KING KONG UND DIE WEISSE FRAU/KING KONG
Der "größte Monsterfilm aller Zeiten" - ein zwiespältiges Vergnügen
Carl Denham (Robert Armstrong), Naturfilmer und Abenteurer, sucht kurz vor dem Aufbruch zu einem neuen Dreh in Fernost eine Hauptdarstellerin, da das auserwählte Model abgesprungen ist. Während die Venture unter dem Kommando des Kapitäns Englehorn (Frank Reicher) an den Docks von New York abfahrbereit wartet, hofft Denham, ein vorzeigbares Mädchen in den Straßen der von der Wirtschaftskrise gezeichneten Stadt zu finden.
Er wird fündig, als er zufällig Ann Darrow (Fay Wray) über den Weg läuft, als diese gerade einen Apfel stehlen will. Denham lädt die hungrige Frau zu einem Essen ein und legt ihr sein Vorhaben dar: Mit der Venture will er eine unbekannte Insel ansteuern und dort atemberaubende Aufnahmen für einen Abenteuerfilm drehen, in welchem Ann die Hauptrolle übernehmen soll. Ann willigt ein.
Das Schiff legt ab und unterwegs entspinnt sich zwischen Ann und dem ersten Maat der Venture, Jack Driscoll (Bruce Cabot), eine zarte Romanze.
Durch ein gefährliches Riff erreicht die Mannschaft schließlich die Insel, von deren Existenz Denham lediglich durch eine geheimnisvolle Karte weiß, die er einst irgendwo in Asien in die Hände bekam. Nun liegt Skull Island, so der Name der unheimlichen Insel, im Nebel vor Denham und seinen Leuten.
Die Filmcrew geht an Land und wird unmittelbar Zeuge, wie eine junge Frau von den Eingeborenen, die auf einem kleinen der Teil der Insel leben, für ein Ritual vorbereitet wird. Die Siedlung ist mit einer enormen Mauer vom Rest der Insel abgetrennt und Denham und die andern hören, wie die Eingeborenen immer wieder rhythmisch den Namen „KONG!“ wiederholen.
Denham will den Vorgang filmen, doch da werden die Eingeborenen auf das Filmteam aufmerksam. Sie wollen Ann als neues Opfer für jenes unheimliche Wesen, das sie heraufbeschwören. Das Filmteam zieht sich auf das Schiff zurück. In der folgenden Nacht wird Ann vom Schiff entführt und auf die Insel verbracht.
Während Denham, Driscoll und eine Hand voll Männer auf die Insel übersetzen, um Ann zu retten, wird diese vor der Mauer zwischen zwei Pfähle gebunden, dann ziehen sich ihre Häscher wieder hinter das riesige Tor in der Mauer zurück. Ann sieht und hört, daß sich etwas Riesiges durch den undurchdringlichen Urwald vor der Mauer nähert. Dann taucht Kong in Gestalt eines riesigen Affen auf. Das Wesen zeigt mit Gebrüll, wer der Herr der Insel ist, dann befreit er Ann aus ihrer misslichen Lage und trägt sie mit sich fort.
Die Männer von der Venture nehmen unerschrocken die Verfolgung auf. Während Kong mit Ann seinem Nest in einer Höhle auf dem höchsten Berg der Insel – Skull Head – zustrebt und unterwegs mehrere Kämpfe gegen einen Tyrannosaurus Rex, eine Wasserschlange und später, schon in seinem Hort, gegen eine Flugechse zu bestehen hat, die er allesamt gewinnt und bei denen er jedes Mal darauf achtet, daß Ann in Sicherheit ist, sind ihm Driscoll und die anderen immer auf den Fersen.
Doch sie müssen sich ihrerseits zweier Saurierangriffe erwehren: Zunächst ist es ein Stegosaurus, den die Männer mit Gas und Gewehrkugeln ausschalten können, später ein Brontosaurier, der ihr Floß angreift, die Männer verfolgt und einige von ihnen tötet – mal zertritt er sie, mal frisst er sie. Zudem haben sie eine direkte Begegnung mit Kong, als sie auf einem umgestürzten Baum eine Schlucht überqueren wollen und von ihrem Widersacher wie Asseln vom Stamm geschüttelt werden.
Die meisten der Angegriffenen sterben beim Sturz in die Schlucht, nur Driscoll und Denham gelingt es, sich zu retten. Nun stehen sie auf verschiedenen Seiten der Schlucht. Driscoll will Kong weiterverfolgen, während Denham Waffen und Männer vom Schiff holt.
Driscoll erreicht die Höhle Kongs gerade in dem Augenblick, in dem der Riesenaffe mit dem Flugsaurier kämpft. Driscoll und Ann versuchen, sich an einer Liane aus der Höhe des Horts abzuseilen; als Kong sie nach bestandenem Kampf wieder herauf zu ziehen droht, springen beide in die Tiefe und tauchen in einen See ein.
Während Driscoll und Ann sich den Weg zurück zum Eingeborenendorf bahnen, verfolgt von Kong, bereitet Denham mit Hilfe der restlichen Besatzung und der Eingeborenen eine Falle für den Affen vor. Der Regisseur hat längst beschlossen, das Wesen zu betäuben, zu fesseln und nach New York zu verfrachten, wo er es als „Das Achte Weltwunder!“ anpreisen und ausstellen will. Es gelingt auch, Kong zu besiegen, doch zuvor greift der das Dorf an und verwüstet es, wobei er auch etliche Opfer unter den Einwohnern fordert.
In New York angelangt, kommt es wie von Denham angekündigt: In einem Broadwaytheater soll die neue Weltsensation erstmals einer staunenden Öffentlichkeit präsentiert werden. Doch als der gefesselte Kong, durch die Blitzlichter der Fotografen geblendet und irritiert, Anns ansichtig wird, reißt er sich los und will Ann, in die er sich offenbar verliebt hat, in seinen Besitz bringen.
Kong, auf der Suche nach Ann, zieht eine Spur der Verwüstung hinter sich her, wobei er Hochbahnen und Autos demoliert, als wären sie Spielzeuge. Er klettert Fassaden hinauf, greift wahllos nach Frauen in Wohnungen und wirft sie ebenso wahllos in die Tiefe, sobald er erkennt, daß es sich nicht um das Objekt seiner Begierde handelt.
Als Kong Ann schließlich wirklich findet und sie an sich nimmt, beginnt er, das Empire State Building emporzuklettern. Hoch oben setzt er Ann vorsichtig auf einer Balustrade ab und wappnet sich eines Angriffs von mehreren Fliegern. Es gelingt ihm zwar, zwei der Doppeldecker vom Himmel zu holen, doch schließlich zeitigt der dauernde Beschuß Wirkung. Kong kommt ins Wanken und stürzt dann von dem Wolkenkratzer.
Das tote Tier liegt zerschmettert auf der Straße. Ein Polizist tritt hinzu und bemerkt beeindruckt, die Flieger hätten ganze Arbeit geleistet. Denham, der sich unter die staunende Menge am Fuß des Gebäudes gemischt hat, merkt an, es seien nicht die Flieger gewesen, es sei Schönheit gewesen, die das Biest getötet habe.
Nichts ist einfacher, als in den Zeiten von CGI, computergestützten Animationen, Wesen, komplett am Reißbrett entworfen und in Rechnern entstanden, etwas belustigt, gar verächtlich auf jene Filme herabzublicken, die einst Pionierarbeit auf dem Gebiet der Tricktechnik geleistet haben. Natürlich wirken die Stop-Motion-Tricks, die Überblendungen und Rückprojektionen mit den meist nicht stimmigen Raum- und Größenverhältnissen heutzutage vollkommen veraltet, können den modernen Zuschauer nicht überzeugen, der mittlerweile die Dinosaurier in Spielbergs JURASSIC PARK-Filmen (ab 1993) oder die fremdartigen Wesen in Peter Jacksons THE LORD OF THE RINGS-Trilogie gesehen und bestaunt hat. Und dennoch…
Der „Zauber des ersten Mals“
Walter Benjamin hat in einem seiner wichtigsten Texte – DAS KUNSTWERK IM ZEITALTER SEINER TECHNISCHEN REPRODUZIERBARKEIT (erschienen 1935) – unter anderem auf den Verlust der Aura hingewiesen, die (klassischen) Kunstwerken – Gemälden oder Skulpturen – dadurch droht, daß sie, bspw. als Druck, unendlich vervielfältigt werden können und so ihren Nimbus, ihre Einzigartigkeit einbüßten. Benjamin reagierte mit diesem kulturkritischen Text auch auf zwei damals noch neue Kunstformen (die lange nicht als solche akzeptiert wurden) – die Photographie und mehr noch den Film. Wahrscheinlich wäre es an der Zeit, auf seine Gedanken nahezu Einhundert Jahre nach deren Erstveröffentlichung neu zu reagieren, sie in (post)moderne Kontexte einzubetten und damit zu aktualisieren. Denn bedenkenswert sind Benjamins Thesen allemal auch heute noch.
Doch an dieser Stelle dient der Verweis auf Benjamin einer anderen Feststellung: Da moderne Kunstformen – man kann auch populäre Musik vom Jazz, dem Blues, über Rock´n´Roll bis zu Hip Hop und Techno hinzurechnen – ihrem Wesen nach die Serialität immer schon mitdenken, ihre Reproduzierbarkeit bereits den Modus ihres Schaffensprozesses mitbestimmt, müsste man untersuchen, welche Art von Aura sie entwickeln, ausformen, ausstrahlen. Und vielleicht müsste man den vielbeschworenen „Zauber des Anfangs“ bemühen, um dieser Aura nachzuspüren. Denn gerade im Film und der Rock-Musik kann man diese Aura deutlich spüren. Hört man heute ein Gitarrensolo von Jimi Hendrix, so ist dem immer noch der Rausch der (technischen) Möglichkeit anzuhören, das Staunen über die Elektrifizierung und die Soundbreite, die damit einhergeht. Es mag ähnlich gute, sogar bessere Gitarristen als Jimi Hendrix gegeben haben, ihre technischen Möglichkeiten, die Aufnahmetechniken bspw. mögen heute weit ausgefeilter als, sagen wir, 1967 sein – diese spezielle Aura, die von den oftmals nicht unbedingt guten Aufnahmen eines Hendrix-Solos aus dem Jahr 1967 ausgeht, haben sie nicht.
Gleiches gilt für Filme. Und anhand eines Films wie KING KONG (1933) ist genau diese Aura zu erklären, ist die Überlegenheit eines Originals auch im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit und der Fähigkeit zur Neuverfilmung – potentiell also der Verbesserung technischer Möglichkeiten – nachvollziehbar. Mag uns Peter Jacksons Neuverfilmung des originalen Monsterfilms, die er 2005 vorlegte, noch so perfekt animierte Saurier, Spinnen- und Insektenwesen bieten, mag Kong in dieser Adaption des Stoffes auch über die ausdrucksstärkste Mimik, den flüssigsten Bewegungsablauf verfügen, den man je bei einem Gorilla dieser Größe auf der Leinwand gesehen haben mag – mit der Liebe, der Detailversessenheit, der Ausdrucksstärke der Modelle, die Willis O´Brien einst für das Original entwarf und schuf, kann Jacksons Computerversion des Riesenaffen nicht mithalten. Sie hat, um es prosaisch zu sagen, kein Herz. Womit man beim entscheidenden Faktor angelangt wäre, für den KING KONG auch heute noch steht – seiner wegweisenden, ja bahnbrechenden Animationstechnik.
Ein bahnbrechendes Werk technischer Machbarkeit
Willis O´Brien und sein Assistent Ray Harryhausen – später selbst einer der wichtigsten Animations-Wizards, die Hollywood hervorgebracht hat, was anhand von Werken wie THE BEAST FROM 20,000 FATHOMS (1953), THE 7TH VOYAGE OF SINDBAD (1958) oder JASON AND THE ARGONAUTS (1963) bezeugt werden kann – experimentierten schon länger mit der Stop-Motion-Technik, bei der Einzelbilder von Modellen abfotografiert und dann so montiert werden, daß der Eindruck von Bewegungsabläufen entsteht. Es erforderte etliche Verfahren, um mit Überblendungen und Rückprojektionen Realfilm und Trickfilm so zusammenzuführen und zusammenzufügen, daß die Interaktion stimmig und überzeugend wirkte. Zusätzlich bauten die beiden mit ihrem Team einige Modelle, die direkt abgefilmt und bei Großaufnahmen eingesetzt werden konnten. So gab es bspw. das Modell der Hand des Affen, welche Fay Wray, die Darstellerin der Ann Darrow – und erste offizielle Scream-Queen des Kinos – greifen und umschließen konnte. Auch ein lebensgroßes, bewegliches Modell seines Gesichts wurde gefertigt, um einige spärlich eingesetzte Nahaufnahmen seines Gesichts in den Film montieren zu können. Auf deren Funktion und Wirkung wird noch zurückzukommen sein.
An dieser Stelle sei auch der in der Literatur immer wieder benannte Fakt erwähnt, daß Kong auf der Leinwand in mindestens drei unterschiedlichen Größen präsentiert wird. Ob es genau berechnete Unterschiede sind, wie hier und da behauptet wurde, sei dahingestellt, aus den Aufzeichnungen der Produktion geht jedoch hervor, daß diese scheinbaren Ungenauigkeiten gewollt waren. Kong sollte in unterschiedlichen Szenen und Momenten unterschiedlich bedrohlich wirken. Ein Zeichen dafür, daß man es hier ganz und gar mit einem Film zu tun hat, der den Effekt vor Glaubwürdigkeit setzt. Und auch damit setzte KING KONG Maßstäbe – denn der Effekt ist letztlich eines der zentralen Mittel Hollywoods. Der Zuschauer muß es nur Glauben, der Rest ergibt sich von selbst.
Das Ergebnis der Bemühungen ist – womit man bei der Frage der Aura anlangt – auch heute noch beeindruckend. Natürlich und vor allem muß man dies über die Kampfszenen sagen, wenn Kong bspw. mit einem Tyrannosaurus Rex ringt und diesen mit einem Schulterwurf zu Boden bringt, später auf seinen Rücken springt und der Echse das Genick bricht. Ebenso sind die Szenen zu nennen, in denen sich der Affe einer Wasserschlange und später eines Flugsauriers erwehrt. Die Bewegungsabläufe der Kontrahenten sind stimmig, oft fließend, die Macher achten auf jedes Detail, so auch auf den Ausdruck auf Kongs Gesicht, je nach Kampfentwicklung.
Diese Detailtreue setzt sich in den Kulissen und Requisiten fort. Die gewaltige Mauer, die den kleinen Teil der Insel, den die Eingeborenen bewohnen, von jenem wilden, unberührten Stück Natur abgrenzt, in welchem Kong lebt, ist mit ungeheurer Präzision modelliert, man kann die Unebenheiten, die Verzierungen, den Bewuchs durch Efeu und wilden Wein sehen. Gleiches gilt für das Eingeborenendorf, das wir meist nur in der Totalen geboten bekommen, das dennoch authentisch und belebt wirkt. Und erst recht gilt diese Beobachtung für die Gestaltung des Urwalds, durch den die Besatzung des Schiffes – allen voran der erste Maat Jack Driscoll, der sich in Ann verliebt hat – Kong und seine Beute verfolgen[1]. Als Vorlage für die Dschungelbilder sollen Gustave Dorés Radierungen für eine Ausgabe von Miltons PARADISE LOST gedient haben[2]. So gelingt O´Brien und Harryhausen das Kunststück, eine Art Paradiesgarten zu kreieren, der einen scheinbar realistischen Eindruck einer vom Menschen noch nicht betretenen Welt vermittelt, geheimnisvoll und auf vielleicht morbide Weise schön, und der zugleich doch auch furchteinflößend wirkt.
Zu all diesen Eindrücken trägt natürlich bei, daß der Film schwarz-weiß ist. Die daraus entstehenden Licht- und Schattenspiele, die Trübnis, die der Nebel auf der Insel verbreitet, machen einzelne Szenen umso unheimlicher. Besonders ist da jener Moment zu erwähnen, als die Männer mit einem Floß einen Sumpf überqueren und sich vor ihnen majestätisch Haupt und Hals eines Brontosaurus aus dem Wasser erheben und immer weiter in die Höhe wachsen. Daß der an sich wohl vegetarisch lebende Saurier hier Lust auf Menschenfleisch entwickelt und sich an den Matrosen gütlich tut, sollte man aus dramaturgischen Motiven gelten lassen.
Es gab zuvor bereits einzelne Animationsfilme, O´Brien hatte schon Jahre zuvor in THE LOST WORLD (1925) mit der Animationstechnik der Stop-Motion gearbeitet, doch darf man mit William K. Everson wohl getrost sagen, daß KING KONG reell der erste Film der Geschichte war, der diese Technik überzeugend nutzen konnte[3]. Der Prototyp aller Monsterfilme. Der Urtyp jener Werke, die ihren Schrecken daraus beziehen, daß die Natur scheinbar grausam sich wehrt, geradezu zurückschlägt. Und genau diese Aura des ersten Mals haftet dem Film an. Man spürt hier in jedem Moment, in jeder Szene, jeder Sequenz, wie gut er komponiert ist, mit welcher Akribie er konzipiert wurde. Aber auch die geballte Kreativität, mit der die Ideen des Drehbuchs auf die Leinwand gebracht werden sollten.
Zur Produktionsgeschichte
So sehr man die Arbeit von Willis O´Brien und Ray Harryhausen auch loben mag, die treibende Kraft hinter KING KONG war Merian C. Cooper. Der Produzent und Regisseur war über Umwege bei RKO Pictures gelandet, wo er für die Produktion von THE MOST DANGEROUS GAME (1932) verantwortlich zeichnete. Die Idee zu einem Monsterfilm mit einem riesigen Gorilla trug er schon eine ganze Weile mit sich herum. Willis O´Brien hatte er bei einem früheren Projekt kennengelernt. Doch das Set für THE MOST DANGEROUS GAME bot ihm plötzlich die Gelegenheit, seine Idee mit den Möglichkeiten, die O´Brien ihm gezeigt hatte, zu kombinieren und zu verwirklichen. Denn – damals war es in Hollywood keine unübliche Praxis, Kulissen mehrfach zu verwenden – er begriff, daß sich die Kulissen des aktuellen Films hervorragend auch zu Skull Island, jener sagenumwobenen Insel, die der Regisseur und Abenteurer Carl Denham unbedingt betreten und filmen will und auf der eben auch Kong haust, umbauen ließen. Die Einzelteile fügten sich zusammen, es bot sich eine realistische Chance, seine Idee seriös umzusetzen. Cooper holte als Regisseur Ernest B. Schoedsack, den er seit den Tagen des Ersten Weltkriegs kannte, hinzu, der auch bei THE MOST DANGEROUS GAME für die Regie verantwortlich war. Das bescherte Cooper kurze Wege bei zwei teils sich überlappenden Produktionen und sorgte so für Übersichtlichkeit.
Als Drehbuchautor bat Cooper Edgar Wallace hinzu, der, wie viele seiner Schriftstellerkollegen, einen Flirt mit Hollywood wagte und ganz neu bei RKO unter Vertrag stand. Auf ihn geht der ursprüngliche Plot des Films zurück. Doch Wallace verstarb Anfang Februar 1932 und die Arbeit ging letztendlich an das Duo Ruth Rose – Schoedsacks Ehefrau – und James Creelman. Die beiden entwarfen auf Wallace´ Ideen basierend einen recht einfachen Plot, der zunächst an einen Abenteuerfilm erinnert. Fremde Inseln, geheimnisvolle Karten, exotische Schauplätze, der Dschungel, eine schwüle Erotik, feindlich gesonnene Eingeborene und eine unbekannte Bedrohung – alles Ingredienzien des klassischen Abenteuerfilms.
Doch bevor wir uns überhaupt auf hoher See und dann auf der unheimlichen Insel wiederfinden, bietet das Script eine lange Exposition in New York, wo Denham, seines Zeichens Naturfilmer, der seine nächste Produktion mit einer gutaussehenden Aktrice verzuckern will, genau die Richtige dafür sucht, nachdem ihm sein aktuelles Modell abgesprungen ist. Denham wird gemeinhin als eine fiktionalisierte Version von Cooper selbst gesehen, der ebenfalls eine Vergangenheit als Dokumentarfilmer hatte. Das zeugt von Humor bei dem Produzenten, denn Denham wird zwar als ein mutiger Kerl gezeichnet, aber er ist auch recht skrupellos und setzt die Menschen seiner Umgebung allerlei Gefahren aus. Er ist fast obsessiv hinter einer Sensation her und präsentiert, als er Kong endlich besiegt, gefesselt und nach New York verfrachtet hat, dem staunenden Publikum nichts Geringeres als das „Achte Weltwunder!!!“.
Der Film ist also auch mit einer gewissen, wenn auch eher leisen Ironie unterlegt. O´Brien gibt einigen seiner Wesen, darunter natürlich auch Kong selbst, eine Mimik, die gelegentlich das Geschehen zu kommentieren scheint. So sieht man dem Brontosaurus seine neu erwachte Lust auf Fleisch geradezu an, wenn er gierig bemüht ist, einen Matrosen, der sich in die Höhe flüchten wollte, von einem Baum zu pflücken. Aber die Autoren geben den Schauspielern auch gute Dialogzeilen an die Hand. Fay Wray und Bruce Cabot, der den Maat Jack Driscoll spielt, dürfen bei ihren etwas unsicheren Flirtversuchen zunächst ordentlich über- und gegen einander vom Leder ziehen. Beide haben die passenden Einzeiler. Das hat momentweise den Charakter von Screwball-Dialogen. Auch Denhams Sprüche und die dahingeworfenen Aussagen der Matrosen oder des Kapitäns sind oft witzig.
Für die Musik war Max Steiner verantwortlich, der einen erstaunlichen Score für einen solch frühen Tonfilm komponierte und dabei durchaus experimentell vorging, wenn er bspw. das Rattern einer auf Kong in New York zurasenden Hochbahn soundtechnisch aufnahm und integrierte. Aber auch die dramatischen Szenen der Verfolgung Kongs durch die Crew der Venture, jenes Schiffes, das Denham gechartert hat, wird angemessen dramatisch unterlegt und dadurch auch verschärft. Steiner weiß sehr genau, wie er dem Geschehen zu größerer Dramatik verhelfen kann, was ein frühes Verständnis für Filmmusik und ihren oft unterschätzten Wert für das Gezeigte offenbart. Bezeichnenderweise ist KING KONG einer der ersten Filme – wenn nicht überhaupt der erste – mit einer eigenen, direkt auf Zelluloid festgehaltenen Musik[4].
Die Kameraarbeit übernahmen verschiedene Kameramänner, darunter Vernon L. Walker, der seines Zeichens ein Spezialist für Animationstechniken und Spezialeffekte war und gemeinsam mit Willis O´Brien und Ray Harryhausen an der komplizierten Umsetzung der Effekte arbeitete und wesentlichen Einfluß auf die Arbeit hatte. Edward Linden und J.O. Taylor waren für die Realaufnahmen im Studio verantwortlich. Cooper allerdings – wie sein Alter Ego Carl Denham – wollte auch hier maximalen Einfluß und ein Mitspracherecht haben. Vielleicht führte er, anders als Denham, nicht gleich selbst die Kamera, wusste aber immer sehr genau, was er im Bild haben wollte und welche Bilder er brauchte.
So gesetzt der Film in der Eröffnung sein mag, so viel Zeit und Präzision auch für die Exposition aufgebracht wurden, Tonart, Modus, das Tempo – all das ändert sich fundamental, sobald die Insel erreicht ist und die Schiffsbesatzung Skull Mountain, wie es im Original heißt, erblickt. Schoedsack – und Cooper, der zum Teil auch die Regie selbst übernahm – zieht das Tempo an und präsentiert dem Publikum für eine gute halbe Stunde eine Sensation nach der andern, ein Spektakel nach dem andern. Es beginnt mit dem ersten Auftritt Kongs, als dieser das ihm dargebotene Opfer entführt, und setzt sich dann mit atemberaubender Rasanz fort. Der Kampf mit dem Saurier, dann jener mit der Wasserschlange, schließlich die Auseinandersetzung mit dem Flugdrachen in luftiger Höhe am Berg. Dazwischen geschnitten die Bemühungen der Schiffs-Crew, die junge Frau zu retten, wobei es zu der Begegnung mit dem Brontosaurus und einer weiteren mit einem Stegosaurus kommt, der die Mannschaft angreift und von dieser getötet wird. In diesem Mittelteil kommt das Publikum kaum zum Durchatmen, jede neue Szene übertrifft die vorherige, bietet noch brillantere Aufnahmen und Modelle von Urzeitungeheuern. Erst mit Driscolls und Anns beherztem Sprung von der Klippe, während Kong mit der Flugechse kämpft, endet diese Tour de Force.
Ein ökonomisches Produkt als Spiegel seiner Zeit
KING KONG ist nicht nur der erste Monsterfilm seiner Art, es ist definitiv auch der Prototyp dessen, was heute als Spektakel, als Überwältigungskino betrachtet wird. Der Zuschauer wird von den gebotenen Sensationen vollkommen eingenommen, eben überwältigt, kann sich dem Gezeigten kaum entziehen. Das war definitiv die Kalkulation hinter dem Film. Es war der später vor allem als freier Produzent von GONE WITH THE WIND (1939) zu Ruhm und Ehren gelangte David O. Selznick, der Cooper ja bereits zu RKO Pictures gelockt hatte, der im Hintergrund wirkte – und u.a. dafür sorgte, daß ein auf dem Papier sehr teurer Film ein überschaubares Risiko blieb. Allerdings ein ökonomisches Risiko, das genau so gewollt war. Denn RKO war zu diesem Zeitpunkt in einer prekären finanziellen Situation und setzte darauf, mit KING KONG einen veritablen Erfolg und vor allem ein hohes Einspielergebnis an den Kinokassen zu erzielen. Diese Seite der Rechnung ging auf. Allerdings zu Ungunsten der künstlerischen Freiheit.
So hat eine der berühmtesten Szenen des Films kaum jemand je gesehen. Der Regisseur Peter Jackson bemühte sich mit Freunden, eben diese den noch verbliebenen Aufzeichnungen entsprechend nachzudrehen. Kong greift darin seine Verfolger an und schüttelt sie von einem Baumstamm hinunter in eine Schlucht. In der gängigen Version des Films (zu seiner Veröffentlichungsgeschichte müsste man ein eigenes Kapitel schreiben, ist sie doch von Kürzungen, abgedunkelten Negativen und Zensur bestimmt) endet die Szene damit, daß man einige der Männer am Grund der Schlucht aufschlagen sieht. Konzipiert war jedoch der dann folgende Angriff einiger riesenhaften Insekten und Spinnen, die die den Sturz überlebenden Männer verschlingen. Es existieren einige Standbilder sowie O´Briens Zeichnungen und Entwürfe der Wesen, die in dieser Szene zu sehen sein sollten. Doch im fertigen Film erschien diese Szene nie.
Es gab Testvorführungen des Films – auch dies ein übliches Verfahren in Hollywood; auch heute noch – bei denen die Reaktionen auf diese Momente im Film verheerend gewesen sein müssen. Die Menschen verließen fluchtartig den Vorführsaal, verängstigt, angewidert und verstört. Daraufhin wurde die gesamte Sequenz aus dem Film entfernt. Ob dies allein aufgrund des Drucks des Studios geschah oder ob Cooper, Schoedsack und O´Brien, wie später behauptet, die Bilder selbst als zu stark, dramaturgisch den Rest des Films überlagernd, betrachtete, kann heute nicht mehr einwandfrei eruiert werden. Fakt ist, daß sie nie regulär im Film vorkamen und die Aufnahmen, so sie denn wirklich je komplett existierten, heute entweder verschollen sind oder als zerstört betrachtet werden müssen. Das Vernichten nicht genutzten Materials gehörte leider ebenfalls lange zu den Gepflogenheiten in Hollywood.
KING KONG – ein Pre-Code-Produkt
Doch führt der Hinweis auf diese Szene, sagenumwoben, zu den inhaltlichen und kulturellen Aspekten des Films. KING KONG ist – 1932 gedreht – deutlich als ein Film der Pre-Code-Ära erkennbar. Zwar existierte der Hays Code, wie der Production Code der MPPDA (Motion Pictures Producers and Distributors of America, Inc.) nach seinem Initiator genannt wurde und dem Hollywood sich freiwillig unterworfen hatte, bereits seit 1930, doch erst 1934, als staatliche Eingriffe und ein regelrechtes Zensurgesetz drohten, wurde er zwingend für Filmproduktionen. Es war letztlich eine Selbstzensur, die auf die zunehmende Freizügigkeit und vor allem die Gewalt reagierte, welche auf den Leinwänden vorgeführt wurden. Eine moralische Kategorie wurde eingeführt, um den Produzenten der Traumfabrik Richtlinien zu geben – wer das Zertifikat der MPPDA für einen Film nicht bekam, hatte in der Zeit, in der das Studio System Hollywoods noch bedeutete, daß die großen Studios eigene Kinoketten betrieben, kaum eine Möglichkeit, seinen Film vorzuführen. Ein Verfahren, daß sich erst in den 50er Jahren änderte, als das amerikanische Kartellamt diese Praxis zerschlug und Künstler zunehmend eigenständiger wurden und sich nicht länger gängeln lassen wollten.
Pre-Code-Filme – oft freizügige Komödien, aber auch die zu Beginn der 30er Jahre so unglaublich beliebten Gangsterfilme sind hier vor allem zu nennen – drangen oftmals tief in menschliche Abgründe vor und zeigten recht unverblümt entweder erotische Phantasien oder den gewalttätigen Alltag bspw. auf den Straßen von Chicago, wo sich Gangster wie Al Capone nahezu täglich Kämpfe mit der Polizei lieferten. Dabei ging es meist um den damals per Prohibition verbotenen Alkohol und seine illegale Einfuhr und Verteilung. KING KONG steht gleich für beides: Einen sehr freizügigen Umgang mit Erotik und eine manchmal verstörende Gewaltdarstellung. Wenn auch in einem komplett phantastischen Rahmen ohne klare Bezüge zur Realität, sieht man davon ab, daß Ann Darrow sich auf die ganze Expedition vor allem einlässt, weil sie im von der Großen Depression geschüttelten New York keinen Job kriegt und Hunger leidet.
Gewalt und Sexualität als schon typische Merkmale eines Pre-Code-Films
Die Gewalt ist weitaus direkter zu belegen als die erotischen Implikationen des Films. Sowohl die Saurier als auch Kong verspeisen mehrfach Menschen, bzw. beißen sie und schleudern sie durch die Luft. Kong zertritt in mehreren Großaufnahmen Eingeborene, die sich nicht rechtzeitig zu retten wissen. Als er in New York die Fassaden hinaufklettert, packt er eine Frau, die er zunächst für Ann Darrow hält, wirft sie aber achtlos in die Tiefe, als er seinen Irrtum erkennt. Zudem ist der Kampf zwischen dem T Rex und Kong ausgesprochen blutig inszeniert. Viele dieser Szenen wurden vor allem für den amerikanischen Markt geschnitten, mehr noch aber wurden sie verdunkelt. RKO zog bewußt dunklere Kopien des Films für den Massenverleih[5]. Das führte allerdings dazu, daß nicht nur die blutigen Details der Kampfszenen nicht mehr genau zu erkennen waren, sondern auch etliche der mit so viel Liebe gestalteten Details der Ausstattung im Dunkel verschwanden. In Europa war der Film hingegen meist ungeschnitten zu sehen.
Die Gewalt, die KING KONG ausstellt, war so auf der Leinwand zuvor kaum zu sehen gewesen und konnte erst Jahrzehnte später wieder auf der Leinwand gezeigt werden. Man mag darüber streiten, ob dies eher von Vor- oder Nachteil war, da werden die Meinungen wohl für immer auseinandergehen. Doch definitiv macht die gezeigte Gewalt etwas mit dem Zuschauer, beeinflusst sie ihn massiv in seiner Wahrnehmung des riesigen Affen. Und – das sieht Everson allerdings anders – stürzen den einzelnen hinsichtlich seiner Gefühle für das, was sich vor ihm entwickelt, in eine schwer auszuhaltende Ambivalenz. Denn spätestens, wenn wir den Affen gefesselt auf der Bühne eines Broadway-Theaters sehen, setzt bei uns Mitleid ein. Kong ist nun die Kreatur schlechthin, in eine Welt geworfen (bzw. im wahrsten Sinne des Wortes „verfrachtet“), die er nicht versteht und die ihm zwangsläufig nicht nur fremd, sondern auch feindlich erscheinen muß. Nun ist er „objektiv“ betrachtet die Bestie, für die ihn sowieso jeder hält. Er reißt sich los, bricht aus dem Theater aus und bahnt sich rücksichtslos seinen Weg durch die Straßenschluchten, allerdings auf der Suche nach Ann Darrow, dem Objekt seiner Begierde. Denn das hat zu diesem Zeitpunkt auch der letzte im Saal begriffen: Kong hat sich in die „weiße Frau“ (der deutsche Verleihtitel verweist so überdeutlich auf diesen Aspekt, daß man, betrachtet man das Jahr 1933 als Erscheinungsjahr, kaum an Zufälle glauben mag) rettungslos verliebt. Er hat sie nicht, wie offenbar etliche eingeborene Opfer, getötet oder verspeist, er hat sie nicht achtlos weggeworfen oder an irgendeinem Punkt zurückgelassen, sondern im Gegenteil hat er sie heldenhaft verteidigt, bei Gefahr immer irgendwo in Sicherheit gebracht und sich um sie gesorgt.
Und da kommt man beim „erotischen“ Teil der Story an. Und zugleich betritt man einen Bereich kulturpsychologischer, soziologischer und kulturtechnischer Aspekte, die es dann doch erschweren, den Film vorbehaltlos zu umarmen und als eines der großen Meisterwerke des Kinos zu bewundern. Denn mit dem erotischen Aspekt tritt auch ein rassistischer und damit ein zutiefst reaktionärer Aspekt stärker in den Vordergrund. Der ist dem Film so oder so zu eigen und wird teils subtextuell, fast subversiv, vermittelt, teils aber auch ganz offen ausgespielt.
KING KONG und der reaktionäre Blick
Der Horrorfilm, wollte man einzelnen Genres mit gewissen Eigenschaften assoziieren, wäre sicherlich dem Unterbewußten zuzuordnen. Wenn die Komödie unseren Alltag oder unsere direkte Lebenswelt thematisiert und mit Humor dabei hilft, sie zu bewältigen, die Science-Fiction das Politische spiegelt, indem sie sich Utopien und Dystopien widmet und den technischen Fortschritt in seiner kulturellen Bedeutung verarbeitet, der Western die Geschichte neu definiert und dem Mythos überantwortet, dann beschäftigt sich der Horrorfilm mit unseren verdrängten Ängsten, mit unseren dunkleren Seiten, denen wir uns ungern im Lichte betrachtet stellen wollen. Intelligente Horrorfilme wissen darum und spielen damit; sehr viele Horrorfilme allerdings, obwohl intelligent gemacht, spiegeln diese Ängste lediglich und verstärken sie häufig und nehmen damit oft eben auch eine reaktionäre Haltung ein. Eins ist in beiden Fällen gleich: Horrorfilme sind so gut wie nie moralisch einwandfrei, im modernen Jargon würde man von „political correct“ sprechen. Sie spielen mit und brechen Tabus, sie erlauben sich jede Menge Frechheiten und Beleidigungen des guten Geschmacks und provozieren mit großer Lust. Ihr ureigenes Terrain ist das Entsetzen. Und sie stehen nicht zuletzt deshalb im Fokus der Kritik, seit es sie gibt. Also fast seit Beginn der Filmgeschichte, denn Horrorfilme, Filme, die das Phantastische, manchmal das Abseitige zeigten und sogar feierten, gehören zu den ältesten Genres.
Nun ist es sicherlich nicht fair, einem Film von 1933 mit modernen und postmodernen Analyse-Tools beizukommen. KING KONG mag auf der kulturellen oder gesellschaftlichen Ebene ein ganz und gar unbewußter Film gewesen sein, dem es nur um eine aufregende Abenteuerstory, spektakuläre Bilder nie gesehener Wesen auf der Leinwand und technische Möglichkeiten ging – es ist dennoch verwunderlich, daß gerade dieser Film so offen wie wenige andere die rassistischen, tiefenpsychologischen Strukturen der Gesellschaft, die ihn hervorgebracht hat, aufgreift, spiegelt und zum Ausdruck bringt. Und eben auch feiert, da sie weitestgehend unkritisch dargestellt werden. Es ist eine zutiefst imperialistisch-kolonialistische Haltung, welche den Film prägt und seine (weißen, eurozentrischen) Überlegenheitsphantasien schürt.
KING KONG und der psychosexuelle Blick
Daß Hollywood mit Minderheiten und bestimmten Ethnien nie sonderlich zimperlich umgegangen ist, ist allgemein bekannt. Afrikaner wurden lange als pittoreske Wilde behandelt, vom Umgang mit den Indianern ganz zu schweigen und Schwarze kommen im klassischen Hollywoodfilm im Grunde gar nicht vor – außer als Diener, meist mehr, mal weniger stumm.
Die Eingeborenen auf der Insel, die Kong und all die Saurier- und Fabelwesen beheimatet, sind deutlich der Darstellung der Afrikaner zuzuordnen. Sie spielen im Film allerdings keine wirkliche Rolle, womit der Umgang mit ihnen wiederum der mit Menschen dunklerer Hautfarbe, die sie ja auch sind, entspricht. Sie sind nicht wirklich furchteinflößend, allerdings furchtbar ängstlich, was Kong angeht. Der einzige Moment, in dem sie zumindest als gefährlich wahrgenommen werden, ist der, wenn sie Ann vom Schiff entführen. Die Überlegenheit Denhams und seiner Leute – allen voran Maat Driscoll – stellt der Film nie in Frage, vielmehr geht er auf geradezu natürliche Weise davon aus, daß dem so ist. Deshalb bezieht der Film – anders als Jacksons Neuverfilmung, die sich gerade da auf dünnes Eis begibt – auch nahezu keine Spannung aus der Konfrontation zwischen den Männern vom Schiff und den Eingeborenen. Nach einem anfänglichen Scharmützel scheinen die Inselbewohner die „natürliche“ Überlegenheit der Neuankömmlinge akzeptiert zu haben. Als Driscoll und Ann zur Mauer zurückkehren, agieren die Eingeborenen bereits auf Befehl Denhams. Auch dies stellt der Film wie einen gleichsam natürlichen Vorgang dar.
Komplizierter wird die Frage nach rassistischen Anteilen des Films bei der Figur Kong selbst. Folgt man den sehr klugen und lesenswerten Überlegungen zu KING KONG bei Georg Seeßlen und Claudius Weil[6], dann ist Kong nicht anders zu lesen als ein Symbol für schwarze Männer, denen gern eine gewaltige Potenz und ebenso gewaltige Geschlechtsorgane nachgesagt werden. Da auch 1933 ein männliches Geschlechtsteil nicht auf der Leinwand zu präsentieren war, ist es in diesem Fall die schiere Größe des Wesens selbst, wodurch die Superpotenz des Affen symbolisiert wird. Wie Seeßlen und Weil ganz richtig darstellen, ist eine Vereinigung dieser zwei „Liebenden“ so oder so nicht möglich. Bedenkt man die Angst weißer Männer, Frauen an schwarze Männer „zu verlieren“, und weiterhin die Annahme – seinerzeit ernsthafte und recht weit verbreitete Vorurteile – daß weiße Frauen, einmal schwarzen Männern „verfallen“, für weiße Männer unerreichbar seien, so kann man hier unschwer genau diese Ängste und Ressentiments verbildlicht sehen. Da mag Respekt und auch eine gewisse anerkennende Ehrfurcht vor dem mächtigen Tier mitschwingen, dennoch wird die mögliche sexuelle Überlegenheit, die eben mit Größe und Potenz gleichgesetzt wird, mit etwas Halbmenschlichen assoziiert.
Mag man sich auch dem Animalischen – und der Natur – physisch beugen (müssen), es bleibt eben etwas Animalisches, dem man sich auf natürliche Weise überlegen fühlt, fühlen darf, ja, fühlen muß. Diese Haltung suggeriert KING KONG ganz deutlich und nahezu durchgehend und auf verschiedenen Ebenen. Die zivilisatorische Überlegenheit symbolisiert sich natürlich im Empire State Building – das, neben Kong selbst, zweite mehr als eindeutige Phallussymbol des Films – welches Kong hinaufklettert und dessen schiere Höhe ihn schließlich zu besiegen helfen wird. Die Doppeldecker, die Kong angreifen und deren Maschinengewehre das riesige Tier ununterbrochen befeuern, stellen die technische Überlegenheit dar. Die Zivilisation – oder was sich für eine solche hält – obsiegt letztlich über das rein Physische, die pure, animalische Kraft. Geist besiegt die Natur. Daß dies erst in einer für Kong vollkommen fremden Umwelt gelingt, nimmt der Film dabei in Kauf. In Kongs Heimat war der Affe überlegen – doch letztendlich wurde er dort von Denham und dessen Gasgranaten besiegt.
KING KONG und der (männliche) Blick auf Frauen
Das Grundmotiv, auf welches Wallace für die Entwicklung der Idee zurückgriff, ist des Thema von der Schönen und dem Biest. Es sei hier allerdings explizit darauf hingewiesen, daß KING KONG in seiner Urfassung – das änderte sich sowohl im Film von 1976, den man getrost vergessen sollte, und auch in Jacksons Version von 2005 – Ann Darrow nicht als affenaffin zeigt. Mitleid mit der Kreatur, wie sie die Schöne des Märchens für das Biest, das Tier, die Kreatur, aufbringt, von Zuneigung oder gar Liebe ganz zu schweigen, kann man bei Ann Darrow nicht erkennen. Sie hat Angst und will weg von ihrem Entführer. Die Zuneigung ist hier also einseitig.
Diese Erkenntnis lässt die Liebe des Affen – wenn man seine Gefühle, ein wenig pathetisch ausgedrückt, denn so beschreiben will – natürlich noch verzweifelter wirken. Er kann sich nicht mitteilen, kann sich nicht verständlich machen. Doch Kong ist und bleibt eben auch ein Affe. Das Gefühl, welches er am deutlichsten ausdrückt, ist Begehren. Körperliches Begehren. Sexuelles Begehren. In einer gewagten Szene entkleidet er Ann Darrow und betrachtet, was er sieht, mit Wohlwollen. Desweiteren gibt es eine Großaufnahme von Kong, in welcher sein Gesichtsausdruck keinen Zweifel daran lässt, welcher grundlegender Natur sein Verlangen ist. Es ist ein lüsternes Grinsen, das O´Brien auf das lebensgroße Modell von Kongs Gesicht modelliert hat, und anhand dieser Szene fällt es dann auch schwer, gänzlich an die „Unschuld“ des Films zu glauben. Hier werden Kongs Züge menschlich und die eines Schwarzen – karikaturesk verzerrt – hineinzulesen, liegt mehr als nahe. Es ist die vielleicht eindeutigste Stelle, was den offenen Rassismus des Films betrifft. Dieser Kerl will diese Frau „haben“, er will sie besitzen, ja, er wird sie vergewaltigen wollen. Daran lässt diese Nahaufnahme keinen Zweifel.
Fay Wray – der frühere Hinweis auf ihren Status als allererste Scream Queen des Kinos sei hier noch einmal erwähnt – hat bei all dem eigentlich nur die Funktion, schön zu sein, was die Faszination des Affen erklären soll. Und natürlich hat sie die Funktion zu schreien, was auch für den Zuschauer funktioniert, der in ihren Schreien die eigene Furcht gespiegelt sieht. Das Schreien Anns ist eine Befreiung für das Publikum. So selbstbewußt Ann Darrow in ihren ersten Auftritten in New York und in den Kabbeleien mit Driscoll auch wirken mag – und damit dem durchaus gängigen Bild einer selbstbewußten, sogar emanzipierten Frau der 20er und 30er Jahre, auch und gerade in Hollywood, entspricht – sobald sie in den Händen Kongs ist, im Grunde schon, sobald die Inselbewohner sie entführt haben, verliert sie alle Persönlichkeit. Sie wird passiv und damit endgültig zum Objekt. Der physisch so überlegene, potente Kong entführt sie und begehrt sie ganz offensichtlich. Driscoll seinerseits steht stellvertretend für den weißen Mann, der die weiße Frau verteidigen muß, auch wenn er offensichtlich körperlich unterlegen ist. Wodurch natürlich sein Heldenmut, in Anbetracht der Übermacht des Affen, noch einmal betont wird. Ann Darrow hingegen ist nur noch eine Trophäe, um die die ungleichen Kontrahenten mit ungleichen Mitteln ringen.
Folgt man Georg Seeßlen und Claudius Weil in ihrer Analyse[7], drückt der Horrorfilm, gerade jener der frühen Tonfilmphase, immer ein männliches Unbehagen an der kulturellen Entwicklung aus. Die Frau – es wurde bereits erwähnt, daß das Frauenbild gerade im Hollywoodfilm der 30er Jahre ein nahezu gleichberechtigtes gewesen ist – wurde selbstständiger, damit aber auch zu einer Bedrohung für den amerikanischen (sprich: den weißen) Mann. Der ängstigte sich um seine Potenz, darum, nicht mehr im patriarchalischen Sinne das Familienoberhaupt zu sein und zudem in ökonomisch schwierigen Zeiten – die Große Depression grassierte seit dem Börsencrash 1929 und kostete Millionen Arbeitsplätze – als schwach wahrgenommen würde. So entwarf der Horrorfilm allerlei Szenarien, in denen sich der weiße Mann einer (erotischen) Bedrohung durch „Fremde“ ausgesetzt sah: Dracula stand für den Latin Lover, wahlweise auch den europäischen Dandy, der angeblich so charmant sei und in Liebesdingen so bewandert. Graf Zaroff in THE MOST DANGEROUS GAME steht für den Klassenfeind, den Russen, der Werwolf für eine tiefliegende animalische Potenz, über die der domestizierte, „verweichlichte“ amerikanische Mann nicht mehr verfügte, King Kong wiederum symbolisierte den immer potenten schwarzen Mann, der die weiße Frau stiehlt und sie dahingehend beeinflusst, daß sie von weißen Männern gar nicht mehr befriedigt werden kann.
Aus dieser Melange geht ein veritabler Frauenhass hervor, der sich in vielen Filmen ausdrückte, der aber in einem Film wie KING KONG geradezu manisch verteidigt und begründet wurde. Deuteten Filme wie DRACULA (1931) diese Komplexe an, verteidigt KING KONG geradezu obsessiv die Vormachtstellung des weißen Mannes gegenüber seinen so empfundenen Feinden. Das aber tut er, indem er eine natürliche Ordnung postuliert – es wurde weiter oben bereits besprochen – und diese gesellschaftliche Ordnung in eine ebenso behauptete Natur-Ordnung einbettet.
KING KONG und der Blick auf die Natur
In der Logik des Films ist eben auch Kongs Verlangen ein gleichsam natürliches. Die Natur, wie KING KONG sie darstellt, ist der abschließend zu betrachtender Aspekt des Films. Denn die Perspektive, die er einnimmt, ist die Perspektive Denhams und der Mannschaft vom Schiff, so gut wie nie die von Kong, auch nicht die von Ann Darrow oder gar der Eingeborenen. Es ist die privilegierte Sicht weißer Männer. Männer, die nach dieser Sichtweise ein natürliches Recht besitzen, sich die Welt, die Natur, andere Völker und Ethnien, aber eben auch Frauen Untertan zu machen. Und genauso präsentiert sich dann auch Denham: Er ist im Grunde ein Großwildjäger, der die Flinte gegen eine Kamera eingetauscht hat. Dazu passend trägt er auch immer die jeweils „richtigen“ Outfits. Was er sucht, ist das Abenteuer, den Kampf gegen und den Sieg über die Natur, worunter auch das Tier als solches zu subsumieren ist. Und die Natur mit all ihren Implikationen – ein Konzept des 18. Jahrhunderts – ist böse. Bestenfalls neutral in einem durchaus grausamen Sinne. Die Insel steht natürlich für etwas Unberührtes, Paradies sollte man es aber dann vielleicht doch nicht unbedingt nennen. Denn hier herrscht offenbar ein durchaus als grausam einzustufendes Survival of the fittest, Darwin in Reinkultur. Wobei es eine klare Hierarchie gibt. O´Brien lässt Kong in jenem monumentalen Kampf mit der T Rex eine Art Schulterwurf ansetzen, der ihm schließlich den Sieg über die Echse sichert. Kong ist also offenbar in der Lage, zumindest im Kampf Kulturtechniken anzuwenden, ist seine Kampftechnik doch durchdacht, dem Judo entlehnt.
Seeßlen und Weil attestieren KING KONG ein zutiefst amerikanisches Verhältnis zur Natur, was für sie bedeutet, daß amerikanische Künstler die Geschichte des Wechselspiels von Natur und Mensch leugnen[8]. So, wie sie dem Film einen für die Jahre der Großen Depression typischen, ökonomisch-kulturell geprägten Frauenhass unterstellen, stellen sie auch ein Mißverhältnis zur Natur fest, welches sich aus der Geschichte der Landnahme des nordamerikanischen Kontinents ergebe.
Keine Frage, untersucht man, wie Georg Seeßlen und Claudius Weil, die mythologischen Grundlagen, die den Horrorfilm (Hollywood- und somit Genre-Filmen generell) speisten, ist diese Betrachtung nicht falsch, allerdings kann man konstatieren, daß KING KONG eine weitaus primitivere Sicht zum Ausdruck bringt. Denn nimmt man den weißen, männlichen Blick des Films als gesetzt, so wird hier darüber hinaus auch der Blick des weißen, sich zivilisiert wähnenden Mannes des 19. Jahrhunderts auf die Terra incognita – jene weißen Flecken auf den Karten der Welt, die vermeintlich noch unerforscht waren – deutlich. Die Welt ist ein Abenteuerspielplatz, geschaffen, um erobert zu werden. Die Natur ist darin ein Feind, etwas zu Überwindendes, etwas, das eben gezähmt, besiegt, sich Untertan gemacht werden muß. Ein Mann wie Denham entspricht in seinem Habitus genau jenen Entdeckern, die einst den Amazonas hinauffuhren oder den Ursprung des Nils suchten und dabei ins „Herz der Finsternis“, um einmal Joseph Conrad zu zitieren, vorstießen.
Die Insel mag unberührt sein (was sie de facto ja nicht ist, denn es gibt ja die Eingeborenen und diese scheinen, wenn auch auf grausame Weise, bedenkt man die Menschenopfer, eine Art Pakt mit der Bedrohung, die Kong darstellt, geschlossen zu haben), für den Menschen des frühen 21. Jahrhunderts, mit seinem modernen Bewußtsein für Umweltzerstörung, ist die wahrscheinlich sogar genau deshalb als Paradies zu betrachten. Ein Film wie JURASSIC PARK belegt diesen modernen Blick auch eindeutig. Doch davon ist in KING KONG nichts zu spüren. Es ist vielmehr eine Expedition, der wir beiwohnen, und deren Teilnehmer einen Profit aus dem ziehen wollen, was sie vorfinden. Denham führt Kanister mit einem Nervengas mit sich, was dem Zuschauer den Eindruck vermitteln mag, daß der Mann von Anfang an mehr wusste, als er seinen Kompagnons – und dem Publikum – mitzuteilen bereit war. Denn es ist am Ende genau dies das Mittel, das es braucht, um Kong zu besiegen. Und weder Denham noch die Crew des Schiffs haben irgendein Problem damit, all diese wunderbaren Urzeitwesen abzuschlachten, die sie nicht einmal sonderlich bestaunen, sondern schlicht als Gefahr wahrnehmen. Kong wird als ein Spektakel eingeschätzt, als kommerzieller Faktor, der alle zu Millionären mache, wie Denham es an einer Stelle den von der Idee den Riesenaffen an Bord zu bringen wenig begeisterten Matrosen verspricht.
Auch dies entspricht ganz der Haltung des 19. Jahrhunderts: Ein Mann zieht in die Welt hinaus, besteht Gefahren, obsiegt über die Widrigkeiten, die ihm begegnen, und kehrt triumphal heim, um die Früchte seiner Mühen zu genießen – Ruhm, aber auch die finanziellen Möglichkeiten, die sich aus der Vermarktung seiner Erlebnisse ergeben. Der Büffeljäger Buffalo Bill hat dies einst zu einem perfekten Geschäftsmodell entwickelt, als er in seiner Wildwest-Show, mit der er um die Welt zog und die seine Lebensgeschichte wiedergeben sollte, eben jene Indianer auftreten ließ, die er Jahre zuvor selbst noch in blutigen Feldzügen bekämpft hatte.
Daß Denham nicht völlig frei von Empathie ist – und was man als einen der ganz wenigen Hinweise des Films auf eine sehr leise kritische Haltung verstehen könnte – ist seine Anmerkung im Angesicht des toten Affen, daß es nicht die tollen Kunststücke der Flieger gewesen seien, die Kong besiegt hätten, sondern es sei Schönheit gewesen, die die Bestie tötete (It was beauty killed the beast). Zumindest begreifen wir, daß er das verzweifelte Begehren des Affen wahrgenommen hat. Vielleicht deutet sich in seiner Aussage aber auch nur eine Bestätigung des rassistischen Blicks an: Ein gewisser Neid auf die Potenz des größeren und stärkeren maskulinen Wesens, das ihn, Denham, letztlich ausgestochen hat. Und diese Schmach wird nur und erst mit dem Tod des „Rivalen“ ausgelöscht. Allerdings deutet der Plot nie ein romantisches Interesse Denhams an Ann Darrow an, dieser Part bleibt ganz Jack Driscoll vorbehalten. Doch so, wie wir Kongs Männlichkeit ausschließlich im Kampf und den dabei errungenen Siegen präsentiert bekommen, entspricht er ziemlich genau dem Männlichkeitsideal, wie ein Carl Denham es wahrnimmt und selber vertritt.
Zieht man an dieser Stelle noch einmal einen Zirkelschlag zu den erotischen Implikationen des Films, werden übrigens auch diese einer natürlichen Ordnung unterstellt. Denn allein die Größenunterschiede zwischen Kong und der Frau ließen eine liebende Vereinigung nicht zu, und selbst eine Vergewaltigung würde für die Frau tödlich enden. Damit konstatiert KING KONG aber auch eine natürliche (sexuelle) Ordnung, in der weiße Frauen und schwarze Männer – so man denn den symbolischen Gehalt Kongs als Hypothese anzunehmen bereit ist – schlicht nicht zusammenkommen können, weil sie nicht zusammenpassen, im wahrlich engsten Sinne des Wortes. Und so, wie KING KONG es darstellt, weiß die Frau dies auch, was aus ihrer Angst herauszulesen ist. Wie bereits erwähnt, können wir keine Zuneigung Ann Darrows zu Kong feststellen. Somit auch kein unterschwelliges, gleichsam „verbotenes“ erotisches Interesse der Frau am schwarzen Manne.
Betrachtet man es aus dieser Perspektive, wird die Aussage von KING KONG gleich noch perfider, denn so gesehen, stellen schwarze Männer einfach eine Bedrohung für weiße Frauen dar, gleich, ob die sie begehren oder nicht. Daß Frauen jedoch Verfügungsobjekte seien, stellt der Film grundsätzlich nie in Frage. Die entscheidende Frage in diesem Kontext ist also, wer über die Frau verfügen darf?
Die Sicht auf Ann Darrow teilen Denham, Kong und der Film selbst. Zwar gibt das Drehbuch auch Ann Darrow gute Einzeiler – wofür vornehmlich wohl Ruth Rose verantwortlich gezeichnet haben dürfte – , doch bleibt sie dem Zuschauer letztlich als schreiende Frau in Erinnerung, die von einem fremden Wesen (sexuell) begehrt und entführt und von (weißen) Männern gerettet wird. Doch schon die Haltung, mit der Denham sie rekrutiert, stellt den rein männlichen Blick des Films aus. Während das Schiff bereits abfahrbereit am Dock liegt, zieht er los und sucht nach seiner Hauptdarstellerin. Er sucht zunächst unter Huren, stößt durch Zufall auf Ann Darrow und bietet ihr unumwunden an, sein Star zu werden. Doch so, wie er agiert – und wie Robert Armstrong es spielt – lässt er keinen Zweifel daran aufkommen, daß er sie allein Kraft seiner Autorität als Regisseur wird überzeugen können. So wird auch zwischen dem weißen Mann und der weißen Frau eine natürliche – im Sinne des Films also hierarchische – Ordnung etabliert.
Was bleibt
Was also bleibt von einem Film, den viele der heute um die 50jährigen überhaupt zum ersten Mal im Fernsehen gesehen haben dürften, wo er auf die damals 5- oder 6jährigen einen tiefen Eindruck hinterlassen haben mag? Eine Kindheitserinnerung, ein prägendes Erlebnis. Was aber bleibt von einem Film, den man bedingungslos bewundert hat, wenn man, mit zunehmenden Bewußtsein, begreift, daß es ein zwiespältiges Vergnügen ist, das hier geboten wird.
Filmhistorisch ist die Frage zweifelsfrei zu beantworten und es wurde im ersten Teil dieses Textes ja auch genauer beschrieben, welch immensen Einfluß KING KONG tricktechnisch hatte. Es ist ein Monsterfilm, ein Abenteuerfilm und vor allem ein Horrorfilm, dem es gelingt, wirklich unheimlich zu sein. Ein Film, der mit tiefsitzenden Ängsten spielt und dem es ein diebisches Vergnügen bereitet, sein Publikum mitzunehmen in bis dato nicht gesehene Phantasiewelten. Ein Film, dem man die Lust an dem, was er zeigt, ansieht, dem man die Liebe zum Detail ansieht und wie viel Spaß es den Machern einst bereitet haben muß, sich Möglichkeiten auszudenken, um den Zuschauer zu bannen.
Es ist aber eben auch ein Film, der seine Zeit reflektiert, ihre Ängste, ihre Ressentiments. Ein Film, der so eben auch als Spiegel seiner Zeit funktioniert und diese vielleicht deutlicher als andere ausstellt. Vielleicht tut er dies – und kann es auch – weil er sich gänzlich einer phantastischen Welt widmet, womit er durchgehend von den tieferliegenden Implikationen ablenken kann. So spielerisch der Film auch heute noch wirkt, so offensichtlich bedient er eine bestimmte Sicht auf die Welt und den Menschen, bzw. die Ordnung, in der die Menschen stehen. Und somit propagiert KING KONG eben auch ein Welt- und Menschenbild, das, symbolisch gesprochen, sehr gut in die Welt von 1933 passte. Aspekte wie diesen kann man fast neunzig Jahre, nachdem der Film erstmals das Licht der Leinwände erblickte, weder ignorieren, noch herunterspielen.
Und doch bleibt KING KONG eben auch ein „unschuldiger“ Film, an dem sich hervorragend die These beschreiben lässt, die eingangs dieses Texts aufgestellt wurde. Die These, daß auch einem auf Reproduztierbarkeit beruhenden Kunstwerk jene Aura anhaften kann, der „Zauber des Anfangs“, des „ersten Mals“. Ein unschuldiger Film insofern, als daß er seine Schauwerte und dahinter auch seine Ideologie, unbefangen – und ein wenig unbedarft – ausstellt und sich an sich selbst erfreut. Denn gleich, wie viel Mühe – kreativer wie technischer Art – in jeden Monsterfilm danach gelegt worden sein mag, keiner dieser Filme hat diese Aura oder erreicht die Intensität, die KING KONG aufweist.
Die Wirkmächtigkeit zeigt sich natürlich allein daran, daß die Figur nicht nur in den Kanon der halbmythologischen Wesen eingegangen ist, sondern auch daran, daß sie nach wie vor fasziniert und weitere Verwendung im Kino findet. Seien es die Auftritte des Riesenaffen in den japanischen Monsterfilmen der 50er, 60er und 70er Jahre, seien es die Versuche, Kong in Hollywood zu reanimieren – es gab mit THE SON OF KING KONG (1933) einen schnellen Nachfolger, der wahrscheinlich vor allem den kommerziellen Erfolg abschöpfen sollte; MIGHTY JOE YOUNG (1949) spielte zumindest mit Motiven aus KING KONG – , seien es die Neuverfilmungen 1976 und 2005 oder die Tatsache, daß Jacksons Film die Figur des Kong für weitere Interpretationen wieder verwendungsfähig machte, Kong war nie vergessen und drang tief ins kulturelle Unterbewußtsein ein. In jüngerer Zeit hatte er Auftritte in KONG: SKULL ISLAND (2017) und in GODZILLA VS. KONG (2021) – zwar eine amerikanische Produktion, jedoch greift der Film auf die Ideen der japanischen Monsterfilme zurück, die gern verschiedene Ungeheuer kombinierten und aufeinander losließen.
Und doch – KING KONG ist und bleibt in seiner Machart einzigartig und damit ist er natürlich ein Meilenstein des Kinos, gleich, wie man seine moralischen Aspekte beurteilt. Es bleibt wahrscheinlich. Wie William K. Everson konstatiert, der „größte Monsterfilm aller Zeiten“[9].
[1] Vgl. Everson, William K.: KLASSIKER DES HORRORFILMS. München, 1980; S. 110f.
[2] Lederle, Josef: KING KONG UND DIE WEISSE FRAU in: FILMGENRES HORRORFILM. Stuttgart 2004; S. 105-111.
[3] Vgl. Everson, S.106.
[4] Aster, Christian von: HORRORLEXIKON. VON ADDAMSFAMILY BIS ZOMBIEWORLD. DIE MOTIVE DES SCHRECKENS IN FILM UND LITERATUR. Berlin, 1999; Köln, 2001. S.195.
[5] Vgl. Everson, S. 110f.
[6] Vgl. Seeßlen, Georg; Weil, Claudius: KINO DES PHANTASTISCHEN. GESCHICHTE UND MYTHOLOGIE DES HORRORFILMS. Reinbek bei Hamburg, 1980; S.61f.
[7] Seeßlen/Weil; S.61ff.
[8] Seeßlen/Weil; S.70ff.
[9] Everson; S.108.