DAS BÖSE/PHANTASM
Einer jener fast vergessenen Genrebeiträge, die die 70er Jahre zu einem solch interessanten, weil experimentierfreudigen Film-Jahrzehnt gemacht haben
Tommy (Bill Cone) hat auf dem Friedhof Sex mit der „Lavendel-Frau“ (Kathy Lester), die sich während es Akts in einen riesigen Mann verwandelt, der Tommy tötet.
Der 15jährige Mike (A. Michael Baldwin), ruhelos nach dem Tod seiner Eltern, beobachtet nach Tommys Beerdigung, wie der Bestatter des Friedhofs, ein Riese, den Mike den „Tall Man“ (Angus Scrimm) nennt, den Sarg mit der Leiche problemlos anhebt und in seinen Wagen lädt. Anschließend verbringt er ihn in das dem Friedhof angeschlossene Mausoleum.
Mike, der sich in der Welt nach dem Tod seiner Eltern nur schwer zurecht findet, geht zu einer Schulbekanntschaft (Terrie Kalbus), deren Großmutter (Mary Ellen Shaw) eine Wahrsagerin ist. Er schildert sowohl seine Beobachtungen, als auch seine Ängste, daß sein Bruder Jody (Bill Thornbury), bei dem er nun lebt, ihn verlassen könnte. Mike hat Jody und dessen Freund Reggie (Reggie Bannister) darüber reden hören, daß Jody gern aus der Provinzstadt in Oregon abhauen und als Musiker nach San Francisco oder eine andere Metropole gehen möchte. Die Wahrsagerin, die durch ihre Enkelin spricht, beruhigt ihn und lässt ihn dann seine Hand in eine schwarze Box legen, die sie scheinbar aus dem Nichts auf dem Tisch materialisieren ließ. Die Box greift nach Mikes Hand und er empfindet Schmerz, doch die Wahrsagerin teilt ihm mit, daß es keinen Schmerz gebe, alles sei Illusion. Nachdem Mike gegangen ist, beginnen Großmutter und Enkelin wie irre zu lachen.
Die Enkelin geht zum Mausoleum, da die Wahrsagerin ihr aufträgt, zu überprüfen, was Mike erzählt hat. In den erstaunlich kühlen und hellen Räumen stößt sie auf einen besonders hellen, beginnt zu schreien und wird getötet.
Jody und Reggie glauben Mike nicht. Jody lernt in einer Bar des Nächtens die „Lavendel-Frau“ kennen und geht mit ihr für ein Schäferstündchen auf den Friedhof. Mike folgt ihm, wird von einer seltsamen, kleinen Gestalt angegriffen und flieht schreiend. Jody, der ihn hört, folgt ihm. Mike kann ihm nicht erklären, was los ist. Als sie die Frau auf dem Friedhof suchen, ist sie verschwunden.
Mike wird Zeuge, wie der „Tall Man“ in der Stadt umherwandelt, offenbar auf der Suche nach Opfern. Mike folgt ihm ins Mausoleum, wo er beobachtet, wie der „Tall Man“ dort, umgeben von fliegenden silbernen Kugeln, wie in seinem natürlichen Zuhause umhergeht. Die Kugeln entdecken Mike und folgen ihm. Er kann sich unter einem der nun zu Geschossene mutierenden Kugeln hinweg ducken und sieht, wie sie, mit einem fürchterlich scharfen Messer bewehrt, einen Hausmeister, der gerade im Mausoleum unterwegs ist, tötet. Der Mann blutet in wenigen Minuten komplett aus. Der „Tall Man“ holt die Leiche und verfolgt dann den fliehenden Mike, dem es gelingt, seiner Angst Herr zu werden, indem er sich an die Ansage der Wahrsagerin erinnert: Alles sei Illusion. Er kann eine schwere Tür hinter sich zuschlagen, klemmt dabei allerdings die Finger de „Tall Man“ ein. Er hackt diese ab und sieht, wie anstatt des erwarteten Blutes ein dicker gelber Saft aus den Stümpfen quillt. Dies und der unmenschliche Schrei, den er von der anderen Seite der Tür vernimmt, bestärkt ihn in der Annahme, daß er es mit nichts Menschlichem zu tun hat.
Als Mike Jody und Reggie einen der Finger zeigen will, bewegt sich dieser in der hölzernen Schachtel, in die Mike ihn gelegt hat. Dann verwandelt er sich in ein fliegendes insektenartiges Wesen und greift die drei Männer an. Jody ist nun von Mikes Geschichte überzeugt. Er und Reggie entschließen sich, in das Mausoleum einzudringen und mit den Machenschaften des „Tall Man“ aufzuräumen. Doch Jody wird von einem scheinbar fahrerlosen Wagen vom Mausoleum gehetzt, erst als Mike es gelingt, den unbemannten Wagen zu stoppen, erkennen sie, womit sie es zu tun haben: Im Wagen sitzt eine bizarr geschrumpfte Version von Tommy. Reggie ist außer sich. Sie verfrachten den Mini-Tommy in Reggies Eiswagen – er ist Eisverkäufer – um ihn dort zu konservieren.
Reggie bringt Mike zu dem Antiquitätenladen seiner Freundin Sally (Lynn Eastman), wo er in Sicherheit sein soll. Während Reggie zurück zu Jody fährt, wird er angegriffen und mit seinem Wagen von der Straße abgedrängt. Mike entdeckt derweil im Laden ein Foto aus der Jahrhundertwende, auf dem der „Tall Man“ auf einem zeitgenössischen Leichenwagen sitzt. Mike starrt auf das Foto und dieses beginnt zu leben, der „Tall Man“ dreht sich ihm zu und grinst ihn aus dem Foto heraus an.
Sally und Mike fahren gemeinsam mit einer Freundin Sallys heim und finden unterwegs Reggies Wagen, der leer ist, Tommy ist verschwunden. Sie werden von einer Meute kleiner Wesen angegriffen, die Mike aus dem Wagen schmeißen, die Mädchen fahren kreischend in die Nacht hinaus. Mike kehrt alleine heim.
Dort sperrt Jody ihn in sein Zimmer, um ihn in Sicherheit zu wissen. Doch Mike befreit sich und wird vor dem Haus seiner Eltern vom „Tall Man“ angegriffen. Der entführt den Jungen, doch Mike kann sich befreien. Es gelingt ihm, den Wagen des „Tall Man“ in einen Unfall zu verwickeln, bei dem er explodiert. Mike folgt nun Jody ins Mausoleum. Dort öffnet er die Urne seines Vaters, die leer ist, Mike schreit auf, begreift er doch, daß auch seine Eltern mit aller Wahrscheinlichkeit Opfer des „Tall Man“ geworden sind. Sein Schrei lenkt die Aufmerksamkeit einer der Silberkugeln auf ihn, die Jody im letzten Moment, bevor sie Mike töten kann, vernichtet.
Reggie taucht plötzlich auf und versichert, er habe Sally, deren Freundin und einige andere Frauen retten können. Nun öffnen Jody, Reggie und Mike jene Tür, die zuvor der Enkelin der Wahrsagerin zum Verhängnis wurde. Hier stoßen sie auf eine ganze Batterie schwarzer Kanister, in denen die geschrumpften Körper toter Stadtbewohner aufbewahrt werden. Mike gerät in ein dimensionales Portal. Er sieht die Oberfläche eines extrem heißen und offenbar mit hoher Gravitation ausgestatten Planeten, auf dem die geschrumpften Körper Sklavendienste tun. Jody kann ihn gerade noch davor retten, vollends durch das Dimensionsloch zu rutschen.
Durch das nun entstehende Kraftfeld werden die drei getrennt und Reggie, nun allein im Raum, steckt seine Hand in das Portal, woraufhin die Kanister mit Macht hineingezogen werden. Auch die „Lavendel-Frau“ erscheint und versucht, Jody zu töten, doch der Sog des Portals ist zu stark. Sie tötet aber noch Reggie, bevor sie verschluckt wird. Reggie gelingt es, eine Art Rückkopplung zu verursachen, wodurch das Portal den Raum, schließlich das gesamte Mausoleum verschlingt.
Mike und Jody begreifen, daß sie es offenbar mit einem Wesen aus einer anderen Dimension oder von einem anderen Planeten zu tun haben. Sie beschließen, den „Tall Man“ in eine nahegelegen Mine zu locken und dort in einem 300 Meter tiefen Loch zu versenken. Dies gelingt, weil Mike, der als Köder fungiert, erneut seine Angst überwinden kann. Wieder erinnert er sich an die Ansage der Wahrsagerin, alles sei Illusion.
Dann wacht Mike schreiend auf.
Reggie sitzt an seinem Bett und bittet ihn, Jodys Tod bei einem Autounfall zu akzeptieren. Reggie erklärt, daß er sich nun um Mike kümmern werde und sie wollten gemeinsam auf einen Roadtrip gehen, die Schrecknisse der Vergangenheit vergessen. Mike solle nur schnell seine Sachen packen. Mike geht in sein Zimmer und packt, als der „Tall Man“ durch den Spiegel dort hindurchbricht, ihn packt und in eine abgründige Finsternis zieht.
Ist so eine Sache mit den Kultklassikern, den B- und C-Movies und Midnight-Heulern, den Billigprodukten, die von einigen Fans heiß geliebt werden und im Mainstream nie eine Chance hatten. Man liebt sie oder findet sie abgrundtief billig, lächerlich, schlecht gemacht.
Don Coscarellis PHANTASM (dt.: DAS BÖSE/1979) ist ein herrliches Beispiel für die zwei Seiten der Medaille: Man kann den Verzicht auf eine kohärente Story als wesentliches Merkmal des Films bezeichnen oder schlicht darauf verweisen, daß den Machern wenig Sinniges eingefallen ist; man kann die Schauspielerleistungen als „authentisch“ anpreisen oder als inexistent anprangern; man kann die Tricks als für einen nahezu No-Budget-Film hervorragend bezeichnen oder schlicht als mangelhaft abtun. Die Liste ließe sich fortführen. Selbst in Kim Newmans NIGHTMARE MOVIES – ein Buch, das sich ansonsten noch den abseitigsten Werken des modernen Horrorfilms widmet – findet Coscarellis Film gerade mal die Ehre, in Reihungen und Aufzählungen genannt und einmal in einem halben Absatz gewürdigt zu werden.
Dabei ist zu konstatieren, daß der Film bei allen Abstrichen, die man machen muß, gerade wenn man sein Budget und die Dauer des Drehs – nahezu drei Jahre soll es gedauert haben, ihn fertigzustellen – bedenkt, doch einen erstaunlichen Sog und vor allem eine wirklich bedrohliche, albtraumhafte Atmosphäre entwickelt. Das Surreale, das Albtraumhafte ist eine der großen Stärken des Films. Was er an überzeugender Handlung vermissen lässt, macht er mit manchmal schockartigen Wechseln und Handlungssprüngen wett und man muß Coscarelli wirklich Mut attestieren, auf dieses Stilmittel gesetzt zu haben. Desweiteren kann PHANTASM mit einem Bösewicht – „Monster“ wäre zu hoch gegriffen – überzeugen, der gerade in seinem zunächst wenig bedrohlich wirkenden Auftritt Grusel entfacht und dem Angus Scrimm schließlich eine wahrlich furchteinflößende Aura verleiht. Auch weist der Film Effekte auf, die immer dann überzeugen, wenn sie eher still daherkommen, statt ekeln zu wollen – für ersteres sei ein Foto aus der Jahrhundertwende genannt, in dem Mike den ‚Tall Man‘, wie er seinen Widersacher nennt, entdeckt und das sich dann zu regen beginnt; für letzteres ein abgetrennte Finger, der sich allzu mechanisch in seiner hölzernen Box windet, aber auch die Kugeln, die in einer dramaturgisch wenig überzeugenden Szene einen Mann pfählen und dann ausbluten lassen, von dem man nicht einmal wirklich versteht, was er vor Ort zu suchen hat. Natürlich muß der Soundtrack erwähnt werden, ein Synthesizer-Score, der in seinen besten Momenten an John Carpenters frühe Soundtracks erinnert, aber auch an jene, die die Gruppe Goblin für einige Filme Dario Argentos und nicht zuletzt für die europäische Version von George A. Romeros DAWN OF THE DEAD (1978) kreiert hat. Der Soundtrack von Fred Myrow und Malcolm Seagrave ist überzeugend und ausgesprochen effektiv, um die surrealen Bilder und Szenen zu unterlegen und kongenial zu unterstützen. Wirklich überzeugend ist auch die Architektur, besser: das Interieur, des Mausoleums, wo sich ein Teil der Handlung abspielt. In der symmetrischen Anordnung seines Inneren und der fast aseptisch anmutenden Reinlichkeit, der klinisch hellen Sauberkeit, die in eklatantem Kontrast zu dem sonstigen Look des Films stehen, erinnert es sogar an die Räume, die ein Stanley Kubrick in 2001: A SPACE ODYSSEY (1968) präsentierte.
Da PHANTASM gern als Cross-Over zwischen Horror und Science-Fiction betrachtet wird – ein Urteil, das nur bedingt überzeugt, weist der Film doch weitaus mehr Horrorelemente auf und wenn man ihn denn überhaupt mit einem anderen Genre in Verbindung setzen will, wäre es möglicherweise eher das der Fantasy – könnte man Coscarelli sogar unterstellen, daß er genau diese Assoziation heraufbeschwören wollte. Der Film birgt eine Menge Ähnlichkeiten und Verweise auf Verwandte der damals jüngeren Vergangenheit hin. Da klingt momentweise Nicolas Roegs DON`T LOOK NOW (1973) an, in den Verfolgungsjagden und den Sexszenen auf dem Friedhof machen sich die Mitte der 1970er Jahre ungemein beliebten Grindhouse-Filme bemerkbar, die exploitativ auf Gewalt und Sex und schnelle, billige Action setzten. Auch die Teufels- und Hexenfilme der 70er Jahre, für THE EXORCIST (1973) exemplarisch steht, sowie eher abseitigere Werke wie der britische Horrorfilm THE WICKER MAN (1973) hallen nach.
Generell muß man wohl annehmen, daß sich Coscarelli und seine Mitstreiter gerade durch Filme wie NIGHT OF THE LIVING DEAD (1968), THE LAST HOUSE ON THE LEFT (1972) und vor allem THE TEXAS CHAIN SAW MASSACRE (1974) animiert gefühlt haben, es selber mit einem extrem billigen Genrefilm zu versuchen. Alle diese Filme sind Beispiele für Low- bis No-Budget-Filme, die enorm einflußreich wurden. Das blieb PHANTASM dann allerdings verwehrt. Man kann jedoch gerade in der Abgrenzung zu den jenen Werken erkennen, daß es eben mehr braucht, als eine Aneinanderreihung teils abstruser, teils schockierender Szenen, um über sich selbst hinaus zu weisen. Sie alle setzen auf eine eng geführte Handlung und sie alle weisen erstaunlich gute und kohärente Schauspielerleistungen auf. Während der Drehzeit zu PHANTASM erschien auch John Carpenters HALLOWEEN (1978), der ein weiteres Beispiel für einen billigen aber äußerst effektiven Horrorfilm darstellt und noch weit über die oben erwähnten Filme hinaus seinen Einfluß behaupten konnte, kreierte er doch gleich ein ganzes Sub-Genre, das des Slasher-Films. Es ist gerade im Auftritt des „Tall Man“ der Einfluß von Carpenters Film auf Coscarelli zu beobachten. Wie Michael Myers in seiner Maske, tritt auch Scrimms „Tall Man“ seinen Opfern nahezu unbewegt und ohne alle Hast gegenüber. Selbst wenn er einmal läuft, wirkt dies eher bedächtig. Auch der EInfluß von Romeros DAWN OF THE DEAD ist gerade in der Szene zu spüren, in der die Kugel den unplausibel auftretenden Herren tötet und ausbluten lässt. Der Effekt wirkt aufgesetzt in einem Film, der weitestgehend ohne Gewalt und extreme Splatter- oder Goreszenen auskommt und eher auf Atmosphäre setzt. Vielleicht war sich Coscarelli mit einem Mal nicht mehr sicher, ob es ohne eben solche Momente überhaupt noch möglich ist, einen Horrorfilm zu platzieren, der Erfolg haben soll.
Die wirkliche und eigentliche Stärke von PHANTASM liegt in seinem Subtext. Wie alle wirklich gelungenen Horrorfilme, weist auch dieser eine „eigentliche“ Geschichte auf, die dem Sichtbaren unterliegt. PHANTASM ist eine Coming-of-Age-Story par excellence. Am Ende eines verwirrenden Jahrzehnts aufzuwachsen, einer Dekade, die dem hoffnungsvollen Aufbruch der späten 60er Jahre gefolgt war und doch vor allem ein tief gespaltenes und verunsichertes Land und große moralische Unsicherheit hinterließ, mag zu Vereinzelung und einer gewissen Hoffnungslosigkeit geführt haben. Es sind auf jeden Fall dies die Anzeichen, die Mike aufweist. Er hat fürchterliche Angst, vor allem Verlustangst, ganz unabhängig von den Begebenheiten um den „Tall Man“ und das Mausoleum. Das Drehbuch stellt ihm mit Jody einen wenig empathischen Bruder zur Seite und verstärkt den Eindruck der Haltlosigkeit und Vereinsamung damit, daß beide soeben die Eltern bei einem Unfall verloren haben. Mikes Wahrnehmungen sind also möglicherweise durch Trauer getrübt, aber vor allem mag sein adoleszentes Hirn ihm den einen oder anderen Streich spielen. Sind die Dinge, die er sieht, wirklich immer wahr? Der Film scheint diese Ebene aufzulösen, wenn auch Jody und dem gemeinsame Freund Reggie die unnatürlichen Begebenheiten zu Bewußtsein kommen, doch versteht Coscarelli es auf durchaus brillante Weise, den Zuschauer immer wieder mit Momenten zu konfrontieren, die diese Handlungsebene unterlaufen. Und mit einem wirklich beklemmenden und überraschenden Ende treibt er die Verunsicherung dann auf die Spitze.
Viele werden sich noch an ihre eigene Jugend erinnern können, jene Jahre, in denen man nicht Fisch, nicht Fleisch war, zwischen den Welten hing, fasziniert vom Verbotenen, das mit dem unbekannten Land „Sex“ begann, aber dort noch lange nicht endete. Coscarelli versteht es, genau diese Stimmung aufzugreifen und in wahrlich bedrohliche Bilder zu übersetzen. Das Unverständnis für gewisse Vorgänge, an das man sich vielleicht erinnert, hier findet es Ausdruck. Und wie man sich in jenen Jahren zwischen 12 und 16, 17 oft verloren vorkam und ebenso unverstanden – in den surrealen Sprüngen und Wechseln, die PHANTASM ausmachen, wird genau dieses Gefühl transportiert. Coscarelli nimmt es sehr, sehr ernst.
PHANTASM hängt der Charme eines Jahrzehnts an, in dem vielleicht gerade wegen der politischen Unsicherheit und der auseinander driftenden Lager kulturell eine rauere Gangart eingeschlagen wurde. Film, Literatur und auch die bildende Kunst, vor allem aber die Musik, die vom Punk erschüttert wurde, spiegelten starke soziale Erschütterung und deren sozialkritische Wahrnehmungen und bedienten sich dabei eines ebenfalls raueren Jargons, eindringlicherer Stilmittel und einer oft überdeutlichen Sprache. Hollywood hatte mit dem „New Hollywood“ genannten Kino, das durch Regisseure wie Francis Ford Coppola, Arthur Penn, Mike Nichols oder Hal Ashby geprägt wurde, aus seiner schwersten Krise gefunden und sich neue Räume erschlossen; Räume jenseits der Studiokulissen. Es war auf die Straßen, die Highways, in die Städte und ins Land gegangen und fing an, die amerikanische Realität nicht nur abzubilden – wie es sich immer schon eingebildet hatte, dies zu tun – sondern wirklich aufzusaugen, sich nutzbar zu machen. Dazu hatte auch der Horrorfilm beigetragen, obwohl „New Hollywood“ selten und wenn nur halbherzig ins Genrefach wechselte. Dennoch: Alle der oben genannten Filme – vielleicht mit der Ausnahme von DAWN OF THE DEAD, der zwar als Satire auf eine amerikanische Konsumwirklichkeit gelesen werden sollte, sich aber dezidiert zu einer Dystopie bekennt – atmen eben jenen Geist, der das „New American Cinema“, wie Paul Schrader es einst nannte, ausmachte. Sie gingen auf die Straße, sie waren meist on location gedreht, sie griffen amerikanische Alltagsthemen auf und gaben ihnen einen symbolischen, überhöhten und damit oft eindringlichen Ausdruck. Genau das gelingt eben auch PHANTASM.
Betrachtet man heutige Horrorfilme – oder Genrefilme allgemein – fällt auf, daß sie sich fast immer in einer klar umrissenen Form, in einem engen Korsett aus Regeln bewegen, weshalb Ausnahmen wie bspw. Giorgos Lanthimos´ THE KILLING OF A SACRED DEER (2017) extrem auffallen. Sie sind meist genau kalkulierte Gewinnmaschinen einer lange schon zynisch gewordenen Branche, die wenig mit Kunst, aber viel mit Marketing zu tun hat. Schaut man hingegen Genrefilme der 1970er Jahre – und eben vor allem solche aus dem Fach des Schauerlichen – sieht man eine unglaubliche Bandbreite verschiedener Herangehensweisen und Stilmöglichkeiten. Man sieht vor allem Stilwillen. Sicher – Gewalt, Splatter und echter filmischer Terror nahmen hier ihren Anfang und blieben oftmals am deutlichsten in Erinnerung, doch zugleich gab es auch eine Fülle wahrlich origineller und phantasievoller Einfälle, um das Publikum zu schockieren. Und manchmal, wie im Falle von Tobe Hoopers THE TEXAS CHAIN SAW MASSACRE, brauchte es gar keine explizite Gewaltdarstellung, um dennoch in den übelsten Ruf zu geraten, das Allerschlimmste und Allergräulichste dargestellt zu haben. Die Intensität des Films war so enorm, daß anschließend jeder behauptete, Gewaltszenen nie gekannten Ausmaßes gesehen zu haben, die im Film de facto nicht vorhanden sind.
PHANTASM muß in genau diese Riege von stilwilligen und experimentierfreudigen Genrebeiträgen eingereiht werden. Sicher, und da schließt sich der Kreis, har er nicht die Klasse von Hoopers Film, auch nicht die von Romeros Beiträgen, die nicht umsonst heute zu absoluten Klassikern des Genres gerechnet werden und deren Einfluß gar nicht hoch genug einzuschätzen ist. Coscarellis Film weist Logiklöcher auf, er hat Fehler und holpert gelegentlich, um nicht zu sagen, er gerät ins Stolpern. Und dennoch sieht man ihm immer, in jeder Minute Laufzeit, die Hingabe seines Machers an. Man sieht den Ideenreichtum, die Originalität, mit der Schwierigkeiten und offensichtliche finanzielle Hürden umgangen oder genommen wurden, man sieht enormen Willen, ernsthaftes Kino zu gestalten und zugleich etwas beizutragen, das in dieser Form noch nicht existierte. Es ist eben ein schmaler Grat und das Kultkino vergangener Dekaden läuft immer Gefahr, in jeder späteren Gegenwart belächelt zu werden. Doch ist es ungerecht, PHANTASM als schlicht gescheiterten Beitrag zu werten, sich über seine mangelnde Professionalität lustig zu machen oder ihm gar fehlende Qualität zu unterstellen. Anders als viele, ausgesprochen hochqualifizierte, aber durch und durch berechnende zeitgenössische Beiträge zu seinem Genre – namentlich Werke wie THE OMEN (1976) oder THE AMITYVILLE HORROR (1979) – gelingt ihm eine wirklich unangenehme Atmosphäre und bleibt er unberechenbar, was seinen Schauergehalt ungemein erhöht.
Man sollte, gerade als Liebhaber des Genres, Don Coscarellis PHANTASM unbedingt wieder oder neu entdecken. Es lohnt sich.