GRAF ZAROFF – GENIE DES BÖSEN/THE MOST DANGEROUS GAME

Das gefährlichste Wild: Der Mensch

Der bekannte Großwildjäger Robert Rainsford (Joel McCrea) überlebt als einziger den Schiffbruch einer Yacht, auf der er sicht mit Freunden befand. Von offenkundig falsch gesetzten Positionslichtern auf ein Riff gelotst, landet er bald in dem Schloß von Graf Zaroff (Leslie Banks). Der revolutionsflüchtige russische Aristokrat beherbergt zwei weitere Schiffssbrüchige: Eve (Fay Wray) und Martin (Robert Armstrong) Trowbridge, ein neureiches amerikanisches Geschwisterpaar, die sich schwertun, Zaroff und sein barock anmutendes Schloß ernst zu nehmen. Martin ergibt sich dem von Zaroff dargebotenen Wodka, Eve gibt sich gelangweilt. Zaroff umwirbt Eve und umschmeichelt Rainsford, in dem er einen ihm Ebenbürtigen zu erkennen glaubt. Während Martin immer betrunkener den Grafen zu provozieren beginnt, breitet dieser seine Ideen einer bösen Natur aus, die Jäger und Beute hervorbrächte und den Starken erlaube, über die Schwachen zu herrschen. Doch, so Zaroff, langweile ihn all das mittlerweile, ja, er habe schon befürchtet, seine Passion verloren zu haben, somit den Willen zu leben, setzt er doch Leben, Jagen nud Lieben zueinander in Beziehung – nur wer den Akt des Tötens kenne, könne den Akt der Liebe in wahrer Leidenschaft vollziehen. Mit Rainsford aber glaubt er sich messen zu können. Ein ebenbürtiger Partner. Er wolle ihn teilhaben lassen an seiner neu entfachten Leidenschaft, denn er habe herausgefunden, daß nicht das Jagen ihn langweile, sondern es sei die Beute gewesen. Er wolle das „most dangerous game“ jagen, das gefährlichste Wild der Welt: Menschen. Eve gibt Rainsford in einem unbeobachteten Moment zu verstehen, daß sie die Insel zu viert erreicht hätten, zwei ihrer Begleiter jedoch spurlos verschwunden seien, seit sie von Zaroff durch eine bestimmte eiserne Tür geführt wurden. Eve und Rainsford durchsuchen das Haus und finden Zaroffs „Trophäenraum“, der ihnen von Knochengerüsten bis zu Sammlungen menschlicher Köpfe kaum eine Grausamkeit erspart. Zaroff entdeckt sie, während seine Helfer Martins Leiche hereinbringen. Nun gibt es kein Zurück mehr: Zaroff zwingt Rainsford, sein Spiel zu spielen. Mit einem Hirschfänger bewaffnet und einem Tag Vorsprung, muß sich Rainsford durch den dichten Dschungel der Insel schlagen, 24 Stunden überleben und dann wieder im Schloß auftauchen, dann habe er gewonnen. Allerdings muß er all dies unter den Bedingungen der Jagd schaffen. Der Jäger ist Zaroff. Nach etlichen Gefahren und Begegnungen mit Zaroffs Hunden und schließlich vom Schloßherrn über den Haufen geschossen, gelingt es Rainsford schließlich, Eve aus den Händen des Unholds zu befreien und mit ihr von der Insel zu fliehen, während Zaroff stürzt und seinen eigenen Hunden zum Opfer fällt.

Basierend auf der ungemein beliebten Short Story THE MOST DANGEROUS GAME, die der Autor Richard Connell 1924 erstmals veröffentlichte, drehte Ernest B. Schoedsack 1932 den gleichnamigen Film und schuf damit den Prototypen jenes dekadenten europäischen Aristokraten, der, sich für einen Libertin haltend, ins Maßlos pervertiert. Schoedsack drehte den Film parallel zu seinem Meisterwerk KING KONG (1933), nutzte die gleichen Kulissen und lieferte doch einen so ganz anderen Film ab. Verbindend ist das Setting in einer fremden, verwunschen wirkenden Welt. Doch wo Kong sein Territorium verteidigt, in seinen Reaktionen Opfer seines Determinismus ist und freiwillig kaum auf die Idee käme, die Nähe des Menschen zu suchen, außer als Nahrung vielleicht, lockt Zaroff die Schiffe an und läßt sie auf Grund laufen. Wie eine fleischfressende Pflanze durch ihre todbringenden Düfte ihre Opfer anlockt, so locken Zaroffs falsche Positionslichter die Schiffe auf falsche Abkürzungen. Und somit auf seinen Strand. In sein Haus und damit in seine Hand. Zaroff nutzt diese Schiffbrüchigen, um seinem „gefährlichen Spiel“ nachzugehen.

Dazu sei direkt an dieser Stelle eine Anmerkung zum Originaltitel erlaubt. Denn dieser besteht aus einem nicht ins Deutsche übertragbares Wortspiel: THE MOST DANGEROUS GAME kann einerseits „das gefährlichste Spiel“ meinen, ‚game‘ bedeutet hingegen im Englischen auch „Wild“. Der von seiner großen Leidenschaft gelangweilte Zaroff erklärt seinem staunenden Publikum, daß es am Ende gar nicht der Sport gewesen sei, was ihn langweilte, sondern es sei die zu erlegende Beute gewesen. Des „Wild“, das er zu erlegen gedenke, solle das „gefährlichste Wild“ auf der Welt sein: Der Mensch. Damit setzt Schoedsack, natürlich in Übereinstimmung mit Connells Geschichte, den dekadenten Ton seines Films. Denn keineswegs ist es so, daß Zaroff mit seinen Ansichten allein stünde, seine bei Rainsfords Ankunft bereits anwesenden Gäste – namentlich Eve und Martin Trowbridge – werden als mindestens so dekadent gezeichnet, wie der Graf selbst. Aber sie sind deutlich amerikanische Neureiche, deren Dekadenz ohne jedes Risiko einhergeht und sich in übermäßigem Alkoholgenuß äußert. Daß Martin Trowbridge das erste Opfer des Grafen wird, ist folgerichtig, denn im große Spiel wir dem Grafen kaum wer etwas vormachen.

Leslie Banks, der sein markant starrendes Gesicht einer Kriegsverletzung zu verdanken hatte,  spielt Zaroff mit einem Hauch nietzscheanischer Übermensch-Anwandlungen. Er, der sich der Gefahr gestellt und sie überlebt habe, sei ein anderen Menschen übergeordnetes Wesen, da er in die Abgründe des menschlichen Daseins geblickt und dieser Blick ihn nicht verrückt gemacht habe. Er hat sich sozusagen der Prüfung des Daseins selbst gestellt und bestanden, was seiner Auslegung nach nur die wenigsten von sich behaupten können. Über diese Aussage kann man allerdings durchaus geteilter Meinung sein. Zaroff, dem gelangweilten russischen Aristokraten – was seine Verachtung der niederen Klassen schon aus sich selbst heraus erklärt – wird erst die Jagd zum eigentlichen Lebenssinn. Beides, Leben und Jagen, fallen ihm in eins. Zaroff bringt die Jagd, die Gefahr und das Töten auch mehrmals mit der Liebe, im Grunde aber mit den Trieben, also der Sexualität, in Verbindung, ja, er entwickelt die Theorie der Liebe sogar aus einer Theorie des Tötens; das eine mache das andere erst wirklich erlebbar. So ist Eve Trowbridge als Frau für ihn sowieso nur eine weitere Beute.  Rainsford hingegen begegnet Zaroff deutlich respektvoller, als seinen anderen Gästen, hat dieser doch ebenfalls die Lebensprüfung bestanden, ist selbst ein Jäger, ein berühmter noch dazu, der wichtige Bücher zum Thema geschrieben hat. Allerdings lehnt Zaroff die Thesen Rainsfords, die vom Respekt vor dem Wild, dem Opfer, dem Objekt der Jagd künden, rundweg ab. Der Jäger, so Zaroff, beherrsche das Wild, er darf es töten und ist damit symbolisch Herr über seine Beute. Zudem sei die Natur böse, sie zu zähmen, ja zu besiegen oder bei dem Versuch zu scheitern, sei des Menschen natürliche Herausforderung. Hier schimmert dann schon ein wenig die de Sade´sche Philosophie der bösen Natur hervor, die einen böse gesinnten Menschen als ihren natürlichen Erfüllungsgehilfen hervorbringt – den Libertin. Ein solcher scheint Zaroff durch und durch zu sein, was sich auch mit seiner adligen Abstammung deckt. Ein gnadenloser Darwinismus wird hier ausgestellt, in dem sich ein Graf Zaroff nicht nur an der Spitze der Evolution sieht, sondern dort, unter seinesgleichen, dann ebenfalls den Spitzenplatz für sich beansprucht.

In Schoedsacks Filmen, das muß man leider betonen, kommen immer wieder sowohl rassistische als auch generell xenophobe Anwandlungen zum Ausdruck. In KING KONG sind die rassistischen Untertöne, die die Angst des weißen Mannes vor dem Stereotyp des immer potenten, enorm ausgestatteten farbigen Mannes, der sich in einer symbolischen Geste der Selbstermächtigung an seinen Peinigern für die erlittene Pein rächt, kaum zu übersehen. In DR. CYCLOPS (1940) wird vom titelgebenden Dr. Thorkel ebenfalls eine sozialdarwinistische Ideologie vertreten, dort wie hier sind Eingeborene nichts weiter als durch die Gegend zu hetzende Domestiken. KING KONG geht noch weiter und zeigt sie als Wilde, als Halbmenschen. Diese Haltung teilen sich Schoedsacks Filme und also auch THE MOST DANGEROUS GAME allerdings mit vielen Horrorfilmen ihrer Generation. Selbst in Klassikern wie Tod Brownings DRACULA (1931) ist ein fremdenfeindliches Unbehagen zu spüren. Während dort das Fremde in Gestalt des irgendwie südländisch wirkenden Grafen mit der enormen erotischen Ausstrahlung des ‚Latin Lovers‘ in eine dem Publikum vertraute Welt eindringt und damit eine fundamentale Bedrohung darstellt (vielleicht ist diese Geste des Eindringens einer der wesentlichen Topoi der Stoker´schen Vampirerzählung, die sie so nachhaltig grauenvoll macht), stellt sich die Sachlage in THE MOST DANGEROUS GAME oder Jacques Tourneurs I WALKED WITH A ZOMBIE grundlegend anders dar: Diese Filme sind durchaus als Echos auf die Kolonialgeschichte Europas und indirekt auch Amerikas zu verstehen. Hier verlagern sich die Geschichten in die ehemaligen Kolonien, auf Inseln, wo europäische und auch amerikanische Großgrundbesitzer Land und Leute ausnutzen. Einheimische spielen in diesen Stories wenn überhaupt nur untergeordnete Rollen, zumeist sind sie Staffage, Teil einer exotischen Ausstattung, eines fremdländischen Ambientes.

Wie die meisten Horrorfilme, sind auch diese in ihrer gesamten Haltung ambivalent. Sie künden vom Verdrängten – verdrängten Ängsten ebenso, wie verdrängter Schuld. Zaroff und seine Verwandten auf all den anderen Inseln der Karibik, der Südsee oder im chinesischen Meer, stehen stellvertretend für den Typus des ausbeuterischen Kolonialherren, der seine  Kultur in die fremden Regionen trägt und diese sukzessive zerstört, indem er sie mit seinem dekadenten Gift infiziert. Aus der Welt gefallen wirken diese Europäer fern der Heimat alle, daß diese Filme sie meist als verrückt, irrsinnig durch Melancholie oder schlicht größenwahnsinnig darstellen, zeugt durchaus von einem Semibewußtsein für die historisch zwiespältige Rolle, die man gespielt hat. Formal jedoch untermauern Filme wie THE MOST DANGEROUS GAME die kolonialistische Haltung. Nicht nur nutzen sie exakt die Stereotype und rassistischen Bilder, die aus den Kolonien nach Europa schwappten, sie können sich eines gewissen Respekts, ja, einer Bewunderung für einen Mann wie Zaroff auch nicht verwehren. Möge das auch der Bösewicht in der zu erzählenden Geschichten sein, es ist, so postulieren diese Filme unumwunden, ein großer Mann.

THE MOST DANGEROUS GAME funktioniert in seiner narrativen Logik ähnlich wie auch KING KONG und in gewissem Sinne auch DR. CYCLOPS: Eine Gruppe muß fliehen, bzw. jemanden verfolgen. So oder so muß man unwegsames, unbekanntes Terrain durchqueren und wird unterwegs mit allerlei Gefahren durch Flora und Fauna bedroht. Die Handlung in sich ist also Bewegung. In allen drei Filmen jedoch befinden sich die Gruppen auf Inseln, was ihre Bewegung letztlich nur zu Kreisbewegungen machen kann. So erzählen die Filme dann auch: elliptisch. Sie kehren zu ihren Ausgangspunkten zurück und finden dort ihre Auflösung. Der Weg ist das Ziel, in gewissem Sinne. Hier darf Joel McCrea in einer seiner frühen Rollen den ungebrochenen amerikanischen Helden geben. Dieses Image – Rainsford ist durch und durch demokratisch, er ist respektvoll und frei von Allüren trotz seines Bekanntheitsgrades, daß er etlichen Gefahren getrotzt hat, würde ihn niemals auf Ideen bringen, wie Zaroff sie ausbrütet – steht in unmittelbarem Zusammenhang zu dem oben geschilderten Blick auf europäische Dekadenz und Überkommenheit. In diesem Sinne sind Filme wie Schoedsacks Rückversicherungen der Modernität eines urbanen Amerikas, zugleich aber auch Ventile für all die Ressentiments, die auch eine sich so demokratisch, liberal und modern gebende Gesellschaft tief in sich verborgen trägt.

Es ist dieses Spannungsverhältnis, das viele dieser Filme heute nicht nur zu Anschauungsobjekten einer lange vergangenen Zeit macht, sondern auch immer noch zu spannenden und unterhaltsamen Werken. Sicher, nicht alle haben die Zeiten ganz unbeschadet überstanden, es fällt uns Heutigen schwer, das Spiel einer Fay Wray – Prototyp der ‚Scream Queen‘ – ernst zu nehmen, die Plots, Kniffe und viele Bilder wirken wie frühen Agenten- und Superhelden-Comics entnommen, die Struktur der Geschichten entsprechen denen billigster Abenteuerromane – doch von vielen dieser Werke geht eine seltsame Poesie, eine Aura aus, die durchaus auch heute zu fesseln vermag.

THE MOST DANGEROUS GAME reiht sich unter den Filmen Schoedsacks formvollendet ein. Etwas über eine Stunde lang, erzählt er seine Geschichte straff, effizient, atmosphärisch dicht und in oft geheimnisvoll anmutenden Bildern. Sein Personal, allen voran Graf Zaroff, überzeugt, ebenso die Darsteller, die die Rollen eloquent mit Leben füllen. Man kann THE MOST DANGEROUS GAME heute sowohl in der ursprünglichen schwarz-weiß-Fassung, aber auch in einer nachkolorierten betrachten. Der Vergleich lohnt sich, es ist schwer, eine Fassung zu favorisieren, beide haben ihre Reize.

Der Stoff, den Connell mit seiner literarischen Vorlage lieferte, wurde noch oft verfilmt, abgewandelt oder aufgegriffen und erweitert. Zu verführerisch die Geschichte vom menschlichen Wild, zu reizvoll, die Jagd auf die eigene Spezies als Symbol einer an ihre Grenzen stoßenden Kultur zu inszenieren. Ernest B. Schoedsacks Adaption ist aber mit Sicherheit die in ihrer unverstellten Naivität ansprechendste, kann sie mit ihren detailverliebten Kulissen, den liebevoll gestalteten Requisiten und Bühnenbildern doch eine Atmosphäre erzeugen, die den Zuschauer gefangen nimmt, in ihren Bann zieht, durchaus schaudern läßt und dennoch davon kündet, daß wir uns in einer Märchenwelt, in einer Welt des Abenteuers und Spektakels befinden, in der allerhand abgehandelt werden kann, nur darf dies nie mit der Realität verwechselt werden. Da sei der Graf Zaroff davor!

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