THE MESSENGER – DIE LETZTE NACHRICHT/THE MESSENGER

Ein leiser, nachdenklicher, kluger Film

Staff Sergeant Will Montgomery (Ben Foster) kehrt schwer verletzt aus einem Einsatz aus dem Irak zurück. Er wird von seiner Jugendfreundin Kelly (Jena Malone) abgeholt, die beiden gehen in ein Motel  und schlafen miteinander. Doch Kelly ist einem anderen versprochen, da Montgomery sie vor seinem Abflug in den Irak freigegeben hatte. Bald will sie ihren Freund heiraten.

Montgomerys Vorgesetzter teilt ihn mit, daß er die noch verbleibenden Monate im Dienst im Casualty Notification Service verbringen soll. Eine Einheit, die Angehörigen die Nachricht vom Tod eines Soldaten oder einer Soldatin mitteilen muß. Er wird Captain Tony Stone (Woody Harrelson) zugeteilt, der ihn in die Widrigkeiten und Feinheiten des Jobs einführen soll.

Die beiden Männer sind recht unterschiedlich. Montgomery leidet an einem zunehmenden posttraumatischen Stresssyndrom, er kann kaum mehr schlafen, sitzt oft stundenlang zuhause und starrt vor sich hin. Tony, ein trockener Alkoholiker, klopft Sprüche, gibt sich jovial und abgebrüht. Er habe alles gesehen, sei einst bei der Operation Desert Storm dabei gewesen und kenne den Krieg. Montgomery seinerseits wurde in einem harten Gefecht verletzt, bei dem er mehrere Kameraden gerettet hat, was ihn zum Kriegshelden macht.

Die beiden nehmen ihre Tätigkeit auf. Stone erklärt seinem neuen Partner, daß es genaue Abläufe gebe, vorgestanzte Sätze, mit denen man den Angehörigen begegnen solle. Auf keinen Fall dürfe man die Benachrichtigten anfassen, egal, wie sie reagieren.

Schon die ersten Einsätze zeigen die Härten des Jobs: Eine Frau, deren Sohn im Gefecht getötet wurde, bricht weinend zusammen, seine Freundin, der die beiden nicht sagen durften, was los ist, steht hilflos daneben, bevor auch sie zusammenbricht.

Ein Vater (Steve Buscemi) beschimpft Montgomery, wieso der lebe und sein Sohn tot sei und bespuckt die beiden Männer.

Andere nehmen die Nachricht scheinbar stoisch hin.

Eines Tages kommen sie zu einem Haus, wo Olivia (Samantha Morton) dabei ist, die Wäsche aufzuhängen. Ein kleiner Junge spielt im Garten. Olivia begreift schnell, was los ist. Ihre Reaktion ist anders: Sie dankt den Männern für ihre Mühen und stellt fest, daß diese Tätigkeit sicher keine einfache sei. Sie gibt ihnen die Hand, will sie dann aber auch wieder los werden.

So vergeht die Zeit. Montgomery und Stone kommen sich näher, gehen ab und an gemeinsam einen trinken, wobei Stone sich an Milch und Eiswasser hält. Bei einer dieser Gelegenheiten zieht Stone seinen Partner mit seinen Prahlereien auf, will ein Bild von Kelly sehen, stellt fest, daß sie hübsch sei und er sie vernaschen wolle. Als Montgomery die Angeberei nicht mehr ertragen kann und gehen will, wird Stone weicher. Er stellt Fragen zu Montgomerys Herkunft und Familie. Das Eis zwischen den ungleichen Partnern schmilzt langsam.

Montgomery folgt Olivia heimlich und beobachtet sie. In einem Einkaufszentrum wird er Zeuge, wie sie sich mit Werbern der Army anlegt, als die Jugendlichen den Dienst schmackhaft zu machen versuchen. Er geht dazwischen und fordert die Werber auf, die Frau und die Jugendlichen in Ruhe zu lassen. Obwohl Olivia ihn zunächst nicht erkennt, da Montgomery keine Uniform trägt, lässt sie sich und ihren Sohn von ihm nach Hause fahren. Es entsteht ein Vertrauensverhältnis, Montgomery repariert Olivias Auto, ist häufiger Gast in ihrem Haus und isst mit ihr und ihrem Sohn.

Bei einem weiteren Einsatz hält Montgomery das Gebot, die Angehörigen unter keinen Umständen zu berühren, nicht ein. Er stützt einen älteren Herrn, der bei der Nachricht vom Tode seines Sohnes zusammen zu brechen droht. Der Mann klammert sich an den Offizier und Montgomery erwidert die Umarmung. Stone greift Montgomery dafür massiv, auch körperlich, an. Es kommt zu einer Auseinandersetzung, bei der Montgomery Stone anbrüllt, der habe ihm nichts zu sagen, er sei in einem Gefecht verletzt worden, das „länger gedauert hat als dein ganzer scheiß Krieg!“ Stone verletzt das, er setzt sich in den Wagen und haut ab.

Montgomery beginnt einen Fußmarsch zurück in die Stadt. Es sind Meilen zu gehen. Stone kehrt um und will ihn einsammeln, doch Montgomery weigert sich. Er geht den gesamten Weg zu Fuß.

Zwischen Montgomery und Olivia kommt es zu einer Annäherung, aber beide können sich nicht wirklich überwinden, sich dem andern zu öffnen.

Stone sucht die Versöhnung mit Montgomery. Er bittet ihn, einige Tage mit ihm weg zu fahren, sie könnten angeln und vielleicht ein paar Mädchen auftreiben. Gemeinsam mit zwei jungen Frauen fahren sie in eine Hütte, wo Stone sich mit einer der Frauen vergnügt, Montgomery hingegen will das nicht. Die Frauen fahren anderntags zurück in die Stadt. Stone hat wieder angefangen zu trinken. Montgomery macht das Sorgen.

Stone und Montgomery gehen angeln und werden auf dem See von einigen Jungs mit Jetskiern aufgeschreckt. Stone brüllt ihnen hinterher. Als die beiden zurück zum Steg kommen, treffen sie dort auf die Jungs und es kommt zu einer Schlägerei.

Montgomery wurde – eher aus Versehen – zu Kellys Verlobungsfeier eingeladen. Sie bat ihn, nicht zu kommen. Nun fahren Montgomery und Stone, beide betrunken, beide malade von der Prügelei, zu der Feier. Es entsteht eine peinliche Situation, die beiden Männer benehmen sich nicht und Montgomery erhebt sogar das Glas auf Kelly, bringt aber lediglich seine Verachtung für all die gut gekleideten Gäste zum Ausdruck, die keine Ahnung davon hätten, was der Krieg bedeutete.

Nachts kommen sie zurück in die Stadt. Vor Montgomerys Haustür sitzt jener Vater, der ihn bespuckt und beschimpft hatte. Der will sich entschuldigen. Er versucht zu erklären, weshalb er sich verhalten habe, wie er es tat. Montgomery zeigt sich berührt und erklärt, es gebe nichts, wofür der Mann sich zu entschuldigen habe.

Montgomery trifft sich wieder mit Olivia. Die teilt ihm mit, daß sie vorhabe nach Louisiana zu ziehen. Er hilft ihr, zu packen.

Abends trifft er sich mit Stone und erzählt ihm, was es wirklich mit seinem heldenhaften Einsatz auf sich hatte. Wie er und sein Trupp in ein Gefecht verwickelt wurden, wie sie in Deckung gingen, wie sie zurückschossen, wie er Verletzte geborgen hat, darunter einen Freund, den er unter einem herumstehenden Wagen habe in Sicherheit bringen wollen. Dabei habe er ihn auf eine Tretmine gelegt. Sein Freund sei in die Luft gesprengt worden, er, Montgomery, habe heute noch Fleischsplitter in seinem Körper. Er sei kein Held, vielmehr habe er versagt. Stone erklärt ihm, daß er immer gelogen habe – er habe nie in einem Kampfeinsatz gestanden. Er sei immer in der Etappe gewesen. Montgomery geht in die Küche, Bier holen. Er hört, wie Stone bitterlich anfängt zu weinen. Er lässt ihn.

Olivia zieht aus, der Wagen ist gepackt. Montgomery kommt, um sich zu verabschieden. Sie könne ihm ja mal ihre Adresse schicken, wenn sie wisse, wo sie bleibe. Sie antwortet, er könne ja mit ihr ins Haus kommen und ihr seine Adresse aufschreiben. Gemeinsam gehen sie hinein.

Vielleicht sind die besten Kriegsfilme die, die den Krieg gar nicht zeigen. Sondern die Verheerungen, die er an Körpern und in Seelen anrichtet. Francis Coppola ist das einst gelungen, in GARDENS OF STONE (1987), davor schon Hal Ashby in COMING HOME (1978). Oren Moveman geht es in THE MESSENGER (2009) ebenso an.

In meist ruhigen Bildern, in langsamen Tempo, erzählt er von zwei Veteranen, die in eine Einheit versetzt werden, deren Auftrag es ist, im Namen der U.S. Army Hinterbliebenen mitzuteilen, daß ihr Sohn, die Tochter, der Ehemann oder die Gattin im Gefecht getötet wurde. So werden die beiden mit dem Leid jener konfrontiert, die die sogenannte Heimatfront bilden, die selber nie einen Kampfeinsatz erlebt haben, die zuhause geblieben sind, um ein Heim aufzubauen, die Kinder großzuziehen und eine Ahnung von Normalität herzustellen. Sie trifft die Mitteilung im Alltag, an einem normalen Morgen, während sie die Wäsche aufhängen, eben aufgestanden sind, die Nachrichten schauen. Die beiden Soldaten, die Messenger, müssen schnell sein, damit die Angehörigen die Neuigkeiten incht aus den Nachrichten erfahren oder über das Internet. In Zeiten der digitalisierten Globalisierung ist es ein Rennen gegen die Zeit.

Moveman stellt die Institution der Armee – wie die meisten amerikanischen Filme dies nicht tun – nie als solche in Frage. Und auch die von Woody Harrelson und Ben Foster dargestellten Überbringer der schlechten Nachrichten bleiben von seelischem Leid nicht verschont. Harrelson, der Captain Tony Stone spielt, ist der ältere der beiden, er soll den von Foster dargestellten Staff Sergeant Will Montgomery, ein hochdekorierter, aber schwer verletzter Soldat, der im Irak gedient hat, in die Aufgabe einweisen. Und so lernt Montgomery, wie man stoisch erträgt, wie Menschen unfassbares Leid zu verarbeiten versuchen, wie man die Tränen, aber auch die Angriffe, die Vorwürfe, die man, stellvertretend für die ganze Armee zu hören bekommt, hinnimmt, wie man die Angehörigen mit ausdrucksloser Mine unterrichtet und eine vorher einstudierte Litanei über die Anteilnahme der Armee runterleiert. Es ist nicht erlaubt, die Leute anzufassen, sie zu stützen, ihnen zu nahe zu treten. Wie alles in der Armee, ist auch die Nachricht vom Tod eines geliebten Menschen genauestens geregelt und konventionalisiert. Das soll es den Überbringern einfacher machen, aber auch den Betroffenen. Haltung wahren ist angesagt.

Stone, dessen Name Bände spricht, versteckt die eigenen Gefühle hinter Sprüchen, derben, manchmal zynischen Phrasen, ihm fällt wenig ein, um mit dem Leid anderer umzugehen. Montgomery selbst leidet unter posttraumatischem Stress, er kann kaum mehr schlafen, er kann sich aber auch das, was er im neuen Job erlebt, nicht wirklich vom Leibe halten. Es betrifft ihn und es macht ihn betroffen. Nach anfänglicher Distanz, die die beiden zueinander einhalten, kommen sie sich doch näher, Stone versucht, den erfahrenen Älteren zu geben, muß aber, je mehr er von Montgomerys Hintergrund erfährt, einsehen, daß er diesem kaum etwas wird erzählen können. Montgomery hat das Sterben erlebt. Obwohl er als Kriegsheld gilt, wirft sich vor, einen Mann unwissentlich auf eine Tretmine gelegt zu haben, den er eigentlich in Sicherheit bringen wollte. Dies gesteht er seinem Kamerad, als diese sich näherkommen. Und auch Stone trägt ein Geheimnis mit sich herum: Anstatt, wie er gern behauptet, bei den ersten Irakkriegen dabei gewesen zu sein, ist er immer in der Etappe gewesen. Er kennt den Krieg nicht. Er weiß nichts von der Angst, der Wut, ja, dem Hass, der entfacht werden kann, wenn man unter feindlichem Feuer liegt, Kameraden, vielleicht Freunde, sterben sieht und sich selber die Frage stellt: Warum die und nicht ich?

Oren Moveman verzichtet in seinem Film gänzlich auf Action oder Gewalt. Selbst eine Schlägerei, in die Stone und Montgomery auf einem gemeinsamen Ausflug verwickelt werden, wird nicht gezeigt. Auch  heir verlässt der Regisseur sich auf das Danach – und tut gut daran. Die malträtierten Gesichter seiner Hauptfiguren erzählen mehr, als jede zünftig  inszenierte Prügelei es könnte. Interessanterweise greift er in einigen Ausnahmefällen auf die Handkamera zurück. Dieses Stilmittel wird in Kriegs- und Actionfilmen gern dann eingesetzt, wenn der Zuschauer sehr nah ans Geschehen herangeführt werden soll. Mit den wackligen Bildern, die dadurch entstehen, wird Authentizität vermittelt, das Gefühl, quais selber im Gefecht zu stehen. Man denke an jene atemberaubenden ersten 20 Minuten in Steven Spielbergs SAVING PRIVATE RYAN (1998), in denen man meint, wahrlich durch die Gischt am Omaha Beach zu waten, während die Kugeln hin und her pfeifen. Moveman nutzt die Handkamera aber in ganz unspektakulären Momenten. Er setzt sie ein, wenn Stone und Montgomery eine Treppe hinauflaufen, um an eine Tür zu klopfen und die nächste schlechte Nachricht zu überbringen. So wird das Überbringen von schlechten Nachrichten stilistisch zu einer Art Kampfeinsatz.

Moveman macht es sich und seinen Protagonisten generell nicht einfach. Er zeigt, gerade anhand von Montgomery, die Entfremdung zwischen den Soldaten und den Zivilisten, die ein ganz alltägliches Leben in einem westlich geprägten Land leben. Seine Jugendfreundin Kelly, die er einst zu heiraten gedachte, hat er vor seinem ersten Einsatz freigegeben, sie heiratet nun einen anderen. Montgomery und Stone tauchen auf der Hochzeitfeier auf, unangemessen gekleidet, angetrunken und mit zerschlagenen Gesichtern. Hier wird der Film für Momente etwas klischeehaft, wenn der peinliche Auftritt mit den gut gekleideten, offensichtlich wenig trainierten Gästen kontrastiert und Montgomery den Bräutigam deutlich spüren lässt, was er von diesem hält – nämlich nichts. Der, ein langhaariger Dicker wird in wenigen Dialogzeilen als Kriegsgegner gekennzeichnet und damit natürlich der allgemeinen Verachtung anheim gegeben. Aber auch Montgomerys Bekanntschaft mit Olivia,  der er gemeinsam mit Stone die Nachricht vom Tode ihres Mannes überbringen musste, führt, trotz einer deutlichen Zuneigung der beiden zueinander, nirgendwo hin. Jeder hier ist zu sehr mit sich, seinem Leid, seiner Trauer beschäftigt.

THE MESSENGER ist kein Anti-Kriegsfilm. Er stellt, wie gesagt, die Institution nicht in Frage. Wohl aber ist es ein nachdenklicher Film, der sein Publikum durchaus mit der Frage konfrontiert, wohin das Töten und Sterben in fernen und fremden Ländern eigentlich führt? Und wie eine Gesellschaft damit umgehen will, daß sie Menschen beherbergt die das Töten und Sterben unmittelbar erlebt haben und ab nun immer mit sich, bei sich tragen? Auf die Frage,, wie er eine Weltmacht definiere, antwortete der ZEIT-Journalist Josef Joffe einmal, daß eine Weltmacht ein Land sei, das Krieg führe und man davon im Alltag nichts mitbekäme. Genau diesen Zustand thematisiert und zeigt THE MESSENGER. Ruhig, überlegt, einfühlsam, wenig dramatisch und damit umso treffender. Ein leiser, kluger, kleiner Film.

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