucht, die Wahrheit zu erkunden.
So wird sowohl auf der inhaltliche wie der formalen Ebene des Films ein Charakter wirklich wesentlich, der zunächst wie eine Nebenfigur wirkt. Es ist ein junger Iraker, der von sich aus zu den Amerikanern kommt und ihnen Informationen zu geben bereit ist. Sie sollen ihn „Freddy“ nennen teilt er ihnen in fast einwandfreiem Englisch mit. Freddy hat zufällig das Treffen einiger hochrangiger irakischer Militärs – darunter eben auch jener gesuchte General – mitbekommen und möchte im Glauben daran, zur Befriedung seines Landes beizutragen, helfen, diese Männer zu stellen und zu fassen. Die ganze Figur und ihr Auftreten ist eine einzige Zumutung, nicht nur für Miller und alle Amerikaner im Film, sondern auch für den Film an sich und das (amerikanische) Publikum. Denn er wird zu einem Zeichen. Ein Zeichen des Anderen, des (unverstandenen) Fremden auf allen Ebenen, und unterläuft damit jegliche Erwartungen, die die Soldaten an die einheimische Bevölkerung, die der Film an sein Sujet und der Zuschauer an die Rollenverteilung in einem solchen Film stellen. Freddy ist ein Mann, der seine Mitarbeit anbietet und dabei offensichtlich keine unlauteren Hintergedanken hegt. Er ist ein gebildeter Mann, der nicht nur sehr gut eine ihm vollkommen fremde Sprache spricht, sondern in dieser Sprache auch sehr eigene Gedanken formulieren und ausdrücken kann. Er ist – das vor allem – ein Subjekt. Er denkt höchst eigenständig, womit er sämtliche Rollenklischees unterläuft, die Figuren wie ihm in etlichen Filmen über etliche Kriege – vor allem den Vietnamkrieg – je zugedacht worden sind. Und da er einbeinig ist, auf einer Prothese durch Bagdad humpelt und dennoch für sich in Anspruch nimmt, am Geschehen teilzuhaben, wird er im Film, für den Film selbst, immer wieder zum Störfaktor.
Mitten in einer rasanten Szene fällt ihm die Prothese ab, nachdem die Soldaten ihn aufhalten wollten und deswegen an seinen Beinen gezogen haben. Damit kommt der Film zu einem plötzlichen Erliegen. Die Rasanz reißt ab, der Rhythmus der ganzen Szene wird empfindlich gestört. Freddy brüllt die abziehenden Soldaten an, nachdem sie keinen Nutzen mehr in ihm sehen, womit er Miller und seine Männer ebenso irritiert, wie er den Film in seinem scheinbaren Selbstverständnis irritiert. In dieser wie in einer früheren Szene fragt er Miller und dessen Männer zornig, für was sie sich eigentlich hielten, ihn so zu behandeln? Er sei ein erwachsener Mann, den man weder rüde anfassen noch anbrüllen müsse, er sei durchaus in der Lage, sich ruhig und klar zu artikulieren. Und er erklärt Miller mehrmals im Film, daß er sich Sorgen um sein Land und dessen Zivilgesellschaft mache, womit er zu einer gleichberechtigten, wenn nicht wahjrhaftigeren Figur im Reigen derer wird, die der Film darstellt. Vor allem aber zwingt er den Film an Stellen wie diesen, einzuhalten, das Tempo zu drosseln, seinen Rhythmus zu ändern. „Freddy“ ist eine Sollbruchstelle, ein Symbol der anderen Möglichkeit – nicht nur, wie wir auf die Länder, die wir zerstören und besetzen, blicken, sondern auch, wie wir Menschen fremder Kulturen darstellen.
Erst mit und durch die Figur des „Freddy“ wird GREEN ZONE zu einem besseren Film, einem guten Film. Erst durch diese Figur und dem Raum, den sie einnimmt – bis hin zur letzten Szene, in der sie höchstselbst die Geschicke ihres Landes mitbestimmt und Millers Pläne damit radikal durchkreuzt und ihm dann mitteilt, daß nicht er zu bestimmen habe, was in diesem Land geschehe – hebt sich Greengrass´ Werk von durchschnittlichen Filmen zum gleichen oder ähnlichen Themen ab. Dabei erreicht er nicht die Intensität eines Films wie Kathryn Bigelows ZERO DARK THIRTY (2012), erst recht gelingt es ihm nicht, tiefliegende strukturelle Wahrheiten und Zusammenhänge zumindest spürbar zu machen, wie es Stephen Gaghan in SYRIANA (2005) tat. Doch Greengrass gelingt es durchaus, bestimmte politische Zusammenhänge zu verdeutlichen, den Angriffskrieg der Amerikaner zu hinterfragen und die Zustände, die im Irak nach dem Krieg herrschten, aufzuzeigen. Zudem gelingt es ihm – eben in der Figur des „Freddy“ – die Machart, ja den Anspruch von Filmen wie diesem kritisch zu hinterfragen.
Allerdings gelingt es Greengrass nicht, grundlegende Fehler zu vermeiden, Fehler, die Machern von Filmen wie diesem immer wieder unterlaufen. Anstatt, wie Gaghan, strukturelle, schwer bis kaum durchschaubare Verstrickungen von Wirtschaft, Politik und strategischen Zielen zumindest oberflächlich sichtbar, erahnbar zu machen, reduziert GREEN ZONE seinen Grundkonflikt auf zwei Figuren. Da ist der Technokrat Clark Poundstone, jener Beamte des Pentagon, der sich mit dem General getroffen und dann seine Vorgesetzten über die Existenz der Massenvernichtungswaffen belogen hatte, auf der anderen Seite ist da Miller, ein Soldat, der an seine Mission glaubt und sich fragt, wieso er sie nie erfüllen kann. Das aber ist typischer Hollywood-Dualismus. Hier der „böse“ Polittechnokrat, der seine Agenda durchsetzen will und dafür über Leichen zu gehen bereit ist, dort der „gute“ einfache Amerikaner, der die Dinge durchschauen will und sich nicht belügen lassen mag. Irgendwo dazwischen der CIA-Agent Brown, der zwar selber Dreck am Stecken hat (worauf filmisch seine eben etwas heruntergekommene, unrasierte Gestalt im schlechtsitzenden Anzug hinweist), der im Fall der Fälle aber weiß, was richtig, was falsch ist und das Herz am rechten Fleck hat. Eine Figur übrigens, die der Film genau in dem Moment fallenlässt, in dem es interessant gewesen wäre, sie genauer zu durchleuchten, ihre Verstrickung in das, was erzählt wird, genauer zu untersuchen. Daß alle drei Vertreter desselben Systems, daß alle drei letztlich Okkupatoren sind und ein jeder auf seine Weise, an der Stelle, an der er wirkt, zu der Krise beiträgt, in der sie alle miteinander im Irak stecken, kann (und will?) GREEN ZONE dann lieber nicht genauer unter die Lupe nehmen.
Das macht den Film zu einem durchaus soliden Thriller, aber wirklich verstörend ist er eben nicht. Seine Wahrheiten – die Lügen über die angeblichen Massenvernichtungswaffen – waren auch 2010 weitestgehend bekannt. So bleiben vor allem Kleinigkeiten in Erinnerung, scheinbar Belangloses, das Greengrass und Ackroyd aber detailgetreu und -genau in Szene setzen. Das Militärgefängnis, in das Miller und „Freddy“ eindringen, zeigt unangenehm authentisch anmutend den Umgang des U.S.-Militärs mit Gefangenen, inklusive der Nonchalance, mit der gefoltert wird; die Behandlung der Zivilbevölkerung durch die U.S.-Soldaten erzählt ganz nebenher auch etwas über immanenten Rassismus; die Straßenszenen gerade zu Beginn des Films berichten von Versorgungsengpässen und Rationierung, die die Zivilbevölkerung unter Druck setzen. Es sind diese Nebensächlichkeiten, es sind „Nebenfiguren“ wie „Freddy“ und dessen Funktion im Film, die Greengrass´ Film dann doch wieder über das Mittelmaß hinausheben. So bleibt GREEN ZONE irgendwo zwischen Baum und Borke hängen, offenbart Möglichkeiten, die er dann nicht nutzt, offenbart aber auch ein letztlich herkömmliches Verständnis davon, was ein Kriegsfilm – oder Politthriller – zu leisten vermag. So sieht man dem Film seine Ambitionen zwar immer an, gerecht wird er ihnen allerdings nicht immer.
[1] Chandrasekaran, Rajiv: IMPERIAL LIFE IN THE EMERALD CITY: INSIDE IRAQ´S GREEN ZONE. Knopf, 2006.