RULES – SEKUNDEN DER ENTSCHEIDUNG/RULES OF ENGAGEMENT

Der späte William Friedkin bietet einen äußerst fragwürdigen Propagandafilm eines neuen Zeitalters

Vietnam 1968. Die befreundeten Lieutenants der Marines Terry Childers (Samuel L. Jackson) und Hays Hodges (Tommy Lee Jones) führen jeweils einen Zug Männer auf Patrouille in den Dschungel. Als sie von Vietcong-Einheiten eingekreist werden und Hodges seinen gesamten Zug verliert, zwingt Childers einen gefangenen Oberst, seine Männer zurückzurufen. Um sein Anliegen zu unterstreichen, erschießt Childers kurzerhand den Funker, der gemeinsam mit dem Oberst in Gefangenschaft geraten war. So kann Childers zumindest seinen Kumpel Hodges retten.

28 Jahre später ist Childers nach wie vor – nun im Rang eines Colonels – im Kampfeinsatz. Er wird auf eine Rescue-Mission in den Jemen geschickt, als die dortige Botschaft der USA von einem aufgebrachten Mob überrannt zu werden droht. Der Botschafter (Ben Kingsley) will mit seiner Familie sofort ausgeflogen werden. Childers setzt die Familie in einen Helikopter, während seine Männer unter schwerem Beschuss liegen. Als letztes holt er die amerikanische Flagge ein und übergibt sie dem Botschafter. Dieser erklärt mehrfach, daß er tief in Childers Schuld stünde und ihm dies nie vergessen werde.

Nachdem die Botschafterfamilie erfolgreich ausgeflogen wurde, wollen die Marines die Botschaft sichern, bevor auch sie den Rückzug antreten. Während der gesamten Aktion werden sie von auf gegenüberliegenden Dächern befindlichen Scharfschützen unter Feuer genommen. Als Childers den dritten seiner Männer fallen sieht, befiehlt er seinen Soldaten, das Feuer auf die Menge zu eröffnen, da er sich sicher ist, auch von dort Schüsse vernommen zu haben. Nachdem das Gefecht vorüber ist, ist der Platz vor der Botschaft mit 83 Leichen übersät – darunter Frauen, Kinder, Alte.

Der Nationale Sicherheitsberater William Sokal (Bruce Greenwood) wird damit beauftragt, die Vorkommnisse zu untersuchen. Er beschließt sehr früh, daß dies die Tat eines fehlgeleiteten Einzelnen gewesen ist und will ein Exempel an Childers statuieren, der zeitnah vor einem Kriegsgericht stehen soll. Damit alles reibungslos verläuft und die Regierung gar nicht erst in Verlegenheit gerät und es zu internationalen Verstimmungen kommt – mehrfach weist Sokal darauf hin, wie wichtig die Präsenz der USA in der Region sei – soll der Militärstaatsanwalt Major Mark Briggs (Guy Pearce) dafür sorgen, daß das Verfahren schnell und effizient abgeschlossen wird.

Briggs macht aber bei einer Lagebesprechung deutlich, daß er niemandem Gefälligkeiten erweisen will, sondern an Childers Schuld glaubt und ein ordentliches Verfahren fordert. Dazu gehört auch, daß etwaiges Entlastungsmaterial auch ihm zur Verfügung gestellt wird. Sokal behauptet ihm gegenüber, daß es kein solches Material gebe. Briggs fragt ihn direkt heraus, ob es nicht Videomaterial aus den Kameras der Botschaft gegeben habe, denn dieses sei unter den Beweisstücken aufgeführt, die aus der Botschaft ausgeflogen worden seien. Sokal behauptet, das Band gäbe nichts her, es sei nichts darauf zu sehen.

Childers wendet sich an seinen alten Kumpel Hodges, der mittlerweile im Ruhestand ist. Hodges klärt Childers darüber auf, daß er als Anwalt gut genug sei, um zu wissen, daß er nicht gut genug sei, um diesen Fall zu übernehmen. Doch Childers besteht auf Hodges, da er einen Verteidiger brauche, der Kampfeinsätze kenne, keinen Jungspund, der eben von der Akademie gekommen sei.

Hodges, der seit jenen Ereignissen in Vietnam, bei denen er schwer verwundet wurde, keine Einsätze mehr wahrnehmen konnte und in der Etappe als Militärjurist gearbeitet hat, ist überzeugt, daß er der falsche ist. Er sieht sich aber in Childers´ Schuld und übernimmt.

Childers beteuert gegenüber Hodges, daß aus der Menge gefeuert worden sei, daß er den Schießbefehl erst erteilt habe, als bereits drei seiner Männer getötet worden seien und er keine weiteren Leben riskieren wollte. Hodges erklärt, er wolle in den Jemen reisen und die Botschaft sowie den Schauplatz der Gefechte selbst in Augenschein nehmen.

Es verwundert ihn – wie zuvor auch Briggs – daß keinerlei Waffen unter den Opfern gefunden worden seien. Durch diesen Fakt wird Childers Darstellung natürlich deutlich geschwächt. Allerdings konnten die Spezialkräfte, die die Vorkommnisse untersuchen sollten, erst 24 Stunden nach den Ereignissen eingeflogen werden. Genug Zeit, etwaige Waffen einzusammeln und verschwinden zu lassen.

Im Jemen fühlt sich Hodges entfremdet. Das fremde Land, die ihm vollkommen fremde Kultur, die Sprache, die er nicht versteht – nirgends scheint er anknüpfen zu können. Er geht zur alten Botschaft, wo die Spuren der heftigen Auseinandersetzung nach wie vor am Gebäude zu erkennen sind. Er untersucht die Einschußlöcher, er macht Aufnahmen von den Brandspuren an den Wänden, innen wie außerhalb des Gebäudes. Und er sucht nach den Überwachungskameras.

Auf dem Dach der Botschaft findet er schließlich eine, die offenbar nicht beschädigt wurde. Seiner Meinung nach müsste also mindestens dieses eine Videoband aufzutreiben sein. Und er findet eine Tonkassette mit arabischen Schriftzeichen unter den zurückgelassenen Unterlagen in den Räumen des Botschafters.

Hodges streift durch die Straßen, wobei ihm immer wieder ein junges Mädchen auffällt, dem ein Bein fehlt. Die Kleine scheint ihm, mühsam sich auf Krücken fortbewegend, zu folgen. Doch alle seine Versuche Kontakt zu ihr aufzunehmen laufen ins Leere.

Er trifft bei seinen Streifzügen auf einen jemenitischen Arzt, der ihn in ein notdürftig hergerichtetes Hospital bringt. Hier sieht Hodges die fürchterlichen Folgen, unter denen die Überlebenden des Gefechts zu leiden haben. Schusswunden, fehlende oder zerfetzte Körperteile, Infektionen: Viele dieser Menschen, so wird ihm klar, werden bald sterben. Als Hodges das Hospital verlassen will, findet er unter einem der Betten eine Kassette mit ähnlichen Schriftzeichen wie auf jener, die er in der Botschaft entdeckt hatte.

Später, erneut auf den Straßen, begegnet er wieder dem einbeinigen Mädchen. Und diesmal spricht sie. Besser: Sie schreit. „Mörder! Mörder!“ ruft sie ihm hinterher. Hodges muß schließlich durch die engen Gassen der Stadt vor einem aufgebrachten Mob fliehen, der in ihm einfach nur einen Amerikaner und damit einen der Schuldigen an dem Massaker, einen Feind, sieht.

Zurück in den USA kommt es zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen Hodges und Childers, die in einer wilden Prügelei zwischen den beiden alternden Männern führt. Hodges wirft Childers vor, ihn verraten zu haben. Nicht ein einziges Indiz weise auf seine Unschuld hin. Doch Childers beharrt darauf, daß er beobachtet habe, wie aus der Menge vor der Botschaft Schüsse abgefeuert wurden.

Die Anklage bezichtigt Childers einiger minderer Vergehen und des Mordes in 83 Fällen. Der Colonel ist perplex, da er seine Aufgabe als Soldat abgewertet sieht. Hodges hat mehrfach Probleme, Childers davon abzuhalten, sich unbedacht zu äußern. Immer wieder weist Childers auf die Situation hin und daß er in Sekundenbruchteilen Entscheidungen habe treffen müssen. Es sei ein Gefecht gewesen, in dem er und seine Leute sich befunden hätten.

Doch auch für den Ankläger Major Briggs stellt sich das Verfahren schwieriger dar, als er zunächst angenommen hatte. Denn ebenso wenig, wie Hodges beweisen kann, daß aus der Menge geschossen wurde, kann Briggs das Gegenteil belegen. Deshalb versucht er immer stärker, Childers Charakter, eine bestimmte Unbeherrschtheit, in den Vordergrund zu stellen.

Um ihm zu helfen und sich ans Script zu halten, weist Sokal den ehemaligen Botschafter noch einmal darauf hin, daß er im Zeugenstand zu verdeutlichen habe, daß Childers ihn daran gehindert hätte, mit der Menge Kontakt aufzunehmen. Gegen seine Überzeugung befolgt der Botschafter die Anweisungen und behauptet, Childers habe ihn sogar gegen seinen Willen in den Helikopter verfrachtet. Er sei sich sicher gewesen, die Menge beruhigen zu können, was er Childers angeblich auch mehrfach mitgeteilt habe.

Hodges sucht das Heim des Botschafters auf, wo er dessen Frau (Anne Archer) antrifft. Es gelingt ihm, sie dazu zu bringen, zuzugeben, daß sie die Dinge etwas anders in Erinnerung hat als ihr Mann. Doch als Hodges sie fragt, ob sie dies unter Eid bezeugen würde, macht sie ihm klar, daß sie bereit wäre, für ihren Mann auch unter Eid zu lügen. Für einen Mann wie Hodges, der großen Wert auf Regeln legt – gleich ob militärischer oder juristischer Natur – eine unbegreifliche Haltung.

Im Gerichtssaal konfrontiert Briggs Childers nun mit dem Vorwurf, sich nicht an die Einsatzregeln (Rules of Engagement) gehalten zu haben. Briggs zählt sie auf und wirft dem Colonel vor, u.a. die Menge nicht gewarnt zu haben. Childers gerät außer sich und macht nun den Fehler, den Hodges so unbedingt vermeiden wollte: Er verliert den Kopf. Er brüllt Briggs an, daß dieser, wie so viele junge Soldaten, überhaupt nicht wisse oder verstünde, was eine Gefechtssituation bedeute. Sein Auftritt macht natürlich keinen guten Eindruck bei den Geschworenen.

Anderntags ruft Briggs dann den Zeugen Binh Le Cao (Baoan Coleman) auf. Es ist der schließlich zum General aufgestiegene Oberst, den Childers damals, 1968, hatte laufen lassen, nachdem der seine Truppen zurückgezogen hatte. Cao bestätigt, daß Childers den Funker erschossen habe, um ihn zu erpressen. Briggs glaubt sich nun auf der sicheren Seite, doch Hodges stellt Cao nur eine Frage: Ob der ebenso gehandelt hätte, wenn die Situation andersherum gewesen sei? Cao bejaht das.

Hodges versucht nun, zumindest Zweifel an der Anklage zu säen. Er ruft den Arzt aus dem Jemen in den Zeugenstand und konfrontiert ihn mit den Tonbändern, die er in der Botschaft und im Hospital sichergestellt hatte. Er lässt die Aufnahme laufen und den Arzt übersetzen, was dort gesprochen wird. Es handelt sich um eine Hasspredigt, bei der der Redner seine Zuhörer darauf hinweist, daß „Ungläubige“, vor allem Amerikaner, immer und überall getötet werden müssten. Hodges kann damit immerhin beweisen, daß die Menge vor der Botschaft durchaus feindselig gesonnen war, möglicherweise auch ideologisch derart aufgeladen, daß sie gewaltbereit gewesen ist.

In seinem Schlußplädoyer appelliert Hodges, der im Grunde kein Entlastungsmaterial hat vorlegen können, allerdings mehrfach darauf hinweist, daß es ein Videoband gegeben haben muß, welches nun nicht mehr aufzufinden sei, an den Korpsgeist der Marines. Terry Childers habe nahezu 30 Jahre seinem Land gedient und seine Pflicht erfüllt. Man dürfe einen so verdienstvollen Soldaten nicht so behandeln. Und er verweist darauf, daß schlicht nicht bewiesen werden könne, ob aus dem Mob vor der Botschaft geschossen wurde.

Childers und Hodges wissen beide, daß sie eigentlich keinen Grund haben, ein Unschuldsurteil zu erwarten. Umso erstaunlicher, daß Childers zwar in den minderen Vergehen schuldig gesprochen wird, des Mordes jedoch nicht. Er darf das Gebäude als freier Mann verlassen. Auf dem Parkplatz sieht Childers Cao. Die beiden mustern sich, dann salutieren sie voreinander.

Hodges sucht Sokal auf und stellt ihn zur Rede. Doch Sokal gibt sich gewiss, daß das Band nicht mehr auftauchen wird – er selbst hatte es dem Kaminfeuer übergeben, nachdem er es sich angesehen hatte. Er weiß als einziger mit Sicherheit, daß Childers wirklich unschuldig ist, denn auf dem Band ist zu sehen, daß nahezu jeder auf dem Platz vor der Botschaft bewaffnet war und auf die amerikanischen Soldaten geschossen hat. Darunter auch das einbeinige Mädchen, das Hodges verfolgt hatte. Hodges droht Sokal, daß der keine Ahnung habe, was es bedeute, einen wütenden Marine auf den Fersen zu haben.

Texttafeln unterrichten das Publikum davon, daß Childers ehrenhaft entlassen, die Affäre um das verschwundene Beweismaterial aufgeklärt und Sokal aus dem Job des Nationalen Sicherheitsberaters entlassen und später sogar wegen Falschaussage verurteilt wurde.

Wenn es eines Beweises bedurft hätte um nachzuweisen, daß der Regisseur William Friedkin zum Ende seiner Karriere hin immer flacher und oberflächlicher wurde, im Grunde nie wieder an seine wirklich großen Erfolge THE FRENCH CONNECTION (1971) und THE EXORCIST (1973) anknüpfen konnte, so wäre dieser mit RULES OF ENGAGEMENT (2000) erbracht. In der jüngeren Vergangenheit hat man selten einen ähnlich demonstrativ vor Patriotismus und Verherrlichung militärischer Tugenden strotzenden Film gesehen. Und noch seltener dürfte man einen Film gesehen haben, der nicht nur rassistische Stereotype so unverfroren, sondern schon in propagandistischer Absicht bedient hat.

Im Jahr darauf veröffentlichte Ridley Scott BLACK HAWK DOWN (2001/02), der dann aber aufgrund der Ereignisse des 11. September 2001 verschoben wurde. Erwähnenswert ist dies, da beide Filme – gemeinsam mit einigen anderen, die in den späten 90er Jahren entstanden sind – eine Situation zu antizipieren scheinen, die dann ja mit 9/11 auch wirklich eintrat: Der Angriff der islamischen Welt auf die westliche Wertegemeinschaft. Diese Filme wirken oft wie vorauseilende Propaganda-Werke eines neuen Zeitalters, in dem wir – also die Staaten und Gesellschaften der westlichen Welt – damit werden leben müssen, unanständige und äußerst hässliche Dinge zu tun und in Kauf zu nehmen, wollen wir unsere Lebensart, unseren Wohlstand und unsere Werte verteidigen. Sie präsentieren uneindeutige Situationen, greifen nicht mehr auf die herkömmlichen schwarz-weißen Narrative von guten Amerikanern und bösen Deutschen, Vietnamesen oder Südamerikanern zurück (wobei letztere vor allem in Thrillern und Spionage-Geschichten herhalten müssen), sondern zeigen Amerikaner, die aus unterschiedlichen Gründen zwielichtige Aktionen durchführen, foltern oder gar Kriegsverbrechen begehen. So oder so werden Zivilisten, Unschuldige, getötet und die Filme, die dies zeigen, mühen sich, wenn nicht um Rechtfertigung (wie in diesem Fall, der hier besprochen werden wird), so doch um Erklärungen, die solche Taten erträglicher machen. Taten, die sich dann nur wenige Jahre später in der Realität mehrfach ereignen sollten und auf die die Menschen nun bereits vorbereitet waren.

Interessant in diesem Zusammenhang ist auch die Tatsache, daß jene Filme der 80er Jahre, die vielleicht vergleichbar wären – die RAMBO-Serie (ab 1981) von und mit Sylvester Stallone oder jene Reihe um Chuck Norris als Colonel Braddock in den MISSING IN ACTION-Filmen (ab 1984) – sich immer mit der Vergangenheit beschäftigten, also meist dem Vietnam-Krieg und seinen Folgen, und damit als revisionistische Traumatherapie betrachtet werden können. Filme wie RULES OF ENGAGEMENT oder BLACK HAWK DOWN beschäftigen sich hingegen mit einer antizipierten Zukunft und künden zumindest von einer sehr genauen Kenntnis der geopolitischen Lage. Und davon, daß die Macher dieser Filme einen recht realistischen Blick auf diese Lage haben, zugleich aber Krieg nicht grundlegend verteufeln – weshalb ihre Filme auch selten bis nie in den Ruch kommen, sogenannte „Antikriegsfilme“ zu sein – sondern ihn vielmehr als etwas Unvermeidbares, im konkreten Setting ihrer Stories oft gar Gottgegebenes, Schicksalhaftes, darstellen. Eine komplett neue Haltung zum Sujet des Krieges, welches die Filmemacher der vorangegangenen Generation wahrscheinlich rundheraus abgelehnt hätten.

Das Drehbuch und die Roman-Vorlage zu RULES OF ENGAGEMENT wurden von dem ehemaligen Marine James H. Webb verfasst, der selbst über Kampferfahrung verfügte und zumindest in den militärischen Details sehr genaue Angaben und akkurate Beschreibungen bietet. Darum ist auch Friedkins Film bemüht. Er erzählt die Geschichte eines aus dem Ruder gelaufenen Rescue-Einsatzes im Jemen, wo die amerikanische Botschaft von einem Mob belagert wird. Der Botschafter will mit seiner Familie ausgeflogen werden, nachdem dies den unter Einsatz ihres Lebens agierenden Marines gelungen ist, lässt der befehlshabende Offizier, Colonel Terry Childers, in die Menge schießen, da er davon überzeugt ist, daß aus dieser Menge heraus auf seine Männer geschossen wird. Wenig später steht er vor den Trümmern seiner Karriere. Er wird u.a. des Dutzendfachen Mordes an Unschuldigen, an Zivilisten angeklagt. Er beschließt seinen alten Kumpel Colonel Hays Hodges, der nach einer schweren Verletzung in Vietnam nie mehr an Kampfeinsätzen teilnehmen konnte und als Armee-Jurist eine eher bescheidene Karriere gemacht hat, darum zu bitten, ihn zu verteidigen. Hodges bemüht sich, die Unschuld seines Kumpels, der ihm einst das Leben gerettet hat, mit allen Mitteln zu beweisen und muß doch lernen, daß die Dinge nicht so einfach sind, wie sie manchmal scheinen. Allerdings lässt ihn diese Erkenntnis im Kontext des Films niemals an militärischen Einsätzen oder gar dem Militär selbst zweifeln.

Samuel L. Jackson und Tommy Lee Jones spielen die beiden alten Haudegen, die aus einer Zeit stammen, die vergangen scheint. Sie sind konfrontiert mit Anzugträgern, smarten Juristen, die alle juristischen Tricks und Kniffe kennen. Den beiden Vietnam-Veteranen stehen lediglich ihre Vorstellungen von Loyalität und die Werte ihres Korps zur Verfügung. Auf diese berufen sie sich – Childers beharrt darauf, daß er mit seiner Aktion Leben gerettet habe, nämlich die seiner Männer; Hodges seinerseits beruft sich auf Korpsgeist und darauf, daß ein Mann wie Childers niemals vor einem Geschworenengericht von den eigenen Leuten verurteilt werden dürfe. Natürlich gibt es ein Videoband aus den Überwachungskameras der Botschaft, welches der Nationale Sicherheitsberater, der die Untersuchungen für die Regierung führt, verschwinden lässt, um die Tat eines Einzelnen anprangern zu können und nicht die Regierung der USA in Verlegenheit zu bringen. Das Band zeigt deutlich, daß Childers´ Aussagen stimmen: Die Marines wurden nicht nur von einem gegenüberliegenden Dach aus von Heckenschützen unter Feuer genommen, sondern nahezu jeder in der aufgebrachten Menge – Männer, Frauen, auch Kinder – ist bewaffnet gewesen und hat das Feuer eröffnet. Da die Einheiten, die den Vorfall untersuchen sollten, erst 24 Stunden später eintrafen, war wohl genügend Zeit für die Araber, die Waffen, die überall herumgelegen haben müssen, einzusammeln und verschwinden zu lassen. Für Hodges – mehr Soldat denn Jurist – beginnt der eigentliche Skandal jedoch damit, daß ein verdienstvoller Veteran überhaupt unter Anklage gestellt wird. Dies, so seine Sicht auf die Dinge, konnte nur geschehen, weil die Soldaten mittlerweile weder Kampferfahrung, noch die nötige Härte besitzen, um zu begreifen, was es eigentlich bedeutet, im Gefecht zu stehen. Nicht wissen, daß man sich in diesen Momenten nicht sklavisch an die Einsatzregeln halten kann und in Sekunden Entscheidungen treffen muß, die weitreichende Folgen haben können.

Friedkin gibt sich enorme Mühe, den Kampfeinsatz als genau solch eine unübersichtliche Situation zu inszenieren, um dem Zuschauer zu verdeutlichen, unter welchem Druck Entscheidungen getroffen und Befehle erteilt werden müssen. Und er gibt sich sehr große Mühe, die Härte, die das erfordert, als erforderlich darzustellen, um einen Job, wie er Childers überantwortet wurde, auch erfolgreich durchzuführen. Daß dabei hässliche Bilder entstehen – und die Inszenierung gibt sich ebenfalls sehr viel Mühe, den Zuschauer mit den Bildern der 83 Toten auf dem Platz vor der Botschaft auch wirklich zu schocken – muß nach der Logik des Films in Kauf genommen werden. Diese krude Logik wird dann auch gleich durch einen alten Feind bestätigt: Ein General des Vietcong wird als Zeuge der Anklage aufgerufen, er soll bestätigen, daß Childers auch früher schon brutal und skrupellos gehandelt habe. Der General bestätigt dies: Childers hatte im Dschungel einen vietnamesischen Funker erschossen, um den General zu zwingen, seine Leute zurückzuziehen, um Hodges retten zu können. Als Hodges nun den im Zeugenstand sitzenden Mann fragt, ob er dies nicht genauso getan hätte, in einer vergleichbaren Situation, nickt dieser und bestätigt diese Annahme. Nachdem Childers schließlich freigesprochen wurde, begegnen er und sein ehemaliger Feind sich auf dem Parkplatz vor dem Gericht und verabschieden sich voneinander wortlos mit einem militärischen Gruß. Webb und Friedkin ist es wichtig zu betonen, daß Soldaten, wie sie sie verstehen – Männer, die tun, was in einer eindeutigen oder uneindeutigen Situation eben getan werden muß – Männer sind, die verstehen, was ein Kampfeinsatz wirklich erfordert und Respekt voreinander haben, auch wenn sie Feinde sind oder waren.

Einen wesentlichen Teil seiner Überzeugung bezieht der Film aus dieser Gegenüberstellung „echter“ Soldaten, eben Haudegen, Veteranen, die wirklich gekämpft haben einerseits und andererseits jungen Männern (und Frauen), die eine militärische Laufbahn einschlagen, um Karriere zu machen, ohne jemals wirklich den Krieg gekostet zu haben. Jackson als Childers und Jones als Hodges können diese Haudegen überzeugend verkörpern. Einerseits sind beide hervorragende Schauspieler, sie haben die Gesichter, die es braucht, um diese Haudegen glaubwürdig zu gestalten, andererseits haben beide oft genug in ähnlichen Rollen reüssiert, um aus ihrem Image heraus Glaubwürdigkeit zu beziehen. So wird der Film auch zu einer Feier militärischer Tugenden, er feiert die Veteranen und bespöttelt die Jungspunde, die keine Ahnung haben.

Die enorme Härte, die der Film in seinen Kampfszenen einbringt, unterstützt dann die oben eingeführten Thesen: Wenn man in den Krieg zieht, kann man nicht sauber bleiben, wird es hässlich, macht man (vielleicht) Fehler und muß dann zu eben diesen stehen. Aber man muß sich auch darauf verlassen können, daß einem die eigenen Leute nicht in den Rücken fallen. Ein Narrativ übrigens, mit dem sich der Kreis zu den Vietnamkriegsfilmen der 80er Jahre schließt. Denn auch damals war eines der gängigen Narrative, daß „die Politik“ die eigenen Leute im Stich gelassen habe. Man hätte diesen Krieg angeblich gewinnen können, wenn dem Militär freie Hand gewährt worden wäre. Das aber habe der liberale Zeitgeist verhindert. Eine lupenreine Verschwörungserzählung, die nicht weit von der deutschen „Dolchstoßlegende“ entfernt liegt, die nach dem Ersten Weltkrieg aufkam.

Die Verbreitung dieser Erzählung ist also das eine Ziel des Films. Das andere Ziel ist es, den Zuschauer auf einen neuen Feind einzustellen. Nachdem der Kalte Krieg beendet war und man „den Russen“, wie es noch in den 80er Jahren möglich gewesen war, als Feind schlechthin darstellen konnte, brauchte Hollywood neue Feindbilder, zugleich half es dabei, der Gesellschaft neue Feindbilder vorzustellen und diese zu etablieren. Araber in diesem Film sind grundlegend verlogen, brutal und schlechten Willens. Das Drehbuch bemüht dabei eine perfide Taktik: Hodges reist auf eigene Rechnung in den Jemen, er sieht sich die Botschaft an, stellt fest, daß eben nicht alle Kameras beschädigt wurden und es also auch belastbares Videomaterial geben muß, welches den Angriff auf die Botschaft zeigt. Danach besucht er ein Krankenhaus, in welchem er die überlebenden Opfer des Beschusses durch die Amerikaner sieht. Blutige, sterbende, zerschossene Menschen. Opfer. Als er heimkehrt, sucht er seinen alten Kumpel auf und stellt den zur Rede, da er für einen Moment überzeugt ist, daß der ihn belogen hat und wirklich einfach auf Unbewaffnete hat feuern lassen. Nachdem die beiden sich erstmal – eben ganz alte Haudegen – zünftig geprügelt haben, vertragen sie sich und Hodges macht sich auf die Suche nach dem Video. Welches er nicht mehr finden kann, da der Sicherheitsberater es bereits dem Kaminfeuer in seinem Amtszimmer überantwortet hat. Doch zuvor hat der Mann sich das Band angesehen – und wir werden Zeugen davon. Und damit wird uns „objektiv“ bestätigt, daß Childers mit seiner Wahrnehmung recht hatte. Aus der Menge heraus wurde das Feuer eröffnet. Hasserfüllte Araber, die auf Amerikaner schießen. Und als der Arzt, den Hodges im Jemen traf, in den Zeugenstand gerufen wird, muß er zugeben – nachdem ihn Hodges mit einer Kassette in Bedrängnis gebracht hat, auf der man Hasspredigten hören kann – daß auch in seinem Krankenhaus und in dessen Umgebung durchaus islamistische Prediger ihre Propaganda verbreiten konnten. Araber sind also, folgt man dem Film, indoktrinierte, verblendete, hasserfüllte Menschen, die ohne Skrupel töten. Denn, so ist es auf dem Band eindeutig zu hören, Amerikaner, Ungläubige, sollen, ja müssen getötet werden.

In der Koppelung der Bilder jener Überlebenden des Massakers und der Bilder auf dem Videoband, auf dem man dann einige der versehrten Menschen wiedererkennt, die Hodges im Jemen traf – allen voran ein einbeiniges Mädchen, das ihm auf ihren Krücken zu folgen scheint – wird also in Frage gestellt, ob die Opfer wirklich Opfer sind oder nicht doch Kombattanten, die eben im Gefecht verletzt wurden. Dadurch, daß sie auf die Botschaft geschossen haben, haben sie sozusagen ihren Status als „Unschuldige“, als Zivilpersonen, verloren und sind in den des „Kämpfers“ gewechselt. Und, so scheint der Film zu suggerieren, wer das tut, darf sich nicht beschweren, wenn zurückgeschossen wird. Wo gehobelt wird, da fallen Späne, um es mal auf den Nenner einer Volksweisheit zu bringen. Auch dies ein Ziel dieser Form der Propaganda: Wir müssen uns abhärten, der Feind kommt nicht mehr in Uniform daher und reicht eine diplomatische Note ein, um uns den Krieg zu erklären. Stattdessen müssen wir lernen, daß der Feind auch das Antlitz eines kleinen Kindes haben kann. Mit einer Waffe unterm Rock, kann also auch eine Sechsjährige eine Gefahr darstellen. Filme wie RULES OF ENGAGEMENT bereiten genau auf diese Sichtweise auf (damals noch zukünftige) Gegner vor.

RULES OF ENGAGEMENT legt im Jahr 2000 jene Spur, der die westlichen Dienste, Medien und auch die Öffentlichkeit in den folgenden Jahren, Jahrzehnten, folgen sollten: Der Westen hat es mit einem „neuen“ Feind zu tun, einem Feind, der uns vollkommen fremd ist und der nichts anderes im Sinn hat, als uns zu töten. Alle, immer und überall. Araber, Mohammedaner, Islamisten – alles dasselbe und alles fremd, Fremde. Und hat jener Dienstag im September, als die Türme des World Trade Center mit entführten zivilen Flugzeugen angegriffen und dadurch Tausende getötet wurden, nicht bewiesen, wie richtig ein Autor wie James H. Webb mit seiner Prämisse lag? So, wie der Western sehr, sehr lange aus den Ureinwohnern des nordamerikanischen Kontinents, wie der Kriegsfilm, der sich mit dem Pazifikkrieg während des 2. Weltkriegs beschäftigte aus den Japanern, und wie der Vietnamkriegsfilm rückwirkend die Vietnamesen zu einer gesichtslosen Masse grässlicher, brutaler und kaum menschlicher Feinde gemacht hatte, so sorgt ein Film wie dieser dafür, daß wir nun die Araber als gesichtslose, brutale, aufgehetzte Masse wahrnehmen, der nicht zu trauen ist. Übrigens auch nicht, wenn man es plötzlich mit Individuen zu tun hat, wie Hodges Begegnung mit dem einbeinigen Mädchen beweist, welches ihn wortlos beobachtet. Und schließlich, als Hodges der Meinung ist, daß er den Schmerz dieser Menschen begreift, den Amerikaner als Mörder beschimpft. Noch einmal wird hier scheinbar bewiesen, daß selbst die Kinder dieser arabischen Gesellschaft aufgehetzt und indoktriniert wurden und bereit sind zu töten. Eine Perspektive, die dann der Blick auf das Videoband bestätigt. Eine Perspektive, die auch darauf ausgerichtet ist, nicht mehr ohne Weiteres zwischen Militär und Zivilbevölkerung zu unterscheiden, was in seiner Wirkung auf ein in erster Linie an spannender Unterhaltung interessiertem Publikum eine dramatische Desensibilisierung darstellt.

RULES OF ENGAGEMENT durfte sich, wie später BLACK HAWK DOWN, ausführlicher Unterstützung des Pentagon erfreuen. Das Verteidigungsministerium unterstützte den Film gewiss mit Material, wahrscheinlich auch mit Geld. Umso auffälliger an Friedkins Film ist die mangelhafte Inszenierung, die hier vorliegt. Einerseits ist hier alles zu dick aufgetragen, andererseits wirken viele Szenen, gemessen an dem, was Filme wie BLACK HAWK DOWN oder, später, Kathryn Bigelows ZERO DARK THRITY (2012) an Realistik bieten, erstaunlich billig und manchmal sogar ungewollt komisch. So wirkt die Menge vor der Botschaft bspw. doch recht überschaubar, keineswegs so bedrohlich, wie sie es wohl sein soll. Manche Kulissen überraschen dadurch, daß man ihnen geradezu ansehen kann, daß sie eben genau das sind – Kulissen. Für die große Illusionsmaschine Hollywood jedenfalls sind es erstaunlich durchschaubare Requisiten und Bilder, die hier geboten werden. Hinzu kommen – allerdings ist dies eher dem Drehbuch anzurechnen – die schon platten Elogen auf militärisches Gehabe, das derart übertrieben erscheint, daß sich dem neutralen Zuschauer irgendwann der Eindruck aufdrängt, daß Friedkin klammheimlich eine Farce drehen wollte.

Das beginnt mit der Tatsache, daß nahezu alle Zivilisten Im Film – angefangen bei dem von Ben Kingsley schon übertrieben hysterisch gespielten Botschafter, über seine Frau, die lieber Meineid begehen würde, als ihrem Mann in den Rücken zu fallen, streift mit dem arabischen Arzt auch die islamische Zivilgesellschaft, die damit einmal mehr in den Rang des Kombattanten gehoben wird, und reicht bis hin zum Sicherheitsberater, der ein aalglatter Karrierist ist, wie nur Hollywood ihn sich ausdenken kann – als Feiglinge und Weicheier, letztlich fast schon als Karikaturen dargestellt werden, und es endet mit Hodges Plädoyer am Ende des Films, das eigentlich nur und ausschließlich auf dem Wertekanon der Marines fußt, hingegen nicht einen schlagenden Beweis für Childers Unschuld aufruft. Und zwischendurch gibt es die Prügelei der beiden Veteranen in Childers Wohnzimmer, der beide eigentlich nicht mehr gewachsen sind. Sie schnaufen, ächzen, japsen und ringen um Luft und der Zuschauer begreift, daß das hier zwar ein „Ding zwischen Männern“ ist, daß sowas aber jungen Männern doch besser zu Gesicht steht. Die ganze Szene wirkt unglaubwürdig, aufgesetzt, parodistisch. Und man wird den Eindruck nicht los, daß Jackson und Jones es auch in genau diesem Bewußtsein spielen.

Wahrscheinlich ist das aber nicht so gedacht gewesen, denn gemessen an der Musik von Alexander Desplat, dem sonstigen Spiel der Hollywood-Veteranen Jackson und Jones, den teils pathetischen Bildern, die Kameramann Greg Fraser einfängt, wird doch immer wieder deutlich, daß die Macher dieses Machwerks es ernst meinen. Todernst. So bleibt am Ende ein überlanger, in Tempo und Rhythmus oft unstimmiger, und in seiner Vorhersehbarkeit auch nur mäßig unterhaltsamer Propagandafilm übrig, den anzuschauen heutzutage eher aus soziokultureller Perspektive interessant ist. Mehr nicht. Der einstige Erfolgsregisseur William Friedkin, der nicht nur in seinen großen Erfolgen, sondern auch in Filmen wie dem kontroversen CRUISING (1980) oder TO LIVE AND DIE IN L.A. (1985) bewiesen hatte, daß er komplexe, oft ambivalente Situationen und Beziehungen durchaus sensibel und vor allem auch subtil erzählen und bebildern kann, bewies dann aber auch mit den Nachfolgern zu RULES OF ENGAGEMENT, daß er sein kreatives Pulver leider längst verschossen hatte.

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