DAS NETZWERK DER NEUEN RECHTEN

Ein guter Überblick über Organisation, Verbindungen und Netzwerke in der rechten Szene

Vergleichbare Bücher wie Christian Fuchs´ und Paul Middelhoffs DAS NETZWERK DER NEUEN RECHTEN (2019) erleiden meist ein ähnliches Schicksal: Auf genauer Recherche beruhend, stören sie etwas auf, öffnen dem interessierten Leser die Augen, verlieren jedoch schnell an Relevanz, da ihr Inhalt zum einen bald in Artikeln und Reportagen aufgegriffen und verbreitet wird, zum andern die gesammelten Informationen schnell veraltet sind. Denn die Szene, mit der sich ein Buch wie dieses beschäftigt, liest natürlich mit und reagiert. Allerdings sind die Informationen rund um die seit ca. fünfzehn Jahren immer stärker wachsende und sich vernetzende Rechtsszene um Figuren wie Götz Kubitschek, Jürgen Elsässer oder Dieter Stein so belastbar und fundiert, daß eine Lektüre drei Jahre nach Erscheinen immer noch lohnt.

Es gelingt den beiden Autoren, hauptberuflich Journalisten beim Hamburger Wochenblatt DIE ZEIT, sehr genau aufzuzeigen, wie sich jene Bewegung, die sich gern als „Neue Rechte“ bezeichnet, über Jahre ideologisch, in dem Sinne auch kulturell, vor allem aber finanziell und organisatorisch vernetzt hat. Die „Neue Rechte“ – in Abgrenzung gegen jene Dumpfschläger, die mit Springerstiefeln, Baseballschlägern und meist recht haarlos das Bild der rechtsextremen Szene in den 90er Jahren prägten – sieht sich nicht mehr als Schlägertrupp, sondern in einem vorpolitischen Kulturkampf, in welchem versucht wird, eine gewisse Hegemonie zu erringen. Man will ein Klima schaffen, in welchem Dinge „wieder sagbar“ werden, die angeblich durch einen links-grün-versifften Mainstream unterdrückt werden. Der Sprechraum soll ausgeweitet werden, zugleich arbeitet man aber auch an theoretischen Grundlagen, um die eigene Weltsicht vertretbar zu machen. Zwischen einzelnen rechten Think Tanks – Kubitscheks Institut für Staatspolitik, das angeschlossene Magazin Sezession und der von ihm gegründete und verwaltete Antaios-Verlag – diversen Publikationsplattformen und Zeitschriften – Elsässers COMPACT-Magazin, aber auch Steins eher traditionelle Junge Freiheit – bis hin zu jenen Aktivisten der Identitären Bewegung, geprägt durch den Österreicher Martin Sellner, bestehen seit mittlerweile nahezu fünfzehn Jahren enge Beziehungen. Man tauscht sich aus, hilft einander, verweist aufeinander und übernimmt doch unterschiedliche Aufgaben, um Aufmerksamkeit zu erheischen oder mit einzelnen Schriften und somit Themen in den Mainstream vorzudringen.

Das ist den „Neuen Rechten“ in den vergangenen Jahren nicht zuletzt deshalb immer besser gelungen, als sie in der Alternative für Deutschland, kurz AfD, einen parlamentarischen Arm und somit ein Sprachrohr haben, das in (mittlerweile nicht mehr) allen Landesparlamenten sowie im Bundestag vertreten ist und einen gewissen Jargon und einen gewissen Umgangston in den öffentlichen Diskurs getragen hat. Umso interessanter, inwiefern diese Partei, trotz diverser Abgrenzungs- und Ausschlußbestimmungen zu extrem rechten Zirkeln, mit genau diesen Kreisen verbunden, teils verwoben ist. Da arbeiten ehemalige(?) lupenreine Neonazis als Assistenten und Büroangestellte diverser Abgeordneter, die wiederum äußern sich gern in der Jungen Freiheit oder nehmen an den „Akademien“ in Schnellroda teil, wo Kubitschek mit seiner Familie lebt und sein Institut betreibt. Kubitschek seinerseits – von der AfD als Mitglied einst abgelehnt – steht einem Mann wie Björn Höcke sehr nah, der wiederum in Thüringen den Landesverband der AfD führt und mittlerweile gerichtsfest als Faschist bezeichnet werden darf.

Nun sind dies im Jahr 2022 alles keine Neuigkeiten mehr, da gerade Fuchs´ und Middelhoffs Recherchen nach Erscheinen des Buches, aber auch durch verschiedene Artikel, die sie zum Thema vorgelegt haben, vielmals aufgegriffen und teils von anderen vertieft wurden. Gerade was die Finanzierung der Partei betrifft, wurden in den Jahren seit der Veröffentlichung weitreichende Quellen und Untersuchungen vorgelegt, aus denen sich ein wirres und oftmals auch von den Protagonisten in der Partei offensichtlich kaum durchschaubares Netz aus Stiftungen, heimlichen Konten, Strohmännern und geheimnisvollen Geldgebern herausgebildet hat. Das beweist, daß gerade diese Partei, die einmal antrat, um die „Altparteien“ zu „jagen“ und u.a. deren Doppelmoral offenzulegen, sehr schnell gelernt hat, wie man sich im herkömmlichen politischen Raum am besten verhält, um Stiftungsgelder abzugreifen, Steuergeld für Wahlkostenerstattung zu erhalten und ansonsten in größtmöglicher Intransparenz seltsame Geschäfte zu machen. Parteispendenskandale inbegriffen.

Dennoch lohnt es sich, den Band immer mal wieder hervorzuholen und nachzulesen, da hier sehr komprimiert ein Überblick über all diese Verbindungen und Verwebungen geboten wird, an denen sich nicht grundlegend etwas verändert hat in den drei Jahren seit der Veröffentlichung. Es bleibt wichtig, sich darüber zu informieren, wie diese vorpolitische, metapolitische Szene, die immer offener ihre anti-demokratische, anti-pluralistische, ihre autoritäre bis – ja, man muß es schon so sagen – faschistische Seite (Fratze) zur Schau stellt, funktioniert. Sicher, das ist Gebrauchsliteratur, tagesaktuell und immer in Gefahr, überholt zu werden von einer sich in diesen Tagen rasend schnell verändernden Realität. Unter den Werken dieser Gattung allerdings sticht der Band hervor, auch, weil er gut lesbar ist, flüssig geschrieben, aufgelockert durch Anekdoten, in die sich die Autoren durchaus einschreiben, das eigene Staunen über die gelegentliche Offenheit der von ihnen kontaktierten Protagonisten thematisieren, aber auch die Frustration über die Verschlossenheit an anderer Stelle. Hinzu kommen die ein jedes Kapitel abschließenden Schautafeln von Jelka Lerche, die das eben Gelesene noch einmal einfach und gut überschaubar illustrieren. Ein wichtiges Buch also, keine Frage.

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