THE IMITATION GAME – EIN STRENG GEHEIMES LEBEN/THE IMITATION GAME

Mehr als ein herkömmliches Bio-Pic

1928

Der junge Alan Turing (Alex Lawther) ist Schüler eines typischen englischen Internats. Alan ist sehr introvertiert und wenig an den üblichen Dingen wie bspw. Sport interessiert. Deshalb ist er regelmäßiges Opfer der Quälereien seiner Mitschüler, die ihn ob seiner Andersartigkeit nicht mögen. Lediglich sein Freund Christopher (Jack Bannon) hält zu ihm und rettet ihn mehrfach aus schier ausweglosen Situationen. Christopher ist es auch, der dem mathematisch offenbar hochbegabten Alan das Interesse an Rätseln und Chiffren nahebringt. So tauschen die beiden Jungs im Unterricht geheime Botschaften aus. Während Christophers Abwesenheit in den Sommerferien, die Alan im Internat verbringt, merkt der Junge, dass er sich in seinen Freund verliebt hat. Er will ihm dies nach den Ferien gestehen, muss aber feststellen, dass Christopher nicht zurückkehrt. Der Direktor teilt Alan mit, dass sein „spezieller Freund“, wie er es nennt, im Urlaub verstorben ist. Alan wusste nicht, dass Christopher schwer an Tuberkulose erkrankt war.

1939-1941

Der nunmehr siebenundzwanzigjährige Alan Turing (Benedict Cumberbatch) bewirbt sich um eine Stelle im Bletchley Park, wo die Government Code and Cyper School untergebracht ist. Hier werden deutsche Funksprüche abgefangen und decodiert und somit die Kriegsführung des deutschen Oberkommandos analysiert und wenn möglich durchkreuzt werden sollen. Zwar gefällt Turing Commander Alastair Denniston (Charles Dance) aufgrund seiner Arroganz und eher unfreundlichen Art keinesfalls, doch kann der junge Mann den gestandenen Marine-Offizier aufgrund seiner mathematischen Kompetenzen überzeugen, ihn in sein Team aufzunehmen.

Gemeinsam mit dem Leiter des Teams Hugh Alexander (Matthew Goode) und dessen Mitarbeitern John Cairncross (Allen Leech), Peter Hilton (Matthew Beard), Keith Furman (Ilan Goodman) und Charles Richards (Jack Tarlton) wird Turing damit beauftragt, die Enigma-Maschine, die den Briten durch ein polnisches Kommando zugespielt wurde, zu dechiffrieren. Den Männern ist klar, dass dies ein wesentlicher Beitrag zum Sieg über Nazi-Deutschland sein dürfte. Allerdings gibt es über 150 Millionen-Millionen Möglichkeiten von Codes.

Während Hugh Alexander herkömmliche Dechiffrier-Methoden anwendet, die zu nichts führen – lediglich einige unwesentliche Funksprüche konnten entschlüsselt werden – ist Turing der Meinung, man müsse eine kryptoanalytische Maschine bauen, die die täglich wechselnden Codes schneller durchrechnen und so auch schneller entschlüsseln kann als irgendein menschliches Gehirn in der Lage wäre.

Da Turing nicht nur bei seinen Kollegen, die ihn nicht leiden können, da er eigenbrötlerisch und ausgesprochen arrogant gegenüber ihnen auftritt, sondern auch bei Denniston auf kein offenes Ohr für seine Idee stößt, wendet er sich direkt an die Regierung, namentlich Winston Churchill. Der beordert Turing an die Spitze des Teams, da er dem zwar eigenwilligen aber offenbar brillanten Mann vertraut.

Turing feuert Furman und Richards und sucht aufgrund eines in einer Tageszeitung platzierten Kreuzworträtsels neue Mitarbeiter. So kommen Joan Clarke (Kira Knightley) und ein weiterer Mitarbeiter ins Team. Vor allem Clarke wird für Turing im Laufe der Zeit immer wichtiger, sowohl professionell, weil sie wesentliche Aspekte in die Arbeit einbringt, die zur Lösung beitragen, als auch persönlich, da er Vertrauen zu ihr fasst.

Bletchley Park steht unter starker Beobachtung durch das Militär, aber auch durch die geheimen Dienste. Major Stuart Menzies (Marc Strong), der für die höchst geheime Abteilung MI6 arbeitet, setzt Turing einerseits unter Druck, da er Ergebnisse braucht, hält allerdings auch seine schützende Hand über ihn, weil der Wissenschaftler immer wieder ins Fadenkreuz seiner Vorgesetzten gerät, die ihn nach wie vor nicht leiden können und seinen Methoden nicht trauen. Zudem vermutet nicht nur Menzies, dass es einen oder mehrere Spione im Park gibt.

Turing entwirft und baut schließlich eine Maschine, die er Turing-Bombe nennt, nennt sie für sich jedoch „Christopher“ und huldigt so dem Freund von einst. Er weiß, dass er homosexuell ist, dennoch bietet er Joan an, sie zu heiraten, als deren Eltern darauf bestehen, dass ihre Tochter heimkehrt und endlich einen Mann findet.

Da die Turing-Bombe zwar arbeitet, dies allerdings nicht schnell genug, sieht Denniston seine Chance gekommen, den widerspenstigen Turing endlich entlassen zu können. Es kommt zu einer Auseinandersetzung zwischen Turing und Denniston, bei dem es letzterem sichtlich Freude bereitet, seinen Untergebenen dadurch zu quälen, dass er die Maschine außer Betrieb nehmen lässt.

Es ist Hugh Alexander, der Turing nach wie vor nicht sonderlich mag und der dessen etwas hilflose Versuche, das Team zu loben und ihm seine Wertschätzung zu zeigen, eher lächerlich findet, der nun die Not erkennt, die Turing umtreibt. Er schreitet ein und erklärt, dass die Maschine funktioniere, würde sie nun abgeschaltet, würde er kündigen. Die anderen Mitglieder des Teams schließen sich an. Turing spürt erstmals im Leben, was es bedeutet, wirklich Teil eines Teams zu sein und unterstützt zu werden. Denniston gibt den Männern und Joan einen weiteren Monat, dann müssten Ergebnisse vorliegen.

In dieser Zeit findet Turing eher durch Zufall heraus, dass John Cairncross offenbar Informationen an die Sowjets weitergibt. Er scheint der Spion zu sein, den auch Menzies sucht und bereits in Turing vermutet hatte. Als Turing seinen Kollegen mit seinem Verdacht konfrontiert, offenbart der, dass er um Turings Homosexualität wisse. Er schlägt ein Quid pro quo vor – jeder der beiden behält das Geheimnis des anderen für sich. Turing, welcher große Angst hat, dass sein „geheimes Leben“ entdeckt wird, lässt sich darauf ein. Doch weiß er, dass er auf Dauer so nicht wird leben können. Als er sich Menzies offenbart und sein Wissen preisgibt, gibt der zu verstehen, dass er Cairncross bereits im Fadenkreuz hatte.

Oft treffen sich die Mitarbeiter nach ihren Schichten in einem Pub, der zum Park gehört. Hugh Alexander ist hier unter den Damen ein Star. An einem der folgenden Abende nach Dennistons Versuch, Turings Experiment mit der Maschine zu beenden, sitzt Joan mit einer Freundin zusammen, die in der Abteilung arbeitet, die die Funksprüche der Deutschen abhört. Sie erzählt, dass sie ein Gegenüber habe, welches seine Funksprüche immer mit denselben Worten einleite. Turing hat daraufhin die entscheidende Idee, dass es der Maschine leichter fiele, die Entschlüsselungen durchzuführen, wenn sie gewisse Eckdaten hätte. Die Deutschen leiten ihre morgendlichen Sprüche immer mit einem Wetterbericht ein – daraus lassen sich gewisse Worte ableiten und die Maschine kann den Code, gefüttert mit diesen Axiomen, schließlich knacken.

Sofort wird klar, dass es einen Konvoi im Nordatlantik gibt, der in akuter Gefahr ist, da ein Rudel U-Boote in der Nähe ist. Peter Hilton will sofort das Kommando unterrichten, doch Turing hält ihn davon ab: Wenn sie jetzt sofort eingriffen, wüssten die Deutschen automatisch, dass Enigma geknackt wurde. Dies müsse verhindert werden. So erklärt Turing, dass zunächst nur Menzies informiert werden solle, nicht einmal Denniston sei zu unterrichten. Nach einigem Abwägen sehen die anderen ein, dass er recht hat.

Turing trifft wie so oft Joan. Doch diesmal will er nicht, wie sonst, mit ihr Picknicken oder Tee trinken, sondern er erklärt ihr, dass er schwul sei und sie deshalb nicht heiraten wolle. Joan erklärt ihm, dass sie das bereits geahnt habe, es ihr aber egal sei. Ihre Liebe sei anders, sie bezöge sich vor allem auf ihren Geist, auf die gemeinsamen Ideen. Doch Turing bleibt hart. Er kann Joan nicht sagen, dass es ihm vor allem darum geht, sie zu schützen und weist sie umso barscher zurück.

Das britische Kommando versteht es, die geknackte Enigma-Maschine so einzusetzen, dass es gelingt, eine Menge Falschinformationen an die Deutschen zu geben, zugleich deren Tagesbefehle abzuhören und darauf reagieren zu können. Die Arbeit, die Turing und seine Leute geleistet haben, ist entscheidend am Sieg über Deutschland beteiligt.

1951

Die Polizei wird wegen eines Einbruchs zum Haus des einsiedlerisch lebenden Alan Turing gerufen. Als Detective Robert Nock (Rory Kinnear) am Tatort eintrifft, teilen ihm die diensttuenden Beamten mit, dass Turing nichts vermisse und sie wieder abrückten.

Nock ist der Meinung, einer großen Sache auf der Spur zu sein: Er hält Turing für einen möglichen sowjetischen Spion. Also beginnt er in diese Richtung zu ermitteln, obwohl seine Vorgesetzten und auch seine Kollegen der Meinung sind, dass er übertreibe.

Nock bittet Turing zu einem „Gespräch“, welches eher ein Verhör darstellt. Im Laufe dieser Sitzung erzählt Turing die vorherigen Ereignisse, wodurch es zu einer Rahmenhandlung des Films wird. Turing gibt auch ausgesprochen geheime Informationen hinsichtlich seiner Tätigkeiten während des Kriegs preis. Doch entgegen Nocks Annahme, es mit einem feindlichen Agenten zu tun zu haben, stellt sich dann heraus, dass Turing lediglich ein Homosexueller ist, der gelegentlich die Dienste gewisser männlicher Prostituierter wahrnimmt.

Aufgrund dieser Erkenntnisse wird Turing vor die Wahl gestellt, entweder für mehrere Jahre ins Gefängnis zu gehen oder sich einer chemischen Kastration zu unterziehen. Da er im Gefängnis nicht arbeiten kann, entscheidet er sich für die Hormonbehandlung.

Als sie in der Zeitung von Alans Urteil liest, fährt Joan zu ihm. Sie findet einen nahezu desolaten Alan Turing vor, ungewaschen lebt er in einem verwahrlosten Haus, wo lediglich sein Arbeitszimmer, wo eine kleinere Ausgabe seiner Maschine steht, an den früheren, genialen Wissenschaftler erinnert. Turing bricht in Joans Armen zusammen und gibt zu, nicht allein sein zu wollen.

Eine Tafel unterrichtet darüber, dass Alan Turing sich aufgrund von Depressionen mit 41 Jahren das Leben nahm. Erst im Jahr 2013 wurde er durch Queen Elizabeth II. rehabilitiert.

Während viele, viele Männer auf den Schlachtfeldern überall auf der Welt gegen Hitler-Deutschland und dessen Verbündete kämpften und dort starben, war ein wesentlicher Beitrag zum Sieg über die Achsenmächte – vor allem für den Sieg im Atlantik, um die alliierten Versorgungsrouten zu verteidigen und letztlich offen zu halten – jener, den die geheimen Dienste und da vor allem jene leisteten, die für den Kampf weniger geeignet gewesen sein mögen, die dafür aber hochbegabte Mathematiker, Physiker und Linguisten gewesen sind. Ihnen gelang es 1940 unter der Leitung des Mathematik-Genies Alan Turing, den ersten Code jener Maschine zu knacken, die als Enigma in die Geschichte eingehen sollte. Enigma war eine Chiffriermaschine, die als nahezu unentzifferbar galt und dadurch den Deutschen einen enormen Vorsprung gerade während des im Nordatlantik tobenden U-Boot-Kriegs gegen die amerikanischen Versorgungskonvois verschaffte. Diese Maschine nicht nur in die Hände zu bekommen, sondern zu decodieren, dies aber geheim zu halten und somit Falschmeldungen an das deutsche Kommando zu lancieren, sollte wesentlich zum Sieg der Alliierten beitragen.

Dieser Sieg war ein bitterer für Turing selbst, denn der baute nicht nur jene kryptoanalytische Maschine, der es schließlich gelang, Enigma zu entschlüsseln – eine Maschine, die in ihrer Weiterentwicklung das wurde, was wir heute „Computer“ nennen – sondern war selbst dazu verdammt, ein verschlüsseltes Leben, ein Geheimleben zu führen. Ein Leben, welches codiert, das versteckt werden musste. Denn Turing war homosexuell, was im Großbritannien der 20er, 30er und 40er Jahre – und lange darüber hinaus – als Verbrechen galt und strengsten Strafen unterstand. Turing wurde verurteilt, „durfte“ sich jedoch zwischen einer Haftstrafe und einer chemischen Kastration entscheiden, die bei ihm eine schwere Depression hervorrief. 1954 nahm er sich das Leben.

Ein tragisches Leben, das geradezu nach einer Dramatisierung verlangt. Basierend auf der Biographie ALAN TURING – ENIGMA von Andrew Hodges erarbeitete Graham Moore das Drehbuch für ein Bio-Pic über den Mathematiker und Informatiker, unter besonderer Berücksichtigung der Jahre in Bletchley Park, wo die Government Code And Cypher School untergebracht war. Hier wurde der deutsche Funkverkehr abgehört und etliche Mitarbeiter – eben jene oben erwähnten Mathematiker und Informatiker, Physiker und Linguisten – bemühten sich, diese zu dechiffrieren. Unter dem Namen THE IMITATION GAME (2014) verfilmte Morten Tyldum Moores Script mit Benedict Cumberbatch in der Haupt- und Keira Knightley in der führenden Nebenrolle. Den Beteiligten ist – trotz einiger historischer Ungenauigkeiten und in einem, noch näher zu besprechenden Fall wirklicher Fehlinformation – ein packendes Drama gelungen, das weitaus mehr ist als ein herkömmliches Bio-Pic. Vielmehr ist es ein Gesellschaftsdrama, welches eine enge, manchmal reaktionäre gesellschaftliche Atmosphäre glaubwürdig einfängt und spürbar werden lässt; ein Drama, das nachvollziehbar macht, was es für den Einzelnen bedeutete, in diesem Umfeld von dem abzuweichen, was als „Norm“ galt – gleich welche Verdienste er gehabt haben mag.

Dass Moore und Tyldum sich dafür Freiheiten herausnehmen, Turing ein wenig autistisch und somit seltsamer, menschenfeindlicher, humorloser darstellen als er es tatsächlich wohl war, das muss in Kauf nehmen, wer ein solches Gesellschaftsportrait betrachten will. Als solches nämlich ist THE IMITATION GAME ein hervorragender Film, der vor allem von der brillanten Darstellung der Schauspieler lebt; allen voran Cumberbatchs Leistung ist hervorzuheben. Dass der Sherlock-Holmes-Darsteller aus der gleichnamigen Serie, welche ihn einem größeren Publikum bekannt machte, eine schauspielerische Bank ist, das weiß man. Und doch ist es immer wieder erstaunlich, wie intensiv, wie mitreißend sein Spiel sein kann, wie tief er in Figuren eindringt, ihr Innerstes oft mit einem Blick, einer Geste, dem Hochziehen einer Augenbraue, einer kaum wahrnehmbaren Drehung des Kopfs zum Ausdruck zu bringen vermag. So ist es oft schon ein reines Vergnügen, ihm dabei zuzuschauen, wie er eine Figur erarbeitet, wie er sie ausfüllt und dann nahezu authentisch darzustellen vermag.

Hier stellt er sein Können einmal mehr ganz in den Dienst der Darstellung eines zutiefst verletzten Menschen, der seit Kindheitstagen weiß, dass er anders ist als andere, der darunter schon im Internat leidet – an dieser Stelle soll auch auf die Leistung von Alex Lawther verwiesen sein, der den jugendlichen Turing in den Rückblicken auf das Jahr 1928 spielt, dessen Ereignisse im Film als wesentlich für seine Entwicklung dargestellt werden – und den Rest seines Lebens auch damit verbringt, seine Neigungen zu verbergen, sie eben zu chiffrieren, zu verstecken, während sein Geist damit beschäftigt ist, exakt das Gegenteil zu tun. Denn er wird – der Film stellt es als andauernde Auseinandersetzungen, ja Streitereien mit Vorgesetzten unterschiedlicher militärischer Grade, aber auch mit Abgesandten des britischen Geheimdienstes dar – nach einigem Hin und Her zum Leiter jener Abteilung ernannt, die sich mit der Enigma-Maschine beschäftigt. Während seine Kollegen sich bemühen, nach herkömmlichen Methoden an deren Entschlüsselung zu arbeiten, entwirft Turing eine Maschine, die die enorme Rechenleistung erbringen kann, die dafür nötig ist, die Abermillionen Möglichkeiten zu erfassen, zu kombinieren und vernünftig zusammenzusetzen. Diese als Turing-Bomb berühmt gewordene Maschine war der Vorläufer unserer heutigen Hochleistungsrechner.

Moore und Tyldum legen ihren Film auf drei Zeitebenen an, die sich immer wieder durchkreuzen und so ergänzen – in Rückblenden und anhand eines einer Beichte ähnelnden Berichts, den Turing 1951 einem Ermittler gibt und in welchem er die Ereignisse in Bletchley Park der Jahre 1939 bis 1941 entgegen seiner Befehle zur Geheimhaltung schildert.

Im Jahr 1951 glaubt dieser Ermittler, der Detektiv Nock, der zu Turings Haus gerufen wurde, wo ein Einbruch stattgefunden haben soll, bei dem aber laut des Hausbesitzers – also Turing selbst – nichts gestohlen wurde, einem sowjetischen Spion auf der Spur zu sein. Ganz der Hysterie – wenn man so will der Paranoia – seiner Zeit entsprechend, möchte der Polizist unbedingt an eine große und weitreichende Verschwörung glauben. Doch nach und nach entpuppt sich ihm die wahre Geschichte eines zutiefst einsamen Mannes, der zur Befriedigung seiner Bedürfnisse gelegentlich in jenen Bars und dunklen Gassen der Stadt verkehrt, wo man die entsprechenden Leistungen kaufen kann. Vor allem aber entpuppt sich die Geschichte eines Mannes, dessen Liebe einer Maschine gehört, der er den Namen „Christopher“ gegeben hat. Ein Mann offenbar, der keine menschliche Liebe kennt oder erfahren hat. Doch stimmt das nicht.

Der Name Christopher war der eines Schulkameraden, der Turing im Internat, im Jahr 1928, zur Seite stand, als der schon damals auffällig zurückhaltende Junge häufig Opfer der Quälereien seiner Mitschüler war. Während der großen Ferien stirbt Christopher, was der ca. sechzehnjährige Alan Turing durch den Direktor, der die besondere Freundschaft der Jungen wahrgenommen hat, mitgeteilt wird. Und Turing weiß, dass er den besonderen Charakter der Freundschaft – dass es Liebe gewesen sein mag, wurde ihm erst in der Abwesenheit des Freundes klar – verleugnen muss. Es ist eine der ergreifendsten Szenen des Films und es ist ein Meisterstück, wie Alex Lawther diese Szene spielt, wie er mit sehr wenigen, sehr kontrollierten mimischen Mitteln den Zuschauer*innen zu verstehen gibt, was alles sich in diesem Jungen zugleich abspielt, während er mitgeteilt bekommt, dass sein Freund verstorben ist: Unfassbare Trauer, Angst, das Wissen, illoyal zu sein, wenn er nun verleugnet, was ihm eben erst deutlich wurde. Eine grandiose schauspielerische Leistung. Und ein für das Publikum emotional schwer zu verarbeitender Moment.

Das Hauptaugenmerk des Films liegt allerdings auf jenen Jahren, in denen Turing sein Meisterstück ablieferte. Und es ist allerdings auch dies ein filmisches Meisterstück, wie es Tyldum, seinem Ensemble und dem Kameramann Óscar Faura, der mit ruhigen Bildern, oft viel Distanz und doch in entscheidenden Momenten der entsprechend nötigen Dynamik, unter großartiger Mitwirkung der Set Dekorateure und der Art Direktoren, die dem Film einen ungeheuer authentischen Look verpassen, gelingt, aus einer an und für sich eher öden Tätigkeit – dem Berechnen von mathematischen Formeln und Gleichungen – ungeheure Spannung zu generieren. Hinzu kommen allerdings einige dramaturgische und auch der Spannung dienende Elemente, die dem Buch und dem Film später vorgeworfen wurden. All das ist gut in den Wikipedia-Einträgen zum Film nachzulesen.

Vor allem die Unterstellung, dass es im Team einen sowjetischen Spion gegeben habe, von dem Turing selbst sogar gewusst haben soll, mit dem er aber eine Art Deal geschlossen habe, da der historische John Cairncross, den der Film zum Agenten stempelt (was die historischen Belege nicht hergeben), um Turings Geheimnis gewusst habe, scheint an den Haaren herbeigezogen. Dieses Spionagemotiv wird dann ja auch in der Rahmenhandlung aufgegriffen und ist auch hier falsch: Die Polizei ermittelte gegen Turing nie wegen des Verdachts der Spionage, sondern immer wegen dessen Privatleben. Warum Graham Moore diesen Twist für nötig hielt, kann man nur vermuten. Ob es der Geschichte mehr Spannung verleihen sollte – vielleicht. Nötig gehabt hätte sie es nicht. Denn wie bereits festgestellt, bietet THE IMITATION GAME, ist als Drama aus sich selbst heraus aufregend und ergreifend genug. Ein wenig drängt sich der Verdacht auf, dass Moore Bezug nehmen wollte zu Michael Apteds älterem Film ENIGMA (2001), der, basierend auf einem Roman von Spannungsautor Robert Harris, explizit von der Jagd auf einen Spion in Bletchley Park handelt – allerdings einem, der für die Deutschen arbeitet, nicht für die Sowjets. Natürlich ist es verführerisch, gerade in eine solch geheime Institution wie Bletchley Park einen Spionageverdacht hinein zu imaginieren. Und in Apteds Fall hat man es ja auch mit einem bewusst als Thriller inszenierten Werk zu tun.

Viel stärker als jede kolportierte Spionage-Geschichte, ist die Beziehung, die Buch und Regie zwischen Turing und der von Kira Knightley gespielten Joan Clarke – auch sie eine historisch verbürgte Person – spinnen. Denn im Grunde erzählt THE IMITATION GAME zwei außergewöhnliche Liebesgeschichten – jeweils zwischen außergewöhnlichen Außenseitern. Da ist die bereits beschriebene vage homosexuelle Annäherung zwischen dem jungen Alan und seinem Freund Christopher, den der erwachsene Turing später dadurch zu würdigen versucht indem er die von ihm entwickelte Maschine „Christopher“ nennt, wodurch der Film Turing eine Persönlichkeit unterstellt, die er in Wirklichkeit nicht gehabt haben mag, die aber im dramaturgischen Konzept des Films perfekt aufgeht. Denn Turing wird so als ein extrem einsamer, aber eben auch arroganter und eigenbrötlerischer Mann gezeichnet, der hinter der schroffen Fassade nicht nur seine Geheimnisse zu wahren sucht, sondern auch seine Verletzlichkeit verstecken will. Warum er der Maschine den Namen gibt, verrät er niemandem, nur die Zuschauer*innen sind in der Lage, den Zusammenhang zu verstehen und darin auch zu erkennen, wie einsam genialisches Denken machen kann. Denn wer sollte nachvollziehen können, dass ein Mann eine Maschine „liebt“, weil er in ihr – oder besser: in dem, was sie kann, in ihren Berechnungen – Schönheit und Reinheit entdeckt, geradezu empfindet? Jene Schönheit und Reinheit, die die Beziehung zu dem Jugendfreund hätte haben oder entwickeln können, wenn sie denn je eine Chance dazu gehabt hätte. Doch ist diese Chance nicht nur durch das Schicksal, das Christopher früh dem Leben entriss, sondern eben auch durch die gesellschaftlichen Bedingungen niemals möglich gewesen. Eine unmögliche Liebe – oder die Unmöglichkeit der Liebe in einer perversen Situation.

Genau das führt zur zweiten Liebesgeschichte des Films, nämlich jener zwischen Turing und Joan Clarke. Die Joan Clarke im Film hat mit ziemlich genau den Vorurteilen und Ressentiments zu kämpfen, denen selbstbewusste Frauen nicht nur im Großbritannien in den 1930er und 40er Jahre ausgesetzt gewesen sein dürften: Sie wird nicht ernst genommen, der diensttuende Angestellte beim Einstellungstest für Bletchley Park – dessen Auswahl Turing als ein extrem schwieriges Kreuzworträtsel konzipiert hatte – kann sich nicht einmal vorstellen, dass eine Frau an dem Test teilnehmen könnte. Oder möchte. In Bletchley Park selbst arbeiteten zwar eine Menge Frauen – doch fast ausschließlich als Sekretärinnen oder als Abhörende, die ihre Mitschriften an die Analytiker weiterreichen. Clarke hat darüber hinaus auch Schwierigkeiten mit ihren Eltern, die es befremdlich finden, dass eine Frau in ihrem Alter – für damalige Zeiten mit zweiundzwanzig Jahren nicht mehr ganz jung – sich um eine Arbeit bemüht, zuhause ausziehen und auf eigenen Füßen stehen möchte, anstatt einen Mann zu finden, zu heiraten und Kinder zu kriegen.

Es ist Turing, der ihr Talent erkennt und der der Tatsache – darin wieder ganz der Außenseiter, als den der Film ihn zeichnet – ob sie nun männlichen oder weiblichen Geschlechts ist, vollkommen gleichgültig gegenübersteht; für ihn sind nur ihre intellektuellen Fähigkeiten von Interesse. Was sich dann zwischen diesen beiden entspinnt, ist die Liebe zweier Wissenschaftler, zweier Intellektueller, die eine gemeinsame Leidenschaft haben, die sie aber nicht nur als etwas Kühl-Sachliches wahrnehmen, sondern vielmehr als eine ästhetische, als sinnliche Kategorie des Daseins. Als Turing, nachdem sie zuvor eingewilligt hatte, ihn zu heiraten, Clarke aus gewissen Gründen erklärt, das ginge nicht, er sei homosexuell, erklärt sie sofort, dass sie das geahnt habe, es aber für ihre Beziehung zu ihm keine Rolle spiele. Sie seien anders, er und sie, ihre Liebe definiere sich anders und deshalb sei auch ihre Beziehung – oder eine mögliche Ehe – anders, als die Allgemeinheit dies sehen wolle. Eine außergewöhnliche Haltung, nicht nur in jener Zeit, selbst heute noch würde eine solche Haltung wahrscheinlich eher Befremden auslösen. Sie zeigt jedoch nicht nur die Außergewöhnlichkeit des dahinterstehenden Charakters, sondern vielmehr auch die Außergewöhnlichkeit eines womöglich genialen Geistes, der außerhalb gewöhnlicher Normen steht. Und somit Turings Dasein, mit all seiner Eigenartigkeit, beglaubigt, ihm gleichsam eine Berechtigung gibt.

Es sind diese beiden sich überkreuzenden Liebesgeschichten, beide auf ihre Art unmöglich in einer Welt, die in engen Korsetten und Normen denkt und lebt und gnadenlos ist gegen die, die auszubrechen versuchen, die THE IMITATION GAME zu einem so besonderen, so außergewöhnlichen und eben auch außergewöhnlich guten Film machen. Und ihn über die Ebene eines reinen Bio-Pics hinausheben. Nun ist das Genre so oder so umstritten, will man denn Bio-Pics überhaupt als ein eigenständiges Genre begreifen. Häufig zu eindimensional in der Darstellung, zu gestreckt und gedehnt, können sie meist kaum die Komplexität eines Lebens erfassen. Die besseren unter ihnen – CAPOTE (2005), LINCOLN (2012), HITCHCOCK (2012) oder TRUMBO (2015) um nur einige jüngeren Datums zu nennen – konzentrieren sich deshalb auf eine Episode oder einen bestimmten Abschnitt im Leben der Betreffenden. Das gälte dann auch für THE IMITATION GAME, da er sich hauptsächlich auf die Jahre in Bletchley Park bezieht. Und doch weist er darüber hinaus, indem er mit der Rahmenhandlung zeigt, wie ungnädig die britische Gesellschaft mit einem Homosexuellen in den 50er Jahren umging, und durch die Rückgriffe auf das Jahr 1928 einen sehr persönlichen Bezug herstellt, um Turings Geheimnis und seinen Schmerz zu verstehen.

Doch sollte man – gerade das ergibt sich aus den Vorwürfen, die dem Film gemacht wurden hinsichtlich der historischen Ungenauigkeiten und auch bezüglich Turings Charakter, den viele Experten im Film „falsch“ wiedergegeben fanden – begreifen, dass es Moore und Tyldum möglicherweise gar nicht darum zu tun war, Alan Turings Leben historisch akkurat wiederzugeben, sondern viel mehr, anhand dieser Figur gewisse übergreifende Fragen aufzuwerfen. Etwas auszusagen über die Widersprüchlichkeit der menschlichen Natur. Und auch wird es ihnen darum gegangen sein, die Gnadenlosigkeit der Gesellschaft sich in einem Charakter wie Turing selbst spiegeln zu lassen. Als er und seine mittlerweile ihm folgenden Kollegen, die ihm anfangs aufgrund seiner enormen Arroganz eher ablehnend bis offen feindselig gegenüberstanden, die Enigma-Maschine endlich geknackt haben, überzeugt Turing die anderen, zunächst nichts von ihrer Entdeckung nach außen dringen zu lassen. Denn, so seine Überlegung, würde man sofort beginnen bspw. einen Konvoi zu warnen, der Gefahr läuft, in ein Rudel Unterseeboote der Deutschen hineinzufahren und angegriffen zu werden, wüsste der Gegner, dass die Maschine dechiffriert und also wertlos sei. Vielmehr solle man die eigenen Erkenntnisse an die Mitarbeiter des MI6 – eine damals weitestgehend unbekannte Abteilung des britischen Geheimdienstes, die heute als Auslandsgeheimdienst bekannt ist – weitergeben und die dortigen Mitarbeiter überlegen lassen, wie und mit welchen Informationen man die Deutschen füttern könnte, um sie in Fallen zu locken etc. Der Krieg war eben auch immer schon ein Krieg der Informationen – Falschinformation ebenso wie Propaganda.

Dass eine Entscheidung wie diese in den Händen Turings und seiner Leute lag, dürfte rein dramaturgischer Stoff sein. Auch darauf weist der Wikipedia-Artikel hin: Niemals hätte es in ihrer Macht gestanden, so zu entscheiden, wie der Film es darstellt. Doch indem das Buch behauptet, einer der Brüder der mit Turing Zusammenarbeitenden befände sich auf einem der Begleitschiffe des Konvois, kann der Film das Drama um die persönlichen Opfer, die ein jeder in einer Situation wie dieser zu erbringen habe, noch steigern. Und Alan Turing, wie er hier skizziert wird, aus der alleinigen Opferrolle herausholen und als durchaus auch zu Brutalität und vor allem Eiseskälte neigenden Pragmatiker zeigen.

Aus genau solchen Gegensätzen bezieht THE IMITATION GAME seine Spannung, seine Dramatik. Genau diese Ambivalenzen, die der Film auf unterschiedlichen Ebenen aufbaut und ausnutzt, heben ihn über herkömmliche Bio-Pics hinaus und erlauben es, die Härte und Grausamkeit einer geschichtlichen Epoche nachzuzeichnen und spürbar zu machen. Und es erlaubt diesem Film, das Portrait einer Gesellschaft zu zeichnen, die mit ihren ganz eigenen Neurosen und Obsessionen gesättigt gewesen ist. Neurosen und Obsessionen, die diese Gesellschaft, die britische, mit den nötigen Attributen ausgestattet haben mag, die es brauchte, den Krieg gegen Nazi- Deutschland zwei Jahre nahezu allein zu führen. Neurosen und Obsessionen, die den einzelnen jedoch zu zerstören vermochten, blieb er doch allein und vor allem sehr, sehr einsam in ihnen gefangen.

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