AM ABEND DES FOLGENDEN TAGES/THE NIGHT OF THE FOLLOWING DAY
Ein Genre-Krimi im Gewand des europäischen Autorenfilms; ein Film zwischen allen Stühlen
Während der Vorspann läuft, sehen wir eine junge Frau (Pamela Franklin), die in ihrem Sitz in einem Flugzeug schläft. Die Maschine landet, eine Stewardess (Rita Moreno) weckt die junge Dame, die von einem Kofferträger durch den Zoll geleitet wird. Hinter der Zollkontrolle tritt ein Mann in Chauffeuruniform (Marlon Brando) auf sie zu und bittet sie, ihm zu folgen.
Der Wagen fährt durch die Außenbezirke von Paris, bis er in einer Autobahnauffahrt zum Stehen kommt. Der Chauffeur steigt aus, zwingt die Frau, ebenfalls auszusteigen, ein weiterer Wagen kommt hinzu, in den beide einsteigen. Gefahren wird er von Vi, die der Stewardess aus dem Flugzeug wie aus dem Gesicht geschnitten gleicht.
Der Wagen bringt sie und einen weiteren Mann namens Leer (Richard Boone) weit aus Paris heraus aufs Land, bis sie schließlich bei einem Haus am Meer halten. Hier wird die Frau von Leer aufgeklärt, dass sie entführt wurde, man ihr aber nicht wehtun werde, da das kontraproduktiv sei. Ihre Entführer seien professionelle Verbrecher und wüssten, was sie täten.
In den folgenden Tagen bemühen sich die Entführer – der Chauffeur namens Bud, die Stewardess Vi, deren Bruder Friendly (Jess Hahn) und eben Leer, den die anderen kaum kennen, wurde er doch speziell für diesen Coup angeheuert – darum, Kontakt mit dem Vater des Mädchens aufzunehmen. Sie folgen einem genau ausgeklügelten Plan, um die Geldübergabe durchzuführen.
Vi ist diejenige, die den Kontakt mit der Außenwelt hält, mehrfach ins Dorf fährt, um einzukaufen oder Nachrichten zu überbringen. Dabei macht sie unfreiwillig die Bekanntschaft des Dorfpolizisten (Gerard Buhr), der sich erstaunt zeigt, dass das Haus bewohnt ist, aber keinen Verdacht zu schöpfen scheint. Auch nicht, als der Entführungsfall landesweit im Fernsehen besprochen wird und Aufmerksamkeit erregt.
Bei einem Fluchtversuch wird die junge Frau von Leer brutal gestellt und die Treppe heruntergeschubst, wobei sie sich leicht verletzt. Bud stellt sich Leer in den Weg und droht ihm, er würde ihn zusammenschlagen, sollte er sich an dem Mädchen vergreifen.
Bud findet Vi in der Badewanne, nachdem sie ihn und Friendly nicht wie verabredet nach einer ihrer Exkursionen abgeholt und schließlich der Dorfpolizist sie mitgenommen hatte. Offensichtlich ist Vi mit Drogen vollgedröhnt – eine alte Sucht, die wieder aufzubrechen scheint.
Bud erklärt Friendly, dass er Leer nicht traue und die ganze Sache lieber abblasen würde. Sie sollten das Mädchen laufen lassen und sich aus dem Staub machen. Friendly verweigert dies, gesteht Bud aber zu, abzuhauen, wenn er nicht mehr mitmachen wolle. Für ihn, Friendly, sei dies ein wichtiger, vielleicht der letzte Coup und er wolle das Geld. Es bedeute ihm mehr, als dass sie alle in Lebensgefahr schwebten. Bud erklärt sich aufgrund früherer Dienste, die sein Kumpel ihm geleistet habe bereit, weiter an dem Unterfangen teilzunehmen.
Bei dieser Unterredung erklärt Bud Friendly auch, dass er sich bei der nächstbesten Gelegenheit von Vi, mit der er liiert ist, trennen werde, da sie wieder mit den Drogen angefangen habe. Offensichtlich sei sie den Anforderungen einer Entführung, dem nervlichen Stress, nicht gewachsen. Friendly will das zunächst nicht glauben, später kann Bud den Beweis erbringen, dass er recht hat, als er einen mit Kokain befleckten Dollarschein findet.
Vi fädelt den Deal mit dem Vater (Huques Wanner) der Entführten ein.
Leer setzt sich eines Tages nach Paris ab, wo er den Piloten (Al Lettieri) tötet, den Friendly engagiert hatte, um sie alle nach erledigter Arbeit gen Portugal auszufliegen. Dann kehrt Leer zum Haus zurück.
Friendly und Bud sind für die Durchführung der Geldübergabe verantwortlich, während Leer auf die Entführte aufpasst. Friendly führt den Vater, der das Geld bei sich hat, quer durch Paris, lässt ihn bei zwei Banken die Geldscheine austauschen, da er richtiger Weise annimmt, dass die im Koffer befindlichen markiert wurden. Dann führt er ihn bis in den kleinen Ort, in dessen Nähe die Entführer das Haus gemietet haben und lässt ihn dort in einem Café warten.
Im Café finden sich nach und nach Friendly, Bud und später auch Vi ein, doch schließlich kommt es zu unvorhergesehenen Zwischenfällen, als der Dorfpolizist auftaucht. Friendly zückt eine Pistole, wird aber vom Cafébesitzer (Jacques Marin) niedergeschossen, der seinerseits von Bud getötet wird. Dann tötet Vi den Polizisten, bevor der auf Bud schießen kann.
Vi und der schwer verletzte Friendly versuchen mit einem Wagen zu entkommen, auf den Leer schießt, der sich, nachdem er die Entführte mehrfach vergewaltigt und gefoltert hat, aus dem Haus gestohlen hatte. Er hat längst mit einem Boot vor der Küste Kontakt aufgenommen, das ihn am Strand abholen soll. Dadurch, dass er auf den Wagen geschossen hat und dieser Feuer fing, stirbt Vi, Friendly schleppt sich mit einem der Geldkoffer ein Stück die Straße entlang, wird aber von Friendly, der das Geld an sich nimmt, eingeholt und getötet.
Friendly geht zum Strand hinunter, sicher, nun alles erledigt zu haben. Doch wird er unter Beschuss genommen und verletzt. Bud hat sich in den Wellen des Strandes auf die Lauer gelegt und von dort auf Leer gefeuert. Er nähert sich seinem Kumpan und zielt auf ihn. „Und was willst Du nun tun?“ fragt Leer Bud, der ihn daraufhin erschießt.
Bud kehrt zum Haus zurück und befreit die junge Frau, die…im Flugzeug von der Stewardess geweckt wird, da sie sich für die Landung anschnallen soll. Am Flughafen wird sie von einem Kofferträger durch den Zoll begleitet und hinter der Zollschranke von einem Chauffeur angesprochen, der sie bittet, ihm zu folgen…es ist Bud.
THE NIGHT OF THE FOLLOWING DAY (1969) war zu seiner Zeit weder an der Kinokasse noch seitens der Kritik sonderlich viel Erfolg beschieden. Ein amerikanischer Film, der, orientiert man sich an der Story, deutlich dem klassischen Plot eines ‚Film Noir‘ folgt, dessen Look, Tempo und Stil allerdings an europäische Gangster- und Kriminalfilme der späten 50er und der 60er Jahre gemahnen. Die Produktion schmückt sich mit Stars wie Marlon Brando, Rita Moreno (WEST SIDE STORY/1961) und Richard Boone (HAVE GUN – WILL TRAVEL/1957-63; RIO CONCHOS/1964), der zum Teil auch die Regie übernahm, sie bietet einen coolen, am Jazz orientierten Soundtrack von Stanley Myers, die Kamera übernahm mit Willy Kurant ein Könner, der zuvor mit europäischen Größen wie Agnes Varda und Jean-Luc Godard gedreht hatte. Das lässt die Bilder des Films exquisit wirken, zugleich entfremden eben diese ein international eher amerikanische Produktionen gewohntes Publikum vom Geschehen auf der Leinwand. So sitzt dieses vom Amerikaner Hubert Cornfield inszenierte Werk letztlich zwischen allen Stühlen, was ihm damals offenbar nicht gut bekommen ist.
Dabei stimmt, womit der Text auf der Hülle der DVD-Veröffentlichung wirbt: Wäre dies ein Film von Jean-Pierre Melville, besäße er einen anderen Stellenwert, hätte vielleicht sogar Kultstatus. Denn unter anderem an dessen Filme erinnert THE NIGHT OF THE FOLLOWING DAY ganz besonders. Wie in Melvilles Meisterwerken LE SAMOURAÏ (1967) oder LE CERCLE ROUGE (1970) bedienen sich auch die Verbrecher in Cornfields Film nur äußerst spärlich der Sprache. Wie in vielen Werken Melvilles oder auch jenen von Jacques Deray und anderen europäischer Genre-Regisseure, verzichtet das Script auch hier über weite Teile der Erzählung gar gänzlich auf Dialog und lässt die Bilder sprechen. Kurants Kamera bietet ein tristes ländliches Frankreich, irgendwo an der Nordwestküste gelegen[1]. Hier scheint es immer zu regnen, es ist nass-kalt, unwirtlich und ungemütlich, das Publikum befindet sich weit entfernt von den Stränden des französischen Sommers, die sonst so gern in Filmen aus und über Frankreich präsentiert werden. Die Kamera nimmt sich viel Zeit, Situationen aus der Ferne zu beobachten, bspw. einem Auto distanziert zu folgen, während sie andauernd scheinbar Unwesentliches ins Bild rückt: Straßenschilder, Traktoren und anderes Baugerät, eine Tankstelle etc. Gelegentlich erreicht Kurant dabei einen Abstraktionsgrad – vor allem am Ende des Films, wenn es zu einem seltsam stillen Showdown in den Meereswellen am Strand kommt – der tatsächlich an Werke von Godard oder jenes Alain Resnais heranreicht, der einst L´ANNÉE DERNIÉRE À MARIENBAD (1961) realisierte.
Der Verweis auf Melville oder Deray ist an den Hinweis gekoppelt, den Hans Schifferle in seiner Besprechung des Films gibt: THE NIGHT OF THE FOLLOWING DAY sei eine Pop-Version von Cocteau oder Beckett, inspiriert nicht nur von Resnais, sondern auch von Albert Camus[2], dem Hohepriester des moralisierenden Existenzialismus. Denn diese Männer und die eine Frau, die hier eine gnadenlos durchexerzierte Entführung planen und in die Tat umsetzen, entsprechen – allen voran Brando mit blondem Haar und gänzlich in Schwarz gekleidet – den verlorenen Figuren, die damals auch einem breiteren Publikum aus etlichen existenzialistisch angehauchten Romanen, Filmen und Theaterstücken geläufig waren. Doch gesellt sich der – ebenfalls vom Existenzialismus beeinflusste – ‚Film Noir‘ in seiner späten Ausprägung hinzu: Stanley Kubricks THE KILLING (1956) dürfte hier, gerade mit seinem moralischen Credo „Verbrechen zahlt sich nicht aus, denn irgendwas geht immer schief“, ebenfalls Pate gestanden haben[3]. Genau wie Kubricks minutiöse Studie eines exakt geplanten und dann doch an einer seltsamen, inhärenten Logik scheiternden Raubüberfalls auf eine Rennbahn, schildert auch THE NIGHT OF THE FOLLOWING DAY – wenn auch nicht ganz so kunstvoll, nicht ganz so gekonnt, wie das Frühwerk des Regie-Genies Kubrick – wie ein Plan scheitert, weil das Schicksal, die menschliche Gier oder vielleicht auch nur der Zufall dazwischenfunkt.
Besonders ironisch, fast schon zynisch nimmt sich dabei die Bemerkung eines der Protagonisten aus, das Entführungsopfer solle keine Angst haben, es habe nichts zu befürchten, da sie es mit „professionellen Verbrechern“ zu tun habe, die wüssten, was sie tun und kein Interesse daran hätten, sie zu verletzen oder ihr in irgendeiner Weise Schaden zuzufügen. Das sei schließlich kontraproduktiv zum gewünschten Erfolg ihrer Unternehmung. Ironisch ist dies, weil bei aller Professionalität doch sehr Vieles schief läuft – eine der Entführerinnen nimmt Drogen, da sie nervlich der Anspannung des ganzen Coups nicht gewachsen ist, es gibt zudem Spannungen zwischen ihr und einem der Entführer, mit dem sie liiert ist, vor allem sind die Angaben an den Vater der Entführten während der Geldübergabe alles andere als professionell, viel mehr wirken sie äußerst umständlich und ungeschickt -, zynisch nimmt sich die Aussage deshalb aus, da derjenige, der sie trifft, sich nicht nur als Verräter an seinen Kumpanen entpuppt, der sie schließlich allesamt umzubringen versucht, sondern dieser Mann auch ein Sadist ist, der der jungen Frau als einziger tatsächlich schweren Schaden an Leib und Seele zufügt.
Das von Hubert Cornfield gemeinsam mit Robert Phippeny verfasste Drehbuch verzichtet weitgehend auf tiefgreifende Psychologisierung der Figuren, diese haben auch kaum eine persönliche Geschichte, es ist gerade genügend Information, dass sie, anders als alle anderen Protagonisten im Film, einschließlich der Entführten, überhaupt Namen haben. Wir erfahren, dass der von Brando gespielte Bud, seine Freundin Vi (Moreno) und deren Bruder Friendly (Jess Hahn) offenbar die oben benannten „professionellen Verbrecher“ sind, die mit diesem Coup ihre Rente sichern wollen. Der von Richard Boone gespielte Leer hingegen ist einmalig zu den Dreien dazugestoßen, sie wissen nichts über ihn, was sich schließlich als grober Fehler erweist, kocht der doch sein eigenes Süppchen, will das Geld für sich und bereitet alles dafür vor, sich seiner Kumpane zu entledigen. Darüber hinaus ist er ein Sadist, der mit seinen Neigungen das ganze Unternehmen in Gefahr bringt. Vi ist offenbar drogensüchtig und da die Vorgänge der Entführung einer sehr jungen Frau – Pamela Franklin spielt das namenlose Opfer mit derart überzeugender Angst, dass man sich zwischenzeitlich fragt, ob diese womöglich echt gewesen ist – sie extrem nervös machen, fällt sie in alte Gewohnheiten zurück. Bud will irgendwann aussteigen, weil er als einziger begreift, dass Leer gefährlich ist, doch Friendly will nicht auf ihn hören und da Bud in der Schuld seines Kumpels steht – der einzige wirkliche Hinweis auf eine gemeinsame Vergangenheit, eine Geschichte – ist er schließlich bereit, weiter am Plan festzuhalten.
Und so kommt es, wie es kommen muss: Die Dinge geraten außer Kontrolle, teils gewollt (Leer und seine Pläne), teils ungewollt in Gestalt eines Polizisten und eines Barbesitzers am abgeschiedenen Örtchen, wo die Gangster mit ihrem Opfer untergekommen sind. Die beiden wollen Helden sein, als sie merken, mit wem sie es zu tun haben, das kostet sie ihr Leben. Doch auch fast alle anderen Beteiligten werden am Ende tot sein. Nur Brando und die junge Frau überleben. Es ist also nicht einmal nur das Verbrechen, dass sich nicht auszahlt, vielmehr, so scheinen Buch und Regie vermitteln zu wollen, ist es wie immer so, dass man, soll Gott zum Lachen gebracht werden, nur einen Plan schmieden muss – er wird nicht nur nicht aufgehen, er wird bitter bestraft werden. Vi und ihr Bruder werden von Leer ermordet, als der den Wagen beschießt, mit dem sie zu entkommen suchen. Er geht in Flammen auf, Vi verbrennt, während ihr davonkriechender Bruder von dem sich langsam nähernden Leer erledigt wird. Die beiden sind nicht nur Opfer eines schlechten Plans geworden, sie sind auch Opfer der Unwägbarkeiten des Daseins geworden, weil sie nicht mit Leers Brutalität und der Kälte gerechnet haben, die ihn ausmacht.
Bud, der diese Kälte vielleicht auch deshalb spürt, weil sie jener entspricht, die sein Innerstes ausfüllt, überlebt, weil er letztlich zu eben genau der kühlen Gewalt fähig ist, die Leer ausmacht. Der bringt – ähnlich wie zuvor schon Friendly, als er zu Bud auf dessen Hinweis, sie würden alle sterben nur erwidert: „Meinst Du, zu sterben sei das Schlimmste in meinem Leben?“ – mit seiner im Sterben schon lachend, fast höhnisch an Bud gerichteten Frage: „Und was wirst Du nun tun?“ zum Ausdruck, dass dies alles – das Leben, die Gewalt, der Tod – nur ein Spiel ist, das man spielt und schließlich sowieso verliert. Ein Nullsummenspiel, sozusagen. Und er stellt Bud bloß, da der und wir, die Zuschauer*innen, in diesem Moment begreifen, wie sehr auch die von Brando dargestellte Figur trotz all der rationalen Einwände und Zweifel an dem, was sie da eigentlich die ganze Zeit tun, letztlich genau die Art von Spieler ist, die auch Leer und Friendly waren. Auch Bud lebt in und durch dieses Spiel, das auch er mit höchstem Einsatz spielt. Nur hat er – anders als seine Kumpane, die lediglich das Leben verloren haben – viel mehr, wenn nicht alles verloren: Die Liebe, das Geld, die Zukunft. Die Höchststrafe, gerade weil er weiterleben muss. Die Toten können ruhen, die Lebenden müssen ihre Fehler wiederholen, immer und immer fort. Einige als Handelnde, andere, wie das Opfer der Entführung, als Objekt der Begierde der handelnden Subjekte. Ein jeder ist dem freien Spiel der Kräfte unterworfen, ohne Entkommen.
Um diese Haltung zu unterstreichen, um das Publikum zu irritieren und zu verstören, haben Buch und Regie sich einen ausgesprochen feinen Coup für das Ende dieses Films einfallen lassen: Als alles vorbei scheint, Bud die junge Frau von ihren Fesseln befreit und die fürchterlichen Wunden, die Leer ihr in seinem sexuellen Wahn zugefügt hat, verbunden sind, da erwacht die junge Frau exakt da, wo der Film begann: Im Flugzeug am Flughafen von Paris-Orly. Erneut, wie in der ersten Szene des Films, wird sie von der Stewardess geweckt, die Vi wie einer Doppelgängerin gleicht, erneut geht sie, begleitet von einem Gepäckträger, durch den Zoll und erneut ist es Marlon Brando in einer Chauffeur-Uniform, der auf sie wartet, um sie abzuholen. Was über die gesamte Laufzeit des Films schon surreal wirkte, nicht zuletzt, weil die Story doch allzu viele, allzu große Logiklöcher aufweist – siehe die viel zu umständliche Geldübergabe -, wird nun virulent: Wir stecken mit der jungen Dame in einer albtraumhaften Endlosschleife des Grauens. Geschichte wiederholt sich und wiederholt sich und wiederholt sich. Diese zumindest.
THE NIGHT OF THE FOLLOWING DAY ist beileibe kein wirklich guter Film. Er ist kein wirkliches existenzielles Drama, da uns die Figuren dafür in ihrer seltsamen Entrücktheit zu gleichgültig sind – im Grunde sind sie alle, abgesehen von Bud, Friendly und Vi, auf reine Funktionen reduziert, was sich, außer im Falle von Leer (dessen Name, zumindest im Deutschen, natürlich hintergründig und doppeldeutig wirkt), auch darin spiegelt, dass sie namenlos bleiben. Auch als Thriller kann der Film nicht überzeugen, weil dazu doch etwas die Spannung fehlt. Und auch als Vertreter des europäischen Kunst-Kinos funktioniert er nicht, ist er doch zu deutlich als Genre-Beitrag markiert und ermangelt es ihm letztlich der dafür nötigen meta-filmischen Betrachtung eines Godard oder Resnais.
Dennoch ist es ein interessanter, auf interessante Art misslungener Genre-Beitrag, der sich etwas traut, der den Zuschauer*innen etwas bietet, und sei es nur ein anderer Blick auf das Tun dieser Menschen – inklusive der Unbeteiligten, die zufällig in das Geschehen hineingezogen werden und sich dann entscheiden, zu handeln und dabei schließlich die falschen Entscheidungen treffen. Auch der Blick auf Frankreich und die mediale Präsentation des Landes ist interessant und einer zweiten Begutachtung würdig. Denn gerade hier kann man Cornfields Bestreben erkennen, das Genre, seine filmische Repräsentanz, zu unterlaufen, gar zu dekonstruieren, und zugleich mit Bedeutung aufzuladen.
Doch all den Bestrebungen zum Trotz sieht man dem Film eben auch an, wo es nicht gelangt hat. So eben unter anderem in der Figurenzeichnung, die zu oberflächlich bleibt und selbst in den Momenten, die uns schockieren sollen – wenn die junge Frau, die entführt wurde, Angst zeigt zum Beispiel – seltsam zurückhaltend und distanziert bleibt. Was wir sehen, wirkt genau wie das, was es ist: Eine Darstellung. Richard Boone schmeißt sein Opfer die Treppe runter, als sie einen Fluchtversuch unternimmt, Brando stellt ihn zu Rede. Und es sind eben Richard Boone und Marlon Brando, die eine Szene spielen, nie werden wir überzeugt, hier einer wirklichen, gar authentischen Szene beizuwohnen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Brando eher chargiert, als dass er spielen würde und Boone, der ein durchaus zu Besserem fähigerer Schauspieler gewesen ist, als er hier zeigen darf, nicht genug von der Rolle angeboten bekommt, um sie wirklich mit Leben zu füllen. Wenn er bedrohlich wirken soll, ist immer deutlich, dass er eben bedrohlich wirken soll. Hinzu kommt die Tatsache, dass er irgendwann die Regie übernommen hatte, da Brando nicht mit Cornfield auskam und es am Set mehrfach zu lautstarken Auseinandersetzungen zwischen ihnen gekommen sein soll. Möglicherweise hat diese Doppelrolle als Darsteller und Regisseur nicht unbedingt der Konzentration gedient.
All das sind keine guten Voraussetzungen für einen Film, gleich, als was er geplant war und was er schließlich sein sollte. Doch ganz so verdammenswert, wie ihn die Kritik sah, ist er dann auch wieder nicht. Er zeigt eine Facette des europäisch geprägten Autorenkinos und dessen Ein- und Auswirkungen auf das amerikanische Kino, welches sich hier seinem Vorbild größtmöglich anzunähern versucht. Einem Vorbild, dem das amerikanische Genre-Kino selbst aber eben auch immer schon Vorbild und in gewissem Sinne auch Leitstern gewesen ist (wie man nicht nur an den Filmen eines François Truffaut sehen konnte, sondern gerade auch an den frühen Filmen eines Jean-Luc Godard). Mindestens also ist dieser Film in seiner Historizität wesentlich, will man verstehen, wie das amerikanische und das europäische Kino zueinander in Bezug standen zu einem Zeitpunkt, da der Hollywood-Film sich nachhaltig zu ändern und auch von einem System zu emanzipieren begann, welches ihn nachhaltig in einem (zu) engen, einem nahezu starren Korsett eingezwängt hatte.
[1] Gedreht wurde weitestgehend in der Bretagne sowie in Le Touquet im Département Pas-de-Calais; einige Szenen entstanden in Paris.
[2] Schifferle, Hans: The Night of the Following Day. In: Feldvoß/Marli; Löhndorf; Marion: MARLON BRANDO. Berlin, 2004; S. 225-229.
[3] Interessanterweise stammt die literarische Vorlage zu Cornfields Film vom selben Autor wie Kubricks Werk: Lionel White. Hier war es der Roman THE SNATCHERS, für Kubrick diente der Roman CLEAN BREAK als Basis.