MANIAC (1980)
William Lustigs immer noch indizierter Undergroundstreifen von 1980 bietet weitaus mehr, als sein Ruf erahnen lässt
Frank Zito (Joe Spinell) ist ein psychopathischer Serienmörder. Er meuchelt wahllos Paare oder einzelne weibliche Opfer. An einem Strand erwürgt und ersticht er ein Liebespaar, auf einem abgelegenen Parkplatz erschießt er ein Pärchen beim Stelldichein mit einer Schrotflinte, in einer U-Bahn-Station durchbohrt er eine Frau mit einer Machete, in einem Stundenhotel erwürgt er eine Prostituierte. Seinen weiblichen Opfern schneidet er die Kopfhaut samt Haaren ab und nimmt die Skalps als Trophäen an sich.
Obwohl mit einem pockennarbigen Gesicht und einer eher unförmigen Gestalt ausgestattet, gelingt es Frank, nirgends aufzufallen, wird er nicht wahrgenommen und kann sich so unerkannt durch die Stadt bewegen und seinen Opfern nähern.
Seine Wohnung gleicht einem seltsamen Museum seines Wahns: Zwischen etlichen Bildern, Skulpturen und wahllos angeordnet erscheinenden Möbelstücken, stehen Schaufensterpuppen, denen Frank die Skalps seiner Opfer überstülpt. Eine der Figuren liegt immer in seinem Bett und er hält Zwiesprache mit ihnen. Er imaginiert seine Mutter, die bereits verstorben ist, die ihm fehlt, die er aber auch anklagt und für seinen Zustand der Vereinzelung, Vereinsamung und Verlassenheit verantwortlich macht. Dennoch streichelt er die Puppen zärtlich. Auch seinen Opfern raunt er während der Tötungen liebevolle Worte zu, die denen gleichen, die er seinen Puppen zuflüstert.
Eines Tages wird Frank in einem Park von einer Fotografin aufgenommen. Es gelingt ihm, deren Namen – Anne D´Antoni (Caroline Munro) – herauszufinden und er sucht sie auf. Er gibt sich als Künstler aus, der ihre Werke bewundere und es entwickelt sich eine Freundschaft zwischen den beiden. Anne geht mit ihm aus und Frank weiß mit durchaus charmantem und kenntnisreichem Small-Talk zu überzeugen.
Während eines Foto-Shootings in ihrem Atelier, bei dem drei Modelle anwesend sind, beobachtet Frank, wie eine der jungen Frauen ihre Halskette abnimmt, die ein Geschenk ihrer Mutter sei. Er bringt die Kette an sich und sucht das Modell abends unter dem Vorwand, ihre die Kette, die er gefunden habe, wiederbringen zu wollen, in ihrer Wohnung auf. Er fesselt sie und vergeht sich an ihr, streichelt sie und erzählt ihr, wie sehr er sie begehre, wobei unklar bleibt, ob er wirklich anwesend ist oder sich in seiner Traumwelt wähnt, in der offenbar immer die Mutter bei ihm ist. Dann tötet er das Modell mit einem Dolch, den er ihr durchs Herz bohrt.
Frank nimmt an der Beerdigung der jungen Frau teil, was Anne ihm hoch anrechnet, da er sie ja kaum gekannt habe. Frank wiegelt ab. Er fragt Anne, ob sie mit ihm abends essen ginge und sie sagt zu. Unterwegs fragt er sie, ob sie bereit wäre, einen kurzen Abstecher zum Friedhof einzulegen, er wolle das Grab seiner Mutter besuchen. Anne willigt ein.
Am Grab wird Frank von seinen Wahnvorstellungen überwältigt: Seine tote Mutter entsteigt dem Grab und hält den Sohn in einer Umklammerung, während ihr madenzerfressenes Gesicht sich seinem zu einem innigen Kuss nähert. Frank fährt auf und geht auf Anne los, um auch sie zu töten. Die kann sich wehren und verletzt ihn schwer.
Frank keht in seine Wohnung zurück, wo der Wahsninn sich fortsetzt: Er imaginiert die Schaufensterpuppen als zum Leben erwacht. Diese fallen über ihn her und zerfetzen, zerstückeln und zerreißen ihn bei lebendigem Leibe.
Später kommen zwei Polizisten in die Wohnung, alamiert durch Anne, und finden Franks Leichnam. Er liegt, durch die eigene Hand von einem seiner Mordwerkzeuge durchbohrt, tot auf dem Bett.
Sieht man einmal von den italienischen Gialli ab, die das Sub-Genre des Slasher-Movies in den 60er und frühen 70er Jahren vorwegnahmen, dabei aber eher im kriminalistischen Sektor angesiedelt waren, als eindeutig den Horrorfilm zu bedienen, begann mit John Carpenters HALLOWEEN (1978) die goldene Ära der psychopathischen Schlitzer, Hacker und Serienmörder. Das Jahr 1980 brachte gleich eine ganze Schwemme von Filmen in die Bahnhofskinos, die das mal mehr, mal weniger blutige Metier bedienten. Ob PROM NIGHT (1980), MOTHER`S DAY (1980) oder TERROR TRAIN (1980) – es konnte der Eindruck entstehen, daß sich die dem Wahn verfallenen Mörder in den Kinosälen die Klinke in die Hand gaben. Darunter befand sich auch ein Film, der diese Kategorie in seiner Kompromisslosigkeit, aber auch der bleiernen Leere, die er offenbarte, fast schon wieder an dessen Endpunkt führte – William Lustigs MANIAC (1980). Bis heute ruft der Film erregten Widerstand hervor und steht als einer der wenigen damals indizierten Filme immer noch auf der Liste der jugendgefährdenden Filme. Nach wie vor beschlagnahmt, ist es kaum möglich, eine wirklich ungeschnittene Fassung zu begutachten. Das fördert die Legendenbildung, macht es aber auch unmöglich, ein Werk wie dieses fair und unvoreingenommen zu beurteilen.
Was – neben den wahrlich ekelerregenden Gewalttaten, die explizit gezeigt werden – macht MANIAC so außergewöhnlich, unverwechselbar und verstörend, daß er immer noch konsequent unter Verschluß gehalten werden muß? Anders als die oben genannten Vertreter des Genres, die alle dem Muster von HALLOWEEN folgen und den Fokus auf einen oder mehrere Teenager legen, die sich einer zunächst ungreifbaren Gefahr ausgesetzt sehen – und den Begriff „Teenie-Slasher“ prägten, da die jugendlichen Protagonisten nach und nach dezimiert wurden, bis meist nur noch ein Mädchen übrigblieb, das es dann mit dem Killer aufnahm und fast immer von Jamie Lee Curtis dargestellt wurde – geht Lustig in seinem Film diametral entgegengesetzt vor und bietet von Anfang an keine andere Identifikationsfigur, als Frank Zito, eben den titelgebenden Maniac. Der metzelt wahllos Liebespaare und Frauen in und um New York dahin. Mal erwürgt er seine Opfer, mal erschießt er sie, mal meuchelt er sie mit einem Messer, mal mit einem Dolch. Immer nimmt er Skalps der von ihm getöteten Frauen an sich. Mit ihnen drapiert er in seiner Wohnung Schaufensterpuppen. Da keins von Franks Opfern dem Zuschauer näher vorgestellt, sondern zumeist immer erst kurz vor seinem Ableben in die Handlung eingeführt wird, bleibt uns nichts anderes übrig, als den gesamten Verlauf des Films durch Franks Augen und Sinne wahrzunehmen. Ein verstörendes Erlebnis, das maßgeblich zu der enorm schlechten Reputation beigetragen haben dürfte, die der Film seit seinem Erscheinen eben nicht nur bei Medienschützern, sondern auch bei der Kritik und selbst bei vielen Fans des harten Horrorfilms hatte.
Frank ist ein Psychopath, der offensichtlich noch immer an seiner längst verstorbenen Mutter leidet, die ihn als Kind entweder allein oder aber zugegen sein ließ, wenn sie ihrer Profession als Prostituierte nachging. Er hasst offenbar Frauen, will sie aber zugleich berühren, will sie besitzen, will sich ihnen nähern und sie liebkosen. Seine Wohnung ist ein Museum seines Wahns, der symbolische Ausdruck seines Leidens. Poster von bekannten Playmates, denen die entscheidenden Stellen – Schritt und Brüste – weggerissen wurden, Bibelzitate, Abbildungen bekannter und weniger bekannter Bilder, die Wahn, Schmerz und Folterungen ausstellen, aber auch selbstgemalte Zeugnisse seines inneren Zustands, zieren die Wände. Plastiken aufgerissener Münder, in stummen Schreien erstarrt, hängen an den Wänden und Türen und überall stehen die Schaufensterpuppen mit den grässlichen Trophäen herum. Seine jeweilige Favoritin darf in seinem Bett schlafen, wird von ihm gestreichelt und als Gesprächspartner genutzt. Aus diesen Zwiegesprächen erfährt der Zuschauer, besser: muß er sich zusammenreimen, womit man es bei diesem Verrückten zu tun hat. Er klagt die tote, abwesende Mutter an, beschimpft sie, vergöttert sie aber zugleich auch. Er verfällt in kindliches Gebrabbel und keifende Hysterie.
Doch ist nichts in MANIAC eindeutig. Die Erklärung, daß der Zuschauer es mit einem weiteren jener Wahnsinnigen zu tun hat, die seit Alfred Hitchcocks PSYCHO (1960) die Leinwand bevölkern und die allesamt Opfer übermächtiger Mütter geworden sind, liegt zwar nahe und macht das Muster des Films – vor allem nahezu 40 Jahre nach seiner Veröffentlichung – etwas banal, vorhersehbar und auch langweilig, doch ist auch dies nicht zwingend. Lustigs Fokus ist ein anderer. Man hat den Eindruck, der Regisseur habe dem Zuschauer zumindest irgendeine Art von Erklärung an die Hand geben und nicht schlicht einen am Töten an sich Interessierten präsentieren wollen. Denn genau das scheint Frank Zito letzten Endes zu sein. Die Morde geschehen ohne erkennbares Muster – mal sind es Paare, mal Einzelpersonen, es gibt keinen nachvollziehbaren Modus Operandi und einzig wiederkehrendes Element ist Franks Geflüster, das Opfer wolle das doch so, habe sich diese Behandlung doch gewünscht. Diese geflüsterten, fast lustvollen Beschwörungen sind Doppelungen dessen, was er nachts den Puppen in seinem Zimmer zuraunt.
Lustig erwähnte in Interviews, daß er und sein Drehbuchautor Joe Spinell – Darsteller des Frank Zito – sich an damals aktuellen Fällen von Serienmördern, wie dem „Son of Sam“ und auch Ted Bundy, orientiert und alles zusammengetragen hätten, was sie über diese Killer in Erfahrung bringen konnten. Sie wollten eine Art „Durchschnittsmörder“ präsentieren, der die häufigsten Merkmale und Auffälligkeiten in sich vereinte, die damals zu dem Phänomen „Serienmörder“ bekannt waren. Dennoch erinnert Zito eher an filmische Vorbilder wie Hitchcocks Norman Bates oder Ezra Cobb in Jeff Gillens und Alan Armsbys DERANGED (1974), die beide allerdings auf dem realen Vorbild des Mörders und Nekrophilen Ed Gein basierten. So erfüllt MANIAC bereits ein postmodernes Spiel aus Quer- und Rückverweisen auf mediale und reale Vorbilder. Bedrückend ist ihn in diesem Zusammenhang die realistische Darstellung der Tötungen und das ebenfalls sehr realistische Setting, die dem Film eine semi-dokumentarische Aura verleihen.
Wahrscheinlich war die Zeit für einen Film wie MANIAC 1980 schlicht nicht reif, antizipiert er doch durchaus schon HENRY – PORTRAIT OF A SERIAL KILLER (1986), der ähnlich verfährt, in seiner Anlage allerdings geschickter vorgeht, indem er den Killer Henry in Bezug zu seinem Freund Otis und dessen Schwester Becky setzt, wodurch die Figur zumindest ein gewisses Feedback erlangt und reflektiert wird; zudem gelang Regisseur John McNaughton in Teilen auch eine brillante Medienreflektion, die ihrerseits wiederum vieles vorwegnahm, was dann in den 90er Jahren und erst recht mit dem Aufkommen von Handys und überall nutzbaren Handy-Kameras virulent wurde. Lustig seinerseits verzichtet auf jedwede Reflektion. Auch der Auftritt einer Figur wie der Fotografin Anne D´Antonio dient weniger einer Metaebene, als viel mehr dem Beweis, daß Frank eben nicht einfach nur ein Psycho ist, ein Monster wie Carpenters Michael Myers oder Jason Vorhees aus der FRIDAY THE 13TH-Serie (ab 1980). Frank kann parlieren, er verfügt über einen gewissen Charme, er versteht bspw. Annes Kunst und ihren Blick auf die Realität. Franks Wahnsinn existiert parallel dazu – und wird erst am Ende des Films auch seinen Mitmenschen in Gestalt Annes offenbar. Der Zuschauer muß sich bis dahin mit dem abfinden, was ihm radikal aus Franks Sicht geboten wird. Und das sind – neben Franks existenzieller Einsamkeit – vor allem die ebenso grausigen wie – manchmal – schönen Tode. Ohne daß der Film allzu sehr darauf abhebt, kann man Frank nicht eine gewisse Ästhetik des Tötens, des Grauens, absprechen. Darin gleicht er wiederum den ebenfalls meist mutterfixierten Mördern in den Gialli eines Mario Bava oder Dario Argento.
Die Gewaltszenen, an denen der damals gerade zum Star der Szene aufsteigende Tom Savini beteiligt war, sind ungeheuer brutal, momentweise geradezu delirierend, sie sind, wie bereits erwähnt, erschreckend realistisch und heben sich damit von den in anderen Splatter– und Slasher-Filmen eher comichaften Tötungsszenarien deutlich ab. Sie werden mit der Intensität eben jener Gialli inszeniert – nicht nur vom Regisseur William Lustig, sondern auch von Frank Zito selbst – und gerinnen damit zu makabren Kunstwerken, Happenings der Grausamkeit. Es ist immer die Frage, wie Frank sein nächstes Opfer töten, selten, ob er es tun wird. Nur ein einziges Mal lässt Lustig so etwas wie Spannung im herkömmlichen Sinne des Genres aufkommen – in jener Szene, in der Frank eines seiner weiblichen Opfer in der nächtlichen U-Bahn verfolgt und der Zuschauer ausnahmsweise die Perspektive der jungen Frau einnimmt, was aber nichts daran ändert, daß der Mörder erneut rücksichtslos, hart und tödlich zuschlägt.
Man sollte vielleicht nicht zu viel in Lustigs Film hinein interpretieren. Bedenkt man das Budget des Films (rund 300.000 Dollar) und daß es für den Regisseur sein Debut mit einem Langfilm war – zuvor hatte er ein paar Kurzfilme realisiert, vor allem aber sein filmisches Handwerk bei diversen Porno-Produktionen erlernt – sollte man davon ausgehen, daß Vieles, was den Film ausmacht, den Produktionsbedingungen geschuldet war. Lustig hatte mit Joe Spinell aber einen damals bereits erfahrenen Schauspieler zur Verfügung, der in durchaus respektablen Rollen und Filmen aufgetreten war, darunter den ersten beiden THE GODFATHER-Filmen (1972/1974) von Francis Ford Coppola. Spinell hatte der Figur des Frank Zito dessen Entfremdung und Einsamkeit eingeschrieben. Es gelingt ihm, diesen Mann mit einer gewissen Tragik auszustatten. Ohne soweit zu gehen, daß man Mitgefühl mit ihm hat, kann man doch erkennen, daß dieser Mensch sein Innerstes nicht nur nicht kontrollieren kann, sondern auch nicht die Möglichkeit besitzt, sich darüber auszutauschen. Ob man, wie Thomas Gaschler und Eckhard Vollmar in ihrem höchst lesenswerten Interview-Buch DARK STARS[1], soweit gehen und MANIAC gleich in Bezug zu Scorseses TAXI DRIVER (1976) setzen muß, obwohl sich gewisse Analogien, gerade was die Kommunikationsfähigkeit der Figuren angeht, aufdrängen, sei einmal dahin gestellt. Festzustellen bleibt, daß Lustig und Spinell – ob gewollt oder ungewollt – ein Film gelungen ist, der in gewisser Weise wie ein Arthouse-Splatter wirkt. Schon das Changieren zwischen den Exzessen der Gewalt und zwischenzeitlicher Langeweile, die durchaus die Leere in Frank Zitos Leben und Innern spiegelt, wirkt formal wie einem bizarr übertriebenen Kunst- oder Undergroundfilm entliehen. Wobei man MANIAC letzteren sicherlich zurechnen darf. Es ist eine Studie des Wahns, der Entfremdung, der urbanen Einsamkeit und der mangelnden Kommunikation in einem Zeitalter, das an der Schwelle zur totalen Kommunikation stand. Frank spricht mit seinen Puppen, Anne sieht die Welt durch ein Objektiv, die Prostituierten auf der Straße reden in Klischees und Phrasen, wirklich Kenntnis scheint hier niemand von niemandem zu nehmen. Aus dieser Perspektive ist Frank einer der wenigen, die zumindest Zärtlichkeit in sich tragen, auch wenn sich diese nur auf sehr bizarre Art und Weise ausdrücken kann.
Wo man sicherlich Analogien zu Scorsese, aber auch anderen, vor allem Underground-Filmern wie Frank Henenlotter oder auch Abel Ferrara, erkennen kann, ist die Darstellung der Stadt und der Entfremdung des Individuums in einer kalten, fremden und hässlichen Umgebung. On Location gedreht, besteht das New York in Lustigs Film aus Rotlichtvierteln, Stundenhotels, dreckigen Gassen, verlassenen U-Bahnstationen und nur gelegentlich schönen Strand- oder Parkanlagen. Es ist ein kalter, düsterer, ein lebensfeindlicher und gefährlicher Ort. Ein Ort, an dem ein Mensch wie Frank Zito gedeiht, weil hier einerseits sein Wahn das entsprechende Milieu findet, um sich zu entfalten, zugleich aber die nötige Ignoranz und Desillusion herrschen, damit jemand mit diesem Wahnsinn untertauchen und sich wie ein Fisch im Wasser bewegen kann. Dementsprechend wird in der Öffentlichkeit von Zitos Morden medial zwar Kenntnis genommen, doch kommt ihm nie ein Polizist oder Detektiv in die Quere. Überhaupt taucht die Polizei erst am Ende des Films in seinem Appartement auf, wahrscheinlich von Anne informiert. Hier finden sie den toten Zito, gestorben im Wahn, von den zum Leben erwachten Schaufensterpuppen bei lebendigem Leibe zerrissen zu werden und von einer seiner eigenen Mordwaffen – wahrscheinlich durch die eigene Hand – durchbohrt.
Das Ende des Films, dramaturgisch sein schwächster Moment und deutlich auf Eskalation getrimmt, zeigt uns einen vollkommen in seinem Wahn gefangenen Mann, der zunächst den einzigen Menschen – Anne – der ihm so etwas wie Freundschaft und Wärme entgegengebracht hat, töten will, dann von der eigenen, madenzerfressenen Mutter angegriffen und schließlich von den Fantasiefiguren seiner Einbildung graphisch zerfetzt wird. So sehr Spinells Buch und seine Darstellung zuvor funktionieren und den Zuschauer auch fesseln können, wenn er bereit ist, sich auf die Besonderheiten dieses Films einzulassen und sich von dem Label „Horrorfilm“ zu lösen, so sehr gleicht das Ende einer Geisterbahnfahrt und nimmt dem vorhergehenden Schrecken viel von dessen Wirkmächtigkeit.
MANIAC sollte man wahrscheinlich eher wie einen Kunstfilm betrachten, weniger als Vertreter des Horrorgenres. Dafür hält er sich zu wenig an die Konventionen und Regeln, ist nicht spannend genug und erinnert zu sehr an gewisse Undergroundfilme der 70er Jahre, die Grausamkeit, Gewalt und Ekel – man denke an John Waters, Alejandro Jodorowsky, den ganz frühen David Lynch oder auch Pier Paolo Pasolini in seinem letzten Werk SALÓ O LE 120 GIORNATE DI SODOMA (1975) – nutzten, um ihr Publikum zu schockieren, zu verstören, in Traum- und Albtraumwelten zu entführen, es aufzurütteln, mit der Nase in den Dreck zu stoßen, der sie politisch, gesellschaftlich, kulturell umgab. Sicherlich sollte man Lustig nicht auf ein Niveau hieven, das er problemlos unterläuft, doch MANIAC wirkt doch in vielerlei Hinsicht eher wie ein Beitrag zu jenem Mitternachtskino, das sich in den 70er Jahren abseits des Mainstreams etablierte und einen radikal anderen Blick auf die Wirklichkeit warf, als daß er wirklich mit den Genrewerken seiner Zeit korrespondiert. Vielleicht wäre es fair, dem Film eine neue Beurteilung – auch auf juristischer Ebene – zukommen zu lassen und dadurch einen neuen, anderen Blick auf ihn zu ermöglichen. Dann könnte man sicherlich immer noch kein Meisterwerk entdecken, denn das ist MANIAC nicht, aber man hätte die Möglichkeit, einen Film zu betrachten, der zumindest als Zeugnis einer neuen Härte am Ende der einen und zu Beginn einer neuen Ära funktioniert. Die damalige Schwemme an harten und immer brutaleren Horrorfilmen, die sich zusehends in etliche Sub-Genres aufteilten, deutet einen kulturellen Gezeitenwechsel an, der sich in den späten 70er und frühen 80er Jahren vollzog. Es wäre eine eigene Betrachtung wert, diesen Gezeitenwechsel zu untersuchen und zu analysieren, was sich in jenen Jahren der billigen, expliziten und immer zynischeren Horrorfilme auszudrücken versuchte. Eine solche Untersuchung hätte mit MANIAC sicherlich einen guten Ausgangspunkt.
[1] Gaschler, Thomas; Vollmar, Eckhard: DARK STARS. 10 Regisseure im Gespräch. München, 1992. S. 228-258.