NACHT IN DER PRÄRIE/BLOOD ON THE MOON
Ein Western des großen Robert Wise
Jim Garry (Robert Mitchum) folgt dem Ruf seines alten Freundes Tate Riling (Robert Preston), der ihn bittet, ihm zu helfen. Garry hat seine eigene Rinderherde an eine Krankheit verloren, weshalb er jeden Job gebrauchen kann. Noch nicht ganz an seinem Bestimmungsort in einem Indianerreservat angekommen, trifft Garry auf John Lufton (Tom Tully) und dessen Männer. Lufton ist ein Großgrundbesitzer, der Garry vorschlägt, entweder für ihn, Lufton, zu arbeiten, oder aber die Gegend schnell wieder zu verlassen; jedermann sei ein wenig nervös, da sich viele ‚Gun Men‘, angeheuerte Scharfschützen, in der Gegend herumtrieben. Garry lässt sich nicht einschüchtern. Auf dem Weg in die Stadt wird er beschossen und macht so die Bekanntschaft von Amy (Barbara Bel Geddes), Luftons jüngerer Tochter. Er treibt sie seinerseits mit gezielten Schüssen in den Fluß und lässt sie dort stehen – dies solle ihr eine Lehre sein, auf unbescholtene Reisende zu schießen. Schließlich trifft Garry Riling und dessen Männer. Er wird darüber aufgeklärt, daß alteingesessene Siedler wie Kris Barden (Walter Brennan) ihre Ranches verlören, weil ein Mann wie Lufton alles an sich risse. Deshalb wolle man dessen Herde vertreiben und ihm einen Denkzettel verpassen, denn er verlöre so seinen Auftrag für das Reservat. Garry realisiert schnell, daß Riling und der Reservatsaufseher Pindalest (Frank Faylen) in Wirklichkeit ein Doppelspiel mit den Siedlern gegen Lufton treiben, um dessen Ruin herbeizuführen und ihm anschließend seine Herden billig abzukaufen. Die Siedler, denen man weiß gemacht hat, sie könnten an die fetten Aufträge kommen, braucht man lediglich, um Luftons Herde aufzuhalten, damit er seine Termine nicht einhalten kann. Mit einem Trick hatte Lufton Garry dazu genutzt, Riling den falschen Ort und die falsche Zeit zukommen zu lassen, wann er mit seiner Herde den Fluß überqueren wolle, dennoch gelingt es Riling mit seinem Trupp, die Herde aufzutreiben und eine Stampede zu verursachen, bei der es Tote gibt. Garry hat längst seine Zweifel an Rilings Beweggründen – als zwei von dessen Leuten Lufton auf offener Strasse bedrohen, setzt Garry sich für Lufton ein und schützt ihn und Amy. Garry schlägt sich nun auf Luftons Seite und es gelingt ihm mit Amys und Bardens Hilfe in einem dramatischen Showdown, für Gerechtigkeit zu sorgen.
Robert Wise hat in nahezu allen Genres reüssiert, die Hollywood zu bieten hat. Darunter – wie viele Newcomer in jenen Jahren – waren vor allem ‚Film Noirs‘, die – da meist billig hergestellt – als gute Schule für angehendes Personal hinter der Kamera galten. So sollte es nicht wunder nehmen, daß einer seiner wenigen Western (wenn nicht der einzige) viele formale Elemente des Noir aufweist. Wise gelang dennoch ein hervorragender Beitrag, der dem Genre durchaus Essenzielles hinzu zu fügen verstand, was nicht zuletzt dem sozialen Bewußtsein des Regisseurs zu verdanken sein mag.
Robert Mitchum hatte im Jahr zuvor in Raoul Walshs PURSUED (1947) in einem ebenfalls als „Noir-Western“ bezeichneten Film gespielt. Allerdings war Walshs Film nicht nur formal sehr viel stärker vom Noir beeinflusst, sondern wies auch eine Menge inhaltlicher Merkmale auf. Hier, in BLOOD ON THE MOON (1948), sind die für den Noir typischen melodramatischen Elemente eher zugunsten actionreicher Auseinandersetzungen zurückgestellt. Anders als Jeb Rand bei Walsh, haben wir es hier bei Mitchums Jim Garry auch mit keinem Zweifler zu tun, eher einem Mann der Tat. Garry hat sich entschieden, dem Schicksal, das ihm seine Farm genommen hat, damit zu begegnen, das zu tun, was er am besten kann: Schießen. Auch wenn er dies eigentlich nicht will. Er hat anfangs, bei seinem zufälligen Aufeinandertreffen mit John Lufton, durchaus die Möglichkeit, sich gegen einen Job als ‚Gun Man‘ zu entscheiden. Garry entscheidet sich anders und er entscheidet sich auch schnell wieder um, als er seinen Irrtum einsieht. Er ist mehr ein Westerner als ein typisch gebrochener Mann des Noir. BLOOD ON THE MOON ist trotz seines sperrigen Titels weit mehr ein Western, als ein ‚Film Noir‘.
Gleich zu Beginn werden wir Zeuge, wie Jim Garry fast von einer kleinen Herde durchgehender Kühe überrannt wird, später wird uns eine ausgewachsene Stampede gezeigt, bei der es mehrere Todesopfer gibt. Zwei actiongeladene Szenen, die Wise brillant in Szene zu setzen weiß. Vor allem Mitchums Rettung zu Beginn des Films. Wenn er in letzter Sekunde auf einen Baum klettert, bevor die Herde seinen Schlafplatz überrennt, ist rasant und spannend. Die Macht einer rasenden Rinderherde wird inszeniert wie eine Naturgewalt – was zugleich die Bedeutung der Tiere manifest werden lässt. Rinder sind das Lebenselixier dieses Landes. Rinder bedeuten Essen – für die Männer, aber vor allem für die Indianer, die von Lufton im Reservat versorgt werden – , Rinder bedeuten Arbeit, Rinder bedeuten Reichtum. BLOOD ON THE MOON zeigt die Arbeit und das Essen, der Reichtum, die Bedeutung des Lebenselixiers, sind sein eigentliches, tieferliegendes Thema. Wise sieht die soziale Situation und thematisiert sie. Und er nutzt sie, um daran das innere Wesen des Kapitalismus zu verdeutlichen: Alles wird zur Währung oder zur Ware; Lebensmittel, Menschen, das Leben. Wise nutzt die Situation aber ebenso, um erneut vom alten Spiel um Gier und Macht zu erzählen. Mit diesem Fokus ist er im Herz des Westerngenres.
Die Fokussierung auf Rinder als Mittelpunkt des Daseins teilt Wise´ Film mit Howard Hawks im gleichen Jahr entstandenen Epos RED RIVER (1948). Viel haben die Filme gemein in der Darstellung des Viehtriebs, auch während der Stampede bewegen sich beide Filme auf Augenhöhe, was Montage, Dynamik und Timing betrifft. RED RIVER bewegt sich noch mehr als BLOOD ON THE MOON im Mythischen. Sein innerer Konflikt ist tragisch und kann eigentlich auch nur tragisch gelöst werden – daß Hawks darauf verzichtete, verärgert vereinzelt Westernfans noch heute – , Wise Geschichte blickt viel mehr auf die profanen sozialen Realitäten und verankert sich damit in einem realistischen Szenario, das RED RIVER zwar ebenfalls beansprucht, im Zweifelsfall aber zugunsten der Dramatik verlässt. Geschickt werden die längst vorhandenen Ängste der Kleinsiedler wie nebenbei eingeführt und erklärt, wir stolpern mit Jim Garry also in einen lange schon schwelenden Konflikt. Garry fühlt sich persönlich ausgenutzt von seinem alten Kumpel Tate Riling. Dies bringt eine persönliche Note ein, doch spielt der Film diese Karte nur anfangs und im Schlußbild aus, um eine gewisse emotionale Fallhöhe zu markieren. Auch die Verbindung zwischen Luftons Tochter Carol und Riling nutzt der Film eher, um seine Story voranzubringen, denn um dem Ganzen eine tragische Note zu verleihen. Carol ist denn auch schnell bereit, ihren Irrtum einzusehen und Riling zu zeigen, was sie von seinen Umtrieben hält.
Da macht der eine sich die Ängste der vielen zunutze, um seinen Widersacher um die Vorherrschaft an der Rinderfront endgültig auszustechen. Sobald Garry das erkennt, wechselt er allerdings die Seiten und kann damit auch das Herz von Barbara Bel Geddes erobern, die ihn vor allem für seine Unabhängigkeit zu schätzen scheint – eine Unabhängigkeit, die sie selbst verkörpert. Obwohl Mitchum ihr bei ihrer ersten Begegnung – wenn auch provoziert – recht übel mitspielt, wirkt sie nie lächerlich. Sie kann es vielleicht nicht mit einem derart erfahrenen Kerl wie Jim Garry aufnehmen, das spricht im Kontext des Films aber nicht gegen sie, sondern verdeutlicht seinen heldischen Status. Seinen Respekt hat sie allemal. Bel Geddes gibt den Wildfang auch derart überzeugend, daß man dies sofort nachvollziehen kann. Im Zusammenspiel der beiden und in dem, was ihre Haltung zueinander und zu den Konflikten um sie herum ausdrückt, kommt Wise tiefer Respekt vor den Regeln des Western zum Ausdruck: Individualismus, Freiheit, Loyalität u.ä. sind immer die innere Klammer dessen, was die Helden des Western sich bewegen und überhaupt erst funktionieren lässt.
Im Kern erzählt Wise die Story des Mannes, der sich für eine gute Sache einsetzen will und einsehen muß, daß sich die Dinge manchmal komplizierter darstellen, als gewollt. Wie viele guten Western unterläuft sich BLOOD ON THE MOON selber, indem er einer sozialen Botschaft eine fast reaktionäre Plotwendung unterschiebt. Der vermeintliche Kämpfer für Gerechtigkeit ein korrupter Gangster, der vermeintliche Großkapitalist ein Rancher, der seine Herde zusammen zu halten versucht. Robert Wise wird oft als reiner Handwerker abgetan, wird unterschätzt, tatsächlich ist er so etwas wie ein Wunderkind des Hollywoodkinos in seiner Zeit. Er versteht die Mechanismen und Regeln, die Grammatik des jeweiligen Genres, in dem er sich bewegt, nahezu perfekt. Er kann darauf wie auf einer Klaviatur spielen. Allerdings führt das bei ihm selten nur zu Erstarrung, was man von anderen durchaus kennt. Verständnis bedeutet nicht gleich Können. Doch Wise kann. Sein Gefühl für Timing ist phänomenal, als ehemaliger Schnittmeister u.a. für Orson Welles, versteht er genau, was Montage für die Dynamik und den Rhythmus eines Filmes bedeuten. Und er versteht seine Darsteller. Manchmal taucht von Mitchum lediglich dessen engerer Gesichtskreis aus dem Schatten hervor, ansonsten bleibt dessen Figur eine schwere, düstere Masse. Diese Betonungen bringen eine Spannung in den Film, die eine manchmal atemberaubende Atmosphäre erzeugt.
Die schwarz-weiß-Photographie verleiht dem Film eine Schwere, die durch solche Licht/Schatten-Kontraste zusätzlich unterstützt werden. Alles wirkt schwer hier: Die Pferde sind hohe, große Rösser, die in weiten Sprüngen unter dräuenden Himmeln über die Steppen setzen – oder sich durch blütenweißen Schnee voran kämpfen müssen. Die Männer in ihren dicken Winterjacken haben tiefe Schwerpunkte, um ihre Hüften hängen die Waffengürtel wie Fremdkörper, unbequem und widerständlich. Die Bewegungen sind schwerfällig, die Kerle gehen nicht, sie schreiten, belastet vom Gewicht des Lebens. Ein jeder hier – Mitchum allen voran, doch auch Lufton, auch Riling, soviel gesteht das Buch ihm zu, und erst recht ein Mann wie Kris Barden, dessen Darstellung durch Walter Brennan man mit seinem Groot in RED RIVER vergleichen sollte, um einen Eindruck davon zu bekommen, was für ein vortrefflicher Schauspieler er gewesen ist; er ragt aus diesem an sich schon hervorragend aufgelegten Ensemble noch einmal heraus – trägt schwer an der Last seiner eigenen Geschichte, seinem Schicksal. Verlust, Verkennung, die Härte und Rauheit der Arbeit, der dünne Firnis zwischen Leben und Tod, der jederzeit brechen kann, all dies klebt an diesen Menschen, ohne daß es gesondert betont werden müsste. Und ohne daß sie je explizit gezeigt würden, liegt das Schicksal der Indianer in den Händen all dieser Männer, die ihre Ränkespiele auf deren Rücken austragen.
Wise versteht es, in gerade einmal 88 Minuten Länge ein dichtes Drama spannend, actionreich und ausgreifend zu erzählen. Er packt das Publikum und zieht es mit – und das funktioniert immer noch. BLOOD ON THE MOON ist ein vortrefflicher Western. Einen solchen zu drehen braucht es aber mehr, als nur das richtige Händchen oder genaue Kenntnisse des Sujets. Es braucht schon diesen speziellen filmischen Geist, der aus einem Handwerker einen Künstler macht. Wise war ein Künstler.