COWBOY
Delmer Daves bemüht sich um eine authentische Darstellung des Viehtreiber-Lebens
Frank Harris (Jack Lemmon) arbeitet in Chicago in einem großen Hotel. Hier ist auch die mexikanische Familie Vidal abgestiegen. Frank hat sich in Maria Vidal (Anna Kashfi) verliebt, was deren Vater, der Patriarch Señor Vidal (Donald Randolph), keinesfalls goutiert. Er hat unter anderem einen Liebesbrief abgefangen, den Frank an Maria geschrieben und in welchem er ein Gedicht für seine Angebetete verfasst hatte.
Eines Tages kommt der Viehtreiber Tom Reese (Glenn Ford) mit seinen Leuten in die Stadt. Wie immer steigt er in dem Hotel ab, in dem Frank arbeitet. Reese und seine Männer waren monatelang mit ihrer Herde unterwegs und wünschen nun jede Menge Whiskey und heißes Wasser, um zu baden. Frank ist der Mann, der sich um alles kümmern muß.
Die Ankunft der Cowboys lässt Frank einen alten Traum erneut träumen: Immer schon wollte er gen Westen und dort sein Glück finden. Das Cowboyleben romantisiert er und stellt es sich als ein nicht enden wollendes Abenteuer vor. Als Frank zudem mitbekommt, daß Reese als nächstes ein Geschäft mit Vidal abschließen will und deshalb vorhat, gen Mexiko zu ziehen, bittet Frank ihn, mitkommen zu dürfen – als Cowboy. Und natürlich in der Hoffnung, so seine geliebte Maria wiedersehen zu können. Reese lehnt dies ab, da er das Leben draußen in der Steppe kennt und kein Greenhorn gebrauchen kann.
Die Situation ändert sich, als Reese sein gesamtes Geld bei einem Pokerspiel verliert und Frank ihm seine Ersparnisse aus einer Erbschaft anbietet, damit der Viehtreiber weiterspielen kann. Als Gegenleistung will Frank Teilhaber an Reese nächster Unternehmung werden. Der Cowboy geht darauf ein. Am nächsten Tag, ausgenüchtert, will Reese den Deal rückgängig machen, was Frank ablehnt. Er will mit. Reese weist ihn darauf hin, daß die Wirklichkeit des Cowboylebens völlig anders aussieht, als man sich dies meist vorstellt, doch das kann Frank nicht schrecken. So ist es also ausgemacht: Frank Harris reitet mit Reese und seinen Männern, darunter der Vorarbeiter Paco Mendoza (Victor Manuel Mendoza), der für Reese ein Freund und erster Ansprechpartner bei Schwierigkeiten ist.
Schnell begreift Frank, was Reese meinte, als er ihm erklärt hatte, daß das Leben unterwegs anders und vor allem härter als in den Cowboy-Geschichten und den Heftchen ist, die dieses Leben gern romantisieren und verherrlichen. Reese ist ein gnadenloser Schinder, für den ein Rind immer mehr wert zu sein scheint als ein Menschenleben. Er verlangt von sich und seinen Männern äußerste Härte und treibt sie erbarmungslos voran. Mehrfach kommt es zu Situationen, die den eher sensiblen Frank Harris schockieren. Auch der raue Umgangston, den die Cowboys untereinander pflegen, ist Frank vollkommen fremd und widert ihn mehr und mehr an.
Eines Abends kommt es während eines derben Spiels mit einer Klapperschlange zu einem Unfall, bei dem einer der Männer gebissen wird und bald darauf stirbt. Bei der Beerdigung fallen weder Reese noch einem seiner Männer irgendwelche Bibelsprüche oder auch nur ein Gebt ein, weshalb Reese nichts anderes einfällt, als am Grab von sich zu reden und daß er hoffe, einst, wenn sein Tag komme, dem Herrn im Reinen mit sich gegenübertreten zu dürfen. Dann fordert er die Männer auf, das Grab zuzuschaufeln, man müsse früh weiter.
Frank ist entrüstet ob der Kaltherzigkeit, mit der die Männer über den auch von ihnen verschuldeten Tod ihres Kameraden hinweggehen. Mit seinem Cowboy-Kollegen Paul Curtis (Richard Jaeckel) gab es bereits ein Handgemenge, als dieser dem Toten die Stiefel klaute. Auch die Tatsache, daß niemand die Blödelei, die zu dem Unfall geführt hat, thematisiert, findet Frank empörend. Und doch muß er nun lernen, daß dies nun einmal die Gesetze der Prärie sind. Reese stellt ihn zur Rede und erklärt sich bereit, ihm sofort seinen Anteil zurückzugeben, wenn er die Gesellschaft der Cowboys nicht länger zu schätzen wisse. Doch Frank lehnt dieses Anliegen ab. Er ist fest entschlossen, trotz aller Widerstände ein echter Cowboy zu werden und weiter zu machen.
Bei einer weiteren Gelegenheit, als die Männer nicht bereit sind, einem der ihren zur Hilfe zu kommen, der gerade dabei ist, sich in Schwierigkeiten zu bringen, kommt es sogar zu einer Schlägerei zwischen Reese und Frank. Dennoch muß Reese in einem Gespräch mit Mendoza zugeben, daß er den Kerl mag. Und er merkt, daß Harris mit vielen seiner Ansichten vielleicht nicht ganz falsch liegt.
Als der Tross schließlich in Mexiko die Ländereien von Señor Vidal erreicht, gibt es für Frank eine böse Überraschung: Maria ist verheiratet. Ihr Vater hat sie bald nach der Rückkehr aus Chicago mit dem Großgrundbesitzer Don Manuel Arriega (Eugene Iglesias) verheiratet. Der ahnt schnell, daß da etwas zwischen dem Gringo und seiner Frau läuft, was die Atmosphäre nicht unbedingt entspannt. Dennoch nehmen die Amerikaner an der anstehenden Fiesta teil.
Es gelingt Frank, Maria noch einmal allein zu treffen, doch sie macht ihm unmißverständlich klar, daß sein Werben keinen Sinn mehr habe, viel mehr müsse er aufpassen, da ihr Gemahl äußerst eifersüchtig sei. Frank bittet Maria, auf ihn zu warten, er käme zurück und würde sie holen. Doch Maria weiß, daß dies nur ein schöner Traum ist, der nie wahr werden kann.
Bevor Reese und die seinen mit Vidals Vieh, das sie gekauft haben, losziehen, gibt es noch ein Fest zu ihren Ehren. Dabei fordert Arriega die Amerikaner zu einem gefährlichen Spiel heraus: Er reitet in eine mit Kühen und einem wilden Bullen gefüllte Arena, wo er versucht, einen Kranz über ein Horn des Tieres zu legen. Ohne Rücksicht auf sein Pferd treibt Arriega das Spiel voran, bis ihm die Aufgabe geglückt ist. Harris nimmt die Herausforderung an, glaubt er doch, Maria damit beeindrucken zu können. Doch Reese nimmt ihm die Aufgabe ab, womit er Frank zwar bloßstellt, aber wahrscheinlich auch vor Schlimmeren bewahrt, weiß er doch, wie gefährlich das Unterfangen ist. Er selbst betritt die Arena zu Fuß, damit keine weiteren Pferde geschädigt würden. Ein Vorgehen, das Harris verwundert, hatte Reese ihm zuvor doch mitgeteilt, daß er Pferde nicht mag, sie seien hinterhältig und außerdem feige. Nun stellt er sich dem Bullen und es gelingt ihm schließlich mit einigen Finten und Tricks, den Kranz zu platzieren, wodurch er den Kampf gewinnt.
Die Männer ziehen mit der Herde los gen Norden.
Einige kleinere Begebenheiten deuten darauf hin, daß Frank sich verändert. Er wird härter, er übernimmt immer mehr Aufgaben und macht seine Sache letztlich so gut, daß Doc Bender (Brian Donlevy), ein Scharfschütze, den Reese nur widerwillig eingestellt hat, da er keine Pistoleros schätzt, ihm scherzhaft mitteilt, aus Harris könne noch was werden. Reese stimmt ihm nachdenklich zu. In der Folge bemüht Reese sich darum, besser mit Frank auszukommen. So sagt er ihm auch, daß es ihm wegen Maria leid täte und er Franks Enttäuschung nachvollziehen könne. Doch Frank will Reese´ väterliche Ratschläge nicht hören.
Während der Trieb staubige Meile um staubige Meile zurücklegt, folgen ihm einige Indianer. Frank ist aufgeregt, allerdings furchtlos, doch Reese und die Männer sehen die Sache eher entspannt. Ihrer Meinung nach seien die Komantschen an zurückgebliebenem Vieh interessiert, nicht daran, die Herde selbst und damit die Männer anzugreifen.
Frank ist eines Morgens aus dem Lager verschwunden. Mendoza weiß nur, daß er früh allein losgeritten sei, um versprengtes Vieh zusammen zu suchen und zur Herde zurück zu treiben. Reese war schon zuvor aufgefallen, daß, je härter Frank in seinem Benehmen wird, er auch immer häufiger vom rein monetären Wert der Herde spricht. Reese ist bereit, auf seinen Partner, der Frank ja nun einmal ist, zu warten.
Frank ist es gelungen, eine beträchtliche Zahl Vieh einzusammeln und zur Herde zu treiben. Während Reese und die Männer auf ihn warten, beobachten sie erneut die Komantschen. Als diese sich dem Lager nähern, stellen sich alle auf einen bevorstehenden Angriff ein, sind aber umso verwunderter, als die Indianer an ihnen vorbeireiten, sie dabei nicht einmal zu beachten scheinen. Reese begreift, daß sie Frank angreifen wollen, der ein viel leichteres Ziel darstellt. Um Frank zur Hilfe zu kommen, treiben die Männer die ganze Herde durch einen Canyon, um die Indianer so in die Flucht zu schlagen. Das gelingt, allerdings kommt es dabei zu einer wüsten Schießerei, bei der Reese nicht nur gewärtigen muß, daß sein Partner mittlerweile auch mühelos Menschen erschießt, sondern selbst auch angeschossen wird.
Da Reese nun zunächst nicht mehr seinen Aufgaben nachkommen kann, übernimmt Frank kurzerhand die Führung des Triebs. Reese teilt er mit, daß die 200 Stück Vieh, die bei der Rettungsaktion umgekommen seien, alle auf dessen Konto gingen. Sein Teil der Herde sei unversehrt. Er habe nicht um Hilfe gebeten, im Gegenteil wäre er mit den Indianern auch allein fertig geworden.
Reese spürt erneut, daß bei Harris eine Wandlung eingesetzt hat. Nicht nur wird er ein immer besserer Cowboy, nicht nur nimmt er die Härte an, die das Leben in der Prärie verlangen mag, sondern er wird auch immer mehr zu einem Besitzer, der das Gewicht seiner Kühe und Bullen sehr genau in Cent und Dollar zu übersetzen weiß. Allein – ob Franks Entwicklung ihm behagt, vermag Reese nicht zu sagen.
Frank separiert sich zusehends von den Männern, dafür wird er als Antreiber immer brutaler. Die Arbeitstage werden länger, die Nächte kürzer, Harris lässt den Leuten nichts mehr durchgehen. So erreichen sie schließlich Wichita, wo das Vieh auf Züge nach Chicago verladen werden soll. Doc Bender teilt dem mittlerweile wieder genesenen Reese mit, daß er den Trieb verlassen werde. Er, einst Marshal, wolle es noch einmal mit dem Stadtleben versuchen. Außerdem treffe er einen alten Freund in der Stadt. Ebenfalls ein Scharfschütze, man wolle sich über die alten Zeiten austauschen.
Während das Vieh auf die Züge verladen wird – Frank führt akribisch Buch und verzeichnet jedes Stück genauestens, dabei immer die Männer antreibend, schneller zu machen, man müsse los – kommt einer der Cowboys aus der Stadt angeritten. Doc Bender habe sich im Saloon ein Duell mit einem Trinkpartner geliefert, diesen erschossen und die Waffe dann gegen sich selbst gerichtet. Reese ist sichtlich berührt von dieser Mitteilung. Doc Bender hatte ihm einmal am Feuer erzählt, daß er eigentlich nicht so sterben wolle – der eigenen Legende erlegen, weil sich irgendjemand seine Meriten damit verdienen will, daß er eine Berühmtheit erschießt.
Frank Harris hört sich an, was geschehen ist, dann dreht er sich weg und fordert die Männer auf, weiter zu arbeiten. Reese stellt ihn zur Rede. Harris weist auf den Tod des Mannes in der Prärie hin, elend an einem Schlangenbiss verreckt. Er habe sein Verhalten doch von Reese gelernt, was dieser sich nun beschwere? Reese blickt Frank verdutzt nach, dann folgt er ihm und teilt ihm mit, daß der ihm nichts vormachen könne. Er sei nicht „hart“ geworden, sondern einfach nur unglücklich. Er ließe den Frust, Maria verloren zu haben, an den Männern aus und wolle mit aller Gewalt die eigenen Gefühle wegdrücken. Dann lässt Reese Frank stehen.
Während der langen Zugfahrt gen Chicago stellen die Männer fest, daß einige Kühe sich hingelegt haben und nun zertrampelt zu werden drohen. Frank wagt sich in den eng beladenen Wagen und versucht, die Tiere wieder aufzurichten. Ein äußerst gefährliches Unterfangen. Reese folgt ihm, als er davon erfährt. Es gelingt Reese, Frank aus einer brisanten Situation zu befreien. Dann richten sie gemeinsam die Tiere wieder auf.
In Chicago steigt die Meute im gleichen Hotel wie sonst auch ab. Diesmal ist Frank Harris allerdings Gast, nicht Portier. Und so ordert er jede Menge Whiskey und sehr viel heißes Wasser. Wanne an Wanne feiern er und Reese ihre Partnerschaft.
Durchstöbert man die einschlägige Literatur zu Amerikas ureigenem Genre des Western, sticht immer mal wieder ins Auge, daß Delmer Daves´ Cattle-Drive-Werk COWBOY (1958) hier und da als Western-Komödie oder zumindest als „parodistisch“ eingestuft wird. Fragt sich, ob das an der Mitwirkung von Jack Lemmon liegt, der zumeist mit seinen Rollen im komischen Fach assoziiert wird. Dabei liefert Lemmon, der seinen ganz großen Durchbruch im darauffolgenden Jahr in Billy Wilders SOME LIKE IT HOT (1959) erleben sollte, hier eine recht gute Leistung im ernsten Fach ab. Und der Western – man betrachte nur die Figuren und einige Auflösungen von Szenen bei John Ford, sozusagen dem Paten des klassischen Western – hatte immer auch seine komischen Seiten, ließ Pointen zu, verstand es in seinen besten Momenten, die Tragik, die ihm meist zugrunde liegt, auch durch einen gewissen Humor zu brechen.
Lemmon spielt hier ein klassisches Greenhorn. Aus Abenteuerlust und in der Hoffnung, die Frau wiedersehen zu dürfen, die er liebt und die ihn liebt, schließt er sich in der Rolle des historisch verbürgten Frank Harris dem Viehtreiber Tom Reese an, den Glenn Ford zwar routiniert als harten Hund gibt, aber doch auch mit einer leisen Melancholie ausstattet. Dank der harten Führung durch Reese und anhand der reinen Kraft der Wirklichkeit, die keine Rücksicht auf Harris´ Vorstellungen und Ideen nimmt, lernt er auf entbehrungsreiche Art und Weise den Unterschied zwischen romantischer Verklärung und der Realität kennen. Delmer Daves scheute sich nicht, auf der Basis eines Drehbuchs von Edmund H. North die Grenzen dessen zu dehnen, was auf der Leinwand erzählbar war. Er zeigt die Härten der Realität eines Cowboylebens. Er zeigt die Arbeit, er zeigt die Müdigkeit, er zeigt die Verletzungen, wenn man dauernd zwischen langhörnigen Rindern hindurchreitet.
Er zeigt vor allem aber auch, was das mit diesen Männern macht. Sie sind derb, ihr Humor ist derb. Ihre Empathie ist kaum ausgebildet. Stirbt einer von ihnen, fällt niemandem etwas ein, was man am Grab sagen könnte. Deshalb redet Reese dann schließlich von sich, bevor er zwei Männer auffordert, das Loch zuzuschütten, man müsse weiter. Las selbst der langsam dem Wahn verfallende Tom Dunson in Howard Hawks´ RED RIVER (1948) am Grab zweier Männer, nachdem er sie niedergeschossen hatte, noch aus seiner Bibel, scheinen die Männer in Reese´ Tross gar nicht zu wissen, was das sein soll, die Bibel. Der Mann war einer von ihnen, er wurde das Opfer einer Dummheit, nun ist er eben tot. Man macht weiter. Daves scheut sich nicht, die Verrohung zu zeigen, die dieses Leben, vielleicht zwangsläufig, mit sich bringt. Er thematisiert dabei so abwegige Tabubereiche wie Kannibalismus, wenn einer der Cowboys damit aufgezogen wird, einst einen Indianer verspeist zu haben – und die Reaktionen immer offenlassen, ob dies einfach eine wilde Geschichte ist oder nicht doch etwas mehr dahintersteckt. Zu kenntnisreich scheinen manche der Details, die der Betreffende so von sich gibt.
North gibt dieser Frage nach der Verrohung in seinem Script viel Raum. Sie eskaliert in einer wilden Schlägerei zwischen Harris und Reese, nachdem ersterer den Männern ihre Abstumpfung offen vorgeworfen hat und Reese zunächst ruhig kontert, daß Harris das gewusst habe. Er, Reese, habe es ihm deutlich gesagt, bevor sie aufgebrochen seien. Wenn Harris die Realität eines Viehtriebs nicht gefalle, stehe es ihm jederzeit frei, zu gehen. Das wäre Reese eh am liebsten. Es kommt zu Handgreiflichkeiten, die Harris lehren, daß draußen in der Prärie, unterwegs, nur die Regeln gelten, die Reese aufstellt und die seine Männer genau kennen und befolgen. Nach dieser Auseinandersetzung setzt Harris´ Wandlung ein, zeigt sich immer mehr die andere Seite des verträumten Möchtegern-Cowboys. Da kommt dann ein ziemlich harter und egoistischer Typ zum Vorschein, der plötzlich jeden Meter und jedes Gramm an Gewicht der Herde in Geld umrechnet, einer, der sich und andere quält, der allerdings auch in der Lage ist, in dem Moment, in dem es drauf ankommt, Führung zu übernehmen und die Dinge voranzutreiben. Und damit das Arbeitsethos und die damit verbundenen Einstellungen zu Leben und Tod von Reese und dessen Leuten übernimmt und übererfüllt. Und denen schließlich auch die damit einhergehende Kälte spiegelt. Reese selbst ist derjenige, der nicht zuletzt durch die Beobachtung der Wandlung in Harris´ Charakter nachdenklich wird und selbst zusehends aufweicht.
North zieht eine feine dialektische Linie in dieser Beziehung zwischen dem älteren und erfahreneren Mann und dem jungen Draufgänger, dem Rookie, dem Greenhorn. Natürlich ist es eine Vater-Sohn-Beziehung, wie der Western so viele hervorgebracht hat, natürlich ist es auch eine klassische Initiationsgeschichte, wie sie der Western ebenfalls wieder und wieder erzählt. Am Ende der 50er Jahre, also der „erwachsenen“ Dekade des Westerngenres, konnte eine solche Geschichte jedoch gebrochen erzählt werden, auch kritisch. Denn COWBOY verherrlicht, von den allerletzten Einstellungen des Films einmal abgesehen, die Härte dieses Lebens nicht. Wenn Reese Harris zur Rede stellt und zu dem Schluß kommt, daß dessen plötzlicher Sinneswandel hin zu einem kalt kalkulierenden Anführer vor allem in dem Unglück gründet, daß seine geliebte Maria unerreichbar geworden ist, keineswegs aber eine echte Veränderung gebracht habe, dann ist Reese selbst allerdings schon viel zu weit in seinen eigenen Zweifeln gefangen, um dieses Leben unhinterfragt so weiterleben zu können.
Ein gelungener Western, egal in welcher Phase des Genres, erzählt seine Geschichten gradlinig und direkt. Er findet Bilder, die den Seelenlandschaften der Protagonisten Ausdruck verleihen, Bilder, die zugleich aber auch immer eine Position des Menschen zu und in diesen Landschaften vermitteln, den Menschen in einen weiter gefassten Rahmen stellen, ihn Bedingungen unterworfen zeigen, Prüfungen ausgesetzt, denen er sich zu stellen hat. So kann der Western ungeniert auf mythische oder ur-religiöse Themen und Bilder zurückgreifen, ohne dies sonderlich zu kaschieren. Er muß seine Geschichten aber so erzählen, daß sie in sich stimmig sind. Und genau das gelingt Delmer Daves in seinen vielen, vielen Western fast immer mit traumwandlerischer Sicherheit. Sie sind, was Tempo, Dramatik, die Action und auch die lyrischen Momente betrifft, oft nahezu perfekt komponiert. Der Regisseur vertraute in Falle von COWBOY auf den Kameramann Charles Lawton junior, mit dem er zuvor schon bei JUBAL (1956) zusammengearbeitet hatte und der ihm hier die benötigten dreckigen Bilder liefert, die den Grundton der Geschichte aufgreifen und bestätigen.
Lange Einstellungen und Schwenks, weite Totalen und bedächtige Kamerabewegungen generieren Bilder, die manchmal im Staub versinken, die die Trockenheit vermitteln, die Hitze, die Anstrengung des Ritts, die Konzentration, die nötig ist, eine große Herde Vieh durch diese endlosen Weiten zu treiben, durch Canyons, durch Flüsse, durch die offene Steppe. Die Strapazen sind greifbar und selbst jene Momente, in denen die Männer nach ihrem Tagwerk am Lagerfeuer sitzen und sich ihre rauen Witze erzählen und sich gegenseitig auf den Arm nehmen, sind von unterschwelliger Spannung erfüllt. So betont Lawton in seinen Bildern des nächtlichen Camps das Dunkel um den Lagerplatz herum, welches die Gruppe rahmt und dafür sorgt, daß auch der Zuschauer so etwas wie eine natürliche Verbundenheit mit ihr spürt. Weil man aufeinander angewiesen ist; hier, wo eine äußere Bedrohung, eine Gefahr, gerade durch die Dunkelheit, die Lawton so eindringlich hervorzuheben versteht, immer gegenwärtig bleibt. Doch entsteht die Spannung auch innerhalb der Gruppe, weil mit Harris nicht nur ein für die Männer Fremder den Trieb begleitet, sondern gleich auch eine Führungsrolle für sich beansprucht, als Reese wegen einer Verletzung ausfällt. Zudem besteht zwischen Reese und Harris offenbar ein zwar ebenfalls von Spannungen gekennzeichnetes, aber doch intimeres Verhältnis, als die Männer es von ihrem Chef gewohnt sind. Verwirrung allenthalben.
Die äußere Bedrohung stellen auch in COWBOY einmal mehr die Indianer dar. Sie verfolgen den Viehtrieb, da sie auf einzelne Rinder hoffen, die von der Herde separiert wurden. Sie verfolgen schließlich Harris, der eines Tages allein losgeritten ist, um einen Teil der Herde zusammen zu treiben. Um ihm zur Hilfe zu eilen, jagen Reese und seine Männer die Herde durch einen Canyon, den Indianern entgegen, und retten so Harris, der ihnen das allerdings nicht dankt – zu viele Tiere seien bei der Aktion gefährdet worden, Tiere, die in Chicago viel Geld einbrächten. Geschickt nutzen Buch und Regie diese Episode, um die Veränderung in Harris´ Charakter noch einmal zu verdeutlichen, was gut gelingt. Weniger gut gelingt einmal mehr der Umgang mit den Indianern. Das wäre weiter nicht erwähnenswert, ist dies doch eines der bestimmenden Themen, setzt man sich mit der Geschichte, auch der Wirkungsgeschichte des Western auseinander, doch handelt es sich hier eben um einen Film von Delmer Daves.
Es ist ungewöhnlich, daß in einem Western, für den Delmer Daves verantwortlich zeichnet, die amerikanischen Ureinwohner derart indifferent dargestellt werden. Gerade Daves hatte zuvor – als Regisseur und Drehbuchautor – an zwei der Western mitgearbeitet, die wesentlich dazu beitrugen, das Indianerbild im Hollywood-Western nachhaltig zu verändern – BROKEN ARROW (1950/Regie) und WHITE FEATHER (1955/Drehbuch). Nun geht es in COWBOY natürlich nicht um Indianer, der Schwerpunkt des Films liegt eben auf der Beziehung zweier Männer, einer beginnenden Freundschaft und einer Initiation. Dennoch wundert es ein wenig, daß Daves Jahre nach den erwähnten Werken, die so maßgeblich in der Geschichte des Western wurden, Indianer dann doch wieder einsetzt, wie es der traditionelle Hollywood-Western immer gern getan hat: Sie sind Feinde, treten als Masse auf, individuelle Schicksale gibt es nicht, sie sind mehr oder weniger Teil einer dem Menschen (sprich: dem Weißen) feindlich gesinnten Natur und werden zu Gunsten actionhaltiger Szenen abgeschlachtet. Auch diese Einstellungen zeugen von der Könnerschaft Lawtons, sind sie doch dynamisch und intensiv gedreht und zeugen ebenfalls von einer Härte, die in Hollywood neu war. Und doch sind sie ver-störend in einem ansonsten doch eher um Differenzierung bemühten Film.
Es gibt eine frühe Szene im Film, die geschickt eingesetzt wird und einen gewissen Kontrapunkt setzt; möglicherweise ist es eine Geste des Regisseurs, die an die früheren Filme erinnern soll. Auf dem Ritt gen Mexiko kommen den Männern einige Indianer entgegen, mitten in der Prärie. Ohne voneinander Kenntnis zu nehmen, reiten die beiden Gruppen aneinander vorbei. Für alle Beteiligten scheinbar ein vollkommen normales und gängiges Verhalten. Außer für Harris, der noch nie einen Indianer gesehen hat. So wird diese Szene genutzt, um seine Unkenntnis zu unterstreichen, einmal mehr zu betonen, daß dieser Mann keine Ahnung hat, worauf er sich da eingelassen hat, nichts von den Regeln in der Wildnis versteht. Doch ist es ein geschickter Zug der Regie dafür Ureinwohner zu zeigen, die völlig gleichberechtigt wirken – und in Frieden dahinziehen.
An anderer Stelle – und das ist wirklich erfrischend und neu an COWBOY – räumen Daves und Drehbuchautor North allerdings allerhand liebgewonnene Klischees ab. Und zwar mit sichtlicher Lust daran. Am deutlichsten wird dies, wenn Reese über Pferde spricht, diesen einen miesen Charakter attestiert und somit gründlich mit der Legende vom Cowboy und seiner Liebe zum Pferd aufräumt. In Reese Wahrnehmung ist ein Pferd ein Mittel zum Zweck, ein Werkzeug letztlich, das er nutzt, solange es funktioniert. In einem größeren Rahmen gehören diese Aussagen natürlich zur Strategie des Films, generell die Härte des Viehtreiber-Lebens darzustellen, dabei eine gewisse Authentizität zu vermitteln und so all den Kitsch und die Legenden zu vermeiden, die diesen sicherlich nicht sonderlich romantischen Beruf so gern verklären. Dessen Romantisierung sitzt ja auch der anfangs so naive und abenteuerlustige Frank Harris auf, was ein integraler Bestandteil dessen ist, wovon der Film dann erzählt. Denn Harris´ Naivität wird hier eben nicht dafür genutzt, um Lacher an Lacher zu reihen, sondern es ist eben exakt die Haltung, die in der zeitgenössischen Gegenwart des Films, Ende der 50er Jahre, nicht zuletzt durch die Propaganda Hollywoods, stark ausgeprägt war. Und die in diesem Film nach und nach dekonstruiert wird.
Laut Joe Hembus´ WESTERN-LEXIKON[1] soll Daves COWBOY als seinen persönlichen Lieblingsfilm unter den von ihm gedrehten Werken betrachtet haben. Gerade weil er ihm eine gewisse Authentizität und sogar Dokumentarcharakter unterstellt, ihn als „wirkliche“ Beschreibung des Cowboy-Lebens betrachtete. Und auch, wenn wir Heutigen natürlich wissen, daß auch das für einen Film der späten 50er eher ein frommer Wunsch, denn eine wirkliche Zielsetzung war, kann man das Bemühen klar erkennen. Selten wurde Arbeit in einem Western so eindringlich dargestellt – auch darin kann man eine Parallele zu Hawks RED RIVER sehen – und ebenso selten wurde in einem damaligen Western thematisiert, welche Auswirkungen ein solches Leben auf die Seele und die Psyche derer hat, die es leben müssen. Daß dies dennoch ein guter, den Regeln und Konventionen des Genres entsprechender Western ist, der unterhält und von einer sehr guten Grundspannung lebt, macht COWBOY natürlich umso aufregender und nach wie vor zu einem interessanten und immer noch gut konsumierbaren Western aus der Spätphase der klassischen Periode dieses Genres.
[1] Hembus, Joe: DAS WESTERN-LEXIKON. München 1976/1995; S.109f.