DRILLER KILLER

Der Maler Reno Miller (Jimmy Laine aka Abel Ferrara) lebt mit seiner Freundin Carol (Carolyn Marz) und deren Liebhaberin Pamela (Baybi Day) in einem Appartement in New York. Er arbeitet an einem gewaltigen halbfigürlichen Bild, das er dem Galleristen Dalton Briggs (Harry Schultz II) verkaufen will, um die Miete und die Strom- und Telefonkosten der drei zu decken. Briggs weigert sich, da er „schon zu viel Geld in Reno gesteckt“ habe, sagt aber, er wäre bereit, für ein „echtes“ Meisterwerk zu zahlen. Reno ist frustriert. In einem Appartement im selben Haus zieht eine Punk/Waveband ein, die ‚Roosters‘ unter ihrem Anführer, Sänger und Bandleader Tony Coca-Cola (Rhodney Montreal aka D.A. Metrov). Der enervierende Sound der Band, die praktisch Tag und Nacht in ihrer Behausung probt, zerrt an Renos Nerven. Er beschwert sich beim Vermieter, der behauptet, nichts tun zu können. Als „Entschädigung“ schenkt er Reno einen gehäuteten Hasen. Während der Zubereitung fängt Reno an, das Tier mit enem Küchenmesser zu traktieren und in Stücke zu hacken. Er und die Frauen sehen im Fernsehen eine Werbung für tragbare Elektrogeräte, darunter einen Schraubbohrer. Reno besorgt sich einen solchen. Er wird einer Halluzination ansichtig, in der Carol ihn ruft – eine erblindete Carol, der die Augen ausgestochen wurden. Reno nimmt den Bohrer und geht auf die Straße. Dort folgt er diversen Passanten, Obdachlosen, streift an Bushaltestellen herum. Schließlich tötet er mit dem Bohrer einen Obdachlosen. Einens Abends sehen die Frauen und Reno in einem Nachtclub die ‚Roosters‘. Während Carol und Pamela tanzen, geht die Musik Reno an die Nerven, er verlässt den Club, holt den Bohrer und steigert sich im Laufe der Nacht in einen wahren Rausch des Tötens und der Blutlust. Er tötet mehrere Menschen, läßt jedoch einige auch leben. Am folgenden Abend fragt Tony an, ob Reno ihn malen würde, er zahle dafür die MIete. Reno ist einverstanden. Während er malt, posiert Tony mit der Gitarre, singt und flirtet mit den Damen. Ein Obdachloser, der im Hinterhof schläft, beschwert sich lauthals über den Lärm, woraufhin Reno hinuntergeht, ihn in Kreuzigungspose an die Hauswand „nagelt“ und schließlich mit dem Bohrer malträtiert, bis sein Opfer stirbt. In der folgenden Nacht stellt er sein „Meisterwerk“ fertig, weckt Carol und Pamela und geht mit ihnen zu Dalton Briggs. Der erklärt sich einverstanden, das Bild zu begutachten. Als er es sieht, nennt er es „unakzeptabel“ und geht unverrichteter Dinge. Zwischen Reno und Carol kommt es zu einer lautstarken Auseinandersetzung, in der Carol Reno vorwirft, für nichts sorgen zu können. Sie will ihn verlassen, zurückkehren zu ihrem Exmann Stephen. Reno ruft Dalton Briggs an, er hätte ein weiteres Bild, Dalton solle kommen und es sich ansehen. Als dieser ins Appartement kommt, tötet Reno ihn mit einem Schlagbohrer, anschließend auch Pamela, und fährt dann in die Vororte, wo er schließlich Stephen in dessen Heim attackiert und tötet. Er legt sich in das Bett und wartet auf Carol, bis diese aus dem Badezimmer kommt…

Abel Ferraras erster ernstzunehmender Langfilm erzählt zeitgenössisch aus dem New York der 70er Jahre, das hier aussieht wie eine Stadtlandschaft, der jedwede Form von Ästhetik abhanden gekommen zu sein scheint. Dieses New York City ist ein Bruder im Geiste jener Stadt, die drei Jahre zuvor Travis Bickle als TAXI DRIVER (1976) in Martin Scorseses gleichnamigen Film durchkreuzte. War Travis ein verstörter Vietnamveteran, der der Stadt wie jenem Dschungel begegnete, dem er gerade entkommen war – Feindesland, das er sich von einem „großen Regen“ reingewaschen wünschte – ist Ferraras Protagonist ein Maler in der Sinn- und Schaffenskrise, dem die Stadt nach und nach zur Ersatzleinwandgerät; allerdings ist die Farbe, die er nutzt uni – rot. Rot, wie Blut. Und der von ihm bevorzugte Pinsel ist ein Handbohrer, mit dem er das Blut seiner (meist) willkürlich auserkorenen Opfer auf Teilen seiner „neuen“ Leinwand verteilt: Auf Bürgersteigen, Hauswänden, an Bushaltestellen und in Hinterhöfen. Irgendwo zwischen Splatterfilm und Arthouse-Cinema ist dieser seltsame Hybrid eines Films angesiedelt

Der Künstler Abel Ferrara zeichnet Ende der 70er Jahre ein ernüchterndes Bild der Metropole New York City. Die Jahre der Kreativität sind vorbei, die großen Künstlerkommunen, wie Warhols Factory, an die hier mit Tonys ‚Roosters‘ natürlich gemahnt wird, neigen sich dem Ende zu und verlieren an Relevanz, die Stadt, die für das 20. Jahrhundert so viel Bedeutung hatte, verkommt mehr und mehr zu einem gefährlichen Dreckloch. Das führte er in seinem Folgefilm „Die Frau mir der 45. Magnum“ genau so weiter. Dieses New York ist eine recht gesichtslose Stadt, ihre Sehenswürdigkeiten und Wiedererkennunsgmerkmale sind gänzlich ausgeschlossen aus diesen grobkörnigen Bildern.

Doch ist dies natürlich nicht einfach das Portrait einer Stadt, es ist auch das Portrait eines Künstlers, es ist eine Auseinandersetzung mit einer Schaffenskrise, es ist eine Meditation (in Blut) über das Wesen dessen, der Kunst erschafft und dabei Herr über „Leben und Tod“ ist – hier wird dieses allegorische Moment schlicht sehr, sehr ernst genommen. Tödlich ernst, sozusagen.

Reno Miller – schon äußerlich mit seinen langen Haaren, der verschlissenen Lederjacke, dem wirren Blick, den er manchmal hat, klar gekennzeichnet als Relikt einer ausgehenden Zeit – malt seine Bilder immer mehr zu kommerziellen Zwecken, vom Idealismus der 60er Jahre ist nichts mehr zu spüren. Fast zynisch blickt Ferrara auf all die subkulturellen Milieus und Entwürfe, die diese Metropole einst bot, und die selber längst in zynischer Verachtung versunken sind. Der Film korrespondiert mit DER Bewegung seiner Zeit, dem Punk, in dessen spezifischem Zynismus. Schon die Realvorbilder für Tonys ‚Roosters‘, die VELVET UNDERGROUND, ein Produkt der Warhol Factory, glänzten mit ihrer poetischen Weltverachtung, boten eine Art düsteren Gegenentwurf zu den Westcoast-Hippies, die die Welt so gern kunterbunt sahen. Hier nun wird die „Kunst“ in dieser Musik auf ein radikales Mindestmaß reduziert. Sie wird entschlackt und teils zu reinem „Sound“. Damit, das Gefühl vermittelt der Film zweifelsohne, wird sie ihrer Umgebung, der Stadt, der Härte, die diese Umwelt ausmacht, sehr viel eher gerecht, als Millers Malerei. Die Bilder, die wir zu sehen bekommen, erinnern sowohl farblich als auch in dem, was dargestellt wird, an die drogeninduzierten Farborgien der psychedelischen Ära. Die Schaffenskrise, der Reno Miller verfällt, ist eben auch eine Krise der Zeitläufte in einem moralisch abgewirtschafteten Land (auch an dieser Stelle die Korrespondenz des Films zu Scorseses Meisterwerk). Ein jeder hat die Kontrolle verloren – über sich, sein Handeln, die Umwelt, seine Kunst.

Betrachtet man das Ganze auch als Allegorie auf den Künstler und sein Schaffen, die Kontrolle und die Omnipotenz, die sich ein einem künstlerischen Werk eben auch immer ausdrücken, dann ist Millers Reaktion auf seine Schaffenskrise, die Ablehnung seines wichtigsten Abnehmers und den fröhlich-dadaistischen Nihilismus der ‚Roosters‘, der so sehr viel angemessener gegenüber der im Film ausgestellten Wirklichkeit anmutet, eben auch ein verzweifelter, größenwahnsinniger Versuch, die Kontrolle zurück zu gewinnen. Einerseits. Andererseits ist die Mordorgie, der sich Reno Miller so drastisch und überdeutlich hingibt natürlich auch das Opus magnum, von dem er immer wieder spricht. Hier geht ein Künstler schließlich aufs Ganze.

Es bleibt festzuhalten, daß dies weder ein wirklich guter, noch ein sonderlich geschmackssicherer Film ist. Doch in seiner seltsamen Rohheit, seiner Faszination an und seinem Ekel vor Gewalt, sowie seiner Unbedingtheit gegenüber dem Zuschauer, weiß er dennoch zu überzeugen. Berühren tut er nicht, dazu bleiben dem Zuschauer all diese Figuren zu fremd, die Gewalt, die ihnen angetan wird, zu abstrakt und der Blick auf das Geschehen zu distanziert; aber dennoch weiß er zu faszinieren…und das sollte einem zu denken geben…

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