DIE TODESBUCHT VON LOUISIANA/THUNDER BAY
Die zukunftsgläubigen 1950er Jahre
Der Forscher und Ingenieur Steve Martin (James Stewart) müht sich gemeinsam mit seinem Kompagnon Johnny Gambi (Dan Duryea), in den Gewässern vor dem Städtchen Thunder Bay, an der Südküste Louisianas, eine selbst entworfene Ölplattform aufzustellen, um innerhalb von drei Monaten Öl zu finden und so seinen Geldgebern um den Geschäftsmann Kermit MacDonald (Jay C. Flippen) das Vorhandensein des Selbigen zu beweisen. Dazu braucht er die Hilfe der lokalen Fischer, die ihn und sein Gerät raus in den Golf schippern müssen.
Als Martin beginnt, seismographische Messungen anzustellen, indem er Sprengladungen im Meer detonieren läßt, weigern sich die Fischer, weiterhin mit ihm zusammen zu arbeiten, da sie bereits seit Wochen auf ihre Shrimpgründe warten und befürchten, die Sprengungen würden die ausbleibenden Krabbeltiere erst recht vertreiben.
Im Laufe der Zeit bandelt Gambi mit Francesca (Marcia Henderson) – Tochter eines der Fischer – an, was die sowieso schon angespannte Lage zwischen Forschern und Fischern noch zusätzlich erschwert. Francescas Schwester Stella (Joanne Dru), die sich durch Steve an jemanden aus ihrer Vergangenheit erinnert fühlt, ergreift zunächst vehement Partei gegen die Ölmänner, will sich dann jedoch mit Martin aussprechen. In einer stürmischen Nacht kommt sie auf die Ölinsel, wo Martin allein versucht, alles gegen den Sturm zu sichern. Währenddessen will Francescas ehemaliger Verlobter Philipe (Robert Monet) die Plattform in die Luft sprengen, damit wären die Fischer die Ölleute und er, wie er denkt, seinen Rivalen los. Es kommt zu einem dramatischen Kampf, den Philipe nicht überlebt.
Nun sind die Fronten zwischen den Parteien erst recht verhärtet. Steve wird immer radikaler, was seine Arbeit angeht. Als MacDonald ihm mitteilt, daß das Konsortium seiner Firma keine weiteren Gelder zur Verfügung stellt, Gambi sich zugleich gegen seinen alten Freund stellt, da dieser immer unzugänglicher wird und zudem die Fischer beschließen, die Plattform zu stürmen, da sie vermuten, die Ölmänner hätten Francesca – die Gambi heimlich geheiratet hat – entführt, kommt es zu einer dramatischen Auseinandersetzung, die aber dank Stella und ihrem Freund, dem Fischer Teche Bossier (Gilbert Roland) und Martins plötzlichem Fund massenweiser Shrimps in den Ventilen seiner Pumpanlage, friedlich gelöst werden kann…
Anthony Mann drehte zwischen 1950 und 1955 eine ganze Reihe von Filmen mit dem damaligen Superstar des Hollywoodfilms James Stewart; darunter fünf Western, von denen heute mindestens vier zum besten gehören, was das Genre zu bieten hat. Bei diesen Meisterwerken wird gern vergessen, daß auch THE GLENN MILLER STORY (1954), der Thriller STRATEGIC AIR COMMAND (1955) und eben dieser Abenteurfilm – THUNDER BAY aus dem Jahr 1953 – zu den gemeinsamen Arbeiten des Regisseurs und seines Stars gehörten. Im selben Jahr entstanden wie THE NAKED SPUR, einem der Westernmeisterwerke der beiden, musste er wohl qualitativ abfallen. Dennoch hält er einen recht anspruchsvollen Standard.
Moderne vs. Tradition, Stadt (Fortschritt) vs. Provinz (Rückstand), der Ur-Amerikaner (Stewart) in seiner Fortschrittsgläubigkeit vs. ängstlich an ihrem Gewerbe festhaltende Provinzler, die auch noch deutlich als „nichtamerikanisch“ (weil Cajun-geprägt) ausgewiesen sind (und die Ölmänner ‚Ausländer‘ nennen): Anthony Mann hatte ein Script zur Verfügung, das eine ganze Menge guter Konfliktlinien bot, massenweise Anlaß für dialogischen Witz, Einzeiler und Schlagfertigkeiten zwischen Stewart/Duryea und ihren hinterwäldlerischen Widersachern. Es gelingt dem Film dabei, beiden Seiten ihre Würde zu lassen und durchaus auch Verständis aufzubringen für die Konflikte, die entstehen, wenn die ’neue Zeit‘ Tradition und Handwerk zu bedrohen scheint. Mann – wie Stewart ein Konservativer – versöhnt all diese Handlungsstränge in Hollywood-typischer Manier auf verschiedenen Ebenen. Da stellt Stewart in einer dramatischen Rede fest, daß er und die Fischer eigentlich das gleiche Anliegen hätten – die einen suchten die Fische, er suche halt Öl – ; Zufall und Gerät helfen Stewart, im richtigen Moment mit dem Fund der lang vermissten Shrimps punkten zu können; dank der amourösen Verbandelungen finden ‚Ausländer‘ und Einheimische schließlich da zusammen, wo jeder ordentlich konservative Hollywoodfilm alle Probleme löst: In der Familie.
Im Grunde – da nicht unähnlich dem zwei Jahre späzter gedrehten STRATEGIC AIR COMMAND – hat man es bei THUNDER BAY mit einem jener Filme der 50er Jahre zu tun, die recht unverblümt und ganz sicher unkritisch Werbung für den technischen Fortschritt machten und unbegrenzter Expansion das Wort redeten. Wir Heutigen wissen ja, was daraus wurde und wie sich die Ölindustrie in den fünf Jahrzehnten, nachdem dieser Film entstand, entwickelt hat – nicht nur in Amerika und dem Golf, aber spätestens, seit die brennende Ölplattform Deepwater Horizon im Jahr 2010 Millionen Liter Öl ungefiltert in den Golf pumpte, auch und gerade dort. Man sollte einen Film von 1953 natürlich nicht mit dem Wissen der nachfolgenden Jahre beurteilen, doch verwundert bei heutiger Sichtung schon, mit welcher Vehemenz und Naivität der Film schließlich Partei für die Ausbeutung natürlicher Ressourcen ergreift, ja, sie sogar klar feiert als zum Erhalt der amerikanischen Lebensart unabdingbar. Auf dieser Ebene ist er schon einer jener „Propagandafilme“ des ungebremsten Fortschritts, wie Hollywood sie gerade in den 50ern gern produzierte. Und Jimmy Stewarts fast schon Wahn widerspiegelndes Gesicht, wenn das Öl dann endlich aus dem Meeresboden in den Himmel über dem Golf schießt, korrespondiert eindeutig mit dem dreckverschmierten Gesicht James Deans in seiner Rolle als J.R. in George Stevens 1956 entstandenem GIANT (1956), einem anderen Film, der die Ölförderung geradezu als amerikanisches Muß, ja, amerikanischen Mythos feiert, das Fortschritt, technische Überlegenheit und den Komfort der Nachkriegsjahre sichert.
Auf rein filmischer Ebene kann man festhalten, daß man es bei THUNDER BAY mit einem unterhaltsamen Abenteuerdrama zu tun hat, das vor allem in den Actionsequenzen zu überzeugen weiß. Wenn Martin und Philipe sich im dräuenden Sturm auf der glitschig-nassen Plattform eine wilde Schlägerei liefern und Martin schließlich sogar in die wallenden Wogen springt, um den ertrinkenden Philipe zu retten, steht dies den Actionszenen in den Western von Mann/Stewart in nichts nach. Hinzu kommt Manns Art, die Ölplattform zu filmen: An Originalschauplätzen im Golf von Mexico gedreht, weiß er sie vor dem Hintergrund der Horizontlinie des Meeres ähnlich spektakulär in Szene zu setzen, wie er dies in den Western mit den Rocky Mountains oder der Wildnis Alaskas oder Wyomings zu tun wusste. Immer wieder ragt der Turm der Plattform bedrohlich auf, einem phallischen Zeichen zukunftsorientierter Überlegenheit gleich.
Steve Martin ist als Figur geschickt zwischen den zynischen Einzelgängern, die Stewart für Mann in dessen Western spielte, und dem etwas trotteligen Rollenklischee des leicht zerstreuten Mannes der Moderne angelegt, das Stewart in seinen Filmen mit Frank Capra und später für Hitchcock ausfüllte. So nehmen wir diesem Steve Martin seine etwas bärbeißige Art durchaus ab, auch die Getriebenheit, die ihn seine Arbeit trotz aller Widerstände immer weiter fortführen läßt. Doch bevor diese Art in reinen, echten Wahn umschlagen kann, wie dies bei Howard Kemp, dem ‚Helden‘ aus THE NAKED SPUR nicht nur angedeutet wird, wissen Dan Duryea, Joanne Dru und der charmante Gilbert Roland, das Ruder gerade noch herumzureißen, so daß Martin immer auf der richtigen Seite bleibt. Und alles auf ein verdientes Happy-End zusteuern kann, das schließlich Tradition und Moderne, Zukunft und Vergangenheit, Fortschritt und Geschichte, Provinz und Metropole miteinander zu versöhnen weiß.
THUNDER BAY ist ein auf den ersten Blick recht harmloser Abenteuerfilm, der Action, Witz, ein wenig Drama, geschickt vermischt und damit auf gehobenem Niveau routinierte Arbeit liefert. Erst auf den zweiten Blick wird man feststellen, daß man es hier mit einem hochmanipulativen Werbefilm für die Ölindustrie zu tun hat. Im Ouvre Anthony Manns oder James Stewarts sticht das Werk sicher nicht heraus, kann aber – sieht man eben von den Manipulationen ab – durchaus immer noch unterhalten.