DER MAURETANIER/THE MAURITANIAN
Kvon Macdonald liefert einen allzu typischen Politthriller
Im November 2001 wird Mohamedou Ould Slahi (Tahar Rahim) bei einem Familienfest im heimischen Mauretanien festgenommen und an die Amerikaner überstellt. Nach einer mehrmonatigen Odyssee durch verschiedene Gefangenenlager in Jordanien und Afghanistan, wo er auch Folterungen ausgesetzt war, landet Slahi in Guantanamo Bay. Hier wird er jahrelang festgehalten, ohne daß es je zu einer Anklage kam noch auch nur ein Beweissicherungsverfahren eröffnet wurde. Stattdessen ist er endlosen Verhören ausgesetzt.
Drei Jahre vergehen. Die Anwältin Nancy Hollander (Jodi Foster) wird durch einen Kollegen auf den Fall Ould Slahi aufmerksam gemacht. Da sie die nötigen Sicherheitschecks besitze und somit auch sensibles Material einsehen und nach Guantanamo reisen dürfe, solle sie den Fall übernehmen.
Hollander und ihre Assistentin Teri Duncan (Shailene Woodley) fliegen nach Kuba und treffen erstmals Mohamedou Ould Slahi. Es dauert, bis zwischen den Anwältinnen und ihrem Klienten auch nur ansatzweise ein Vertrauensverhältnis entsteht. Teri gelingt das allerdings besser als Nancy Hollander.
Zur gleichen Zeit bekommt der Marinestaatsanwalt Stuart Couch (Benedict Cumberbatch) den Auftrag, Anklage gegen Slahi zu erheben. Dies soll eher ein Schauprozess denn ein faires Verfahren werden, denn es wird eindeutig die Todesstrafe gefordert. Couch soll das Urteil mit allen Mitteln durchsetzen.
Es entspinnt sich ein Gezerre um Akteneinsicht. Die Anwältinnen bekommen lediglich geschwärzte Dokumente zu sehen, Couch muß allerdings dieselbe Erfahrung machen. Auch er erhält keine Akteneinsicht und hat somit keine Beweise an der Hand, auf die er eine Anklage aufbauen könnte.
Nancy bittet Mohamedou, seine Geschichte aufzuschreiben. Sie will, daß er so genau wie möglich dokumentiert, was ihm widerfahren ist.
Couch setzt sich mit einem alten Freund von der Akademie in Verbindung, der mittlerweile bei der CIA arbeitet. Der zeigt sich zwar widerwillig, hilft Couch dann aber zumindest schrittweise, an die Dokumente heranzukommen.
Nun erhalten auch Nancy und Teri Einblick in die Akten. Hier ist exakt dokumentiert, was man Slahi angetan hat – Waterboarding, Schocks, Beschallung, erzwungener Geschlechtsverkehr, Stressstellungen. Couch zeigt sich ob dessen, was er da lesen muß, ähnlich erschüttert wie Nancy Hollander.
Im Anwaltsteam kommt es zu einem Konflikt, als Teri schließlich auf Geständnisse stößt. Offenbar hat Slahi gestanden, die Kontakte, die er gehabt haben soll und die ihn als Anwerber für die Al-Quaida ausweisen wirklich gehabt zu haben. Teri will daraufhin nichts mehr mit Mohamedou zu tun haben. Hollander schickt sie fort.
Bei einer Gelegenheit, bei der Hollander von Kollegen gefragt wird, weshalb sie diesen Job übernehme, antwortet sie, daß sie hier nicht nur Mohamedou Ould Slahi verteidige, sondern auch die amerikanische Verfassung, die Demokratie und das Recht. Jeder habe das Recht auf die beste Verteidigung und es gelte die Habeas-Corpus-Akte, nach der ein Verhafteter zeitnah einem Haftrichter vorgeführt werden muß.
Als Hollander Slahi mit den Geständnissen konfrontiert, kommt es auch zwischen diesen beiden zu einer heftigen Auseinandersetzung. Aus Slahi bricht die Wut und Verzweiflung hervor, die zurückzudrängen er sich immer bemüht hat. Und doch raufen sich beide zusammen.
Auch Teri kehrt später ins Team zurück.
Couch seinerseits erkennt, daß er, wenn er auf Grundlage dieser Dokumente Anklage gegen Slahi erhebt, krachend scheitern wird. Er erklärt seinen Vorgesetzten, daß es ein aussichtloses Unterfangen sei, eine Anklage anzustrengen und tritt von seinem Mandat zurück.
Bei der Verhandlung wird Slahi per Video aus Guantanamo zugeschaltet. Er darf seine Position darlegen und erklärt dem Gericht, daß er immer, wie viele Menschen weltweit, bewundernd auf Amerika als Rechtsstaat geblickt habe; daß er immer noch Vertrauen in dieses System empfinde und hoffe, nicht enttäuscht zu werden.
Im März 2010 schließlich erhält Slahi die Benachrichtigung, daß sein Fall positiv beschieden worden sei. Er ist frei.
In mehreren Texttafeln wird der Zuschauer unterrichtet, daß die U.S.-Regierung Widerspruch einlegte und es schließlich bis 2016 dauerte, bis Mohamedou Ould Slahi in die Freiheit entlassen wurde. Seine Mutter, die Hollander zwischenzeitlich kontaktiert hatte, konnte er nicht mehr wiedersehen, sie starb, bevor er entlassen wurde. Heute lebt er in Mauretanien und hofft auf eine Einreiseerlaubnis in ein Land, das ihm und seiner amerikanischen Frau Bleiberecht gewährt.
Wie soll man diese Filme nun bezeichnen, die sich mit einem offensichtlichen Anliegen an ihr Publikum wenden, die aber bei jenen, die den Weg ins Kino finden, um einen Film wie THE MAURETANIAN (2021) anzuschauen, letztlich offene Türen einrennen? Soll man sie als Gesinnungsfilme titulieren? Nominell ist Kevin Macdonalds Film ein Politthriller und wie alle Politthriller, die etwas auf sich halten, erzählt er auf der Grundlage „wahrer Begebenheiten“. Vorlage war das GUANTANAMO-TAGEBUCH (2015/2018) von Mohamedou Ould Slahi, welches dieser noch während seiner Gefangenschaft in dem von den Amerikanern auf ihrem Außenposten in Kuba eingerichteten Gefangenenlager veröffentlichen konnte.
Schenkt man Ould Slahis Beschreibungen Glauben, dann ist es die Chronik eines geschundenen Lebens. Er wurde in seinem Heimatland entführt, nach Jordanien verbracht, dort monatelang gefoltert, anschließend nach Afghanistan verfrachtet und von dort schließlich nach Kuba. Vierzehn Jahre verbrachte er in der Gefangenschaft des US-Militärs – ohne Anklage oder auch nur eine Beweisaufnahme. Die Amerikaner hielten ihn für eine der Schlüsselfiguren der Anschläge auf das World Trade Center am 11. September 2001. Die Anwältin Nancy Hollander nahm sich seines Falles an und konnte schließlich seine Freilassung erwirken. Sie war auch dafür verantwortlich, daß seine Aufzeichnungen – zunächst in einer „deklassifizierten“ Fassung, also zensiert und geschwärzt – an die Öffentlichkeit kamen.
Macdonald arbeitete nach einem Drehbuch von Michael Bonner, der Slahis Tagebücher für die Leinwand adaptiert hatte. Geschickt gehen Buch und Regie dabei vor, den Zuschauer im Vagen zu lassen, was die Glaubwürdigkeit ihres Protagonisten betrifft. Wir werden unmittelbar in die Handlung geworfen, als Mohamedou direkt von einem Familienfest weg verhaftet wird. Er ist für den Zuschauer ein unbeschriebenes Blatt und Macdonald versteht es, uns mit unseren eigenen Vorurteilen zu konfrontieren, wenn er uns ganz bewusst mit Klischees vom freundlichen aber verschlagenen Araber – oder Moslem ganz generell – konfrontiert. Während der längsten Dauer des Films halten wir es immer für möglich, daß sich eben doch noch herausstellt, daß Mohamedou gelogen hat, daß sich sein scheinbar so unschuldiges Außen als Fassade entpuppt und den Blick auf einen Abgrund an Hass und Verachtung freigibt. Das dies gelingt und diese Ambivalenz lange erhalten bleibt, verdankt der Film vor allem der Leistung von Tahar Rahim, der Oud Slahi brillant verkörpert. Er spielt einen jungen Mann, der unter Beduinen aufgewachsen ist und durch ein Stipendium für eine deutsche Hochschule als erster seiner Familie überhaupt einen höheren Bildungsgrad erreicht. Er ist selbstsicher und zum Zeitpunkt seiner Verhaftung recht weltgewandt. So fällt es ihm umso schwerer, zu begreifen, daß er nun vollkommen der Willkür geheimer Mächte ausgeliefert ist und keinen Rechtsanspruch mehr erheben kann. Vor keinem Gericht der Welt. Rahim zeigt die Mischung aus Empörung, die den jungen Mann auch Jahre nach seiner Verhaftung noch umtreibt – und der er spät, während einer Aussage vor Gericht, Ausdruck verleihen kann – , einer gewissen Arroganz aber auch einem unbedingten Überlebenswillen. So wirkt Ould Slahi nicht gebrochen, als Hollander und ihre Assistentin ihren Klienten erstmals besuchen und sehen dürfen.
Daß dieser Mensch ungebrochen ist, erstaunt erst recht, wenn man dessen ansichtig wird, was ihm widerfahren ist. In Erinnerungsschüben sehen wir die Folter: Waterboarding, ellenlange „Stresshaltungen“, Beschallung mit Heavy-Metal-Musik, sexuelle Demütigung durch erzwungenen Geschlechtsverkehr und immer wiederkehrende Verhöre mit den immer gleichen Fragen. Macdonald scheut sich nicht, all das zu zeigen und zu bebildern. Es gelingt ihm dabei allerdings, die Methoden zu diskreditieren. Hier bleibt, anders als bspw. in Kathryn Bigelows ZERO DARK THIRTY (2012), keine Grauzone des Ungefähren, in der man bei aller Abscheu vor dem, was man da betrachten muß, zumindest in einer Ecke des Bewußtseins immer mit der Frage konfrontiert bleibt, ob der Zweck nicht doch die Mittel geheiligt hat? So widerlich die Foltern in Bigelows Film auch sind, sie werden nahezu sachlich-neutral dargestellt. Macdonald zeigt Folter schlicht als das, was sie ist: Qualen und Schmerz verursachen, um Menschen zu brechen. Es gibt nichts zu beschönigen oder in Frage zu stellen, wer sich dieser Methoden bedient, hat sein Recht auf Vormachtanspruch hinsichtlich Menschenrechten, Demokratie oder Rechtsstaatlichkeit verspielt. Wer sich dieser Methoden bedient, hat sein Innerstes verloren und eignet sich den Hass seiner Widersacher an, wechselt auf die dunkle Seite, verliert seine Menschlichkeit.
Spätestens in der Gerichtsszene zum Ende des Films, als wir Ould Slahi längst glauben, wird auch deutlich, daß es letztlich keine Rolle spielt, ob der Betreffende schuldig ist oder eben nicht. Es geht um die Verhältnismäßigkeit der Mittel und wie sehr man den eigenen Werten und Idealen verbunden bleibt – oder eben nicht. Die Ansprache, die er per Videoschalte dem Gericht hält, verdeutlicht dies noch einmal. Er habe – wie so viele Menschen auf der Welt – an die Rechtsstaatlichkeit der Amerikaner geglaubt, daran, daß er ein faires Verfahren bekommt und man so sicher feststellen würde, daß er unschuldig sei. Doch die Jahre ohne Anklage in einem letztlich rechtsfreien Raum haben ihn eines Besseren belehrt, obwohl er bereit sei, noch einmal an die USA und ihre demokratischen Prinzipien zu glauben. In diesem Monolog kommt vieles zur Sprache, was in den nunmehr über zwanzig Jahren seit den Anschlägen geschehen ist und sich – gerade im Hinblick auf die USA – verändert hat. Daß die 19 Jungs in den Flugzeugen wohl kaum ahnten, welche Konsequenzen ihr Handeln für ganze Regionen der Welt haben würde, kann man sich kaum vorstellen. Sich mit einer Supermacht anzulegen, die entwicklungspsychologisch eher einem Teenager entspricht, ist grundlegend keine gute Idee, neigen emotional Unausgegorene doch dazu, unverhältnismäßig zu(rück)zuschlagen. Daß damit aber auch eine globale Emanzipation von den USA als Weltpolizist etc. einsetzte, hätten diese sich wahrscheinlich so auch nicht träumen lassen. In mancherlei Hinsicht hat jener Tag im September 2001 die Welt nachhaltiger verändert, als es bspw. die Öffnung und der anschließende Fall der Mauer in Berlin vermochten.
Ein Verdienst von Bonners Drehbuch und Macdonalds Regie ist es, den Fall von verschiedenen Seiten aus zu beleuchten – und dabei psychologisch gängige Mechanismen und Mittel aufzuzeigen. Hollanders Gegenspieler auf juristischer Ebene ist der von Benedict Cumberbatch gespielte Lt. Col. Stuart Couch, ein Militärstaatsanwalt, der mit dem erklärten Wunsch, eine Todesstrafe zu erwirken, auf den Fall angesetzt wird. Couch hat einen guten Freund verloren, der in einem der Flugzeuge saß, die in die Türme krachten. Er hat also auch persönliche Gründe, sich hinter den Fall zu klemmen. Cumberbatch liefert eine routinierte Arbeit ab, wobei man gut beobachten kann, wie gut dieser britische Schauspieler ist, dem es auch bei mittelmäßiger Leistung eben gelingt, eine Figur zu skizzieren und glaubwürdig zu gestalten. Allerdings erfüllt Couch eine Funktion, die für den „Gesinnungsfilm“, wie er oben postuliert wurde, unabdingbar ist. Denn er ist der „gute Amerikaner“, der bei aller Betroffenheit das große Ganze nicht aus dem Blick verliert, sich an rechtsstaatliche Gepflogenheiten hält, weiß, wann ein Beweis ein Beweis ist und daß er Zugang und Einsicht in Akten braucht, auch wenn niemand ihm diese gewähren will. Couch zieht sich, als er merkt, daß die angeblichen Geständnisse nur unter der Folter zustande gekommen sind, aus dem Verfahren zurück. Eine noble Geste, die wesentlich ist für einen Film wie diesen, um dem – aus kommerzieller Sicht wahrscheinlich hauptsächlich amerikanischen – Publikum zu vermitteln, daß man sich nicht allzu schlecht zu fühlen braucht, so lange es noch Aufrechte gibt, die trotz aller persönlichen Befindlichkeiten wissen, was richtig und was falsch ist.
Allerdings wird anhand der Figur Couch auch deutlich, wie einfach und für die Vorhaben der damaligen US-Administration unter George W. Bush nützlich die allgemeine Verunsicherung, die Wut, auch die Angst gewesen sind. Das ist der eigentliche Verdienst eines Films wie diesem: Die Paranoia, die Sucht nach Rache und die Folgen der unausgewogenen Reaktion der Amerikaner auf die Geschehnisse darzustellen und damit Zeugnis von der Verunsicherung abzulegen, in die 9/11 dieses Land gestürzt hat. Vielleicht bedurfte es für solch einen Film eines europäischen Regisseurs. Wie Paul Greengrass, der mit UNITED 93 (2006) überhaupt den ersten Film vorlegte, der die Anschläge ganz offensiv thematisierte und mit GREENZONE (2010) wiederum einen Kriegsfilm vorlegte, der die Lügen und Verschwörungen um die angeblichen Massenvernichtungswaffen thematisierte, die als Grund für den Angriff auf den Irak 2003 angeführt wurden, ist es mit Kevin Macdonald erneut ein Brite, der sich dieses im Kern doch sehr amerikanischen Themas annimmt.
Es mag eben auch daran liegen, daß THE MAURETANIAN eine weitestgehend nüchterne Haltung einnimmt und sich eines Urteils enthält. Vielmehr spricht das, was wir sehen, für sich selbst. Und es mag auch dieser distanzierteren europäischen Perspektive geschuldet sein, daß es gelingt, diese Geschichte ohne Kitsch, ja, ohne die ganz großen Emotionen zu erzählen. Die Protagonisten sind nahezu ausschließlich in ihren Funktionen zu sehen. Jodie Foster, die die Nancy Hollander spielt, verleiht ihrer Figur eine gewisse Strenge, die sie nicht zwingend sympathisch, dafür aber glaubwürdig macht. Sie stellt in Abrede, ob es eine Rolle spielt, ob sie ihren Klienten für schuldig hält. Sie verteidige hier nicht Ould Slahi, sondern vor allem das Habeas-Corpus-Prinzip und damit die amerikanische Verfassung selbst. Foster versteht es, diese Frau als eine Dienerin des Rechts erscheinen zu lassen, bei der es schließlich kaum eine Rolle spielt, ob man sie mag oder nicht. Sie will nach ihrem professionellen Handeln beurteilt werden. Wenn sie denn überhaupt Wert auf eine wie auch immer geartete Beurteilung legt.
Es entsteht so vor allem Spannung in jenen Szenen, in denen Hollander und Ould Slahi aufeinandertreffen und sich zunächst belauern und umkreisen wie zwei Wildkatzen. Sie mißtrauen einander, wobei man bei den Vorbehalten des Gefangenen noch eher versteht, worin diese begründet sind. Er kann sich nicht sicher sein, ob er es da wirklich mit einer Anwältin zu tun hat oder nicht doch mit einem weiteren Trick seiner Peiniger, die sich etwas Neues überlegt haben, um ihn zum Sprechen zu bringen. Hollander ihrerseits betrachtet den Fall kühl und bemüht sich lange, alle emotionalen Verwicklungen von sich zu weisen. In einer Parallelmontage werden sie und Couch später gezeigt, als sie sich unabhängig voneinander durch die nun endlich freigegebenen Protokolle der Vernehmungen lesen und beide auf ihre je eigene Weise erschüttert sind von dem, was sie da erfahren müssen. Auch für Hollander ist es nicht mehr so einfach, sich den emotionalen Seiten des Falles zu entziehen. Und sie weiß, daß sie ab nun eben nicht nur für ihren Mandanten kämpft, sondern auch dafür, als Amerikanerin nicht für das verantwortlich gemacht zu werden, was eben auch in ihrem Namen geschieht.
Da mag sich dann der Kreis schließen. Denn wozu erzählt man eine solche Geschichte, von der zudem bekannt ist, wie sie endet? Was ist der Mehrwert, es sei denn dies ist einfach als Anklage gedacht, als Empörungsgeste? Es sind – auch dies wesentlicher Bestandteil von „Gesinnungsfilmen“ – die Kräfte des Guten, die dort erwachsen, wo auch das Böse gedeiht. Es sind hier eben Amerikaner, die von den Methoden angewidert sind, die da angewandt werden. Und es sind dann eben auch Amerikaner, die sich für Recht und Ordnung einsetzen. Hollander ist so oder so eine Ikone der Bürgerrechtsbewegung, doch auch die Armee wird hier in der Gestalt von Stuart Couch – den mit Cumberbatch erstaunlicherweise ein Brite spielt – ins rechte Licht gesetzt. Der nämlich legt sein Amt nieder, als ihm bewußt wird, daß die gleichen Behörden, die ihn auf den Fall angesetzt haben und ein eindeutiges Urteil erwarten, seine Gegner sind, wenn er ein ordentliches Verfahren einleiten will. Sie sind bereit, ihn als Bauernopfer für den Fall hinzuhalten, daß eine Verurteilung nicht möglich sein wird aufgrund mangelnder Beweise. Und wie Couch wissen auch die Vertreter der Gerichtsbarkeit, daß die Beweise, die sie zurückhalten, nicht gerichtsverwertbar sind, da sie in Form von Geständnissen unter Folter eingeholt wurden. An diesem Punkt steigt Couch aus und legt sein Mandat nieder.
So kann der empörte Zuschauer nach über zwei Stunden Laufzeit beruhigt den Heimweg antreten. Irgendeine Jodi Foster wird immer dafür eintreten, daß unsere liberalen Grundsätze schon eingehalten werden. Und zudem darf sich der Zuschauer auch gut unterhalten fühlen, denn das kann man Macdonald nicht absprechen – er erzeugt Spannung. Die Bilder und Montagen, auch die Nähe, die in bestimmten Momenten zwischen dem Dargestellten und dem Rezipienten auf schon unangenehme Weise hergestellt wird, packen und entwickeln einen starken Sog. Mit Foster und Cumberbatch, aber auch und vor allem mit Tahar Rahim stehen dem Regisseur allerdings auch Ausnahmeschauspieler zur Verfügung, denen es in jeder einzelnen Szene, jeder Sequenz, ja, jeder Einstellung gelingt, eine enorme Intensität zu erzeugen. So wird man in dieses Schicksal hineingezogen, wird dem ausgesetzt, was Ould Slahi widerfährt, den Emotionen, der Wut, auch dem Hass. Man muß das aushalten und zugleich mit der Irritation klarkommen, der Hauptfigur nicht wirklich zu trauen. Diese Ambivalenz erzeugt noch einmal zusätzliche Spannung, die der Film allerdings nicht über die gesamte Dauer halten kann. An einem gewissen Punkt müssen wir den Angaben Ould Slahis Vertrauen schenken und auch der Film selbst schlägt diese Richtung spätestens mit den Rückblicken auf die Folterungen ein. Denn er objektiviert Slahis Erzählung, indem er sie bebildert und damit innerhalb des Film-Kontextes wahrhaftig werden lässt. Umso besser, wenn sich Slahis Angaben als richtig erweisen, sind sie doch in den geheimen Protokollen, die sowohl Hollander als auch Couch so dringend einsehen wollen, genauestens dokumentiert. Das wiederum trägt dann zur Erbauung des Zuschauers bei, denn er darf sich spätestens ab nun auf der richtigen Seite wähnen. Erbaulich. Vielleicht sollte man diese Art von Filmen doch nicht „Gesinnungsfilme“ nennen, sondern sie schlicht der Kategorie „Erbauungsfilme“ zuordnen.